Forschung für die zivile Sicherheit. Schutz und Rettung von Menschen



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Transkript:

Forschung für die zivile Sicherheit Schutz und Rettung von Menschen

Impressum Herausgeber Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Referat Sicherheitsforschung 53170 Bonn Bestellungen Schriftlich an den Herausgeber Postfach 30 02 35 53182 Bonn oder per Tel.: 01805-262 302 Fax: 01805-262 303 (0,14 Euro/Min. aus dem deutschen Festnetz) E-Mail: books@bmbf.bund.de Internet: http://www.bund.de Redaktion Dr. Andreas Hoffknecht, Simone Kies VDI Technologiezentrum GmbH, Düsseldorf Gestaltung ecosense media & communication Druckerei Bonifatius GmbH, Paderborn Bonn, Berlin 2009 (veränderter Nachdruck 2010) Bildnachweis fotolia (Titel: bilderbox, S. 3 unten: O. Tuffé, S. 3 rechts: D. Bignolet, S. 4: Maria P., S. 5: Identass GmbH & Co.KG, Gießen, S. 6: schweitzer-degen, S. 7: Bayerisches Rotes Kreuz, S. 8: bilderbox, S. 9 oben: H. Soehngen, S. 9 unten: K. Gruber); S. 2: Vladimir Rys/Getty Images

Forschung für die zivile Sicherheit Schutz und Rettung von Menschen

FORSCHUNG FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT Vorworte Der Erfolg unserer exportorientierten Wirtschaft ist ohne den freien Informations-, Personen- und Warenverkehr undenkbar. Sichere Energie- und Verkehrsnetze, Internet und Telekommunikation, Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung sind die Lebensnerven unserer hochgradig vernetzten Gesellschaft. Mit einer hohen Bevölkerungsdichte und einer hochtechnologischen Infrastruktur ist Deutschland aber immer neuen Bedrohungen ausgesetzt. Die Sicherheitsrisiken haben sich gewandelt. Trotz robuster Technik sind die Versorgungsnetze schon durch kleine Störungen verwundbar: Die globale Mobilität erleichtert die Verbreitung von Gefahren und erschwert ihre Bekämpfung. Naturkatastrophen und technische Unfälle, aber auch Terrorismus, Kriminalität und Sabotage können in einer immer enger zusammenwachsenden Welt große Schäden verursachen. Wenn es zur Katastrophe kommt, sind hochentwickelte Technologien und optimierte Managementsysteme erforderlich, um die Krisensituation zu bewältigen. Mit dem Programm Forschung für die zivile Sicherheit investiert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Hightech-Strategie bis zum Jahr 2010 rund 123 Millionen Euro in die Sicherheitsforschung. Ziel ist die Entwicklung von Innovationen, die mehr Sicherheit bieten, ohne die Kultur der Freiheit in Deutschland zu beeinträchtigen. Die Akteure der Forschungsprojekte stellen sich der Aufgabe, die besten Ideen aus Wissenschaft und Forschung aufzugreifen und in innovative Sicherheitslösungen zu integrieren. Es ist entscheidend, die gesamte Innovationskette von der Forschung über die Industrie bis zu staatlichen oder privatwirtschaftlichen Endnutzern einzubeziehen. Innovation meint dabei aber nicht nur technische Neuerungen, sondern beinhaltet auch innovative organisatorische Konzepte und Handlungsstrategien. Interdisziplinäre Projekte mit Beteiligung der Geistes- und Sozialwissenschaften, Wissenstransfer in die Öffentlichkeit, Begleitforschung zu kritischen Fragen und Transparenz sind in der Sicherheitsforschung Voraussetzungen für den Erfolg. Die einzelnen Projekte des Programms werden im Rahmen einer Veröffentlichungsreihe vorgestellt. Die vorliegende Broschüre gibt einen Überblick der Forschungsarbeiten zur Entwicklung von Sicherheitslösungen und Konzepten für die Rettung und den Schutz von Menschen. Neben der Bewältigung von Schadensereignissen durch zeitnahe wie effiziente Einleitung von Rettungs- und Sicherheitsmaßnahmen sowie der wirksamen Notfallversorgung vor Ort schließt das vor allem auch die Krisenprävention ein. Diese Forschungsergebnisse sind die Grundlage, um zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land den Sicherheitsstandard zu erhöhen. Prof. Dr. Annette Schavan, MdB Bundesministerin für Bildung und Forschung

VORWORTE Menschenansammlungen in öffentlichen Räumen, ob bei Konzerten, Messen und Fußballspielen oder in alltäglichen Situationen wie im Berufsverkehr, stellen Schutz- und Rettungskräfte im Fall von Anschlägen, Großunfällen sowie Naturkatastrophen vor besondere Herausforderungen. Schlagartig können viele Personen gefährdet sein. Nun gilt es, die Lage vor Ort schnell zu erfassen und dabei ebenso das oft schwierig einzuschätzende Verhalten der betroffenen Menschen zu berücksichtigen. Umso dringlicher ist es, frühzeitig Störungen und Gefahrenmomente erkennen zu können, um im Krisenfall zeitnah und effizient Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen einzuleiten und eine wirksame Notfallversorgung vor Ort sicherzustellen. Dazu sind innovative Technologien, neue situationsangepasste Handlungsstrategien sowie vernetzte Organisationsformen hervorragend geeignet, die möglichen katastrophalen Folgen entweder bereits im Vorfeld verhindern helfen oder zumindest auf ein Minimum begrenzen. Der Wissenschaftliche Programmausschuss begrüßt, dass sich innerhalb des Sicherheitsforschungsprogramms ein eigener Schwerpunkt mit dem Schutz und der Rettung von Menschen befasst. Dabei werden komplexe Szenarien aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln untersucht, die sich unter anderem mit der Beherrschung von Großveranstaltungen und den damit verbundenen enormen Anforderungen für Rettungswesen und Katastrophenschutz auseinandersetzen. Durch das gemeinsame Betrachten der Technologien, Handlungsstrategien und Organisationsformen können in den Verbundprojekten ganzheitliche Lösungen entwickelt werden, die den Schutz des Menschen vom Betroffenen bis hin zur Einsatzkraft in den Mittelpunkt rücken. Zentrale Forschungsthemen sind die Schaffung intelligenter Kommunikations- und Informationssysteme für Rettungskräfte, die notwendige Entwicklung moderner Evakuierungskonzepte sowie die Erarbeitung verbesserter Maßnahmen zur Rettung und Versorgung von Verletzten. Der Wissenschaftliche Programmausschuss setzt große Hoffnungen in die Innovationsplattform Schutz und Rettung von Menschen, die den Forschungsschwerpunkt begleiten wird. Sie bietet allen beteiligten Akteuren ein Forum, den künftigen Forschungsbedarf mitzugestalten und Prozesse für eine erfolgreiche wie rasche Umsetzung der Ergebnisse in die Praxis auszuloten. Dr. Karsten Michael Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Leiter Forschung, Technik, gesundheitlicher Bevölkerungsschutz Mitglied Wissenschaftlicher Programmausschuss Sicherheitsforschung

FORSCHUNG FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT

INHALT Inhalt VORWORTE INHALT INNOVATIONEN FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT: SCHUTZ UND RETTUNG VON MENSCHEN 2 Bedeutung des Forschungsthemas 2 Schutz und Rettung von Menschen im Programm Forschung für die zivile Sicherheit 3 Relevante Forschungsthemen zum Schutz und zur Rettung von Menschen 4 VERBUNDPROJEKTE UND AKTEURE AUF EINEN BLICK 8 ALARM 10 e-triage 12 EVA 14 EvaSim 16 GenoPlan 18 Hermes 20 LAGE 22 MANET 24 Pri-Kats 26 REPKA 28 SECURITY2People 30 SiKomm 32 SOGRO 34 SoKNOS 36 SpeedUp 38 SPIDER 40 VoTeKK 42 GLOSSAR 44

2 FORSCHUNG FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT Innovationen für die zivile Sicherheit: Schutz und Rettung von Menschen Die Ursachen für Großschadensereignisse mögen vielfältig sein Terroranschläge, Naturkatastrophen, Unfälle, eines hat jedoch stets oberste Priorität: der Schutz und die Rettung der betroffenen Menschen. Deutschland verfügt über ein umfassendes Netz von Schutz- und Rettungskräften. Hierzu zählen sowohl Behörden und Einrichtungen auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene (wie Technisches Hilfswerk, Polizei, Feuerwehr) als auch private Organisationen (unter anderem Deutsches Rotes Kreuz). Ihre Funktionen sind mannigfaltig und reichen von der Sicherheitskonzeption und personellen Begleitung von Großveranstaltungen bis hin zur Rettung und Bergung von Personen im Katastrophenfall. Ihre Arbeit schützt Leben und ist für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Sicherheit der Bevölkerung unerlässlich. Die zivile Sicherheitsforschung unterstützt die Entwicklung von innovativen Strategien und Konzepten zum präventiven als auch reaktiven Katastrophenmanagement sowie zur Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Organisationen. Bedeutung des Forschungsthemas Vor dem Hintergrund terroristischer Bedrohungen aber auch zunehmender Wetterextreme sind Ka tas trophenszenarien stärker in den Fokus des gesellschaftlichen Interesses gerückt. Zu den neuralgischen Punkten für gezielte Anschläge zählen neben Verkehrsinfrastrukturen auch die Schauplätze von Großveranstaltungen. Schadens ereignisse dieser Kategorie stellen eine enorme einsatztechnische Herausforderung für die Schutz- und Rettungskräfte dar. Neben der Früherkennung von Gefahren und der Entwicklung von Präventivmaßnahmen ist die Erarbeitung von innovativen Krisenmanagementstrategien entscheidend. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Generierung und Optimierung von Notfallplänen und Schulungskonzepten für Ein satzleitungen und Rettungskräfte, mit innovativen Kommunikationsstrategien sowie mit der Er forschung menschlichen Verhaltens. Was passiert zum Beispiel im Falle einer Massenpanik? Welche Schritte sind von wem einzuleiten? Denn unabhängig davon, ob ein terroristischer Anschlag, eine

INNOVATIONEN FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT: SCHUTZ UND RETTUNG VON MENSCHEN 3 Naturkatastrophe oder ein Großunfall Auslöser für einen Großeinsatz sind: Es handelt sich stets um ein Geflecht aus komplexen Handlungsabläufen, das die Zusammenarbeit verschiedener Einsatzkräfte und Behörden verlangt. Hierzu müssen im Sinne eines integrierten Krisenmanagements neben umfassenden Rettungsstrategien auch neue Technologien zur besseren Einsatzfähigkeit und Vernetzung der beteiligten Organisationen entwickelt werden. Die vorliegende Broschüre Forschung für die zivile Sicherheit Schutz und Rettung von Menschen stellt 17 Projekte und die beteiligten Akteure vor, die mit einer Gesamtsumme von rund 49 Millionen Euro gefördert werden. Mit der Förderung der hier präsentierten Projekte verfolgt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Ziel, innovative Sicherheitslösungen auf dem Gebiet des Schutzes und der Rettung von Menschen voranzutreiben. Damit sollen sowohl eine verbesserte Frühwarnung als auch ein optimiertes Management von Krisenbewältigungsstrategien möglich sein. Schutz und Rettung von Menschen im Programm Forschung für die zivile Sicherheit Im Mittelpunkt des Programms Forschung für die zivile Sicherheit, das die Bundesregierung am 24. Januar 2007 als Bestandteil der Hightech-Strategie für Deutschland beschlossen hat, steht die Verbesserung des Schutzes der Bürgerinnen und Bürger. Das Ziel ist, gesellschaftlichen Bedrohungen durch Terrorismus, organisierte Kriminalität, Naturkatastrophen oder technische Großunfälle entgegenzuwirken. Charakteristisch für das Programm ist das anwendungsorientierte Arbeiten innerhalb der Projekte durch Einbeziehung der gesamten Innovationskette von der Forschung über die Industrie bis hin zu den Endnutzern. Neben staatlichen Behör - den und Organisationen zählen dazu im Forschungsfeld Schutz und Rettung von Menschen zum Beispiel auch die Betreibergesellschaften von Veranstaltungsorten, die Feuerwehr, Krankenhäuser und das Deutsche Rote Kreuz. Ihre Erfahrungen sind für die angestrebten Innovationen gefragt.

4 FORSCHUNG FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT Euro. Die jährlichen Wachstumsraten sind hoch laut OECD liegen sie weltweit bei rund sieben Prozent pro Jahr. Integraler Bestandteil des Förderschwerpunktes Schutz und Rettung von Menschen ist die Einrichtung einer Innovationsplattform, die allen in den einzelnen Verbundprojekten beteiligten Forschungskonsortien, den jeweiligen Endnutzern und relevanten Akteursgruppen ein gemeinsames Forum bietet. Innovationsplattformen sind ein neues Instrument der Forschungsförderung im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung. Der Aufbau von Innovationsplattformen innerhalb des Sicherheitsforschungsprogramms wird gefördert, um eine Gesamtperspektive für den Innovationsprozess zu entwickeln. Ziel ist, den kontinuierlichen Dialog zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren zu erleichtern und ein Netzwerk aller Beteiligten zu schaffen. Unter dem Leitmotiv Von der Forschung aus vorausdenken ermöglicht das Forum den Akteuren, den künftigen Forschungsbedarf mitzugestalten und Prozesse für eine erfolgreiche wie rasche Umsetzung der Ergebnisse in die Praxis auszuloten. Sicherheit ist aber nicht allein durch die Entwicklung und den Einsatz von Technologien zu erreichen. Gerade im Zusammenhang mit der Entwicklung erfolgreicher Lösungen zum Schutz und zur Rettung von Menschen ist eine integrierte Betrachtung aller ethischen, juristischen und datenschutzrechtlichen Gesichtspunkte zwingend erforderlich. In die Forschung zu diesen gesellschaftlichen Fragestellungen eingebettet sind auch die Prüfung der Anforderungen an Ausbildung und Schulung der Rettungs- und Sicherheitskräfte sowie die Erarbeitung von Entscheidungshilfen für Behörden wie Einsatzkräfte. Weitere Aspekte sind hier Fragen der Sicherheitskommunikation und der Prioritätensetzung bei Großschadensereignissen. Die Förderung von Innovationen für den Schutz und die Rettung von Menschen eröffnet deutschen Unternehmen die Chance, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und an einem wachsenden Markt zu partizipieren. Allein im Jahr 2008 betrug in Deutschland laut einer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Auftrag gegebenen Studie das Marktvolumen sicherheitstechnischer Produkte und Dienstleistungen rund 20 Milliarden Relevante Forschungsthemen zum Schutz und zur Rettung von Menschen Die Maßnahmen, die zum Schutz und zur Rettung von Menschen bei Großschadensereignissen ergriffen werden, sind von vielerlei begleitenden Faktoren abhängig. Häufig ist entscheidend, auf welche Handlungskonzepte und technische Lösungen sowohl Entscheidungsträger als auch die Einsatzkräfte vor Ort zugreifen können. Ausschlaggebend sind zudem die Möglichkeiten zur Interaktion der unterschiedlichen Behörden und Organisationen, die mit Rettungsaufgaben betraut sind. Die in dieser Broschüre vorgestellten Projekte befassen sich mit der Optimierung der Effektivität von präventiven und reaktiven Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen sowie den damit verbundenen rechtlichen und psychologischen Aspekten.

INNOVATIONEN FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT: SCHUTZ UND RETTUNG VON MENSCHEN 5 Im Folgenden werden einige relevante Forschungsthemen dargestellt: Krisenmanagementstrategien Großschadensereignisse stellen eine immense Herausforderung dar nicht nur an die Einsatzkräfte vor Ort, sondern auch an die Verantwortlichen in den Leitstellen, hinter den Kulissen. Entscheidungsträger in den involvierten Behörden und Organisationen sowie am Einsatzort sehen sich unvermittelt vor Aufgaben gestellt, die weit über ihre Alltagsroutine hinausreichen. Zur Unterstützung ihrer Arbeit müssen die Strategien und Prozesse, auf die sie im Krisenfall zugreifen, weiterentwickelt und auch an bislang unbekannte Gefahrenlagen adaptiert werden. Dies schließt Notfallpläne genauso ein wie elektronische Kommunikations- und Informationssysteme oder auch ein proaktives Kommunikationsmanagement. Zudem erfordern die Anwendung neuer Technologien und Prozesse und die daraus resultierenden Rettungsmaßnahmen neue, interaktive Schulungsmethoden sowohl für die Verantwortlichen als auch für das Rettungspersonal. Übergreifende Strategien nehmen hier eine besondere Bedeutung ein, denn Schadensereignisse machen nicht an Grenzen halt. Notwendig für Katastropheneinsätze ist aber die Verzahnung und enge Abstimmung unterschiedlicher Behörden und Organisationen auch über die Grenzen der jeweiligen Bundesländer hinaus. Daher werden neben der Entwicklung von Strategien zur Prioritätenbildung bei Rettungsmaßnahmen auch Konzepte zur Optimierung der Koordination und Zusammenarbeit der verschiedenen Zuständigkeiten auf nationaler Ebene erarbeitet, um die Effektivität zukünftiger Einsätze zu steigern. Dabei werden auch Rechtsnormen mit Bezug zur Durchführung von Rettungsmaßnahmen hinterfragt. Kommunikation heißt im Katastrophenfall nicht nur Alarmierung und Informationsversorgung der beteiligten Einsatzkräfte. Auch die Öffentlichkeit ist im Fall einer Krisensituation aufzuklären, um Panikreaktionen in der Bevölkerung zu vermeiden und im heutigen Medienzeitalter wenn unmittelbar über Ereignisse berichtet wird den Informationsfluss proaktiv zu steuern. Informations- und Kommunikationsplattformen Zur Umsetzung der Strategien und Konzepte gerade im Hinblick auf die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organisationen und über örtliche Zuständigkeitsbereiche hinweg sollen im Forschungsthema Informations- und Kommunikationsplattformen in erster Linie IT-gestützte Lösungen für ein integriertes Krisenmanagementsystem erforscht werden. Datenbasierte Informations- und Kommunikationssysteme sind natürlich bereits im Einsatz, allerdings zumeist auf die jeweilige Organisation und ihre Bedürfnisse zugeschnitten: Ziel ist es, diese nebeneinander eingesetzten IT- Lösungen in ein miteinander agierendes System zu überführen. Übergreifend ist eine Vernetzung zu realisieren, um den kontinuierlichen Informationsfluss und -austausch zwischen den Rettungskräften sowie zwischen den zuständigen Einsatz- und Führungsebenen zu unterstützen. Derzeit nutzt jede Organisation ihre spezifischen Führungsmittel. Das Spektrum reicht dabei von papiergebundenen Arbeitspraktiken beispielsweise handschriftliche Notizen über den Zustand von Verletzten bis hin zu IT-basierten Unterstützungssystemen. Die angestrebten integrierten IT-Lösungen existieren bisher in dieser Form nicht. Daher erfolgen Koordination und Datenaustausch zwischen den einzelnen Organisationen immer noch in erster Linie über persönliche Absprachen oder den analogen Behördenfunk. Eine ressourcen-

6 FORSCHUNG FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT effiziente Zusammenarbeit der Einsatzkräfte vor Ort, den Stabs- und Leitstellen sowie den weiterversorgenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Kliniken, erfordert die Entwicklung elektronischer Krisenmanagementassistenten. Diese sollen in der Lage sein, sämtliche Daten und Informationen zeitnah an alle Beteiligten zu kommunizieren. Hierzu sollen Konzepte zur Schaffung einer modularen, interoperablen und serviceorientierten Architektur erarbeitet werden. Die gesammelten Informationen könnten maßgeblich zur Generierung von einheitlichen Lagebildern beitragen. Auf diese Weise wird zukünftig das Abstimmen von Handlungsstrategien zwischen den im Einsatzfall beteiligten Organisationen beschleunigt und vereinfacht. Verletztenversorgung Weniger die medizinische Versorgung von Verletzten wird hier in den Mittelpunkt gestellt als vielmehr organisatorische Optimierungsmöglichkeiten für die Bewältigung eines denkbaren Massenanfalls von Verletzten. Heute erfolgt die Kategorisierung der Verletzten noch manuell. Auf eine sogenannte Verletztenanhängekarte werden Angaben zu Person und Verletzungen des Patienten handschriftlich eingetragen. Die Entwicklung eines elektronischen Verletztenerfassungssystems zur Kennzeichnung gesichteter Patienten mit RFID-Chips würde die Überlebenschancen von Schwerverletzten erheblich steigern. Bei einem Großschadensereignis könnte dann die Einspeisung von für diesen Notfall relevanten Patientendaten in einen elektronischen Informationspool zur Steigerung der Effektivität von Rettungsmaßnahmen beitragen. Denn anhand der Auswertung der eingespeisten Informationen könnte sich die Einsatzleitung nicht nur rasch einen Überblick über die Verletztenlage verschaffen, sondern durch den Abgleich mit Kapazitätsangaben von Krankenhäusern und Rettungsdiensten eine optimale medizinische Versorgung der Patienten gewährleisten. Darüber hinaus werden innovative Lern- und Schulungsmethoden in Form von E-Learning-Plattformen entwickelt, die Ärzte und Rettungskräfte adäquat auf die Anforderungen von Katastrophenfällen vorbereiten sollen. Evakuierung Zu den zentralen Rettungsmaßnahmen nach Großunfällen oder Anschlägen zählt die Evakuierung von Menschenmassen aus Gebäuden beispielsweise aus Stadien nach Fußballspielen mit rund 40 000 Zuschauern. Die wachsende Größe und Komplexität von öffentlichen Gebäuden, wie Fußballstadien oder auch Großbahnhöfe, stellen im Katastrophenfall für die Rettungskräfte eine immense Herausforderung dar. Auch auf bislang in diesen Regionen nicht aufgetretene Naturkatastrophen wie Unwetter oder Überschwemmungen müssen Rettungskräfte reagieren können. Daher soll beispielsweise untersucht werden, wie die Daten eines Gebäudemanagementsystems zu Rauch- und Hitzeentwicklung, Feuerlöschern oder auch Notausgängen in den Evakuierungsprozess eingebunden werden können. Ziel ist dabei, diese Daten mit automatisierten Personenzählungen zu koppeln, um einfacher und schneller sinnvolle Fluchtwege ermitteln zu können und somit die Effektivität der Rettungsmaßnahmen zu steigern. Im Zuge der Entwicklung von entscheidungsunterstützenden Notfallplänen und Handlungsstrategien gerade auch für die übergreifende Zusammenarbeit mehrerer Behörden und Rettungsorganisationen ist eine Betrachtung der weiterführenden Fluchtwege, d.h. der regionalen Verkehrsinfrastrukturen, ebenfalls unerlässlich.

INNOVATIONEN FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT: SCHUTZ UND RETTUNG VON MENSCHEN 7 Die verschiedenen Rettungs- und Evakuierungsszenarien beinhalten zudem allesamt einen Faktor, der ganz erheblich den Erfolg der getroffenen Maßnahmen beeinflusst: den Faktor Mensch. Neben der Formulierung und Umsetzung neuer Schulungskonzepte für Rettungskräfte auf der einen Seite muss daher andererseits in erster Linie anhand von Simulationen und Modellierungen die soziale Dynamik von Personen erforscht werden: Was beeinflusst das Fluchtverhalten? Was führt zu nicht-kooperativem Verhalten an sogenannten Flaschenhälsen? Was begünstigt die Entstehung einer Massenpanik? Die Ergebnisse, also Antworten auf solche und ähnliche Forschungsfragen, sind Basis für die Entwicklung innovativer Verfahren zur Großveranstaltungen Das Zusammenkommen vieler Menschen an einem Ort birgt in sich ein hohes Risikopotenzial. Bereits kleine und sogar ungewollte Störungen können dann katastrophale Wirkungen haben. Zusätzlich gelten Menschenansammlungen wie die Love Parade oder auch Public Viewing während einer Fußball-WM als ein potenzielles Ziel für terroristische Anschläge. Trotzdem erfreuen sich solche Großveranstaltungen wachsender Beliebtheit. Immer häufiger sind ganze Städte im Ausnahmezustand. Daher müssen umfassendere Konzepte entwickelt werden, die den Verantwortlichen helfen, solche Veranstaltungen bereits unter Sicherheitsaspekten zu planen und mit Hilfe der Schutz- und Rettungskräfte möglichst störungsfrei durchzuführen. Gleichzeitig eignen sich Großveranstaltungen hervorragend als Forschungsszenarien. Zeit und Ort sind bekannt und die Planung damit verbunden das Testen neuer Konzepte und Strategien wird erleichtert. Hier werden die bereits vorgestellten Forschungsschwerpunkte zusammengeführt: Die Innovationen IT-Lösungen zur interinstitutionellen Zusammenarbeit, Umgang mit unkontrollierten Menschenmassen, Entfluchtung mittels neuen Leitsystemen werden also in ein Gesamtkonzept überführt. Personenstromlenkung im Krisenfall. Zusätzlich könnte der Einsatz von Kommunikationssystemen als Schutz- und Rettungsmittel (zum Beispiel die Nutzung von Mobiltelefonen zur Verbreitung von relevanten Informationen in der Bevölkerung) neue, effektivere Methoden zur Krisenkommunikation hervorbringen. Auf dieser Basis können Systeme und Handlungsstrategien für Schutz- und Rettungskräfte entwickelt werden, die die intelligente Steuerung eines Fluchtwegeleitsystems ermöglichen. Quellen: Forschung für die zivile Sicherheit Programm der Bundesregierung; Bundesministerium für Bildung und Forschung; Referat Öffentlichkeitsarbeit, 2007 Bekanntmachung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung von Richtlinien über die Förderung zum Themenfeld Schutz und Rettung von Menschen im Rahmen des Sicherheitsforschungsprogramms der Bundesregierung (http://www.bmbf.bund.de/foerderungen/10660.php) Marktpotenzial von Sicherheitstechnologien und Sicherheitsdienstleistungen; VDI/VDE Innovation + Technik GmbH, Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft e. V., 2008 OECD (http://www.oecd.org)

8 FORSCHUNG FÜR DIE ZIVILE SICHERHEIT Verbundprojekte und Akteure auf einen Blick Im Mittelpunkt der hier vorgestellten Forschungsvorhaben werden Szenarien betrachtet, bei denen beispielsweise durch Anschläge und Naturkatas trophen eine Vielzahl von Menschen verletzt oder gefährdet sind. Dabei stehen auch Alltagssituationen wie Großveranstaltungen im Blickpunkt, bei denen durch den Eintritt katastrophaler Ereignisse komplexe Krisensituationen bewältigt und schnelle Entscheidungen gefällt werden müssen: Welche Vorkehrungen sind bei einer Evakuierung zu treffen? Welche Systeme, Technologien und Einsatzkräfte können dabei unterstützen?

VERBUNDPROJEKTE UND AKTEURE AUF EINEN BLICK 9 Die Schwerpunkte der Förderung liegen neben der Früherkennung von Störungen und der wirksamen Krisenprävention vor allem in der Krisenbewältigung durch zeitnahe und effiziente Einleitung von Rettungs- und Sicherheitsmaßnahmen sowie der wirksamen Notfallversorgung vor Ort. Innerhalb der Verbundprojekte werden umfassende Konzepte zum Schutz und zur Rettung von Menschen mit eingebetteten Technologien, Handlungsstrategien und Organisationsformen entwickelt. Auf den folgenden Seiten präsentieren alle beteiligten Akteure in Kurzprofilen die Forschungsschwerpunkte, Motivation und Ziele sowie das Anwendungspotenzial der in den Verbundprojekten entwickelten Innovationen.

10 VERBUNDPROJEKTE UND AKTEURE AUF EINEN BLICK ALARM Unterstützung von Rettungskräften bei Großschadensereignissen durch neue Konzepte und innovative IT-Lösungen Sie gehören zu den ersten am Einsatzort und müssen sich einen Überblick über die Lage verschaffen: Im Katastrophenfall ist die enge Verzahnung aller Rettungskräfte entscheidend. IT-gestützte Kommunikationssysteme sollen dabei unterstützen (Quelle: Berliner Feuerwehr) Motivation Die Versorgung im Fall von Großschadensereignissen mit einem Massenanfall von Verletzten gestaltet sich aufgrund knapper Ressourcen und dem Mangel an zeitgerechten und präzisen Informationen oft als schwierig. Bei der Bewältigung solcher Schadenslagen erfahren medizinische und logistische Prozesse derzeit eine unzureichende kommunikations- und informationstechnische Unterstützung: Rettungskräfte verfügen über ungenügende Lageinformationen, Entscheidungsprozesse werden kaum dokumentiert. Zusätzlich ist die Qualität der medizinischen Versorgung der Verletzten von einer Vielzahl von Faktoren abhängig und derzeit nicht evaluierbar. Dies führt nicht zuletzt zu einer späten medizinischen Individualversorgung und erhöht die Gefahr einer Panikentwicklung innerhalb solcher Schadensszenarien. Szenario Das Unglück tritt ein und erste Meldungen landen in den Leitstellen von Polizei und Feuerwehr. Der weitere Verlauf: Die ersten Rettungskräfte am Schadensort erheben verfügbare Informationen zur Lage und geben diese telefonisch an die Leitstellen zurück. Eintreffende Notärzte gruppieren die Verletzten nach Behandlungspriorität (Triage). Das Ergebnis wird auf manuell ausgefüllten Verletztenanhängekarten festgehalten. Mögliche Gefahren eines solchen Szenarios sind mangelnder Informationsfluss und Probleme bei der Patientenversorgung. So gelangen ggf. viele Informationen nicht zum behandelnden Krankenhaus, wodurch eine Einschätzung der Verletzungen erschwert wird. Verschlechtert sich beispielsweise der Zustand eines Verletzten nach der Triage, bleibt dies eventuell zunächst unbemerkt. Werden mehr Ressourcen benötigt, fordern lokal eingerichtete Einsatzleitungen diese an. Sie erfahren aber unter Umständen nicht, ob und wann die zusätzlichen Ressourcen vor Ort eintreffen. Durch die nur unvollständig dokumentierten Prozesse wird die Möglichkeit, später aus den Entscheidungen und Abläufen zu lernen, sehr stark eingeschränkt. Projektbeschreibung und Ziele Ziel des Projektes ist der Aufbau einer integrativen ALARM-Diensteplattform, die die Kommunikation sowie die Informations- und Datenflüsse zwischen den Beteiligten darunter Einsatzkräfte vor Ort, Stabs- und Leitungsstellen, Kliniken sowie assoziierte Hilfs- und Rettungsdienste sichert und be schleunigt. Mittels dieser modular aufgebauten

ALARM 11 Plattform sollen folgende Maßgaben erfüllt werden: eine lückenlose elektronische Dokumentation und Kennzeichnung und die dynamische Ressourcenverwaltung der Rettungsmittel bis hin zu einer direkten telemedizinischen Betreuung von Patienten. Gesichert wird der Plattformbetrieb durch die redundante Verteilung der Plattformkomponenten auf ein lokales und strategisches Management und durch die Nutzung intelligenter Netzwerktechnologien selbst nach Schäden kritischer Infrastrukturen. Das zweite wesentliche Ziel des Projektes ist die Entwicklung geeigneter notfallmedizinischer Qualitätsindikatoren. Mit Hilfe der Indikatoren können die Effekte der IT-gestützten Triage und des Telemedizineinsatzes sowie der modifizierten Abläufe mess- und vergleichbar gemacht werden. Die Evaluierung der technischen und medizinischen Systeme unter dem Gesichtspunkt ihrer Nutzbarkeit in Stress- und Paniksituationen bilden den dritten Forschungsschwerpunkt. Projektbegleitend sollen die technischen Komponenten des neuen Systems und die entwickelten Konzepte in Simulationen und Übungen getestet sowie abschließend im Rahmen einer Großübung demonstriert und evaluiert werden. Innovationen und Anwendungen Projekttitel Adaptive Lösungsplattform zur aktiven technischen Unterstützung beim Retten von Menschenleben (ALARM) Laufzeit 01.02.2009 31.01.2012 Projektpartner Charité Universitätsmedizin Berlin -- Telemedizincentrum der Charité -- Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Condat AG, Berlin DAI-Labor der Technischen Universität Berlin Berliner Feuerwehr, Berlin PRIVAT-NERVEN-KLINIK Dr. med. Kurt Fontheim GmbH & Co. KG, Liebenburg TSI Telematic Solutions International GmbH, Berlin HiSolutions AG, Berlin Assoziierte Partner Der Polizeipräsident in Berlin Verbundkoordinator Dr. med. Martin Schultz Charité Universitätsmedizin Berlin Telemedizincentrum TMCC Charitéplatz 1 10117 Berlin Tel. +49 (0) 30 450 536-037 Fax +49 (0) 30 450 7 536-222 martin.schultz@charite.de Es soll ein übergreifendes Datenerfassungs- und -nutzungskonzept erarbeitet werden. Dieses Konzept wird den lokalen Rettungs- und Hilfskräften, den zentralen Führungsstrukturen sowie weiteren beteiligten Organisationseinheiten einen unverzüglichen und sicheren Zugriff auf die für den jeweiligen Nutzer notwendigen Informationen ermöglichen. Für die initiale Erfassung und Sichtung der Verletzten evaluieren die Projektpartner den Einsatz eines elektronischen, mobilen Triage-Systems hinsichtlich seines Nutzens. Weiterhin wird im Rahmen des Projektes erforscht, inwiefern das IT-gestützte Registrieren von Verletzten, die permanente elektronisch-digitale Verknüpfung des Patienten mit seinen Daten und das mobile Monitoring von Vitalparametern auch bei Großschadensereignissen durchführbar sind. Das würde eine individuelle medizinische Versorgung bereits in der Präklinik ermöglichen. Über das Einlesen digitaler Identifikationsmittel, wie der elektronischen Gesundheitskarte, ließen sich weitere relevante Daten erfassen, die der Anschlussversorgung im Krankenhaus oder auch dem Personenauskunftssystem dienen können. Geprüft wird auch der Aufbau einer lokalen Managementplattform, die im Fall eines Zusammenbruchs der Kommunikationsnetze den notwendigen Informationsfluss gewährleistet. Weitere Informationen: http://www.alarm-projekt.de

12 VERBUNDPROJEKTE UND AKTEURE AUF EINEN BLICK e-triage Elektronische Betroffenenerfassung in Katastrophenfällen Motivation Unglücksfälle in stark besiedelten Gebieten, bei Großveranstaltungen, beim Einsatz von Massenverkehrsmitteln oder in allen dicht mit Menschen besetzten öffentlichen Räumen erfordern ein besonders effektives Krisenmanagement. In solchen Fällen können die regulär verwendeten Rettungsmittel schlagartig nicht mehr ausreichen und es gilt, auf vorgehaltene Reserven zurückzugreifen. Auf der einen Seite brauchen Einsatzleitung und Rettungskräfte dann schnellstmöglich Informationen über Art und Anzahl von Verletzungen. Auf der anderen Seite muss auch der Weg der Betroffenen durch die verschiedenen Stationen innerhalb der Rettungskette nachverfolgbar sein. Szenario Bei einem Massenanfall von Verletzten (MANV) ist daher ein zeitnaher Situationsüberblick von entscheidender Bedeutung für den effektiven Einsatz von Rettungspersonal, Fahrzeugen und aufnehmenden Krankenhäusern. Die übliche Vorgehensweise ist, dass Sichtungsteams die Verletzten vor Ort klassifizieren (Triage) und nachfolgende Rettungskräfte anhand des Sichtungsergebnisses, in Form einer beschreibbaren Verletztenanhängekarte, die Behandlung und den Abtransport der Betroffenen priorisieren. Die zwangsläufig dezen tral ablaufende Sichtung und Erfassung von Betroffenen erschwert das Katastrophenmanagement erheblich, da die für die Einsatzleitung wichtigen Informationen an den Patienten selbst verbleiben. Nur durch aufwändiges Abschreiben können diese Daten in Papierform dupliziert werden. Eine weitere Gefahr kann in diesem Zusammenhang das zeitgleiche Ausfallen bzw. die Überlastung von Kommunikationsinfrastrukturen sein. Wichtige Informationen können dann verloren gehen. Projektbeschreibung und Ziele Einsatzleitung bei einer Katastrophenschutzübung. Deutlich sichtbar sind die durch verschiedene Farben dargestellten Sichtungskategorien und die auf Papier gepflegten Listen, die durch das e-triage-system abgelöst werden sollen (Quelle: e-triage) Zentrale Aufgabenstellung des Projektes ist die Konzeption und Umsetzung eines Systems für die elektronische Betroffenenerfassung, das insbesondere in größeren Katastrophenfällen, aber auch in Individualnotfällen eingesetzt werden kann. Das Ziel: Allen Personen, die an der Rettung bzw. Bergung, am Abtransport und an der Unterbringung der Betroffenen in Krankenhäusern und Unterkünften beteiligt sind, soll ein Kommunikations- und Datenbanksystem zur Verfügung stehen. Damit soll die Koordinierung dieser Vorgänge schnell, sicher und effizient durchgeführt werden und eine Dokumentation für spätere Einsatzanalysen automatisch erfolgen. Dabei besteht das e-triage-system aus einem satellitenbasierten Kommunikationssystem mit lokal installierbaren Funkzellen, angepassten Endgeräten mit Anwendungssoftware für die Betroffenenerfassung und einem verteilten, sich selbst synchronisierenden Datenbanksystem.

E-TRIAGE 13 Unfallort / Katastrophengebiet Führungsgruppe Katastrophenschutz Örtliche Einsatzleitung Sanitätseinsatzleitung Patienten Triage / Sichtung Informationsfluss Sprache oder Papier MANV Patientenablage Behandlungsplatz Transport Krankenhäuser Regulärer Rettungsdienst Kliniken der Schwerpunkt und Maximalversorgung Bisheriger schematischer Verlauf von Individualnotfällen bzw. Massenanfall von Verletzten (Quelle: e-triage) Innovationen und Anwendungen In diesem Forschungsvorhaben wird erstmalig die bisher noch in Papierform durchgeführte Betroffenenerfassung in ein stimmiges Gesamtkonzept überführt. Die Erfassung erfolgt elektronisch und unter Zuhilfenahme modernster Kommunikationsnetze und Datenbanksysteme. Die Voraussetzung für die Akzeptanz des e-triage-systems bei Einsatzkräften sind neben den technischen Aspekten vor allem psychologische Faktoren. Diese werden integriert im Forschungsvorhaben untersucht und durch die psychologische Begleitforschung erfasst. Insbesondere soll die präemptive Gestaltung von Technik, die den reduzierten kognitiven Fähigkeiten von unter starkem Stress stehenden Einsatzpersonal Rechnung trägt, untersucht werden. Denn im Mittelpunkt stehen Menschen, die entweder als Rettungskräfte aktiv oder als Verletzte versorgt werden. Beide Seiten müssen auf die eingesetzten Hilfsmittel vertrauen. Projekttitel Elektronische Betroffenenerfassung in Katastrophenfällen (e-triage) Laufzeit 01.06.2009 31.05.2012 Projektpartner Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt e. V., Weßling Euro-DMS Ltd., Olching Ludwig-Maximilians-Universität München, Departement Psychologie, München TriaGnoSys GmbH, Weßling Bayerisches Rotes Kreuz, Kreisverband Starnberg, Starnberg Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau, Murnau Landratsamt Starnberg, Fachbereich Verkehrswesen, Brand- und Katastrophenschutz, Starnberg Verbundkoordinator Anton Donner, Deutsches Zentrum für Luftund Raumfahrt e. V. (DLR), Institut für Kommunikation und Navigation Münchner Straße 20 82234 Weßling Tel. +49 (0) 8153 282-883 Fax +49 (0) 8153 282-844 anton.donner@dlr.de

14 VERBUNDPROJEKTE UND AKTEURE AUF EINEN BLICK EVA Risiko Großveranstaltungen Planung, Bewertung, EVAkuierung und Rettungskonzepte Motivation Großveranstaltungen sind bei der Bevölkerung sehr beliebt. Sie ziehen immer mehr Besucher an, die Ereignisse, wie Konzerte oder Fußballspiele, erleben und teilen wollen. Die Konsequenz ist, dass bei solchen Veranstaltungen viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen. Ohne Informationen über die zu erwartende Besucherzahl und das mögliche Besucherverhalten ist eine Kalkulation der Einsätze von Rettungskräften und somit die erfolgreiche Planung solcher Veranstaltungen kaum möglich. Schätzungen zufolge sind bei Veranstaltungen mit 100 000 Besuchern ca. 300 Personen zu versorgen, darunter sind 70 Personen, die transportiert werden müssen. Bei Ereignissen mit mehr als 200 Verletzten wird normalerweise von der Katastrophenschwelle gesprochen. Die Genauigkeit dieser Annahmen und der mögliche Einfluss einer sogenannten Zusatzlast Brand, Anschlag etc. sind unbekannte Größen. Szenario Wie die Love Parade in Dortmund 2008 zeigte, haben bereits einfache Maßnahmen wie ein Verbot von Gläsern erheblichen Einfluss auf die angenommene Zahl von Verletzten. Die Einflussfaktoren auf die Sicherheit der Besucher von Großveranstaltungen sind jedoch vielfältig. Planungsgrenzwerte wie zum Beispiel die maximale Anzahl von Personen, die an einem Veranstaltungsort verkraftet werden können sind nicht bekannt oder sie werden durch einen wissenschaftlich nicht begründeten Erfahrungsschatz entwickelt. Sicherlich sind 200 000 Besucher in einer mittelgroßen Stadt wie Münster anders zu bewerten als 1 000 000 Besucher in Essen. Was also ist eine kritische Großveranstaltung? Großveranstaltungen sind beliebt, aber gleichzeitig auch eine Herausforderung für alle Beteiligten, von Organisatoren über Sicherheitsdienst bis zu Feuerwehr und Polizei (Quelle: Mbdortmund@ commons.wikimedia.org)

EVA 15 Projektbeschreibung und Ziele gehört sowohl die Integration unterschiedlicher technischer Ausrüstung als auch von vielfältigen informationellen und kommunikativen Interaktionsformen. Schließlich sollen neue Schulungskonzepte für Rettungskräfte entworfen werden. Weitere Informationen: http://www.vfdb.de Projekttitel Risiko Großveranstaltungen Planung, Bewertung, EVAkuierung und Rettungskonzepte (EVA) Laufzeit 01.03.2009 28.02.2012 Bestimmung von Personendichten bei Großveranstaltungen (Quelle: Feuerwehr Dortmund) Der Schutz der Menschen bei Großveranstaltungen setzt fundierte Planungsgrundlagen für die Einsatzkräfte voraus. Hierfür sollen relevante Parameter bestimmt und analysiert werden, wie beispielsweise der anzunehmende Einfluss von Ort, Verkehrsinfrastruktur oder Zielgruppe der Veranstaltung. Anhand der Parameter werden Konzepte zur Planung, Bewertung, Evakuierung und Rettung interdisziplinär entwickelt und mittels Simulationen validiert. Dazu werden Erfahrungsberichte und zusätzliche Dokumentation (Video, Foto) über das Verhalten von Personen genutzt, um die Simulationsmodelle den realen Verhaltensweisen anzupassen. Ziel ist es schließlich, einen Katalog von Einflussfaktoren für kritische Großveranstaltungen zu erarbeiten, anhand dessen bestimmt werden kann, ob eine Veranstaltung der Größe X unter sicherheitstechnischen Gesichtspunkten nachweisbar in einer bestimmten Stadt durchgeführt werden kann. Innovationen und Anwendungen Mithilfe von Risikobewertungs- und Simulationswerkzeugen sowie Datenbanken werden in diesem Projekt Krisenmanagementkonzepte entwickelt, um die zeitnahe Einleitung von Rettungs- und Bekämpfungsmaßnahmen zu unterstützen. Dazu Projektpartner Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) e. V., Altenberge Universität Paderborn, Lehrstuhl Computeranwendung und Integration in Konstruktion und Planung (C.I.K.), Paderborn Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie (ICT), Pfinztal Institut für Feuerwehr- und Rettungstechnologie der Stadt Dortmund I.S.T. Integrierte Sicherheits-Technik GmbH, Frankfurt Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Sozialwissenschaften, Katastrophenforschung, Kiel VdS Schadenverhütung GmbH, Köln Weller & Herden Sportgerätebau GmbH, Aalen-Waldhausen Verbundkoordinator Dr. Dirk Oberhagemann vfdb e. V. / Referat 13 Auf dem Büld 23 59510 Lippetal Tel. +49 (0) 2923 65-191 Tel. +49 (0) 1577 1908-346 Fax +49 (0) 2505 99-136 info@vfdb.de

16 VERBUNDPROJEKTE UND AKTEURE AUF EINEN BLICK EvaSim Gekoppelte Verkehrs- und Hydrauliksimulation zur Steuerung von Verkehr bei Evakuierungsmaßnahmen Motivation Starke Regenfälle können nicht nur reißende Bäche, steigende Pegel großer Flüsse oder Dammbrüche zur Folge haben. Auch bewohnte Gebiete, die nicht in direkter Nachbarschaft zum Wasser liegen und vor allem Straßen bzw. Zufahrten können durch Überschwemmung in Folge starker Regenfälle be troffen sein. Mögliche Maßnahmen, um die Auswirkungen von potenziellen Überflutungsereignissen unterhalb von Talsperrenstandorten oder in Siedlungen und auf Verkehrswegen zu minimieren, sind aus verkehrstechnischer Sicht im Vorfeld zu treffen. Es gilt, zukünftige Siedlungsflächen und Verkehrswege im Hinblick auf solche Ereignisse angepasst zu planen. Zusätzliche Verkehrswege in geeigneter Lage können alternative Fluchtwege für existierende Siedlungen schaffen. Als Ergänzung ist die Entwicklung eines auf Evakuierungsszenarien basierenden Krisenmanagements zu sehen. Auf diese Weise können Bewohner wie Einsatzkräfte besser auf eine Notfallsituation vorbereitet werden. Wie kann die Sicherheit für bestehende besiedelte Bereiche, deren potenzielle Gefährdung nur unwesentlich durch eine angepasste Planung oder den Ausbau des Verkehrswegenetzes verbessert werden kann, gegen Überschwemmungskatastrophen erhöht werden? Das Verbundvorhaben setzt genau hier an und entwickelt geeignete Strategien und Planungswerkzeuge für eine optimierte Evakuierung. Szenario Ausgangspunkt der Simulation sind verschiedene Szenarien mit katastrophenartiger Überschwemmung besiedelter Bereiche, wie extremes Hochwasser, Deichbruch oder Talsperren(teil)versagen. Eine oberhalb einer Ortschaft gelegene Talsperre ist ein ausgewähltes erstes Pilotgebiet. In extremen Fällen, d.h. bei äußerst selten auftretenden meteorologischen Bedingungen, bei technischem Versagen oder auch bei absichtlich herbeigeführten Schäden am Sperrwerk, sind unbeherrschbare Abflusszustände denkbar. Die Folge könnte ein unkontrollierter Wasserausfluss aus dem Speichersee sein. Die Geometrie des Tales lässt dabei erwarten, dass sich eine Flutwelle mit großem Zerstörungspotenzial ausbilden kann. Das zweite Pilotgebiet ist relativ klein, aber alpin geprägt. Extreme Niederschläge können hier zu einem sehr schnellen Anstieg der Wasserstände und zu hohen Fließgeschwindigkeiten führen. Die Vorwarnzeiten werden hierdurch auf mitunter weniger als eine Stunde reduziert. Optimierung von Evakuierungsmaßnahmen bei extremen Überflutungsereignissen durch gekoppelte Verkehrs- und Hydrauliksimulationen (Quelle: Institut für Wasserbau, Universität Stuttgart)

EVASIM 17 Projektbeschreibung und Ziele Nachdem technische Möglichkeiten zur Abwendung von extremen Flutwellen derzeit kaum verfügbar sind, verbleibt zum Schutz der Bevölkerung vornehmlich eine optimierte Evakuierung. Ziel des Forschungsprojektes ist es, durch eine Kopplung der Simulation von Hochwasser- bzw. Flutwellenausbreitung mit der Simulation und Optimierung von Verkehrsabläufen und unter Einbeziehung der Katastrophensoziologie einen Beitrag zum besseren Krisenmanagement im Extremfall zu liefern. Zum Projektabschluss wird ein Simulationssystem zur Optimierung der Krisenkommunikation unter Berücksichtigung der sozialen Dynamik vorgestellt werden. Darin einfließen werden die Erkenntnisse aus Mobilitätseinschränkungen durch Überflutungen, die zeitlich variable Verfügbarkeit von Verkehrswegen, die Lenkung des Verkehrs zur optimierten Nutzung der noch verfügbaren Straßen, das Flucht- und Panikverhalten sowie die optimal angepasste Einsatzstrategie von Katastrophenschutzkräften. Innovationen und Anwendungen Für die Einleitung geeigneter Evakuierungs- und Rettungsmaßnahmen ist der Faktor Zeit entscheidend. Je mehr Vorwarnzeit besteht, umso effektiver können Maßnahmen umgesetzt werden. Eine Schlüsselrolle kommt somit der Verbesserung der Vorhersagequalität von Extremereignissen zu. Neueste Methoden der Niederschlagserfassung sowie -vorhersage sollen künftig auch für Entscheidungsträger in kleinen Gebieten zur Verfügung stehen, um größere Handlungsspielräume bei Evakuierungen zu eröffnen. Die Simulation der Verkehrsflüsse, unter Einbeziehung der Überschwemmungsauswirkungen auf Fahrzeuge und Straßen, wird künftig eine optimierte Lenkung sowohl der Evakuierung als auch der Einsatzkräfte ermöglichen. Neue, innovative Katastrophenschutzpläne für Überschwemmungsereignisse gewährleisten den gezielten und effektiven Einsatz der Katastrophenschutzkräfte. Projekttitel Gekoppelte Verkehrs- und Hydrauliksimulation zur Steuerung von Verkehr bei Evakuierungsmaßnahmen (EvaSim) Laufzeit 01.06.2009 31.05.2012 Projektpartner Universität Stuttgart -- Lehrstuhl für Wasserbau und Wassermengenwirtschaft, Institut für Wasserbau -- Lehrstuhl für Hydrologie und Geohydrologie, Institut für Wasserbau -- Lehrstuhl für Verkehrsplanung und Verkehrsleittechnik, Institut für Straßenund Verkehrswesen -- Lehrstuhl für Technik- und Umweltsoziologie, Institut für Sozialwissenschaften DHI-WASY GmbH, Berlin AquaSoli Ingenieur GmbH, Traunstein Regierungspräsidium Karlsruhe Landratsamt Calw Stadt Altensteig Verbundkoordinatorin Prof. Dr.-Ing. Silke Wieprecht Universität Stuttgart Institut für Wasserbau Pfaffenwaldring 61 70569 Stuttgart Tel. +49 (0) 711 685-64461 Fax +49 (0) 711 685-64746 wieprecht@iws.uni-stuttgart.de

18 VERBUNDPROJEKTE UND AKTEURE AUF EINEN BLICK GenoPlan Generischer Notfallplan und adaptives Prozessmodell zum Schutz der Kommunalverwaltung im Pandemiefall Behandlung hochinfektiöser Patienten (Quelle: Feuerwehr Dortmund) Motivation Seit 2001 beschäftigt sich eine Expertengruppe am Robert-Koch-Institut (Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit) mit dem Auftreten einer Influenzapandemie. Als Ergebnis wurden Pandemiepläne des Bundes und der Länder erarbeitet. Für die erforderlichen Umsetzungen dieser Pläne auf kommunaler Ebene sind alle Kommunen nochmals einzeln gefordert, einen eigenen spezifischen Plan zu erstellen. Diese Aufgabe soll im Wesentlichen von den örtlichen Gesundheitsämtern erledigt werden und zielt zurzeit besonders stark auf die medizinische Infrastruktur. Der Aspekt, die Funktionsfähigkeit der Kommunalverwaltung im Pandemiefall aufrechtzuerhalten, wird dabei kaum betrachtet. Szenario Experten sind sich sicher, dass es mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren zu einer weltweiten sogenannten Influenzapandemie kommen wird. Influenzapandemien sind im letzten Jahrhundert mehrfach aufgetreten, darunter drei große in den Jahren 1918, 1957 und 1968. Die schwerste war die sogenannte Spanische Grippe im Jahr 1918/19 mit weltweit zwischen 20 und 50 Millionen Influenzatoten. Bei einer künftigen Pandemie könnten nach Modellrechnungen in wenigen Wochen allein in Deutschland 100 000 Menschen an einer Influenzaerkrankung versterben. Eine wesentlich höhere Zahl würde in einem solchen Fall erkranken und das öffentliche Leben teilweise zusammenbrechen. Projektbeschreibung und Ziele Im Forschungsvorhaben wird die Kommunalverwaltung als kritische Infrastruktur betrachtet. Im Pandemiefall soll sie abgesichert werden, dass sie handlungsfähig bleibt, um Schutz- und Bekämpfungsmaßnahmen für die gesamte Bevölkerung ergreifen zu können. Hierzu wird im Projekt der sogenannte Generische Notfallplan erstellt, durch den die notwendigen Handlungsalternativen in der Katastrophenlage aufgezeigt werden. Mögliche

GENOPLAN 19 werden. Auf diese Weise wird die Funktionsfähigkeit der Kommunalverwaltung in jeder Phase der Pandemie garantiert. Ergänzend zu dem GN wird ein adaptives Prozessmodell (AP) aufgebaut, das die Leistungsprozesse einer Kommunalverwaltung beschreibt. Im Rahmen einer Pandemie müssen diese Prozesse unter Berücksichtigung des jeweiligen Grades des Notfalls und der verfügbaren Ressourcen zur Verfügung stehen, um dem Notfall wirksam zu begegnen. Ein drittes, wissensbasiertes und ereignisorientiertes System (WES) soll die Mitarbeiter bei komplexen Entscheidungen unterstützen. Es schafft den Brückenschlag zwischen Prozessmodell, Informations- und Kommunikationstechnik sowie der Steuerung der Infrastruktur. Infektionstransportwagen der Feuerwehr Dortmund (Quelle: Feuerwehr Dortmund) Handlungsalternativen und geeignete Maßnahmen werden am Beispiel des konkreten Szenarios der Stadt Dortmund, die mit ihren fast 600 000 Einwohnern in unterschiedlichen Phasen von einer Pandemie getroffen wird, aufgezeigt. Wie und mit welcher Intensität Funktions- und Aufgabenbereiche der Kommunalverwaltung im Fall einer Pandemie aufrechterhalten werden können und müssen, soll in diesem Projekt identifiziert und durch komplementäre Lösungen beantwortet werden. Innovationen und Anwendungen Im Rahmen des Projektes sollen drei Bausteine er arbeitet werden. Der Generische Notfallplan (GN) für die Kommunalverwaltung dokumentiert alle notwendigen Maßnahmen, die im Fall einer Pandemie zum Schutz der Kommunalverwaltung ergriffen und eingeleitet werden müssen. Aufgrund des modularen Aufbaus des Notfallplans kann dieser immer wieder auf die sich ständig ändernden Randbedingungen einer Pandemie eingestellt Projekttitel Generischer Notfallplan und adaptives Prozessmodell zum Schutz der Kommunalverwaltung im Pandemiefall (GenoPlan) Laufzeit 01.05.2009 30.04.2012 Projektpartner IBM Deutschland GmbH, Bonn IDS Scheer AG, Saarbrücken Robert-Koch-Institut, Berlin Universität Paderborn, Lehrstuhl Computeranwendung und Integration in Konstruktion und Planung (C.I.K.), Paderborn Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Arbeitsgruppe Klinische Ökonomik, Ulm Stadt Dortmund/Feuerwehr Dortmund, Stabsstelle für Bevölkerungsschutz Hofinger Forschung Beratung Training, Psychologie und Sicherheit, Remseck Verbundkoordinator Branddirektor Matthias Gahlen Stadt Dortmund Flugplatz 7-9 44122 Dortmund Tel. +49 (0) 231 845-6006 Fax +49 (0) 231 845-6170 mgahlen@stadtdo.de