Indigene Gruppen und Computernetzwerke: Eine ethnographische Online-Untersuchung.



Ähnliche Dokumente
Online-Publishing mit HTML und CSS für Einsteigerinnen

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Die Quantitative und Qualitative Sozialforschung unterscheiden sich bei signifikanten Punkten wie das Forschungsverständnis, der Ausgangspunkt oder

Woher kommt die Idee Internet?

Guide DynDNS und Portforwarding

Das Leitbild vom Verein WIR

Ursprung des Internets und WWW

Kommentartext Medien sinnvoll nutzen

Wenn keine Verbindung zwischen den Computern besteht, dann bist du offline.

Objektorientierte Programmierung für Anfänger am Beispiel PHP

DAS PARETO PRINZIP DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Insiderwissen Hintergrund

Kundenzufriedenheit Beschwerdemanagement als Instrument zur Kundenbindung

Meet the Germans. Lerntipp zur Schulung der Fertigkeit des Sprechens. Lerntipp und Redemittel zur Präsentation oder einen Vortrag halten

Es gilt das gesprochene Wort. Anrede

Kommunikations-Management

Erfolgreiche Webseiten: Zur Notwendigkeit die eigene(n) Zielgruppe(n) zu kennen und zu verstehen!

Fragebogen Social Media reloaded

Patientenumfrage. Was wirklich zählt

Die Zukunft ist digital. Chancen für Fachbuchhandlungen im Social Web. Jan Manz wbpr Public Relations

1 Mathematische Grundlagen

infach Geld FBV Ihr Weg zum finanzellen Erfolg Florian Mock

Auszug aus der Auswertung der Befragung zur Ermittlung der IT-Basiskompetenz

Handbuch ECDL 2003 Basic Modul 5: Datenbank Grundlagen von relationalen Datenbanken

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Charakteristikum des Gutachtenstils: Es wird mit einer Frage begonnen, sodann werden die Voraussetzungen Schritt für Schritt aufgezeigt und erörtert.

Schritt 1. Anmelden. Klicken Sie auf die Schaltfläche Anmelden

Verband der TÜV e. V. STUDIE ZUM IMAGE DER MPU

Mobile Intranet in Unternehmen

SEO Erfolg mit themenrelevanten Links

1. Was ihr in dieser Anleitung

Anlegen eines DLRG Accounts

Projektmanagement in der Spieleentwicklung

Auswertung qualitativer Interviews

Anwendungshinweise zur Anwendung der Soziometrie

Womit beschäftigt sich Soziologie? (1) Verschiedene Antworten:

Neue Medien in der Erwachsenenbildung

Das große ElterngeldPlus 1x1. Alles über das ElterngeldPlus. Wer kann ElterngeldPlus beantragen? ElterngeldPlus verstehen ein paar einleitende Fakten

Inhalt. 1 Einleitung AUTOMATISCHE DATENSICHERUNG AUF EINEN CLOUDSPEICHER

2.1 Präsentieren wozu eigentlich?

mysql - Clients MySQL - Abfragen eine serverbasierenden Datenbank

L10N-Manager 3. Netzwerktreffen der Hochschulübersetzer/i nnen Mannheim 10. Mai 2016

[SUCHMACHINE DER HELFER IM DATENNETZ]

Pflegende Angehörige Online Ihre Plattform im Internet

Die Post hat eine Umfrage gemacht

Auswertung der Teilnehmerumfrage zum. vom November 2010

TESTEN SIE IHR KÖNNEN UND GEWINNEN SIE!

Qualitätsbedingungen schulischer Inklusion für Kinder und Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung

facebook wie geht das eigentlich? Und was ist überhaupt Social media?

! " # $ " % & Nicki Wruck worldwidewruck

Anleitung über den Umgang mit Schildern

2. Psychologische Fragen. Nicht genannt.

Das Persönliche Budget in verständlicher Sprache

Einkaufen im Internet. Lektion 5 in Themen neu 3, nach Übung 10. Benutzen Sie die Homepage von:

WEBTEXTEN. Tipps und Tricks rund um das Webtexten. Version 1 / April 2014 gutgemacht.at Digitalmarketing GmbH

Outlook. sysplus.ch outlook - mail-grundlagen Seite 1/8. Mail-Grundlagen. Posteingang

Vertrauen in Medien und politische Kommunikation die Meinung der Bürger

Die Bundes-Zentrale für politische Bildung stellt sich vor

offene Netzwerke. In diesem Sinn wird auch interkulturelle Kompetenz eher als Prozess denn als Lernziel verstanden.

Örtliche Angebots- und Teilhabeplanung im Landkreis Weilheim-Schongau

SEMINAR Modifikation für die Nutzung des Community Builders

Die 5 besten Internet-Ressourcen für Ihren Urlaub

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

Intrinsisch motivierte Mitarbeiter als Erfolgsfaktor für das Ideenmanagement: Eine empirische Untersuchung

Tauschbörsen File Sharing Netze

Fachbericht zum Thema: Anforderungen an ein Datenbanksystem

Agile Vorgehensmodelle in der Softwareentwicklung: Scrum

Barrierefreie Webseiten erstellen mit TYPO3

Gruppenrichtlinien und Softwareverteilung

Projektmanagement. Einleitung. Beginn. Was ist Projektmanagement? In dieser Dokumentation erfahren Sie Folgendes:

40-Tage-Wunder- Kurs. Umarme, was Du nicht ändern kannst.

Workflow, Business Process Management, 4.Teil

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Portfolio: "Die Ratten" von Gerhart Hauptmann

KVIrc installieren (win) i. KVIrc installieren (win)

Anleitung zur Daten zur Datensicherung und Datenrücksicherung. Datensicherung

Kulturelle Evolution 12

WAS finde ich WO im Beipackzettel

Die Beschreibung bezieht sich auf die Version Dreamweaver 4.0. In der Version MX ist die Sitedefinition leicht geändert worden.

Outlook Web App 2010 Kurzanleitung

Markus 13, Wie ist es, wenn die Welt aufhört? Und wenn die neue Welt von Gott anfängt.

Task: Nmap Skripte ausführen

Lassen Sie sich dieses sensationelle Projekt Schritt für Schritt erklären:

SMO Services. Mehr Erfolg durch Social Media Optimization (SMO) von dmc Steigerung von Umsatz Erhöhung der Markenbekanntheit

Ist Fernsehen schädlich für die eigene Meinung oder fördert es unabhängig zu denken?

Die neue Aufgabe von der Monitoring-Stelle. Das ist die Monitoring-Stelle:

Multicheck Schülerumfrage 2013

Fragen und Antworten

Der große VideoClip- Wettbewerb von Media Markt.

IT-Unternehmensarchitektur Übung 01: IT-Strategie

Ursula Coester // Social Media Institute / Chancen für den Einsatz von Social Media im Handel

Festplattenwechsel und Arbeitsspeichererweiterung bei einem 4move!- Laptop von Atelco

Rohstoffanalyse - COT Daten - Gold, Fleischmärkte, Orangensaft, Crude Oil, US Zinsen, S&P500 - KW 07/2009

Content Management System mit INTREXX 2002.

Kostenstellen verwalten. Tipps & Tricks

Adobe Photoshop. Lightroom 5 für Einsteiger Bilder verwalten und entwickeln. Sam Jost

Autorisierung. Sicherheit und Zugriffskontrolle & Erstellen einer Berechtigungskomponente

Leseprobe. Bruno Augustoni. Professionell präsentieren. ISBN (Buch): ISBN (E-Book):

Transkript:

Indigene Gruppen und Computernetzwerke: Eine ethnographische Online-Untersuchung. Philipp Budka (E-Mail: ph.budka@philbu.net) Diplomarbeit an der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften der Universität Wien Wien, Dezember 2002

Vorwort Computer und Computernetzwerke spielen, in einer vernetzten Welt, eine immer bedeutendere Rolle. Zumeist werden die Prozesse und Abläufe, die mit der Ausbreitung dieser Technologien zusammenhängen aus technologischen und ökonomischen Perspektiven bearbeitet. Ich möchte nun diese Bereiche aus einem sozio-kulturellen Blickwinkel beleuchten. Mit vorliegender Arbeit will ich einerseits die Nutzung von Computernetzwerken durch Indigene Gruppen untersuchen. Andererseits werden, die für diese Untersuchung angewendeten ethnographischen Methoden und Techniken auf ihre Verwendbarkeit im Bereich der Computervermittelten Kommunikation überprüft. Im Rahmen dieses kleinen Forschungsprojekts wurde eine Website entwickelt, welche vorliegende Diplomarbeit unterstützen und ergänzen soll. Dabei werden die graphischen und hypertextuellen Möglichkeiten des World Wide Web genutzt, um etwa Abbildungen und Hyperlink-Listen darzustellen. Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei meiner Diplomarbeitsbetreuerin Univ.- Doz. Dr. Elke Mader, die mir immer mit Rat und Tat beiseite gestanden ist, sowie bei meiner Familie und meinen Freunden.

- 1 - Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS...1 1) EINLEITUNG...3 2) BEGRIFFLICHKEITEN UND DEFINITIONEN...6 2.1) INDIGENE UND INDIGENE GRUPPE...6 2.2) COMPUTERNETZWERKE...9 2.2.1) Internet...9 2.2.2) World Wide Web (WWW)...10 2.2.3) E-Mail...10 2.2.4) Mailing Liste...11 2.2.5) Newsgroup...11 2.2.6) MUD (Multi User Dungeon/Dimension/Domain)...11 2.2.7) Telnet...11 2.2.8) File Transfer Protocol (FTP)...12 2.2.9) Archie...12 2.2.10) Internet Relay Chat (IRC)...12 3) ZWEI THEORETISCHE KONZEPTE...13 3.1) ARJUN APPADURAI MEDIA- UND TECHNOSCAPES...13 3.2) NILS ZURAWSKI VIRTUELLE ETHNIZITÄT (VE)...16 4) METHODEN...18 4.1) ETHNOGRAPHIE...18 4.2) TEILNEHMENDE BEOBACHTUNG...20 4.3) ETHNOGRAPHISCHE TEXTANALYSE...21 4.4) EXPERTENBEFRAGUNG...22 4.5) AUSWAHL DER INTERNET APPLIKATIONEN...23 4.6) DATENSAMPLE...24 5) WEBSITES...25 5.1) KRITERIENKATALOG...26 5.2) ANALYSE DER WEBSITES...26 5.2.1) NativeWeb...26 5.2.2) Rubrik Internet & Computers auf NativeWeb...29 5.2.2.1) The Aboriginal Multi-Media Society - AMMSA...30 5.2.2.2) COLNODO...31 5.2.2.3) Tribal Law Intellectual Property Home Page...32 5.2.2.4) The World Conservation Union IUCN...33 5.2.2.5) INTERCOM - Ecuanex...33 5.2.2.6) Colombia Sensitive Map...34 5.2.2.7) NATIVECULTURE.COM...34 5.2.2.8) Wairua Designs...35 5.2.2.9) Macrons...36 5.2.2.10) Venezuela en el Web...36 5.2.3) Center for World Indigenous Studies (CWIS)...37 5.2.4) Cultural Survival...38 5.3) KATEGORIENSET DER WEBSITES...39 5.4) RESULTATE...40 6) MAILING LISTEN...41

- 2-6.1) KATEGORIENSET DER MAILINGLISTEN...44 6.1.1) Unterstützung...44 6.1.2) Nachricht...45 6.1.3) Politik...46 6.1.4) Veranstaltungen...46 6.1.5) Jobangebot...47 6.2) ANALYSE UND RESULTATE...47 6.3) EXPERTENBEFRAGUNG...48 6.3.1) Kategorienset zur Expertenbefragung...51 6.3.2) Analyse und Resultate...51 7) NEWSGROUPS...53 7.1) KATEGORIENSET DER NEWSGROUPS...55 7.1.1) Unterstützung...56 7.1.2) Nachricht...56 7.1.3) Veranstaltungen...57 7.2) ANALYSE UND RESULTATE...57 8) INDIGENE WIDERSTANDSBEWEGUNGEN UND DAS INTERNET...59 8.1) DIE EZLN...60 8.1.1) Historische Entwicklung und Forderungen der EZLN...60 8.1.2) Subcomandante Marcos...61 8.1.3) Indigene Gruppen innerhalb der EZLN...62 8.2) DIE EZLN UND DAS INTERNET...62 8.3) DIE EZLN IM INTERNET...64 8.3.1) Online-Ressourcen zur EZLN...65 8.3.2) Die Website EZLN Ya Basta!...66 8.4) SCHLUSSFOLGERUNGEN...67 9) DISKUSSION...69 9.1) WEBSITES...69 9.2) MAILING LISTEN UND NEWSGROUPS...70 9.3) THEORETISCHE KONZEPTE...71 9.4) METHODEN...72 10) CONCLUSIO...74 BIBLIOGRAPHIE...77 ANHANG...86 1) FRAGEBOGEN...86 2) A ZAPATISTA TALE...87 3) AUFBAU DER WEBSITE NATIVEWEB...89 4) ABBILDUNGSVERZEICHNIS...90

- 3-1) Einleitung Diese Arbeit kann als kleiner Beitrag zur, vorläufig noch in den Kinderschuhen steckenden, sozialwissenschaftlichen Bearbeitung von Computernetzwerken und ihrem Verhältnis zu diversen Bevölkerungsgruppen verstanden werden. 1 Die Bevölkerungsgruppe die ich mir in diesem Zusammenhang etwas genauer angesehen habe, kann, im weiteren Sinn, als Indigene Gruppe bezeichnet werden. 2 Nach erstem Einlesen in die Materie, ließ ich von meinem ursprünglichen Vorhaben ab, eine ausgesuchte Ethnie in Bezug auf ihre Nutzung von Computernetzwerken zu untersuchen. Denn die diesbezüglich durchgeführten ethnographischen Forschungen können großteils als regionale Feldforschungen bezeichnet werden. Ein Beispiel wäre etwa John Sherrys Untersuchung über die Computer-Nutzung unter den Navajos im Südwesten der USA (Hakken 1999). 3 Obwohl eine solcherart durchgeführte Forschung sicher geeignet ist sich dem Thema zu nähern, kam sie in meinem Fall, aufgrund von Zeit- und Geldmangel, nicht in Frage. Wie sieht nun die Alternative zur Feldforschung vor Ort aus? Einerseits könnte man auf empirisch erhobenes Material gänzlich verzichten, und sich beispielsweise auf eine Literaturstudie beschränken. Andererseits, und hier kommt der zweite Schwerpunkt meines kleinen Forschungsprojekts zum Tragen, könnten doch die Computernetzwerke selbst genutzt werden, um an empirische Daten zu gelangen. Auf diese Art und Weise kann sich der Forscher auch gleich von den Möglichkeiten, die diese elektronischen Netzwerke zur Datenerhebung bieten, ein Bild machen. Als Projekt möchte ich diese Untersuchung vor allem deswegen bezeichnen, da parallel zu vorliegendem Text eine Website http://www.philbu.net entwickelt wurde. 1 Eine der ersten Arbeiten, die sich den unterschiedlichen Formen Computer-vermittelter Kommunikation (computermediated communication CMC) von sozio-kultureller Seite her näherte ist Howard Rheingolds (2000[1993]) The Virtual Community. 2 Ich ziehe die Bezeichnung Indigene Gruppen der Bezeichnung Indigene Völker vor, da ich erstens kein spezielles Volk untersucht habe, und zweitens auch indigene Bewegungen und Organisationen in die Forschung mit einbezogen wurden. 3 Weitere Untersuchungen zu diesem Themenbereich können in der, von Steve Cisler (1998) herausgegebenen, Spezialausgabe von Cultural Survival Quaterly gefunden werden.

- 4 - Auf dieser Website finden sich neben Abbildungen, in Form von Screenshots, der analysierten Websites, eine Liste der, im Rahmen der Untersuchung, verwendeten Software und weiterführende Hyperlinks. 4 Entlehnt habe ich diese Idee der ethnographischen Untersuchung von Daniel Miller und Don Slater (2000), die eine Website als graphische Unterstützung für ihr Buch The Internet: An Ethnographic Approach. erstellten. 5 Ich entschloß mich also, da ich nicht auf empirisch-erhobenes Material verzichten wollte, die Computernetzwerke nicht nur als Objekte meiner Forschung sozusagen als Artefakte zu bearbeiten, sondern auch diese selbst zur Datenerhebung zu nutzen (vgl. Hine 2000). Man kann daher in diesem Zusammenhang auch von einer Feldforschung im Cyberspace 6 sprechen. In den letzten Jahren entwickelte sich ein eigenständiger Forschungszweig innerhalb der Sozial- und Kulturanthropologie, der als Cyberanthropology bezeichnet wird, und sich u.a. mit den soziokulturellen Aspekten des Cyberspace befaßt (vgl. Kremser 1999). Wo besteht nun der Zusammenhang zwischen Indigenen Gruppen und Computernetzwerken? Warum sollten Indigene das Internet anders nutzen als nicht-indigene Menschen? Solche und ähnlichen Fragen waren ständige Begleiter des Forschungsprozesses. Nun etwas lapidar formuliert denke ich, dass es grundsätzlich kein sozio-kulturelles Verhalten oder Handeln gibt, welches nicht wert wäre im Rahmen der qualitativen Sozialforschung von Grund auf untersucht zu werden. Um das Thema aber exakter einzukreisen und die Forschung auch zielgerichtet zu gestalten, war es notwendig Forschungsfragen zu formulieren: Wie nutzen Indigene Gruppen Computernetzwerke? Warum zu welchem Zweck nutzen Indigene Gruppen Computernetzwerke? Wie präsentieren sich Indigene Gruppe in den diversen Computernetzwerken? Wie werden Indigene Gruppen in Computernetzwerken repräsentiert? Wer repräsentiert die Indigenen Gruppen in den Computernetzwerken? 4 Die Abbildungen der analysierten Websites können ebenso im Anhang der vorliegenden Arbeit gefunden werden. 5 In dieser Arbeit werden literarische Angaben kursiv geschrieben, Zitate und fremdsprachige Ausdrücke unter Anführungszeichen gesetzt. 6 Dieser Begriff stammt eigentlich aus der Sience Fiction Literatur (Gibson 2000[1984]) und wird heute gerne als Metapher für das Internet benützt (Bühl 1997: 23ff.).

- 5 - Inwiefern sind Computernetzwerke geeignet qualitative Daten im Rahmen einer ethnographischen Untersuchung zu erheben? Diese Fragen sollen also im Laufe des Forschungsprozesses beantwortet werden. Die möglichen Antworten wurden mit unterschiedlichen Methoden und Techniken, welche allesamt den ethnographischen Untersuchungsmethoden zugerechnet werden können, sowie in unterschiedlichen Bereichen gesucht. Unter diesen Forschungsbereichen können die diversen Applikationen des weltweit größten Computernetzwerks dem Internet verstanden werden. Zunächst einmal ist es notwendig, die in der Arbeit verwendeten Begriffe zu definieren. Dies soll in erster Linie aus einem sozial-anthropologischen bzw. ethnologischen 7 Blickwinkel erfolgen. Besagtes gilt ebenso für die technologischen Begrifflichkeiten, obwohl ich hier lieber von einer allgemeineren sozialwissenschaftlichen Perspektive sprechen möchte. Im folgenden Teil der Arbeit wird auf zwei theoretische Konzepte eingegangen, die mir, in Zusammenhang mit unserer Thematik, interessant erscheinen. Diese Konzepte sollen der vorliegenden Arbeit den geeigneten theoretischen Rahmen liefern. Zum Einen wären da die, in die Globalisierungsprozesse eingebundenen, Techno- und Mediascapes bei Arjun Appadurai (1996). Zum Anderen das Konzept der Virtuellen Ethnizität von Nils Zurawski (2000). Sodann werden die Methoden der Datenerhebung sowie der Datenanalyse erläutert. Dabei wird besonders die Anwendung der diversen ethnographischen Methoden im Bereich der Computer-vermittelten Kommunikation beachtet. Ebenfalls im Methoden-Kapitel wird das wichtige Thema der Auswahlkriterien, sowohl in Bezug auf die Internet Applikationen als auch auf das eigentliche Datensampling, Erwähnung finden. Im folgenden Teil der Arbeit wird dann das gesammelte Material analysiert. Die Daten werden dabei nach ihren Quellen unterteilt und so anfangs getrennt von einander ausgewertet. Ein Fallbeispiel, wird die reziproken Beziehungen einer indigenen Widerstandsbewegung mit dem Internet aufzeigen. In den beiden letzten Kapiteln werden schließlich die Resultate und Methoden der Untersuchung verglichen und diskutiert, sowie Schlussfolgerungen gezogen. 7 Die Begriffe Ethnologie und Sozial- und Kulturanthropologie werden in dieser Arbeit als austauschbare Bezeichnungen verwendet.

- 6-2) Begrifflichkeiten und Definitionen Zu Beginn der Arbeit ist es notwendig die verwendeten Begriffe näher zu beschreiben und zu definieren. Wie bereits weiter oben angekündigt, will ich dies vor allem aus sozialwissenschaftlicher Perspektive tun. 2.1) Indigene und Indigene Gruppe Im Rahmen dieses Projekts wurden Begriffe wie Natives, Aborigines, Aboriginals, Indígenas sowie Indigenous Peoples und Vierte Welt unter den Bezeichnungen Indigene und Indigene Gruppe subsumiert. Dabei ist mir durchaus bewußt, dass diese Begriffe unterschiedliche Entitäten bezeichnen, und es innerhalb der Ethnologie differierende Meinung zu diesen Bezeichnungen gibt. Doch ist es sinnvoll eine Arbeitsdefinition bzw. einen Arbeitsbegriff zu wählen. Schlägt man beispielsweise in einer ethnologischen Enzyklopädie, wie der Encyclopedia of Social and Cultural Anthropology, den Begriff indigenous peoples nach, so kann dort folgendes gelesen werden: A term which tends to refer to peoples who were present in a given territoy before the arrival of larger, ususally European population groups. The meaning of the term is clear in some geographical regions, such as South America (where it refers to Indians as opposed to those of European or African ancestry), but its usage is problematic in others, such as much of Africa, Asia, and especially Europe. (Barnard und Spencer 1998: 609) Dieser kurze Eintrag macht deutlich, dass es nicht einfach ist eine einheitliche Beschreibung für Indigene Völker zu finden. In jeder Region der Erde kommt dieser Bezeichnung eine etwas andere Bedeutung zu. In dieser Definition liegt der Schwerpunkt sowohl auf der zeitlichen Komponente Präkolonisierung als auch auf der räumlichen Komponente Territorium. Faye Ginsburg (1991: 107) definiert in ihrem Essay indigene Medien als that work produced by indigenous peoples, sometimes called Fourth World, whose societies have been dominated by encompassing states, such as United States, Canada, and Australia. Indigene

- 7 - Gruppen werden also auch über ihr Verhältnis zu den, sie zumeist dominierenden, Nationalstaaten definiert, in denen sie leben. Im nächsten Schritt werden nun internationale Organisationen, wie UNO 8, ILO (International Labour Organization) 9 und UNDP (United Nations Development Progamme) 10 zur Definitionsfrage konsultiert. Befinden wir uns doch mitten im, von der UN- General Versammlung 1993 ausgerufenen, Jahrzehnt der indigenen Völker. 11 Die UNO lehnt sich in ihrer offiziellen Definition für indigen bzw. Indigene an jene von José Martínez-Cobo, einem Experten in der Kommission für den Schutz von Minderheiten, an. Diese, im Report Study of the Problem of Discrimination Against Indigenous Populations entwickelte Definition, lautet wie folgt: Indigenous communities, peoples and nations are those which having a historical continuity with pre-invasion and pre-colonial societies that developed on their territories, consider themselves distinct from other sectors of societies now prevailing in those territories, or parts of them. They form at present non-dominant sectors of society and are determined to preserve, develop, and transmit to future generations their ancestral territories, and their ethnic identity, as the basis of their continued existence as peoples, in accordance with their own cultural patterns, social institutions and legal systems. 12 Diese Definition umfaßt nun sowohl den Aspekt der präkolonialen Anwesenheit als auch eine marginale Stellung innerhalb der jeweiligen Gesellschaftsordnung. Hinzu kommt noch die Feststellung, dass das Bewahren und Weitergeben von Territorien sowie ethnischer Identität, in Übereinstimmung mit den eigenen sozialen und rechtlichen Institutionen und Systemen, die Grundlage für die Existenz Indigener Völker bilden. 13 Die überarbeitete Konvention Nr. 169 der ILO wiederum definiert Indigene Gruppen folgendermaßen: The new Convention, [ ], applies [ ] to those peoples of independent countries who are regarded as indigenous on account of their descent from the populations which inhabited the country, or a geographic region to which the 8 http://www.un.org/ 9 http://www.ilo.org/ 10 http://www.undp.org/ 11 Nähere Information sind beispielsweise auf den Websites http://www.unhchr.ch/indigenous/decade.htm (Stand: 6.11.02) und http://www.un.org/rights/indigenous/mediaadv.html (Stand: 6.11.02) einsichtig. 12 http://www.undp.org/csopp/cso/newfiles/ipaboutdef.html (Stand: 6.11.02). 13 Die juristischen Dimensionen dieser Definition werden beispielsweise in Kuppe und Potz (1994) diskutiert.

- 8 - country belongs, at the time of conquest or colonization or the establishment of present state boundaries and who, irrespective of their legal status, retain some or all of their own social, economic, cultural and political institutions. 14 Hier wird die Abstammung der Indigenen von der vorkolonialen Bevölkerung hervorgehoben. Zusätzlich können Indigene Gruppen, laut ILO, auch über das Bewahren eigenständiger soziokultureller, ökonomischer sowie politischer Institutionen definiert werden. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen vereint nun in seiner Definition die beiden weiter oben angeführten Bestimmungen: UNDP's definition incorporates both that of Martinez-Cobo and the ILO. It also recognizes that despite common characteristics, no single accepted definition of indigenous peoples that captures their diversity exists. Therefore, self-identification as indigenous or tribal is usually regarded as a fundamental criterion for determining indigenous or tribal groups, sometimes in combination with other variables such as language spoken and geographic location or concentration. UNDP further extends the definition to include a much wider array of groups who are susceptible to being disadvantaged in the development process. 15 Diese Begriffsbestimmung läßt uns schließlich zur ersten Definition zurückkehren. Es gibt neben einer Vielzahl an unterschiedlichen Bezeichnungen für indigene Menschen auch eine Vielzahl an entsprechenden Definitionen, die sich in mancher Hinsicht zwar ähneln, grundsätzlich aber verschieden sind. Die, für vorliegende Arbeit verwendete Definition stellt in Anlehnung an die zuletzt angeführte Begriffsbestimmung des UNDP die indigene Selbst-Identifikation in den Mittelpunkt. So können als Indigene Gruppe jene bezeichnet werden, die sich als solch eine Gruppe, aufgrund gemeinsamer Kultur, Sprache, Historie, Territorium oder Abstammung, definieren. Weiters werden in vorliegender Arbeit indigene Bewegungen und indigene Organisationen ebenfalls in die Definition Indigene Gruppe einbezogen. 14 http://www.ilo.org/public/english/region/ampro/mdtsanjose/indigenous/intro169.htm (Stand: 6.11.02). 15 http://www.undp.org/csopp/cso/newfiles/ipaboutdef.html (Stand: 6.11.02).

- 9-2.2) Computernetzwerke Von einem Computernetzwerk kann dann gesprochen werden, wenn mindestens zwei Computer solcher Art miteinander verbunden sind, dass ein Datenaustausch zwischen den Rechnern möglich ist. 16 Im folgenden Abschnitt werde ich nun kurz die wesentlichsten Computernetzwerke, welche alle mehr oder weniger mit dem Internet zusammenhängen und deswegen auch als Internet Dienste oder Applikationen bezeichnet werden können, beschreiben. Unterschiedliche, zumeist dem Englischen entlehnte, Begriffe rund um das Internet, wie surfen, posten oder chatten werde ich nicht näher erläutern. Statt dessen möchte ich auf das sowohl übersichtlich gestaltete, als auch leicht verständliche Glossar in Christine Hines Virtual Ethnography (2000) verweisen. 2.2.1) Internet Der Vorläufer des heutigen Internet das ARPANET wurde während des Kalten Krieges als Kommunikationsmittel zwischen wichtigen US-amerikanischen Militärstützpunkten, für den Fall des Versagens von anderen Kommunikationsmöglichkeiten, entwickelt. Nachdem die Nutzung dieses Computernetzwerks auch auf zivile Institutionen, wie Universitäten ausgeweitet wurde, stellt es heute das weltweit größte Netzwerk an Computern dar. 17 In den Sozial- und Kulturwissenschaften wird das Internet sowohl als eigenständige Kultur, welche sich durch diverse Formen der Interaktion innerhalb der Computernetzwerke konstituiert, als auch als kulturelles Artefakt oder Produkt verstanden (beispielsweise Hine 2000: 9; Sterne 1999: 282). Auch ist es problematisch das Internet als monolithisches Medium zu 16 In diesem Zusammenhang wird auch davon gesprochen, dass der Computer bzw. das Computernetzwerk online ist (Eher 2000). 17 Einen guten Überblick zur historischen Entwicklung des Internet, bzw. seiner Vorgänger bieten z.b. Hafner & Lyon (1998) und Hauben (2001). Statistische Angaben über die Anzahl der Internet User bzw. Internet Anschlüsse sind, aufgrund der dynamischen Struktur des Computernetzwerks, mit einiger Vorsicht zu genießen. Trotzdem will ich an dieser Stelle kurz einige statistische Daten bemühen. Die Internet Marketing Agentur Nielsen//Netratings etwa beziffert die weltweite Anzahl an Usern, welche von zu Hause aus Zugang zum Internet haben mit ca. 390 Mio. für den Juni 2002 (http://www.nielsen-netratings.com/hot_off_the_net.jsp Stand: 11.11.02). Einer Analyse von Nua.com, eine Firma für Internet Demographie und Statistik, zufolge waren im September 2002 global ca. 605 Mio. Menschen online (http://www.nua.com/surveys/how_many_online/index.html Stand: 11.11.02).

- 10 - sehen, handelt sich doch eigentlich um, a range of practices, software and hardware technologies, modes of representation and interaction that may or may not be interrelated by participants, machines and programs [ ] (Miller und Slater 2000: 14). Im folgenden werde ich in aller Kürze auf die wesentlichsten Internet Dienste eingehen. Sämtliche Dienste verwenden die selbe Daten-Übertragungstechnik, nämlich das sogenannte TCP/IP Protokoll (Transaction Control Protocol/Internet Protocol). Dabei sorgt das TCP für die Umwandlung der Daten in einen Strom von Datenpaketen, und das IP sorgt für die Weiterleitung der Pakete anhand ihrer Adresse (Bühl 1997: 97). Die zweite Grundlage des Internet, neben dem TCP/IP Protokoll, ist das Client/Server-Prinzip. Dabei werden die diversen Internet Dienste mit Server-Programmen (z.b. WWW-Servern) angeboten, die Client-Programme (z.b. WWW-Browser) in Anspruch nehmen können (z.b. Potempa et. al. 2001: 19). 2.2.2) World Wide Web (WWW) Das WWW hat entscheidend zur Popularität des Internet beigetragen. 18 Grundlage des Web sind Hypertext-Dokumente, die mit Hilfe von Hyperlinks auf andere Texte verweisen können. (Die eigentliche Grundlage für den Informationsaustausch bildet wiederum ein Protokoll: das Hyper Text Transfer Protocol, HTTP). Auch ist es möglich Bild-, Audio- oder Video- Dateien in diese Dokumente einzubinden man spricht dann von Hypermedia. Zusammengefaßt, stellt das World Wide Web also ein spezielles Netzwerk an vernetzten Dokumenten im Internet dar (Bühl 1997: 99). 2.2.3) E-Mail Die elektronische Post ist die meist genutzte Applikation im Internet (vgl. Pastore 2001). 19 Christine Hine (2000: 158) gibt einen kurzen Überblick, was unter E-Mail zu verstehen ist: Electronic Mail (email) [is] the basic form of asynchronous Internet communication, which allows text messages to be sent to specific adresses. In some email packages additional information such as word processor files, images or application programs can be attached to the message to be sent to other users. 18 Die Website LivingInternet.com (http://www.livinginternet.com/) bietet einen guten Überblick bzgl. der historischen Entwicklung des WWW sowie anderer Internet Applikationen. 19 Vgl. dazu auch aktuelle Beiträge auf der Website von Nielsen//Netratings: http://www.nielsennetratings.com/news.jsp (Stand: 29.5.02).

- 11-2.2.4) Mailing Liste Mailing Listen oder Mailinglists sind Diskussionsforen zu den unterschiedlichsten Themen- Bereichen, in denen die einzelnen E-Mails der eingetragen Benutzer von sogenannten List-Server Programmen an alle anderen Mitglieder der Liste gesendet werden. Zumeist sind diese Listen öffentlich zugänglich. 2.2.5) Newsgroup Im Zusammenhang mit Newsgroups muß kurz auf das sogenannte Usenet eingegangen werden, welches mittlerweile mit dem Internet verschmolzen ist. 20 Das Usenet ist ein Bulletin Board System (BBS), auch Conferencing System genannt, funktioniert ähnlich wie eine Mailing Liste und besteht aus mehreren tausend Newsgroups, die in unterschiedlichen Hierarchien geordnet sind. 21 Diese Hierarchien können als eine Art System bezeichnet werden, das die unterschiedlichen Newsgroups nach Themen organisiert (Hine 2000: 160). Dabei werden diverse Kategorien verwendet: in der (social) Gruppe soc.culture.austria werden kulturelle (culture) Belange rund um Österreich (austria) diskutiert. Eine Newsgroup ist also ein Text-basierendes, asynchrones Diskussionsforum, das mit geeigneter Software (Newsreader) gelesen und bearbeitet werden kann. 2.2.6) MUD (Multi User Dungeon/Dimension/Domain) MUDs stellen eine synchrone Form der Text-basierenden Kommunikation dar, die in den meisten Fällen in einer Art Rollenspiel innerhalb einer virtuellen Welt statt findet. Dabei kann der User mit seiner Umgebung interagieren, sie beeinflussen und verändern. Die Objekt-orientierte Form der MUDs wird als MOO bezeichnet (Ebd.). 2.2.7) Telnet Telnet war der erste Dienst, der im Internet implementiert wurde. Mit Telnet können Ressourcen anderer Computer, z.b. Datenbanken, vom eigenen Computer aus online genutzt werden (Eher 2000: 66). 20 Einen kurzen historischen Überblick über die Entwicklung des Usenet bietet Ronda Hauben (2002). 21 Was genau unter Usenet zu verstehen ist, kann beispielsweise bei Seidenberg (1995) nachgelesen werden.

- 12-2.2.8) File Transfer Protocol (FTP) Mit diesem Protokoll bzw. Dienst können Dateien via Internet zwischen Rechnern übertragen werden. Auf die sogenannten Anonymous FTP-Server kann der potentielle Benutzer auch ohne Zugriffsberechtigung zugreifen und unterschiedlichste Dateien herunterladen (Ebd.: 67). 2.2.9) Archie Dieser Internet Dienst ist ein Datenbanksystem, welches die Inhaltsverzeichnisse von Anonymous FTP-Servern zugänglich macht. So hat der User die Möglichkeit wenigstens einen kleinen Überblick über das unglaubliche Informationsvolumen auf den FTP-Servern zu erhalten (Ebd.). 2.2.10) Internet Relay Chat (IRC) IRC ist das größte nicht-kommerzielle, Text-basierende Online-Chat-System. Die Teilnehmer können im Gegensatz zu Newsgroups oder Mailing Listen in Echtzeit, d.h. synchron miteinander kommunizieren (Smith und Kollock 1999: 6). In vorliegender Untersuchung werde ich mich auf die vier zuerst genannten Internet Dienste beschränken, da diese mittlerweile weite Teile des Internet dominieren. So bietet das World Wide Web, dank seiner technologischen Voraussetzungen, inzwischen auch die Möglichkeit andere Applikationen, wie E-Mail und Newsgroups zu verwenden. 22 Nachdem die wesentlichsten Anwendungen des Internet angeführt und kurz beschrieben wurden, will ich in den folgenden Abschnitten auf zwei theoretische Konzepte, sowie die methodischen Aspekte meines Forschungsprojekts eingehen. 22 So erfreuen sich beispielsweise Web-basierende Freemail-Anbieter wie Hotmail (http://www.hotmail.com) oder GMX (http://www.gmx.de) immer größerer Beliebtheit.

- 13-3) Zwei theoretische Konzepte Zwei sozialwissenschaftliche Konzepte bzw. Modelle sollen vorliegender Arbeit als analytische Rahmen dienen. Diese beiden theoretischen Konzepte werden gegen Ende der Arbeit mit den Resultaten des Forschungsprojekts konfrontiert und diskutiert. Wie andere sozial- und kulturwissenschaftliche Inhalte auch, kann unser Thema nicht isoliert von gesellschaftlichen Prozessen und Vorgängen verstanden werden. Einer jener Prozesse, der besonders in den letzten zehn Jahren aus der öffentlichen Diskussion nicht mehr wegzudenken ist, ist die Globalisierung. Neben vielen anderen Lebensbereichen vollzieht sich der Prozess der Globalisierung auch in den Bereichen (Massen) Medien und Technik (vgl. beispielsweise Breidenbach und Zukrigl 2000). Der in den USA lehrende und aus Indien stammende Kulturanthropologe Arjun Appadurai hat zu diesem Thema ein viel beachtetes Konzept entwickelt, welches im Folgenden näher begutachtet wird. Das zweite theoretische Konzept, das einer genaueren Analyse unterzogen wird, stammt von dem deutschen Soziologen Nils Zurawski. Dieses Modell ist speziell für den soziokulturellen Raum, der durch Interaktion in Computernetzwerken entsteht, entwickelt worden. Dabei werden besonders die Zusammenhänge zwischen Ethnizität und Internet untersucht. 3.1) Arjun Appadurai Media- und Technoscapes Bevor Appadurais Konzept weiter ausgeführt wird, muß in aller Kürze der Begriff Globalisierung näher bestimmt werden. In den Sozial- und Kulturwissenschaften ist man weit davon entfernt über eine allgemein akzeptierte Definition für Globalisierung zu verfügen. Ulrich Beck (1997: 42) etwa schreibt in diesem Zusammenhang vom am seltensten definierten Wort der letzten Jahre. Auch scheint dies, aufgrund der komplexen Vorgänge welche mit diesem Prozess (oder besser Prozessen) verwoben sind, nur schwer möglich. Grundsätzlich wird mir die Bezeichnung Globalisierung zu pauschal für unterschiedlichste Abläufe in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen verwendet. Ich möchte mich deswegen bei meiner Begriffsklärung an die, von Beck (1997: 26f.) vorgenommene Unterteilung in Globalismus, Globalität und Globalisierung anlehnen. Dabei bezeichnet

- 14 - Globalismus, die Auffassung, dass der Weltmarkt politisches Handeln verdrängt oder ersetzt, d.h. die Ideologie der Weltmarktherrschaft, die Ideologie des Neoliberalismus. Globalität hingegen meint, dass wir (längst) in einer Weltgesellschaft leben, und zwar in dem Sinne, dass die Vorstellung geschlossener Räume fiktiv wird. Der Begriff Weltgesellschaft bezieht sich dabei auf die Gesamtheit sozialer Beziehungen, die nicht in nationalstaatlicher Politik integriert oder durch sie bestimmt (bestimmbar) sind (Ebd.: 27f.). Und Globalisierung schließlich meint, nach Beck (1997: 28f.), die Prozesse, in deren Folge die Nationalstaaten und ihre Souveränität durch transnationale Akteure, ihre Machtchancen, Orientierungen, Identitäten und Netzwerke unterlaufen und querverbunden werden. 23 Der öffentliche Diskurs zum Thema Globalisierung bezieht sich überwiegend auf die ökonomischen Aspekte des Globalismus und vernachlässigt dabei die kulturelle Dimension dieser globalen Prozesse (Breidenbach und Zukrigl 2000). Doch gerade die Erforschung der kulturellen Globalisierung aus einer ethnologischen Perspektive zeigt andere Chancen und Risiken als die der wirtschaftlichen Dimension (Ebd.: 234). 24 Einen solchen kulturanthropologischen Beitrag zur Globalisierungs-Debatte liefert nun Appadurai mit seinem Konzept der (ethno)scapes, welche auch als dimensions of global cultural flows betrachtet werden können (Appadurai 1996: 33). Insgesamt unterscheidet er fünf Dimensionen: (1) ethnoscapes, (2) mediascapes, (3) technoscapes, (4) financescapes und (5) ideoscapes. 25 Diese Landschaften ( landscapes ) sind die Bausteine imaginierter Welten ( imagined worlds ), die weltweit von Personen und Gruppen mit Bedeutung versehen, ausgetauscht und gelebt werden (Beck 1997: 98). Unter technoscape kann the global configuration, also ever fluid, of technology and the fact that technology, both high and low, both mechanical and informational, now moves at high speed across various kinds of previously impervious boundaries verstanden werden (Appadurai 1996: 34). Technologien überschreiten also, im Zuge globaler Prozesse, bisher undurchdringliche 23 Beck (1997: 42ff.) unterscheidet in weiterer Folge mehrere Dimensionen von Gobalisierung, auf die hier nicht eingegangen werden kann. 24 Im Hinblick auf die kulturellen Aspekte und Dimensionen von Globalisierung kann etwa auf die Arbeiten des Soziologen Roland Robertson (1990) sowie des Sozialanthropologen Ulf Hannerz (1996) verwiesen werden. 25 Das Verhältnis dieser scapes untereinander soll, nach Appadurai (1996: 33ff.), helfen die Brüche innerhalb der globalen Ökonomie zwischen Ökonomie, Kultur und Politik zu explorieren. Dieser Aspekt bleibt in weiterer Folge in vorliegender Arbeit weitgehend unbeachtet.

- 15 - Grenzen. Treibende Kraft bei diesen Bewegungen sind die komplexen Verhältnisse von Geldflüssen, politischen Möglichkeiten und der Arbeitsmarkt Situation. Beispielsweise exportiert Indien seit geraumer Zeit Software-Ingenieure in die USA, welche sodann gebeten werden, ihr Geld und Know How in diverse staatliche Projekte in Indien zu investieren. Mediascapes beziehen sich einerseits auf the distribution of the electronic capabilities to produce and disseminate information (newspapers, magazines, television stations, and filmproduction studios), which are now available to a growing number of private and public interests throughout the world, [ ] (Appadurai 1996: 35). Sowie andererseits auf the images of the world created by these media (Ebd.). Die Möglichkeiten zur Produktion und Ausstrahlung (besonders) elektronischer Bilder werden also global verteilt. Dabei stehen die mediascapes in einer engen Beziehung zu den ideoscapes, welche als Verkettung von Bildern, oft in Zusammenhang mit staatlichen oder oppositionellen Ideologien und Ideen bezeichnet werden können (Beck 1997: 98). Ohne auf die weiteren scapes einzugehen, können folgende Aussagen über dieses Konzept getroffen werden: Nach Appadurai (1996: 37) entstehen die global flows durch und in den Brüchen, die zwischen den einzelnen scapes auftreten. Weiters gewinnen die Imaginationen und Fantasien von Menschen, aufgrund der Kontextlosigkeit Unabhängigkeit von Zeit und Raum ihrer neu entstehenden glokalen Kulturen 26, einzigartige Macht (Appadurai zit. in Beck 1997: 98f.) Eine wesentliche Rolle kommt dabei den elektronischen Massenmedien zu. Diese stellen ein, sich ständig veränderndes, Angebot an möglichen Leben für die Konsumenten der Medien bereit (Appadurai 2000: 5; Beck 1997: 99). 27 Eine mögliche Folge dieser massenmedial-erzeugten Imaginationen ist die Migration der Rezipienten in die Welt der Produzenten (vgl. Hannerz 1996: 101). Weiters fördern elektronische Medien insbesondere jene, die auf Computer-vermittelter Kommunikation aufbauen die Entstehung von virtual neighborhoods. Diese können als neue Formen von Lokalität, in Zusammenhang mit der global 26 Der Begriff glokal setzt sich aus den Begriffen global und lokal zusammen, und wurde von Roland Robertson erstmals vorgeschlagen (Beck 1997: 90). 27 Während Appadurai in diesem Zusammenhang vor allem den unterstützenden Aspekt, den mediale Imaginationen eines besseren Lebens für Menschen, beispielsweise der Dritten Welt, haben können, hervorhebt; macht Ulf Hannerz (1996: 180 FN 12) auch auf den umgekehrten Fall aufmerksam. Medien transportieren, seiner Meinung nach, ebenso Imaginationen einer schlechteren Welt.

- 16 - zunehmenden Ent-Territorialisierung ( deterritorialization ) von Menschen, verstanden werden (Appadurai 1996). 3.2) Nils Zurawski Virtuelle Ethnizität (VE) Ebenso wie Globalisierung, wird auch der Begriff der Ethnizität unterschiedlich definiert. Ich beziehe mich in vorliegender Arbeit auf die Definition von Thomas Hylland Eriksen (1993: 4), der ethnicity wie folgt bestimmt: in social anthropology it [ethnicity] refers to aspects of relationships between groups which consider themselves, and are regarded by others, as being culturally distinctive. 28 In seinem Buch Virtuelle Ethnizität: Studien zu Identität, Kultur und Internet untersucht Nils Zurawski (2000: 7) die Möglichkeiten von Ethnizität als Ressource einer Selbstorganisation vor dem Hintergrund einer zunehmend mediatisierten, technisierten und gesellschaftlich globalisierten Welt. Zunächst kann sein Konzept der Virtuellen Ethnizität (VE) 29 in vier unterschiedliche Ebenen unterteilt werden (Ebd.: 168ff.): (1) Auf der individuellen Ebene interagieren Menschen mit neuen selbstgewählten Identitäten (z.b. in Computernetzwerken wie MUDs und IRC). (2) Die nächste Ebene stellt das generelle Verhältnis von Kommunikationstechnologie und Ethnizität und Identität dar. (3) Diese Ebene hebt, mit dem Begriff der Virtuellen Ethnizität, die Flexibilität von Ethnizität im Sinne des konstruktivistischen Potential von Identität hervor. (4) Auf dieser letzten Ebene muß im Rahmen des Konzepts das Verhältnis von Ethnizität und Globalität berücksichtigt werden. Für die, im empirischen Teil der Arbeit, durchgeführte Untersuchung kam besonders der Aspekt, welcher das Verhältnis von Ethnizität und Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT) behandelt, zum Tragen. Im Folgenden werden die wesentlichsten Punkte des Konzepts bzw. Modells der Virtuellen Ethnizität angeführt (Ebd.: 241f.). 30 Zunächst einmal legt das Konzept den Untersuchungsgegenstand Ethnizität und Technologie fest. Aus der Frage nach dem 28 Für weitere Konstruktionen und Definitionen siehe z.b. Eriksen (1993) oder Zurawski (2000). 29 Mark Poster (1998) entwickelte ein ähnliches Konzept virtual ethnicity allerdings etwas später und nicht in diesem Umfang. 30 Das von Zurawski (2000: 240) entwickelte Modell der Ethnizität hat natürlich direkten Einfluß auf das Konzept der VE, wird aber an dieser Stelle nicht näher beschrieben.

- 17 - Verhältnis von Ethnizität und Internet ergeben sich für Zurawski (Ebd.) folgende Schwerpunkte: Beim Internet handelt es sich um ein Medium, dass vergleichsweise wenigen Personen weltweit zugänglich ist. Die grundlegende Frage in Bezug auf die Darstellung von Ethnizität im Internet lautet: Wer spricht für wen und warum?. Interfaces die Benutzeroberflächen des Internet haben auch einen Einfluß darauf, wie ethnische Gruppen wahrgenommen werden und welche Artikulationsmöglichkeiten sich ihnen bieten. VE fragt weiters nach den sozio-ökonomischen Strukturen von Teilhabe und Ausschluß, sowie nach den Bedingungen für die Schaffung, Erhaltung und Auseinandersetzung von und mit Gemeinschaften. Schließlich zieht Nils Zurawski (Ebd.) folgendes Resümee: Die Ergebnisse der Auseinandersetzung im Internet bestimmen, neben dem Interface, auch die Faktoren, welche eine ethnische Identität maßgeblich ausmachen bzw. welche bevorzugt genutzt werden. Auch können, nach Meinung Zurawskis, globale Entwicklungen und die dahinterstehenden Ursachen und Folgen in vielen Fällen nur durch die gleichzeitige Betrachtung von Ethnizität und Kommunikationstechnologien erfasst werden. Zusammengefasst bietet das Konzept von Arjun Appadurai einen theoretischen Rahmen Technologien und Medien, wie etwa das Internet, in Zusammenhang zu globalen Prozessen und Strömungen zu setzen. Dabei muß aber angemerkt werden, dass sich vor allem das Modell der mediascapes auf elektronische Massenmedien, wie etwa das Fernsehen bezieht. Im Bereich der Computer-vermittelten Kommunikation generieren sich nach Appadurai (1998: 195) verstärkt virtual neighborhoods, welche nicht länger durch Territorien, Steuern und Passkontrollen beschränkt sind, sondern durch den Zugang zu Soft- und Hardware. Wesentlich für diese neuen, virtuellen Lokalitäten sind sogenannte diasporic spheres, welche durch die Interaktion zwischen Daheimgebliebenen und Fortgezogenen in zunehmenden Maße entstehen (Ebd.: 22). Manfred Kremser (1998: 143) bezeichnet diese no-more-face-to-face-communities als Digital Diaspora. Das zweite an dieser Stelle diskutierte Konzept von Nils Zurawski geht verstärkt auf das Verhältnis von Internet und Ethnizität ein. Vor allem die, von Zurawski ausgearbeiteten, Punkte, welche das Konzept der Virtuellen Ethnizität beschreiben, scheinen für vorliegende Untersuchung hilfreich. Die Frage der Repräsentation wird im vorletzten Kapitel ausführlich in

- 18 - Bezug auf das gewonnene Datenmaterial diskutiert. Gleiches gilt für den Aspekt der Benutzeroberfläche bei der Verwendung von Computersoftware, wie etwa WWW-Browser. Im folgenden Abschnitt werden die Methoden der ethnographischen Untersuchung dargelegt. 4) Methoden Bevor ich auf Datenerhebung und analyse eingehe, bedarf es einer Erläuterung der verwendeten Forschungsmethoden und Techniken. Grundsätzlich kann die Untersuchung als Prozess verstanden werden, in dessen Verlauf sich Aspekte der Methode, wie Kriterien, Kategorien oder Forschungstechniken laufend ändern können. In Bezug auf Forschungsstrategien in der qualitativen Sozialforschung schreibt etwa Christian Lüders (2000: 393): So erweist sich die Forschungspraxis als im hohen Maße milieu- und situationsabhängig, geprägt durch die beteiligten Subjekte, ihre Lebensformen und bedingungen und die Unwägbarkeiten des Alltags. Freilich treffen diese Erwägungen nur bedingt auf vorliegende Arbeit zu. Die Besonderheiten der Computer-unterstützten Sozialforschung werden in den beiden abschließenden Kapiteln erörtert. Da es sich bei vorliegender Arbeit um eine ethnographische Untersuchung handelt, werden im Folgenden die Ethnographie, als Methode innerhalb der qualitativen Sozialforschung, sowie ihre Anwendung im Bereich der Computer-vermittelten Kommunikation näher beleuchtet. 4.1) Ethnographie In den letzten Jahren wurden Ethnographie und ethnographische Forschungstechniken, wie teilnehmende Beobachtung, vermehrt für die Analyse von Computernetzwerken und, sich aus diesen Netzwerken generierende, sozio-kulturelle Räume herangezogen (vgl. beispielsweise Baym 1995; Hine 2000). Dabei muss einerseits beachtet werden, dass diese neuen Forschungsfelder nicht mit dem klassischen Feldbegriff, wie etwa in den Ethnographien von Bronislaw Malinowski (1984[1922]) oder Edward Evans-Prichard (1947) zu vergleichen sind

- 19 - (Zurawski 1999). So kann das Forschungsfeld Cyberspace am besten als eines von mehreren sozialen Aktionsfeldern, in welchen Menschen interagieren, verstanden werden (Kremser 1998: 143). Andererseits erscheint es mir, angelehnt an Christine Hine (2000), notwendig auch um die Dichotomie von Off- und Online Interaktion zu überwinden das Internet sowohl als Kultur als auch als kulturelles Artefakt zu begreifen, und es so der ethnographischen Forschung zugänglich zu machen. Und obwohl ich Daniel Miller und Don Slater (2000) zustimme, [ ], that we need to treat Internet media as continuous with and embedded in other social spaces, [ ], kann in dieser Arbeit, aus bereits in der Einleitung genannten Gründen, das Internet und seine Applikationen nur über den Weg der Online Interaktion bearbeitet werden. Was kann nun unter Ethnographie verstanden werden? Ethnographie bezeichnet sowohl eine, aus der Ethnologie bzw. Sozial- und Kulturanthropologie stammende, Untersuchungsform oder Methode, als auch ein, zumeist schriftliches, Dokument. 31 Roger Sanjek (1998: 193) beispielsweise unterscheidet bezüglich des Begriffs ethnography zwischen einem product und einem process. Dabei ist das Produkt meist Resultat des Prozesses allerdings nicht ausschließlich in dieser simplen Relation. Gemeinsam mit Vergleich ( comparison ) und Kontextualisierung ( contextualization ) bildet die Ethnographie ein operationales System mit welchem Daten erhoben und benutzt werden, um letztendlich einen ethnographischen Text zu produzieren (Ebd.). Martyn Hammersley und Paul Atkinson (1997: 1) interpretieren den Begriff Ethnographie in einer liberalen Art und Weise als Set an Methoden, welches den Ethnographen für einen längeren Zeitraum in das tägliche Leben von Menschen involviert, um so Daten zu sammeln, die Licht auf den Fokus der Forschung werfen können. Weiters schreiben sie der Ethnographie als form(s) of social research folgende, von mir gekürzte, Eigenschaften zu (Hammersley und Atkinson 1994: 248): a strong emphasis on exploring the nature of particular social phenomena a tendency to work primarily with unstructured data investigation of a small number of cases 31 Einen Überblick über die historische Entwicklung der Ethnographie, sowohl in der Ethnologie als auch in der Soziologie, liefern Hammersly und Atkinson (1994, 1997), Denzin (1994) und Sanjek (1998).

- 20 - analysis of data that involves explicit interpretation of the meanings and functions of human action Zusammengefasst kann unter Ethnographie ein Forschungsprozess verstanden werden, innerhalb dessen sozio-kulturelle Phänomene auf der Mikro-Ebene analysiert und interpretiert werden. Grundsätzlich ist Ethnographie nicht eindeutig zu definieren, und wird in den unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen auch unterschiedlich gedeutet (Ebd.). Als wichtigste Methode oder Technik sozusagen der Königsweg der Datenerhebung innerhalb der Ethnographie wird die teilnehmende Beobachtung betrachtet (vgl. beispielsweise Titscher et al. 1998: 110). 4.2) Teilnehmende Beobachtung Die Technik der teilnehmenden Beobachtung wurde zuerst im Rahmen der Ethnographie, in der Ethnologie bzw. Sozial- oder Kulturanthropologie entwickelt (z.b. Evans-Pritchard 1947; Malinowski 1981[1935], 1984[1922]). Etwas später fand sie dann auch Eingang in die Soziologie, wobei besonders die Chicagoer Schule zu erwähnen ist (Lamnek 1995; Lüders 2000). Heute findet sich die Methode der teilnehmenden Beobachtung, als Teil qualitativer Sozialforschung, in vielen wissenschaftlichen Disziplinen. Unter teilnehmender Beobachtung kann laut der Encyclopedia of Social and Cultural Anthropology the most basic technique of anthropological fieldwork, participation in everyday activities, working in the native language and observing events in their everyday context verstanden werden (Barnard und Spencer 1998: 616). Für Siegfried Lamnek (1995: 240) beispielsweise ist das maßgeblichste Kennzeichen der teilnehmende Beobachtung der Einsatz in der natürlichen Lebenswelt der Untersuchungspersonen. Dies bedeutet, dass der Forscher am Alltagsleben der ihn interessierenden Personen und Gruppen teilnimmt und versucht durch genaue Beobachtung, etwa deren Interaktionsmuster und Wertvorstellungen zu explorieren und zu dokumentieren. Dabei soll nach Lamnek (1995: 243) die (teilnehmende) Beobachtung es ermöglichen,

- 21 - wissenschaftlich abgesichert, fremde (Sub) Kulturen zu verstehen. Das Fremdverstehen ist Voraussetzung und Methode der Beobachtung. 32 Teilnehmende Beobachtung kann also als Forschungstechnik bezeichnet werden, die, im Idealfall, aufgrund ihrer intensiven zeitlichen und körperlichen Einbindung in die Lebenswelten fremder Menschen qualitativ dichte Daten liefert. Für Lamnek (Ebd.) ist in weiterer Folge die teilnehmende Beobachtung letztlich in ihrer Anwendung mit anderen Methoden, wie etwa Befragung und Inhaltsanalyse verschränkt (vgl. auch Hammersly und Atkinson 1997). 4.3) Ethnographische Textanalyse Aufgrund der Forschungsfelder und der darin gesammelten Daten es handelt sich zu einem Großteil um Textmaterial wurde als Analysemethode für vorliegende Untersuchung eine Textanalyse gewählt. 33 Dabei erschien es mir angebracht im Rahmen der ethnographischen Untersuchung auch eine dementsprechende Analyse auszuwählen. So fiel die Wahl schließlich auf die sogenannte Allgemein-ethnographische Textanalyse (Titscher et. al. 1998: 111ff.). Bei diesem Analyseverfahren kommt dem kulturellen Kontext eine besondere Rolle zu (Ebd.: 109): Gemeinsames Anliegen aller ethnographischer Methoden ist es wohl, Texte vor dem Hintergrund kultureller Strukturen zu interpretieren oder gar mit Hilfe von Texten jene kulturellen Strukturen zu rekonstruieren. Und Christine Hine (2000: 52) schreibt in diesem Zusammenhang: The text becomes ethnographically (and socially) meaningful once we have cultural context(s) in which to situate it. Wichtigstes Instrument ethnographischer Analysen sind nach (Hammersly und Atkinson 1997: 209ff.) sogenannte analytische Kategorien. Ein Set solcher Kategorien soll vorab mittels einer ersten Datenanalyse erstellt werden. Sodann muß das gesamte Datenmaterial mit Hilfe dieser Kategorien kodiert werden. 32 Hier kann wieder auf die Ursprünge der Methode in klassischen Ethnographien, wie jene von Malinowski oder Evans-Prichard verwiesen werden. 33 Nach Hine (2000) besitzt das Internet sowohl einen interaktiven als auch einen textuellen Charakter.

- 22 - Ein weiterer Schritt sieht anschließend die Feinanalyse der wichtigsten Kategorien vor, um auf diese Weise deren Bedeutung sowie ihre Beziehung zu anderen Kategorien zu erkennen. Wesentlichster Unterschied zu anderen Textanalysen, beispielsweise der Inhaltsanalyse, ist, dass bei der ethnographischen Textanalyse nicht mit vorab bestimmten Konzepten und Kategorien gearbeitet wird. Die jeweiligen Kategorien haben immer nur einen vorläufigen Charakter, der sich im Zuge der Untersuchung ändern kann (Titscher et. al. 1998). 4.4) Expertenbefragung Neben der reinen Analyse von Texten wurde in vorliegender Arbeit auch der Versuch unternommen, ethnographische Daten mit Hilfe von qualitativen Online Interviews zu erhalten. 34 (Da diese Befragung via E-Mail durchgeführt wurde, sind die so erhaltenen Daten natürlich auch Texte.) Qualitative Interviews werden in den unterschiedlichsten sozialwissenschaftlichen Bereichen eingesetzt. So dienen sie etwa in der ethnographischen Forschung u.a. der Ermittlung von Expertenwissen über das jeweilige Forschungsfeld, [ ] (Hopf 2000: 350). Die Befragung von Experten soll also helfen einen Einblick in die Forschungs-relevante Thematik zu erhalten. Dabei ist es hilfreich sich bereits vor der Befragung über den Experten bzw. den Forschungsgegenstand zu informieren. In unserem Fall kann die Expertenbefragung oder das Experteninterview zur Typologie der strukturierten, teilstandardisierten Interviews gezählt werden. Der Fragebogen strukturiert einerseits die Abfolge von Fragen und Antworten, andererseits lässt die offen formulierte Fragestellung dem Befragten genügend Raum, bei seinen Antworten auch weiter auszuholen. 35 Im Folgenden werde ich nun auf den Aspekt der Auswahlkriterien, sowohl in Bezug auf die unterschiedlichen Internet Dienste, als auch auf das Sample der Daten, eingehen. 34 Die Bezeichnung Online Interview steht deswegen in Anführungszeichen, weil die klassischen Kriterien eines verbalen qualitativen Interviews hier nicht zutreffen (Hopf 2000). Außerdem wird im Zusammenhang mit dem Medium Internet zumeist von Umfragen oder Befragungen gesprochen (beispielsweise Witmer 1999; Zurawski 1999). 35 Der Fragebogen findet sich im Anhang der Arbeit.

- 23-4.5) Auswahl der Internet Applikationen Da die relevanten Computernetzwerke bereits definiert wurden, werde ich mich auf die Beschreibung der Auswahlkriterien für die jeweiligen Internet Applikationen beschränken. Zuallererst mußte geklärt werden, welche Internet Dienste als Erhebungsfelder überhaupt in Frage kommen. Die sozialwissenschaftliche Forschung beschäftigt sich im Bereich der Computer-vermittelten Kommunikation (CMC) vor allem mit Usenet Newsgroups (beispielsweise Baym 1995), Websites (Hine 2000), Internet Relay Chat (IRC) (Reid 1992), und Multi User Dungeons/Dimensions (MUDs und MOOs) (Curtis 1992). Da die Applikationen IRC und MUDs mittlerweile wesentlich weniger genutzt werden, und ich mir, nach erster Durchsicht der relevanten Literatur, keinen essentiellen Nutzen durch die Einbeziehung der beiden Dienste in die Untersuchung erwartete, beschränkte ich mich bei meiner Datenerhebung auf Websites, Newsgroups sowie, wissenschaftlich vergleichsweise wenig bearbeitete, Mailing Listen. Die eigentliche Recherche nach geeignetem empirischen Material für das Forschungsprojekt begann mit einer Stichwortsuche im WWW, unter Zuhilfenahme der Suchmaschine Google 36. Nach Eingabe des Suchbegriffs Indigenous People(s) wurde an erster Stelle die Website NativeWeb 37 gereiht. 38 Diese Site stellt eine der umfangreichsten Ressourcen zu Indigenen Gruppen rund um die Erde dar. Sie ist also besonders gut geeignet, um erste Daten zu erheben und so einen Überblick zur Thematik zu erhalten. In weiterer Folge diente NativeWeb auch als eine Art Portal, von dem aus andere Websites gefunden und bearbeitet werden konnten. Die Auswahl der Usenet Newsgroups gestaltete sich ähnlich. Auch hier wurde zuerst die Suchmaschine Google, sowie deren Funktion in ihrem Newsgroup-Archiv suchen zu können, in Anspruch genommen. 39 Die Suchbegriffe Indigene sowie Indigenous Peoples and Internet, 36 http://www.google.com. An dieser Stelle ist auf die, keineswegs unproblematische Verwendung von Suchmaschinen generell und im speziellen von Google hinzuweisen. Denn die Reihung und Auflistung der Suchergebnisse erfolgt nicht immer nach den offiziellen Kriterien (vgl. Rötzer 2002; Schröder 2002; Thomson 2002). 37 http://www.nativeweb.org/ 38 Nach welchen Kriterien die Suchergebnisse von Google offiziell gereiht werden, kann u.a. auf http://www.google.at/intl/de/why_use.html (Stand: 5.7.2002) nachgelesen werden. 39 http://groups.google.at/