Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule Ausgewählte Forschungsbefunde

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Transkript:

Der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule Ausgewählte Forschungsbefunde Jürgen Baumert Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin Landesfachtagung des IQSH Kiel, 18.6.2013

Überblick (1) Der Übergang: Herausforderung oder Bedrohung? (2) Auswirkungen der Verteilungsmaßnahme auf die individuelle Entwicklung: Leistung, Selbstkonzept und Lernmotivation (3) Sozialstrukturelle Auswirkungen der Verteilung: Soziale und ethnische Benachteiligung beim Übergang in die Sekundarstufe I 2

Primäre Datengrundlage 1. Übergangsstudie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (2006-2009) 2. BERLIN-Studie: Replikation der Übergangsstudie im zweigliedrigen Schulsystem (2010-2017) 3

Übergangsstudie (1) Ziel: Rekonstruktion der Übergangsentscheidung in der Interaktion zwischen Schule uns Elternhaus (2) Realisierung: Nutzung der Stichprobe von TIMSS- Grundschule 2007 (Kooperation mit Bos et al.) (3) Längsschnitt für Eltern und Schüler: Herbst 2006 Herbst 2008 (4) Nutzung der Deutschtests zur Erprobung der Standards: Hören, Lesen, Sprachgebrauch, Orthographie 4

Erleben des Übergangs Herausforderung oder Bedrohung? 5

Der Übergang ist ein normatives kritisches Lebensereignis, dessen Bewältigung als Herausforderung und/oder als Bedrohung aufgefasst werden kann. 6

Erleben des Übergangs Herausforderung oder Bedrohung? 4 3,5 3 2,5 2 1,5 1 7

Regulation des Erlebens durch: (1) individuelle Ressourcen und (2) elterliche Unterstützung mit ambivalenter Wirkung 8

Auswirkungen der Verteilungsmaßnahme auf die individuelle Entwicklung: Leistungsentwicklung 9

Leistungsentwicklung im Fach Mathematik von der 7. bis zur 10. Jahrgangsstufe Quelle: Köller & Baumert, 2001, 2002; Baumert, Stanat & Watermann, 2006 10

Leistungsentwicklung im Fach Englisch von der 7. bis zur 10. Jahrgangsstufe Quelle: Köller & Baumert, 2001, 2002; Baumert, Stanat & Watermann, 2006 11

Wodurch kommen die unterschiedlichen Lernzuwächse zu Stande? 1. Unterschiede in den individuellen Lernvoraussetzungen führen zu unterschiedlichen individuellen Lernraten. 2. Kompositionseffekte, die sich aus der unterschiedlichen leistungsmäßigen, sozialen und kulturellen Zusammensetzung der Schülerschaft ergeben 3. Institutionelle Unterschiede in Form unterschiedlicher Unterrichtskulturen und schulformspezifischer Traditionen der Lehrerbildung 12

Mathematikleistungen am Ende der 10. Klasse unter Kontrolle von Eingangsvoraussetzungen in Klasse 7 Leistungswert 200 190 180 170 160 150 140 130 120 110 100 90 100 100 Jahrgangsstufe 7 Schuljahr 1991/92, Herbst 1991 191,0 191.0 170,5 170.5 156.0 156,0 140,7 140.7 Klasse 7 Klasse 10 d= 0.66 SD d=1.7 SD Jahrgangsstufe 10 Schuljahr 1994/95, Frühjahr 1995 Hauptschule Gesamtschule Realschule Gymnasium 13

Zwischenresümé 1. Die Verteilung auf unterschiedliche Schulformen ist eine Verteilung auf unterschiedliche Entwicklungsmilieus. 2. Der Verteilungsprozess ist statusabhängig (primäre und sekundäre Effekte der Sozialschicht). 3. Dies führt zu einer kumulativen Verstärkung primärer sozialer Herkunftseffekte, die zu unterschiedlichen Nutzungschancen späterer Opportunitäten führen. 14

Auswirkungen der Verteilungsmaßnahme auf die individuelle Entwicklung: Akademisches Selbstkonzept 15

Selbstbezogene Kognitionen werden durch Vergleichsprozesse reguliert 1. Kriteriale Vergleiche 2. Soziale Vergleiche 3. Ipsative diachronische Vergleiche 4. Ipsative dimensionale Vergleiche Entwicklung vom Optimismus zum Realismus 16

Entwicklung des akademischen Selbstkonzepts 3,9 3,7 3,5 3,3 3,1 2,9 Gymnasium Realschule IGS Hauptschule 2,7 2,5 Ende 4.Klasse Mitte 5.Klasse Anfang 6.Klasse 17

Auswirkungen der Verteilungsmaßnahme auf die individuelle Entwicklung: Intrinsische Lernmotivation 18

Lernmotivation/Interesse werden durch Grundbedürfnisse (basic needs) und Vergleichsprozesse reguliert 1. Erleben von Kompetenz 2. Erleben von Autonomie 3. Erleben von sozialer Einbindung 4. 1.-3. werden von Vergleichsprozessen beeinflusst 19

Entwicklung der Lernmotivation 3,5 3,3 3,1 2,9 2,7 2,5 Gymnasium Realschule IGS Hauptschule 2,3 2,1 Ende 4.Klasse Mitte 5.Klasse Anfang 6.Klasse 20

Sozialstrukturelle Auswirkungen der Verteilungsmaßnahme: Soziale und ethnische Benachteiligung beim Übergang in die Sekundarstufe

Prozent Soziale Disparitäten der Bildungsbeteiligung 15-Jährige nach Sozialschichtzugehörigkeit und Bildungsgang 60 50 Lowest track/vocational education Pre-academic track Hauptschule/Berufsschule Gymnasium 40 30 20 10 0 Obere Dienstklasse Quelle: Baumert & Schümer, 2001 Untere Routine- Dienstklasse dienstleistungen Selbständige Soziale Klasse (EGP) Facharbeiter Un- und angelernte Arbeiter 22

Leseleistung Soziale Disparitäten des Kompetenzerwerbs Sozialer Gradient der Lesekompetenz, 2000 580 560 540 520 500 480 Deutschland Finnland Niederlande Schweden USA 460 440 420 Quelle: Baumert & Schümer, 2001 1 2 Sozialschicht (HISEI z-standardisiert) 23

Wo entsteht soziale Ungleichheit? Außerhalb des Bildungssystem? Innerhalb einer Institution des Bildungssystems? An Bildungsübergängen durch Empfehlungen und Entscheidungen? Zwischen institutionalisierten Bildungsprogrammen durch differenzielle Lern- und Entwicklungsmilieus? 24

Boudons Modell primärer und sekundärer Disparitäten der Bildungsbeteiligung Ressourcen der sozialen Herkunft Ökonomisches Kapital Kulturelles Kapital Soziales Kapital Primäre Herkunftseffekte Schulische Performanz Bildungsentscheidungen (z.b. Schulformwahl am Ende der Grundschulzeit) Sekundäre Herkunftseffekte Bildungsentscheidung Kosten- und Nutzenkalkulation 25

Aspirationen, Empfehlungen und Übergang (in Prozent) Schulform Wunsch Erwartete Empfehlung Tatsächliche Empfehlung Übergang Mittlerer SES bei Übergang (SD=15,0) Gymnasium 57,1 43,9 41,8 43,4 56,6 Realschule 29,4 40,9 28,8 30,5 46,0 Hauptschule 3,4 10,2 24,1 15,3 40,1 MBG 10,1 4,9 3,9 10,4 46,0 26

Primäre Herkunftseffekte Sekundäre Herkunftseffekte Strukturmodell der Herkunftseffekte Handlungs- Motive der Eltern Bewertungs- Grundlagen der Lehrer Sozialer Hintergrund Noten Empfehlung Übergang Objektive Schulleistungen Rsqu=.74 Schülerbeurteilungen Schülerverhalten 27

Identifikation primärer Herkunftseffekte Soziale Herkunft (SES) EMPF ÜBER TEST NOTE 28

Identifikation sekundärer Herkunftseffekte Soziale Herkunft (SES) EMPF ÜBER TEST NOTE 29

Prozent SES EMPF ÜBER TEST NOTE 80 70 60 Primärer Effekt Sekundärer Effekt 50 40 30 20 10 0 Leistungsbeurteilung Laufbahnbeurteilung Übergangsverhalten 30

Prozent SES EMPF ÜBER TEST NOTE 80 70 60 Primärer Effekt Sekundärer Effekt 50 40 30 20 10 0 Leistungsbeurteilung Laufbahnbeurteilung Übergangsverhalten 31

Prozent SES EMPF ÜBER TEST NOTE 80 70 60 Primärer Effekt Sekundärer Effekt 50 40 30 20 10 0 Leistungsbeurteilung Laufbahnbeurteilung Übergangsverhalten 32

Zerlegung der erklärten Varianz des Übergangsverhaltens 1. 2. 3. 33

Zerlegung des sozialen Herkunftseffekts (in Prozent) Sekundärer Effekt, Inkrementeller Anteil; 27 Primärer Effekt über die Noten; 23 Sekundärer Effekt über die Empfehlung; 18 Primärer Effekt über die Empfehlung; 18 Sekundärer Effekt über die Noten; 14 34

Resümé I 1. Der Übergang ist primär ein leistungsbasierter Verteilungsprozess. 2. Primäre und sekundäre Effekte der sozialen Herkunft führen am Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen zu sozialen Disparitäten der Bildungsbeteiligung. 3. Die sekundären Disparitäten werden am Übergang durch die sozialschichtabhängigen Entscheidungen der Eltern verstärkt. 35

Übergang von Kindern mit Migrationshintergrund 36

Spezifische Benachteilung von Kindern mit Migrationshintergrund? Forschungsbefunde belegen, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund geringere Chancen des Übergangs auf ein Gymnasium haben als Kinder ohne Migrationshintergrund. Sind die niedrigeren Übergangsquoten auf spezifische Merkmale des Migrationshintergrundes, auf Merkmale der sozialen Herkunft und/oder auf Leistungsunterschiede zurückzuführen? Die Übergangsstudie ermöglicht eine differenzierte Analyse von unterschiedlichen Migrantengruppen (die größte Gruppen sind (Spät-)Aussiedler und türkischstämmige Kinder). 37

Logistische Regression des Übergangs zum Gymnasium auf Migrationshintergrund, sozioökonomischen Status (SES), Schulleistung (Test und Noten) und Empfehlung. Ohne Kontrolle von Kovariaten (Spät-)Aussiedler türk. Migrationsh. Kontrolle SES Kontrolle Schulleistung Kontrolle SES und Schulleistung Kontrolle SES, Schulleistung und Empfehlung 0,0 1,0 2,0 3,0 4,0 5,0 Referenzgruppe: Schülerinnen und Schüler ohne Migrationshintergrund Odds Ratios 38

Resümé II Substanzielle Unterschiede beim Übergang zwischen Schülerinnen und Schülern mit und ohne Migrationshintergrund Diese lassen sich zum größten Teil durch den sozioökonomischen Hintergrund erklären. Unter Berücksichtung der Schulleistungen ergibt sich insbesondere für türkischstämmige Kinder eine höhere Chance für einen Übergang auf das Gymnasium. Die Ursachen für die niedrigere Bildungsbeteiligung an Gymnasien von Kindern mit Migrationshintergrund liegt vor dem Übergang und ist weniger auf den Übergangsprozess selbst zurückzuführen. 39

Klassenkontext, Noten und Übergangsempfehlung 40

Noten, Schulformpräferenzen und Übergangsempfehlungen sind kontextabhängig: 1. Bei gleichen individuellen Voraussetzungen verschlechtern sich bei steigendem Leistungsniveau der Klasse a. die Noten und b. die Chancen eine Gymnasialempfehlung zu erhalten. 2. Bei gleichen individuellen Voraussetzungen verbessern sich bei steigendem Bildungsniveau der Eltern einer Klasse a. die Noten und b. die Chancen eine Gymnasialempfehlung zu erhalten. 3. Der 1. Effekt ist deutlich stärker. 41

Vielen Dank! 42

Verbindlichkeit der Übergangsempfehlung und der Wechsel in die Sekundarstufe I 43

Bindungscharakter der Übergangsempfehlung in den untersuchten Bundesländern bindend Baden-Württemberg Bayern Nordrhein-Westfalen Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt nicht bindend Bremen Hamburg Hessen Niedersachsen Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein Thüringen 44

Fragestellungen/Hypothesen 1a) Liegt keine Gymnasialempfehlung vor, tendieren sozial begünstigte Familien eher dazu, ihr Kind dennoch auf das Gymnasium zu schicken. 1b) Bei hoher Bindekraft der Empfehlung ist dieser Zusammenhang schwächer ausgeprägt. 2a) Liegt eine Empfehlung für das Gymnasium vor, setzen sozial weniger begünstigte Familien diese seltener um. 2b) Hierauf hat der Verbindlichkeitsgrad der Empfehlung keinen Einfluss. 45

70,0 60,0 Verteilung der Übergangsempfehlung und des Übergangs nach Empfehlungsstatus Empfehlung 57,0 61,0 70 60 Übergang 58,4 53,2 50,0 40,0 43,0 39,0 50 40 41,6 46,8 30,0 30 20,0 20 10,0 10 0,0 bindend nicht bindend 0 bindend nicht bindend Gymnasium Nicht-Gymnasium 46

Wahrscheinlichkeit, auf das Gymnasium zu wechseln, in Abhängigkeit von der erhaltenen Empfehlung, dem Empfehlungsstatus und der sozialen Herkunft (HISEI) 47

Resümé III 1. In Ländern mit hoher Verbindlichkeit der Empfehlung ist der Übergang zum Gymnasium niedriger, obwohl die Empfehlungspraxis der Grundschulen liberaler ist. 2. In diesen Ländern wird von der Gymnasialempfehlung weniger Gebrauch gemacht. Die Nutzung ist sozialschichtabhängig. 3. In Ländern mit geringer Verbindlichkeit der Empfehlung schicken Eltern höherer Sozialschicht ihre Kinder auch ohne Empfehlung häufiger zum Gymnasium. 4. Zwei unterschiedliche Mechanismen verstärken soziale Disparitäten: (a) Sozialschichtabhängige Nichtnutzung der Gymnasialempfehlung (b) Sozialschichtabhängiger Übergang zum Gymnasium ohne Empfehlung Effekt (b) tritt in Ländern mit niedriger Verbindlichkeit der Empfehlung stärker auf. 48

Vielen Dank! 49

Wert-Erwartungsmodelle 50

Wert-Erwartungsmodell der Bildungsentscheidung Ressourcen der Herkunft Sozialschicht Bildung (Abitur) Migrationsstatus Bildungsnorm der Referenzgruppe Bildungswert: Erträge und Kosten Wert des Abschlusses Wert von Bildung Beruflicher Nutzen Statuserhalt Kosten Bildungsentscheidung Schulleistung und Arbeitsverhalten Noten Empfehlung/Beratung Erfolgserwartung Realisierungschancen Kontrollmöglichkeiten 51

Wert-Erwartungsmodell der Bildungsentscheidung Ressourcen der Herkunft Sozialschicht Bildung (Abitur) Migrationsstatus Bildungsnorm der Referenzgruppe Bildungswert: Erträge und Kosten Wert des Abschlusses Wert von Bildung Beruflicher Nutzen Statuserhalt Kosten R 2.31 Bildungsentscheidung Schulleistung und Arbeitsverhalten Noten Empfehlung/Beratung Erfolgserwartung Realisierungschancen Kontrollmöglichkeiten 52

Wert-Erwartungsmodell der Bildungsentscheidung Ressourcen der Herkunft Sozialschicht Bildung (Abitur) Migrationsstatus Bildungsnorm der Referenzgruppe Bildungswert: Erträge und Kosten Wert des Abschlusses Wert von Bildung Beruflicher Nutzen Statuserhalt Kosten Bildungsentscheidung Schulleistung und Arbeitsverhalten Noten Empfehlung/Beratung Erfolgserwartung Realisierungschancen Kontrollmöglichkeiten R 2.61 53

Wert-Erwartungsmodell der Bildungsentscheidung Ressourcen der Herkunft Sozialschicht Bildung (Abitur) Migrationsstatus Bildungsnorm der Referenzgruppe Bildungswert: Erträge und Kosten Wert des Abschlusses Wert von Bildung Beruflicher Nutzen Statuserhalt Kosten R 2.66 Bildungsentscheidung Schulleistung und Arbeitsverhalten Noten Empfehlung/Beratung Erfolgserwartung Realisierungschancen Kontrollmöglichkeiten 54

Wert-Erwartungsmodell der Bildungsentscheidung Ressourcen der Herkunft Sozialschicht Bildung (Abitur) Migrationsstatus Bildungsnorm der Referenzgruppe Bildungswert: Erträge und Kosten Wert des Abschlusses Wert von Bildung Beruflicher Nutzen Statuserhalt Kosten Bildungsentscheidung Schulleistung und Arbeitsverhalten Noten Empfehlung/Beratung Erfolgserwartung Realisierungschancen Kontrollmöglichkeiten R 2.54 55

Wert-Erwartungsmodell der Bildungsentscheidung Ressourcen der Herkunft Sozialschicht Bildung (Abitur) Migrationsstatus Bildungsnorm der Referenzgruppe Bildungswert: Erträge und Kosten Wert des Abschlusses Wert von Bildung Beruflicher Nutzen Statuserhalt Kosten Bildungsentscheidung Schulleistung und Arbeitsverhalten Noten Empfehlung/Beratung Erfolgserwartung Realisierungschancen Kontrollmöglichkeiten R 2.59 56

Wert-Erwartungsmodell der Bildungsentscheidung Ressourcen der Herkunft Sozialschicht Bildung (Abitur) Migrationsstatus Bildungsnorm der Referenzgruppe Bildungswert: Erträge und Kosten Wert des Abschlusses Wert von Bildung Beruflicher Nutzen Statuserhalt Kosten R 2.70 Bildungsentscheidung Schulleistung und Arbeitsverhalten Noten Empfehlung/Beratung Erfolgserwartung Realisierungschancen Kontrollmöglichkeiten 57

Wert-Erwartungsmodell der Bildungsentscheidung Ressourcen der Herkunft Sozialschicht Bildung (Abitur) Migrationsstatus Bildungsnorm der Referenzgruppe Bildungswert: Erträge und Kosten Wert des Abschlusses Wert von Bildung Beruflicher Nutzen Statuserhalt Kosten Bildungsentscheidung Schulleistung und Arbeitsverhalten Noten Empfehlung/Beratung Erfolgserwartung Realisierungschancen Kontrollmöglichkeiten R 2.71 58

Vielen Dank! 59

Wert-Erwartungsmodell der Bildungsentscheidung Ressourcen der sozialen Herkunft Ökonomisches Kapital Kulturelles Kapital Soziales Kapital Erfolgserwartung Beurteilung Realisierungschancen Bildungsentscheidung Schulische Leistung des Kindes Kosten und Erträge der Bildungsalternative monetäre u. nichtmonetäre Kosten Statuserhaltsmotiv genereller Wert von Bildung Ausbildungs- und Berufschancen 60

Erweitertes Wert-Erwartungsmodell von Eccles 61

62

Leistungsentwicklung im Fach Mathematik von der 7. bis zur 10. Jahrgangsstufe Quelle: Köller & Baumert, 2001, 2002; Baumert, Stanat & Watermann, 2006 63

Leistungsentwicklung im Fach Englisch von der 7. bis zur 10. Jahrgangsstufe Quelle: Köller & Baumert, 2001, 2002; Baumert, Stanat & Watermann, 2006 64

Wodurch kommen die unterschiedlichen Lernzuwächse zu Stande? 1. Unterschiede in den individuellen Lernvoraussetzungen führen zu unterschiedlichen individuellen Lernraten. 2. Kompositionseffekte, die sich aus der unterschiedlichen leistungsmäßigen, sozialen und kulturellen Zusammensetzung der Schülerschaft ergeben 3. Institutionelle Unterschiede in Form unterschiedlicher Unterrichtskulturen und schulformspezifischer Traditionen der Lehrerbildung 65

Mathematikleistungen am Ende der 10. Klasse unter Kontrolle von Eingangsvoraussetzungen in Klasse 7 Leistungswert 200 190 180 170 160 150 140 130 120 110 100 90 100 100 Jahrgangsstufe 7 Schuljahr 1991/92, Herbst 1991 191,0 191.0 170,5 170.5 156.0 156,0 140,7 140.7 Klasse 7 Klasse 10 d= 0.66 SD d=1.7 SD Jahrgangsstufe 10 Schuljahr 1994/95, Frühjahr 1995 Hauptschule Gesamtschule Realschule Gymnasium 66

Zwischenresümé IV 1. Die Verteilung auf unterschiedliche Schulformen ist eine Verteilung auf unterschiedliche Entwicklungsmilieus. 2. Der Verteilungsprozess ist statusabhängig (primäre und sekundäre Effekte der Sozialschicht). 3. Dies führt zu einer kumulativen Verstärkung primärer sozialer Herkunftseffekte, die zu unterschiedlichen Nutzungschancen späterer Opportunitäten führen. 67

Die Gretchenfrage: Erlauben diese Befunde wissenschaftliche Rückschlüsse auf die Überlegenheit eines nicht differenzierten Systems? 68

Verteilung von Gewinnen oder Verlusten? Y (a) Deskriptiver Befund Y (b) Differenzielle Lernraten in Abhängigkeit vom Vorwissen Y (c) Ein Gewinner, kein Verlierer T=1 (1) (2) (3) (Übergang) Y (d) Zwei Gewinner mit unterschiedlichen Beträgen (1) (2) (3) (Übergang) Y (e) Ein Gewinner, ein Verlierer (1) (2) (3) (Übergang) Y (f) Zwei Verlierer mit unterschiedlichen Beträgen T=2 T=2 T=2 T=1 T=1 T=1 (1) (2) (3) (Übergang) (1) (2) (3) (Übergang) Zeit (1) (2) (3) (Übergang) Zeit 69

Die Gretchenfrage: Sie bleibt wie im Faust unbeantwortet. 70

Wie geht es im Lebenslauf weiter? Deine Herkunft begleitet dich mit schwächer werdender Wirkung im Lebenslauf. 71

Vielen Dank! 72

Bucharest Early Intervention Project (BEIP) Randomized allocation of home children to foster parents Reference group: Children born in the same hospitals Assessments of cognitive development at 42 and 54 months Master sample (N = 208) Home (N = 68) Foster care (N = 68) Reference group (N = 72) 73

0 20 40 60 80 100 0 20 40 60 80 100 Effect of Intervention BSID (42 months) BSID (42 Monate) Intelligence Intelligenz (54 Monate) months) Home Heim Foster Pflege Vergleichsgruppe Reference Home Foster Reference Care Group Care Group Heim Pflege Vergleichsgruppe d =.62 d =.47 74

Heckman s Reanalysis of the Perry Preschool Program 75