Wie lassen sich Unterschiede in der Effektivität der Sicherheitsgewährleistung in Räumen extrem begrenzter Staatlichkeit erklären?



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Transkript:

Teilprojekt C10 Alternativen zu staatlicher Sicherheitsproduktion in Räumen extrem begrenzter Staatlichkeit (Zentralafrikanische Republik und Südsudan) 1 Projektleitung Prof. Dr. Andreas Mehler GIGA Institut für Afrika-Studien, Direktor GIGA Berlin-Büro Friedrichstr. 206 10969 Berlin 2 Zusammenfassung Deutsch Wie lassen sich Unterschiede in der Effektivität der Sicherheitsgewährleistung in Räumen extrem begrenzter Staatlichkeit erklären? Lokale Arenen der Sicherheitsproduktion im Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik werden aus der Mikroperspektive heraus untersucht. Das Teilprojekt C10 Mehler gibt dadurch Einblicke in typische Situationen in staatsferne Gebiete, erklärt wie in lokalen Arenen Sicherheit produziert wird und welche Policy-Implikationen hieraus entstehen. Ziel des Forschungsprojekts ist es festzustellen, warum in einigen Räumen stark begrenzter Staatlichkeit effektive Sicherheit wirksamer erbracht wird als in anderen. Englisch Why do some areas of limited statehood produce security while others are fraught with persistent insecurity? The research project C10 Mehler focuses on areas where state presence is limited and where other local and external non-state actors are involved in providing security to citizens. By developing a micro-perspective on local arenas of security provision in South Sudan and the Central African Republic, the project seeks to understand what explains the differences in effective security provision in areas where statehood is limited. The research provides insights into how security is provided to citizens in peripheral areas of the two countries, which allows for a comparison of underlying causes of security and for an assessment of needed policy adjustments.

Teilprojekt C10 (Mehler) 2 2 Projektbeschreibung Das Teilprojekt C10 Mehler versucht, die unterschiedliche Effektivität der Sicherheitsgewährleistung in Räumen extrem begrenzter Staatlichkeit zu erklären genauer: in lokalen Arenen der Sicherheitsproduktion im Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik (ZAR). Der Blickwinkel ist eine Mikroperspektive von unten. Es sollen exemplarische Aussagen zu (1) lokalen Arenen der Sicherheitsproduktion, (2) typischen Situationen in den staatsfernsten Gebieten und (3) Policy-Implikationen getroffen werden. Das Projekt C10 Mehler prüft vergleichend die folgenden Faktoren auf ihre Bedeutung für Sicherheit: unterschiedlich stark institutionalisierte Akteurskonstellationen, An-/Abwesenheit externer Akteure des state-building, Sozialkapital/ soziale Integration der Lokalbevölkerung, nationalstaatliche Politiken (Herrschaftsanspruch) und die sozialräumliche Distanz zur Hauptstadt. In einschlägigen Indikatorenlisten zu Staatlichkeit rangieren die benachbarten Staaten ZAR und Südsudan (jüngster United Nations (UN)- Mitgliedsstaat) ganz unten. In beide Staaten sind internationale Truppen entsandt, die Teil der lokalen Konstellation von Akteuren auf dem Sicherheitsmarkt werden und den Druck zur Legitimierung jeglicher Sicherheits-Governance für nationalstaatliche, lokale und auch internationale Akteure erhöhen. Vor Ort gibt es Selbsthilfeinitiativen und modern bewaffnete Rebellenbewegungen, die teilweise lokale Wurzeln und Legitimität haben. Diese treffen in den lokalen Arenen auf weitere Akteure vereinzelte Vertreter der Administration und (in der Regel schwache) Sicherheitskräfte des Rumpfstaates, aber auch Geheimgesellschaften und kriminelle Vereinigungen. Wie effektiv und von wem in dieser Gemengelage Sicherheit hergestellt wird soll empirisch geprüft werden. Lokale Situationen können sich allerdings trotz Gemeinsamkeiten in der zentralen nationalen Kontextbedingung (extrem begrenzte Staatlichkeit) erheblich unterscheiden, insbesondere im Hinblick auf originäre Problemlagen und Akteurskonstellationen (oligopolistische bis polypolistische Gewaltkontrolle, Einbezug internationaler Akteure, Restbedeutung des Rumpfstaats ). Das Projekt überprüft einige der im SFB 700 diskutierten Erklärungsfaktoren zur Effektivität von Governance, nämlich den Institutionalisierungsgrad von Governance-Konstellationen und ihre Anpassungsfähigkeit, die Interaktion formaler und informeller Institutionen, das relative Gewicht des Reststaates und die funktionalen Äquivalenten zum Schatten der Hierarchie. Wenn es hier starke Variationen bei ähnlichen nationalen Kontexten geben sollte, dann muss überprüft werden, ob es Entwicklungspfade oder Standardlösungen für Räume begrenzter Staatlichkeit allgemein oder doch eher für bestimmte lokale Konstellationen und Konditionen geben kann. 3 Forschungsziele und Leitfragen Das institutionelle Design der Governance-Konstellation ist im Kontext extrem begrenzter Staatlichkeit im Wesentlichen gleichzusetzen mit ihrer ansatzweisen Formalisierung durch Absprachen. Insbesondere wird gefragt, ob bestimmte lokale Akteurskonstellationen effektiver als andere Sicherheitsgewährleistung befördern. Hier geht es um die Anzahl der relevanten Akteure, die relative Machtverteilung (Symmetrien/Asymmetrien), die Kooperations- und Konfliktorientierung untereinander, Absprachen/Kommunikation und die Bedeutung von nur temporär

Teilprojekt C10 (Mehler) 3 anwesenden internationalen Akteuren (insb. peacekeeper) in lokalen Arenen. Diese Konstellationen werden im lokalen Kontext auf ihre Stichhaltigkeit geprüft und gegebenenfalls modifiziert. Darüber hinaus fragen wir, ob bestimmte Kontextbedingungen (zum Teil als Gelegenheitsstrukturen) identifiziert werden können, die Formen, Effektivität und Legitimität lokaler Sicherheitsproduktion beeinflussen: relative (ethnische, religiöse, soziale) Homogenität der Lokalbevölkerung (Annahme: höherer Grad des sozialen Vertrauens), sozialräumliche Distanz von der Hauptstadt (Annahme: sinkende Erwartungen gegenüber dem Rumpfstaat und zunehmende Wirkungslosigkeit seiner Rhetorik über die Bereitstellung öffentlicher Güter = ausbleibender Schatten der Hierarchie ), Herrschaftsansprüche der Zentralregierung (Annahme: größere Neigung zu hierarchischer Steuerung auch in der Peripherie) massive versus fehlende Präsenz von Agenturen des internationalen state building (Annahme: stärkere Erwartungshaltung, dass Dienstleistungen extern/zentral erbracht werden, geringe lokale Eigenanstrengungen). Die genannten Einflussfaktoren will das Teilprojekt mithilfe eines qualitativ vergleichenden Ansatzes untersuchen: Wir analysieren sechs lokale Räume extrem begrenzter Staatlichkeit in zwei Ländern, die auf unterschiedlichem Wege formale Souveränität erlangt haben (Entlassung in die Unabhängigkeit 1960 und anschließend weitgehender Verzicht auf Penetration des Hinterlandes [ZAR] versus erkämpfte Sezession 2011 [Südsudan]). Die Nachbarschaft der beiden Staaten bringt es mit sich, dass wir naturräumliche und kulturelle Ähnlichkeiten voraussetzen dürfen, insbesondere in voraussichtlich vier Arenen (zwei in Südsudan, zwei in der ZAR), die der zande-kultur zugehören. Eine letztlich untergeordnete Vergleichsebene die zwischen den beiden Staaten betrifft also die Unterschiede in der Staatswerdung und fokussiert auf die jeweils nationalen Rahmenbedingungen (Kontextbedingung: Herrschaftsanspruch der Zentralregierung in der Peripherie). Wichtiger jedoch ist die Vergleichsebene zwischen allen sechs lokalen Arenen der Sicherheitsproduktion, wobei neben der genannten Gemeinsamkeit auch Varianz in den Kontextbedingungen angestrebt wird (in der sozialräumlichen Distanz zum staatlichen Zentrum, in der relativen sozialen Homogenität der Bevölkerung, in der Präsenz internationaler Akteure insbesondere peacekeeper). Ferner interessiert sich das Teilprojekt C10 Mehler für die Policy-Implikationen von Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit: Lassen sich verallgemeinerungsfähige Aussagen darüber treffen, in welchen Fällen Alternativen zum Staat effektivere Governance-Leistungen erbringen? Unter welchen Umständen ist Ignorieren, Akzeptieren, Kooperieren (und ggf. Zertifizieren ) oder Bekämpfen dieser Alternativen sinnvoll, wenn (1) die Optimierung lokaler Governance oder (2) die Eindämmung globaler Sicherheitsbedrohung im Vordergrund stehen? Hypothesen Das erste Set zu prüfender Hypothesen verbindet die im Forschungsstand aufgeworfenen Zusammenhänge zwischen Akteurskonstellationen und Sicherheits-Governance. Hypothese 1: Akteurskonstellationen/Institutionalisierung: (1a) Eine hierarchisierte Form der Handlungskoordination im Sinne eines Gewaltoligopols mit dominantem Marktführer ist anderen Konstellationen im Hinblick auf die Effektivität der Sicherheits-Governance überlegen.

Teilprojekt C10 (Mehler) 4 (1b) Internationale peacekeeper können nur dann temporär effektiv Sicherheit gewährleisten, wenn sie selbst dominant in der Akteurskonstellation sind oder mit dem dominanten Akteur intensiv kooperieren. (1c) Besonders volatil ist lokale Sicherheitsgewährleistung bei ungeklärtem relativem Machtanspruch zwischen den wesentlichen Gewaltakteuren, zu denen internationale peacekeeper und Spezialtruppen ebenso gehören wie lokale Vertreter des Zentralstaates. Die lokalen Arenen unterscheiden sich erheblich im Hinblick auf die Zusammensetzung der Bevölkerung. Hypothese 2: Soziale Homogenität/Sozialkapital (2) Ethnische/religiöse/soziale Homogenität sind wichtige Voraussetzungen von Vertrauen/ Sozialkapital auf lokaler Ebene. Die Effektivität alternativer lokaler Sicherheitsproduktion variiert mit sozialer Homogenität/Heterogenität. Aber auch die Stellung der lokalen Arena zur nationalen polity kann erheblichen Einfluss auf Akteurskonstellationen und Motivationen haben. Hypothese 3: (Sozial)räumliche Distanz (3) Die staatliche Aufgabenerfüllung in der Sicherheitsgewährleistung variiert mit der sozialräumlichen Distanz der Untersuchungsregionen von der Hauptstadt (abnehmender Schatten der Hierarchie ); Kernfunktionen werden in einem engeren Perimeter um die Hauptstadt erfüllt. Parallel dazu verbessert sich das lokale Selbstmanagement in zunehmender sozialräumlicher Distanz zur Hauptstadt/zu nationalen Entscheidungszentren. Methoden Im Vordergrund stehen die Forschungen vor Ort, die aus einem Mix qualitativer Methoden bestehen: Fokusgruppendiskussionen, actor mapping, Eliteninterviews und (zeitlich begrenzte) nicht-teilnehmende Beobachtung. Die bislang überschaubare Menge an gedruckten Primärquellen und Sekundärliteratur zu beiden Staaten wird für den Zeitraum 2003/2005-2013 ausgewertet, d.h. für ZAR seit Beginn der Ära Bozizé, für den Südsudan seit dem Comprehensive Peace Agreement (2005). Die Analyseeinheit ist die lokale Arena der Sicherheitsproduktion. Die relevanten sozialen (und politischen) Akteure in Räumen begrenzter Staatlichkeit sind: (1) direkt involvierte Sicherheitsakteure (die auch behaupten, Sicherheit aufrechtzuerhalten) wie etwa Staatsorgane, insbesondere Polizei und Armee sowie ggf. internationale peacekeeper, aber auch gemeinschaftliche Organisationen wie Geheimgesellschaften, vigilantes oder nachbarschaftliche Sicherheitskomitees, private Akteure wie kommerzielle Sicherheitsdienste sowie auch Rebellenorganisationen; (2) kriminelle Vereinigungen (die zwar Sicherheit gefährden, gleichzeitig aber auch mafiaähnlich Protektion organisieren) und Partei-Jugendorganisationen (mit sehr ähnlichen Attributionen);

Teilprojekt C10 (Mehler) 5 (3) administrative und politische Führungsgestalten (die sich in die Verhandlungen der vorgenannten Akteure einschalten). Bewohner einer Lokalität bilden mitunter sicherheitsbezogene Interessengruppen und können so aktive Teilnehmer in einer lokalen Sicherheitsarena werden. Der Arena-Begriff verdeutlicht im Unterschied zum sozialen Raum, dass hier benennbare Akteure um Einfluss/Macht konkurrieren. Der relationale Aspekt, der für die Definition sozialer Räume entscheidend ist, wird durch ein geographisches Zentrum der Arena identifiziert, das empirisch entweder (1) das administrative Zentrum mit seinen Kerneinrichtungen ist von administrativen Gebäuden über Markt, Basisinfrastruktur bis hin zu einem Luftlandeplatz, oder (2) eine wichtige Produktionsstätte (z.b. für Diamanten, Öl etc.). Die Kontrolle dieses räumlich gebundenen Zentrums einer Arena ist das Schlüsselinteresse der wichtigsten lokalen Akteure. Sicherheit in diesem eng umgrenzten Territorium ist von besonderem Interesse auch für die Lokalbevölkerung, zumal sie wenigstens ein Minimum an Dienstleistungen und ökonomischen Chancen genau dort erwarten kann. Operationalisierung von Effektivität der Sicherheitsgewährleistung Unter Effektivität von Sicherheitsgewährleistung verstehen wir, die problemlösungsorientierte Bereitstellung von kollektiven Gütern im Bereich Sicherheit [ ]. Wir folgen der Unterscheidung von Output, Outcome und Impact in der Messung von Effektivität als abhängiger Variable. Wir wollen Output mit einer begrenzten Anzahl von Indikatoren messen: Anzahl von eingesetztem Sicherheitspersonal, Anzahl von Patrouillen, Anzahl von Verhaftungen (jeweils per identifiziertem Sicherheitsakteur und total, jeweils bezogen auf Fläche und Lokalbevölkerung). Hierzu werden wir Angaben der Akteure selbst mit denen von Fokusgruppen sowie unserem eigenen standardisierten Ereignisprotokoll (event log) vergleichen und gegebenenfalls mitteln. Wir wollen Outcome anhand zweier weiterer Indikatoren messen: Anzahl von gewaltsamen Todesfällen, Anzahl von Akten schwerer Kriminalität (voraussichtlich weiter differenziert nach den lokal häufigsten Phänomenen). Sicherheitsperzeptionen seitens der lokalen Bevölkerung werden im Vordergrund der Messung von Impact stehen und im Wesentlichen während der Fokusgruppen-Diskussionen ermittelt. Eigenwahrnehmungen der Sicherheitsakteure, insbesondere auch von peacekeepern (wo vorhanden) werden hierzu in Bezug gesetzt, um einen möglichst objektiven Wert (von sehr sicher bis sehr unsicher ) analytisch zu setzen. Dynamische Veränderungen in der Effektivität der Sicherheitsgewährleistung werden wir über das fortgesetzte chronologische recording durch lokale Forschungsassistenten festhalten (sog. event log, mindestens für Output- und Outcome-Dimensionen möglich). In die Befragungen vor Ort (Eliteninterviews und Fokusgruppendiskussionen) werden wir eine zeitliche Dimension einbauen.

Teilprojekt C10 (Mehler) 6 Operationalisierung der erklärenden Variablen Die lokalen Akteurskonstellationen werden mithilfe von actor mapping während der Fokusgruppendiskussionen ermittelt und durch nicht-teilnehmende Beobachtung sowie Eliteninterviews hier insbesondere die Aspekte beginnender Institutionalisierung (also Absprachen, Kommunikation) überprüft. Die relative soziale Homogenität der lokalen Bevölkerung kann nur tentativ mittels des verfügbaren statistischen Materials ermittelt werden. Auch hier sind Befragungen vor Ort wichtig, insbesondere zu ethnischer und religiöser Zusammensetzung. Nationalstaatliche Rahmenbedingungen (Herrschaftsansprüche und reale Politiken) werden zunächst über das Literaturstudium und die Auswertung verfügbarer Diskurse ermittelt und in Eliteninterviews insbesondere mit lokalen Staatsvertretern überprüft. Begründung der Länderauswahl Beide Staaten sind Extremfälle begrenzter Staatlichkeit, aber mit einem Hauptunterschied: Die Regierung in Bangui (ZAR) sowie die kolonialen Behörden zuvor hatten nie großes Interesse daran gezeigt, das Hinterland zu regieren und dort neue Formen des Soziallebens herbeizuführen. Vertrauen und Solidarität wären die Voraussetzung von größeren Gemeinschaftsprojekten gewesen, solche entwickelten aber nie soziale Wurzeln in einem historisch als Fanggebiet für Sklav/inn/en fungierenden Raum (Lombard 2012a). Im Unterschied dazu versucht die Regierung in Juba (Südsudan), Autorität zu zentralisieren, stößt dabei aber auf lokale Widerstände (bis hin zu Autonomiebestrebungen). Ein Land zeichnet sich also dadurch aus, dass es kaum ernsthafte Bestrebungen zum state building gab, das andere dadurch, dass es derzeit aktiv seine Beziehungen mit regionalen und lokalen Autoritäten aushandelt (gleichzeitig auch international). Wir erwarten daher auch tendenziell Unterschiede im Hinblick auf die unabhängige Variable in Hypothese 1 (1a, 1c): die lokale Governance-Konstellation sollte im Südsudan stärkere staatliche Vertreter aufweisen als in der ZAR, da es dort zumindest Versuche der Sudan People s Liberation Army (SPLA)/Sudan People s Liberation Movement (SPLM) gibt, dominanter Marktführer in lokalen Gewaltoligopolen der Peripherie zu sein. Die Gemeinsamkeiten hingegen sind offensichtlich: Beide Staaten erlebten in den letzten Jahrzehnten und erleben weiterhin heftige gewaltförmige Konflikte. Jüngst entzündeten diese sich um die jeweilige Hoheit über den Zentralstaat mit jedoch gegenläufigen Dynamiken. In der ZAR erkämpfte eine lose Allianz peripherer Rebellengruppen die Seleka kurzfristig die zentrale Regierungsmacht bevor sie im Januar 2014 von ad hoc gebildeten Milizen den anti-balaka wieder vertrieben wurden. Im Südsudan wurde eine Gruppe, angeführt von Vizepresident Riek Maschar, aus der Zentralmacht ausgeschlossen und bekämpft seitdem die verbleibende zentrale Regierung aus der Peripherie heraus. Begründung der Fallauswahl: lokale Arenen Wie oben schon begründet, können wir aus der Ferne nicht nach der abhängigen Variable auswählen, da zu wenige Daten zur Effektivität von Sicherheitsgewährleistung vorliegen. Daher sind wir zunächst daran interessiert, in beiden Staaten Varianz bei den unabhängigen Variablen

Teilprojekt C10 (Mehler) 7 herzustellen. Dies sollte im Hinblick auf Akteurskonstellationen weitgehend möglich sein, insbesondere in der Frage, ob internationale peacekeeper lokal stationiert sind, ehemalige Rebellenbewegungen im Rahmen von Friedensarrangements örtlich fixiert wurden und ob bedeutsame Selbsthilfegruppen (arrow boys, archers) von sich reden machen. Wir haben gleichfalls hinreichende Informationen zur ethnischen Spaltung sowie zur (sozial-) räumlichen Entfernung, um eine vorläufige Auswahl zu motivieren.