DIPLOMARBEIT. FACH HOCHSCHULE LÜBECK University of Applied Sciences



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Transkript:

FACHBEREICH ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN STUDIENGANG TECHNISCHES GESUNDHEITSWESEN FACH HOCHSCHULE LÜBECK University of Applied Sciences DIPLOMARBEIT Qualitätsbewertung von binauralen Hörgeräteversorgungen Vergleich und Bewertung der Prüfanordnung nach DIN EN ISO 8253-3 mit den in der Praxis gebräuchlichen Prüfanordnungen Verfasser: Holger Harten Betreuer: Prof. Dr. E. Schwanbom Datum der Abgabe: 10. November 2000

FACHBEREICH ANGEWANDTE NATURWISSENSCHAFTEN STUDIENGANG TECHNISCHES GESUNDHEITSWESEN FACH HOCHSCHULE LÜBECK University of Applied Sciences Diplomarbeit Thema: Qualitätsbewertung von binauralen Hörgeräteversorgungen Zusammenfassung: Vergleich und Bewertung der Prüfanordnung nach DIN EN ISO 8253-3 mit den in der Praxis gebräuchlichen Prüfanordnungen Ziel dieser Diplomarbeit ist die Durchführung eines Vergleichs und einer Bewertung der Prüfanordnung nach DIN EN ISO 8253-3 und den in der Praxis üblichen Prüfanordnungen hinsichtlich ihrer Eigenschaften bei der Quantifizierung des Hörgewinns von binauralen im Vergleich zu monauralen Hörgeräteversorgungen. Als Indikation für eine Hörgeräteversorgung wird die Begutachtungsanleitung des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) zugrunde gelegt. Sie legt fest, bei welcher Art und Schwere der Schwerhörigkeit eines Patienten welche Hörhilfe zweckmäßig und wirtschaftlich ist und in welcher Form der verordnende HNO-Arzt und der anpassende Hörgeräteakustiker nachweisen müssen, dass die verordnete Hörhilfe diesen Vorgaben genügt. Zu diesem Zwecke ist in der DIN EN ISO 8253-3 festgelegt, nach welchem standardisierten Verfahren die Indikation einer binauralen Versorgung geprüft werden muss, um die Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit der Messwerte zu gewährleisten und um die Prüfanordnungen der HNO-Ärzte und Akustiker im Zuge der gesetzlich geforderten Qualitätssicherung zu vereinheitlichen. Probandentests am Deutschen Hörgeräte Institut in Lübeck mit Normalhörenden und binaural versorgten Hörgeräteträgern, die alle zufrieden bis sehr zufrieden mit ihrer Versorgung waren, ergaben, dass weder die Prüfanordnung nach DIN EN ISO 8253-3 noch die bisher in der Praxis üblichste Lautsprecheranordnung den vom MDS geforderten Verständnisgewinn von 10%-Punkten bei beidohriger im Vergleich zur einohrigen Versorgung zuverlässig belegen können. Untersuchungen mit zwei weiteren unterschiedlichen Lautsprecheranordnungen lieferten hingegen wesentlich zuverlässigere Ergebnisse zur Diagnostizierung des Indikationskriterium für die binaurale Versorgung mit Hörhilfen. Es sollte somit in Zukunft über andere als die derzeit in der Praxis angewandten bzw. vorgeschriebenen Messverfahren diskutiert werden, um HNO-Ärzten und Hörgeräteakustikern bei den über 500.000 jährlichen Hörgeräteanpassungen in Deutschland eine sichere, schnelle, einheitliche und wirtschaftliche Methode der Qualitätsbewertung bei binauralen Hörgeräteversorgungen zur Verfügung stellen zu können. Verfasser: Holger Harten Betreuer: Prof. Dr. E. Schwanbom Datum der Abgabe: 10. November 2000

Erklärung zur Diplomarbeit Hiermit versichere ich, dass ich die Arbeit selbstständig, ohne fremde Hilfe verfasst habe. Bei der Abfassung der Arbeit sind nur die angegebenen Quellen benutzt worden. Wörtlich oder dem Sinn nach entnommene Stellen sind als solche gekennzeichnet. Lübeck, 10. November 2000 (Holger Harten) Ich erkläre mich mit der Veröffentlichung dieser Arbeit unter der Berücksichtigung des auf der letzten Seite erläuterten Copyrights einverstanden. Lübeck, 10. November 2000 (Holger Harten)

Im Gedenken an meinen Vater Danksagung Folgenden Personen, die mich im Zusammenhang mit der Erstellung dieser Diplomarbeit unterstützt haben, möchte ich herzlichen Dank sagen: Herrn Dipl. Ing. Reimer Rohweder, für die Betreuung der Arbeit und die zur Verfügungstellung der Arbeitsmittel im Deutschen Hörgeräte Institut, Herrn Prof. Dr. Erik Schwanbom, für die Betreuung von Seiten der Fachhochschule Lübeck, den Probanden, die an den Messungen teilnahmen, den Mitarbeitern der Akademie für Hörgeräte-Akustik, für die Bereitstellung der Messkabine und des Audiometers und deren freundliche Unterstützung bei der Rekrutierung von Probanden, Frau Bäuml, für ihre freundliche Unterstützung bei der Rekrutierung von Probanden und das Korrekturlesen der Arbeit, meiner Partnerin Anita, für das Erdulden von vielen Unannehmlichkeiten und die seelische Unterstützung während der Diplomarbeitszeit, und besonders meiner hochverehrten Mutter, die mir mit ihrer geistigen, seelischen und finanziellen Unterstützung maßgeblich beim erfolgreichen Abschluss meines Studiums an der FH Lübeck half.

Inhaltsverzeichnis Abkürzungen... 2 1 Aufgabenstellung und Zielsetzung... 3 1.1 Ziel der Arbeit... 3 1.2 Einleitung... 3 1.3 Problemstellung... 6 2 Konzept zur Durchführung eines Probandentests... 9 2.1 Zielsetzung eines Probandentests... 9 2.2 Anforderungsprofil und Auswahl der Testpersonen... 10 2.3 Planung der Versuchsdurchführung... 11 3 Aufbau des Testmaterials und der Messkabine... 14 3.1 Auswahl des Sprachtests... 14 3.2 Modifikation des Sprachtests... 18 3.3 Auswahl der technischen Geräte... 19 3.4 Anordnung des Messaufbaus in der Messkabine... 20 3.5 Kalibrierung und Überprüfung der Messanordnungen... 23 4 Versuchsdurchführung... 26 4.1 Zusammenstellung der Wortlisten... 26 4.2 Unterweisung der Probanden... 28 4.3 Ablauf der Versuche... 28 5 Auswertung der Versuchsergebnisse... 32 5.1 Versuchsergebnisse der tonaudiometrischen Voruntersuchungen... 32 5.2 Versuchsergebnisse der Hörgeräteträger... 34 5.3 Versuchsergebnisse der Normalhörenden... 42 6 Beurteilung der Versuchsergebnisse... 52 6.1 Statistische Methoden zur Beurteilung der Ergebnisse... 52 6.2 Vergleich der Ergebnisse der vier Messanordnungen... 55 6.3 Diskussion der Ergebnisse... 58 7 Zusammenfassung und Ausblicke... 60 8 ANHANG... 63 8.1 Stand der Technik... 63 8.2 Abbildungsverzeichnis... 85 8.3 Tabellenverzeichnis... 87 8.4 Quellenverzeichnis... 88 8.5 Verwendete Geräte und Software-Programme... 91 8.6 Tabellen aller Messungen... 92

Abkürzungen 2 Abkürzungen Folgende Abkürzungen werden in dieser Arbeit verwendet: AHA...Akademie für Hörgeräte- Akustik in Lübeck BERA...Brainstem evoked response audiometry BIAP...Bureau International d Audiophonologie BILD...Binaural intelligibility level differenz (Vergleich zwischen monauralem und binauralem ILD) binaural...beidohrig (Hörgeräteversorgung) BIRD...Binaurales räumliches Differenzieren db...dezibel db opt....niedrigster Schallpegel für maximale Sprachverständlichkeit DIN...Deutsches Institut für Normung EN...Europa-Norm H1,...,H10...Probanden der Gruppe von Hörgeräteträgern HL...Hearing level (loos) = Hörverlust HNO...Hals-Nasen-Ohren ILD...Intelligibility level differenz (Vorteil beim Sprachverstehen in Störgeräusch bei räumlicher Trennung von Nutz- und Störschall) ISO...International Organisation for Standardization L A...Ausgangsschalldruckpegel L E...Eingangsschalldruckpegel LS...Lautsprecher MCL...Most comfortable level = Pegel angenehmster Lautstärke MDS...Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen monaural...einohrig (Hörgeräteversorgung) Muster 15...Verordnungsformula des HNO-Arztes µ...(griech.: My) Erwartungswert einer Gaußschen Verteilung N1,...,N15...Probanden der Gruppe von Normalhörenden NAL...National Acoustics Labaratories N db...nutzschall [= Sprache] (Index: Schallpegel in db) OEG...Open ear gain = Außenohrübertragungsfunktion Px d 10 %...Wahrscheinlichkeit, dass x d einer Testperson 10%-Punkte PC...Peak clipping s...standardabweichung der Messwerte einer Messreihe s d...standardabweichung von x d S db...störschall [= Rauschen] (Index: Schallpegel in db) S/N...Störschall- Nutzschallabstand σ...(grich.: Sigma) Breiteparameter einer Gaußschen Verteilung SISI...Short increment sensitivity index SPL...Sound pressure level = Schalldruckpegel UCL...Uncomfortable level (siehe U-Schwelle) U-Schwelle...Unbehaglichkeits- Schwelle für Sprache x...mittelwert der Messwerte einer Messreihe x d...hörgewinn einer Testperson x d...mittelwert des durchschnittlichen Hörgewinn

1 Aufgabenstellung und Zielsetzung 3 1 Aufgabenstellung und Zielsetzung 1.1 Ziel der Arbeit Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll die Qualitätsbewertung von binauralen Hörgeräteversorgungen mit Hilfe von unterschiedlichen Messanordnungen mit geeigneten Probandentests verifiziert werden. Mittels geeigneter Methoden der Statistik soll eine Aussage darüber getroffen werden, inwiefern die Messanordnung nach DIN EN ISO 8253-3 im Vergleich zu in der Praxis üblichen Messanordnungen den HNO- Ärzten und Hörgeräteakustikern zuverlässige Auskünfte über die Indikation eines zweiten Hörgerätes geben kann. Die Ergebnisse der Arbeit sollen den Nutzern dienen, den Aufbau ihrer individuellen Messanordnung dahin gehend zu optimieren, dass es ihnen möglich ist, mit hoher Zuverlässigkeit die Indikationskriterien für eine binaurale Hörgeräteversorgung zu belegen. Die Ergebnisse der Arbeit sollen dazu dienen, der Einführung eines standardisierten Messaufbaus Vorschub zu leisten, um im Zuge der gesetzlich geforderten Qualitätssicherung im Hörgeräteakustiker- Handwerk eine wichtige Vereinheitlichung der Prüfmethoden zu vollziehen. 1.2 Einleitung Es gibt 14 Millionen mit Hörbehinderungen in Deutschland... (Deutscher Schwerhörigen Bund) In der Bundesrepublik Deutschland werden Hörgeschädigten in Hörgeräteakustik-Fachgeschäften jährlich über 500.000 neue Hörgeräte angepasst und von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen mit über 400 Millionen D-Mark bezuschusst. Etwa dreißig bis fünfunddreißig Prozent der Patienten werden beidohrig versorgt 1. Als Indikation für eine Hörgeräteversorgung wird die Begutachtungsanleitung 2 des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen (MDS) zugrunde gelegt. Sie legt fest, bei welcher Art und Schwere der Schwerhörigkeit eines Patienten welche Hörhilfe zweckmäßig und wirtschaftlich ist und in welcher Form der verordnende Hals-Nasen-Ohren-Arzt (HNO-Arzt) und der anpassende Hörgeräteakustiker nachweisen müssen, dass die verordnete Hörhilfe diesen Vorgaben genügt. Die Diagnostik von Hörschäden obliegt in den deutschsprachigen Ländern den niedergelassenen HNO-Ärzten und Fachkliniken. Sofern eine Heilung oder Minderung der Hörstörung durch medikamentöse oder operative Behandlung möglich erscheint, ist diesen Behandlungsformen zunächst der Vorzug zu geben, da trotz allem technischen Fortschritt das natürliche Gehör einer Versorgung mit Hörgeräten überlegen 1 Zahlen des Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) e.v. 2 Begutachtungsanleitung zur apparativen Versorgung bei Funktionsstörungen des Ohres

1 Aufgabenstellung und Zielsetzung 4 ist. Da aber die überwiegende Zahl aller Schwerhörigen unter therapieresistenten sensorischen oder neuralen Hörstörungen leidet, kommt der weitaus größere Teil der Betroffenen für eine Versorgung mit Hörprothesen in Betracht. Die Hörgeräteversorgung geschieht im Zusammenwirken von HNO-Ärzten und Hörgeräteakustikern. Dieses Versorgungsmodell sieht eine Aufgabenteilung zwischen beiden Berufsgruppen vor, die sich gut bewährt hat. Der behandelnde HNO-Arzt verordnet Hörgeräte, wenn diese durch eine Anamnese sowie otologische und audiologische Befunde indiziert sind. Dazu benutzt er ein Formblatt (Muster 15), in das der Ohrbefund und die indikationsrelevanten Befunde der Ton-, Sprach- und Impedanzaudiometrie eingetragen werden. Mit diesem Formblatt begibt sich der Patient zu einem Hörgeräteakustiker, der die Anpassung von geeigneten Hörgeräten vornimmt. Ganz ähnlich wie ein Patient, der sich eine Brille vom Augenarzt verschreiben lässt und sich dann beim Optiker eine für ihn geeignete Brille mit den passenden Gläsern anfertigen lässt. Die Auswahl der richtigen Hörhilfe und deren optimale Anpassung an die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten bedarf allerdings im Vergleich zur Brillenanfertigung ein Vielfaches an Zeitaufwand. Sie beinhaltet sehr umfangreiche Erfassungen der akustischen Kenndaten des Gehörs und Anpassmessungen, das Anfertigen von individuellen Ohrpassstücken mit Hilfe von Abformungen der äußeren Gehörgänge, die Einweisung des Hörgeräteträgers in die sachgerechte Bedienung und Handhabung der Geräte, Nachbetreuung, Beratung hinsichtlich zusätzlicher Kommunikationshilfen und schließlich auch Service- und Reparaturleistungen [8]. Im Anschluss an die Hörgeräteanpassung, die meist erst nach mehrmaligen Nachanpassungen und einer unverbindlichen zwei- bis dreiwöchigen Tragezeit auf Probe, in der der Patient sich an das Hören mit Hörgeräten gewöhnen soll, abgeschlossen ist, überzeugt sich der HNO-Arzt davon, dass mit den angepassten Hörgeräten eine ausreichende Verbesserung des Kommunikationsvermögens erzielt wird und dass die Hörhilfe zweckmäßig ist. Er verschreibt bei einer erfolgreichen Anpassung und Zustimmung des Patienten die durch den Akustiker angepassten Hörgeräte, so dass der Akustiker die Krankenkassenzuschüsse, die seine erbrachten Handwerksund Dienstleistungen beinhalten, einfordern und dem Kunden den Differenzbetrag zu der Gesamtsumme der Hörgeräteversorgung in Rechnung stellen kann. Abb 1-1 veranschaulicht den normalen Ablauf einer Hörgeräteversorgung. In der Folgezeit besteht in den meisten Fällen eine Betreuung des Hörgeräteträgers durch den Hörgeräteakustiker, da sich fast alle Patienten ihre Pflegemittel und Hörgerätebatterien in Zeitintervallen von vier bis acht Wochen beim Fachhändler kaufen. Dieser nutzt den Besuch seiner Kunden dazu, den ordnungsgemäßen Zustand der Hörgeräte zu prüfen und ggf. dem Kunden durch individuelle Beratung und weitere Feinanpassungen der Hörgeräte zu helfen, latente Antipathie gegenüber der Hörgeräteversorgung, sofern sie erkennbar wird, abzubauen, da eine unterschwellige Ablehnung den Gewöhnungs- und Rehabilitationsprozess erheblich behindert. Eine

1 Aufgabenstellung und Zielsetzung 5 mangelhafte Erstversorgung von Hörgeräteträgern in Verbindung mit einer schlechten Nachbetreuung des Patienten führt in vielen Fällen zu einer vollkommenen Ablehnung der Versorgung der Hörbehinderung mit Hörgeräten. Sie trägt somit auch indirekt zu einer sozialen Ausgrenzung des Hörgeschädigten aufgrund seiner unversorgten Kommunikationsstörung bei. Dies sollte nicht nur aus sozialen Aspekten, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen unter allen Umständen vermieden werden. Durch eine schlecht durchgeführte Hörgeräteversorgung wird der in der Gesellschaft vorherrschenden Meinung, dass das Tragen von Hörgeräten eher eine Verschlechterung als eine Verbesserung der Lebensqualität zur Folge hat, Vorschub geleistet. Die gesetzlichen Krankenkassen bezuschussen eine Hörgeräteversorgung durchschnittlich mit ca. 900 DM pro Hörgerät. Die genaue Summe ist von der Art des Hörgerätes und vom jeweiligen Bundesland abhängig. Dem Patienten entstehen bei der Versorgung mit Hörgeräten Kosten von null bis zu 3.500 DM pro Hörgerät, je nachdem, ob er sich für eine technisch und kosmetisch einfache Lösung entscheidet oder es vorzieht kosmetisch sowie technisch sehr anspruchsvolle Hörgeräte zu kaufen. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für Betriebsmittel wie Batterien und Pflegemittel üblicherweise nicht, so dass dem Hörgeräteträger laufende Kosten von monatlich ca. 12 bis 15 DM pro Hörgerät entstehen. Die Krankenkassen übernehmen die etwaigen Kosten für Reparaturen bis zu einem bestimmten Betrag, und der Hörgeräteträger hat frühestens nach sechs Jahren einen erneuten Anspruch auf die Krankenkassenzuschüsse für neue Hörgeräte. Verlauf einer Hörgeräteversorgung Patient bemerkt Kommunikationsschwierigkeiten & wendet sich an HNO-Arzt Erster Termin beim HNO-Arzt Diagnose der Hörstörung Ausstellung einer Hörgeräteverordnung Überweisung zum Hörgeräteakustiker Patient geht zum Hörgeräteakustiker seiner Wahl Erster Termin beim Hörgeräteakustiker Ermittlung der akustischen Kenndaten des Gehörs Hörgeräteberatung Ohrabformung Bestellung von Hörgeräten Anfertigen von Otoplastiken Patient wartet ein bis zwei Wochen auf zweiten Termin Zweiter Termin beim Hörgeräteakustiker Einstellung und Anpassung von verschiedenen Hörgeräten Erklärung der Handhabung und Pflege der Hörgeräte Mitgabe der Hörgeräte zum Probetragen Patient trägt die Hörgeräte bis zu vier Wochen zur Probe Dritter Termin beim Hörgeräteakustiker Feinanpassung der Hörgeräte Kontrollmessungen für die Indikation des zweiten Hörgerätes Erneute Erklärung der Handhabung, von Zubehör und Pflegemittel Verfassen eines Anpassberichtes bei erfolgreicher Anpassung Patient vereinbart zweiten Termin beim HNO-Arzt Zweiter Termin beim HNO-Arzt Überprüfung der Hörgeräteanpassung Verordnung einer bzw. zweier Hörgeräte Patient wendet sich bei Fragen und Problemen an den Akustiker Nachsorge-Termine beim Hörgeräteakustiker Verkauf von Batterien und Pflegemittel Funktionsprüfung und Reinigung der Hörgeräte Hörberatung und Nachanpassung der Hörgeräte Reparaturen der Otoplastiken und Hörgeräte Patient trägt Hörgeräte bis zur Verordnung neuer Geräte durch den HNO-Arzt nach frühestens sechs Jahren Abb. 1-1: Verlauf einer Hörgeräteversorgung

1 Aufgabenstellung und Zielsetzung 6 1.3 Problemstellung In Deutschland ist die Hörgeräteversorgung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung in den Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien geregelt. Die Indikationskriterien für die Hörgeräteversorgung sind in der Begutachtungsanleitung festgeschrieben und müssen vom HNO-Arzt bestätigt werden. Ziel jeder Hörgeräteanpassung ist es laut Richtlinie (Punkt 63.2): Soweit bei der Prüfung ohne Hörgeräte ein Punkt maximalen Einsilberverstehens noch zu registrieren ist (über Kopfhörer), sollte mit den Hörgeräten im freien Schallfeld das Einsilberverstehen bei 65 db in diesem Punkte möglichst nahe kommen. Ist bei 65 db ohne Hörgerät noch ein Einsilberverstehen zu registrieren, soll der Gewinn mit Hörgeräten im freien Schallfeld bei gleichem Pegel mindestens 20 Prozentpunkte betragen. Diese Bedingung lässt sich in den meisten Fällen, in denen eine Verschlechterung des Hörvermögens beide Ohren gleichermaßen beeinträchtigt, bereits mit einem einzelnen Hörgerät erfüllen, was in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass oft nur ein Hörgerät verordnet wurde. Dieser Hörgewinn kann mit einem Hörgerät aber nur unter sehr idealen Bedingungen, was Störgeräusche betrifft, erzielt werden, wie sie in den Messkabinen der Hörgeräteakustiker und HNO-Ärzten herrschen. Betrachtet man die Akzeptanz der einohrig (monaural) versorgten Hörgeräteträger zur Hörgeräteversorgung, stellt man fest, dass in der Praxis das Hören und Verstehen von Sprache durch viele Störeinflüsse erschwert wird und kommt zum Schluss, dass durch die einseitige Versorgung die Fähigkeit des räumlichen Hörens, so wie sie Normalhörende mit Hilfe ihrer beiden gesunden Ohren nutzen können, außer Acht gelassen wird und nur eine beidohrige (binaurale) Hörgeräteversorgung den Hörverlust der Patienten effektiv kompensiert und dem normalen Hören am nächsten kommt. Aus diesen Gründen ist eine binaurale Versorgung mit Hörgeräten, soweit diese möglich ist, grundsätzlich anzustreben. Der Erfolg einer binauralen Hörgeräteversorgung und die Verbesserung des Verstehens von Sprache mit zwei Hörgeräten im Vergleich zum Verstehen mit einem Gerät muss vom Hörgeräteakustiker geprüft werden, wenn der Patient dies wünscht und der HNO-Arzt dies für erfolgversprechend erachtet. Darüber hinaus müssen weitere Kriterien, die in der Begutachtungsanleitung festgeschrieben sind, erfüllt sein, damit auch der Kostenträger seine Zuschüsse zum zweiten Hörgerät beisteuert, was noch einmal 90% der Kosten des ersten Gerätes sind. Unter dem Abschnitt 5: Überprüfung der Anpassung der Begutachtungsanleitung werden unter anderem folgende Punkte für die Indikation einer binauralen Hörgeräteversorgung gefordert:

1 Aufgabenstellung und Zielsetzung 7 Der verordnende HNO-Arzt muss sich durch sprachaudiometrische Untersuchungen vergewissern, dass die selbst erhobenen Messwerte mit denen des Hörgeräteakustikers übereinstimmen, die vom Hörgeräteakustiker vorgeschlagene Hörhilfe den angestrebten Verstehensgewinn nach Nummer 4.1.3 erbringt, durch die vorgeschlagene Hörhilfe nach Vergleich der Hördaten mit verschiedenen Hörgeräten der beste Verstehensgewinn erzielt wird. Punkt 4.1.3 Versorgung der Begutachtungsanleitung besagt unter anderem: Die Versorgung kann beidohrig erfolgen, wenn die auditive Kommunikationsbehinderung beidseitig effektiv versorgbar ist, und zu erwarten ist, dass beide Hörgeräte durch den Patienten gleichzeitig benutzt werden können, und die Fähigkeit zur sachgerechten Bedienung von zwei Hörgeräten beim Patienten vorhanden ist, und durch die beidohrige Versorgung gegenüber der einohrigen Versorgung das Sprachverstehen im Störgeräusch um mindestens 10 Prozentpunkte steigt oder das Richtungshören verbessert wird. Erfahrungsgemäß akzeptiert ein Schwerhöriger eine beidohrige Versorgung nur dann, wenn ein wesentlich besseres Sprachverstehen erreicht wird. In der derzeitigen Praxis sind diese Forderungen nur schwer zu belegen und erst Recht zu überprüfen, da die große Mehrheit der HNO-Ärzte und Hörgeräteakustiker für ihre Überprüfung der Anpassung einen Messaufbau wählt, der der DIN 45624 (die durch die DIN EN ISO 8253-3 abgelöst wurde) Sprachaudiometer; Begriffe, Anforderungen, Prüfung genügt und diese Norm Unterschiede in der Anordnung des Messaufbaus zulässt, weil sie keinerlei Vorschriften und Vorschläge darüber macht. Dies hat zur Folge, dass in der Praxis mehrere unterschiedliche Methoden zur Überprüfung des Sprachverstehens im Störgeräusch Verwendung finden. Nur die wenigsten Akustiker vermerken in ihren Anpassberichten, mit welcher Messanordnung sie die Verbesserung des Sprachverstehens nachgewiesen haben, so dass es den HNO-Ärzten meist nicht möglich ist diese Messung zu reproduzieren, so wie es die Begutachtungsanleitung vorschreibt. Die seit Oktober 1998 in Kraft getretene DIN EN ISO 8253-3 hingegen, die an Stelle der DIN 45624 Anwendung finden soll, schreibt genaue Messbedingungen vor, die es ermöglichen sollen, die von den HNO-Ärzten und Hörgeräteakustikern erhobenen Messwerte zu vergleichen und zu reproduzieren. Die in der Norm vorgeschriebe-

1 Aufgabenstellung und Zielsetzung 8 ne Messanordnung soll ihnen die Möglichkeit geben präzise Angaben zur Indikation einer monauralen bzw. binauralen Versorgung gegenüber den Krankenkassen machen zu können. Sie soll den Akustiker in die Lage versetzen dem Hörgeräteträger anschaulich zu verdeutlichen, in welchem Maße das zweite Hörgerät ihm in schwierigen Hörsituationen das Verstehen von Sprache erleichtert, denn auch der Patient ist nicht bereit zusätzliches Geld in ein zweites Hörgerät zu investieren, wenn er nicht vom Nutzen des zusätzlichen Kostenverursachers überzeugt ist. Die Umsetzung der DIN EN ISO 8253-3 findet in der Praxis aber so gut wie keine Anwendung, weil den Nutzern meist nicht bewußt ist, dass die in der Norm festgeschriebene Anordnung ein elementarer Bestandteil der Qualitätssicherungskette ihres Könnens ist. Sie bildet die Grundlage für die Messung, die zur Beweisführung für die Indikation eines zweiten Hörgerätes dient. Mit ihr begründen die Akustiker 15-20% der gesamten Kassenzuschüsse 3 zur Hörgeräteversorgung und noch einmal einen etwa gleich großen Betrag an Zuzahlungen, die die Hörgeräteträger privat in die Versorgung mit einem zweiten Hörgerät investieren sollen. Es gibt vor allem zwei Gründe, warum die Umsetzung der Norm in die Praxis noch nicht stattgefunden hat. Erstens sind die Anforderungen der Messanordnung mit keinem der derzeitig im Handel befindlichen Audiometern ohne zusätzliche Apparaturen zu realisieren, was nur mit nicht unerheblichen Kosten einhergehen würde, und zweitens liegen bis heute keine verlässlichen Daten vor, die die Annahme bestätigen, dass mit der genormten Messanordnung tatsächlich die vom Medizinischen Dienst geforderten Indikationskriterien für eine binaurale Versorgung zuverlässig bestätigt werden können und jeder Zeit reproduzierbar sind. Trotz aller Bedenken gegenüber der neuen Messanordnung zur Qualitätsbewertung von binauralen Hörgeräteversorgungen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die HNO-Ärzte und Hörgeräteakustiker den Kassen und letztendlich auch den Beitragszahlern gegenüber verpflichtet sind ihre Leistungen kritisch zu prüfen, damit sie einer etwaigen Qualitätskontrolle durch Beauftragte der Kostenträger standhalten. Die Einführung eines standardisierten Messverfahrens ist ein wichtiger Schritt zur Qualitätssicherung, die es den HNO-Ärzten und den Hörgeräteakustikern ermöglicht ihre Leistungen und den Erfolg der Hörgeräteanpassung den Krankenkassen und den Patienten quantitativ zu veranschaulichen ein Anspruch, den die Ärzte und Akustiker den Beitragszahlern bei einer jährlichen Summe von mehr als 75 Millionen D-Mark schuldig sind. 3 Die Hälfte der Kosten der 30-35% binauraler Versorgungen, die den Kassen durch das zweite Gerät entstehen.

2 Konzept zur Durchführung eines Probandentests 9 2 Konzept zur Durchführung eines Probandentests 2.1 Zielsetzung eines Probandentests Grundsätzlich ist man bei technischen Fragestellungen bemüht, mit Hilfe von analytischen Methoden der klassischen Naturwissenschaften Lösungsansätze und Antworten auf die zu erarbeitende Fragestellung zu erforschen. Handelt es sich wie im Falle dieser Arbeit um die Leistung oder Bewertung einzelner Individuen, kann eine Antwort auf die Fragestellung nur mit einem Probandentest erfolgen. Die Genauigkeit der Aussage, ob eine bestimmte Merkmalsausprägung zutreffend ist, hängt von der Art und Anzahl der Testpersonen ab. Die Testpersonen müssen hinsichtlich ihrer Eigenschaften, die die Fragestellung betreffen, so gewählt werden, dass sie möglichst mit der Streuung der Eigenschaften der Allgemeinheit übereinstimmen. Als Beispiel für einen typischen Probandentest sei die Beantwortung der Fragestellung genannt, ob es Unterschiede in der Geschicklichkeit von Linkshänder im Vergleich zu Rechtshändern gibt und wenn ja, wie groß sie sind. Als erstes ist die Frage zu klären, wen man als einen Links- bzw. Rechtshänder bezeichnet und mit was für einer Art Test man Geschicklichkeit überhaupt messen kann. Hat man darauf eine Antwort gefunden und einen zuverlässigen Test entwickelt, muss man als nächstes geeignete Probanden finden. Die Genauigkeit der Aussage steigt mit der Zunahme der Anzahl von Testpersonen und sie ist logischer Weise am genauesten, wenn man alle Menschen testen würde. Da dies aber nicht möglich ist, muss man eine Stichprobe von allen auswählen, die möglichst genau mit der Gesamtheit der Menschheit übereinstimmt. Dabei ergibt sich ein weiteres Problem, nämlich was unter der Gesamtheit zu verstehen ist. Bezieht man sich auf die Gesamtbevölkerung der Erde, des jeweiligen Landes, der Stadt oder vielleicht nur der Gruppe, für die die Fragestellung von Bedeutung ist? Dabei ist besonders darauf zu achten, dass die Stichprobe bezüglich aller beeinflussenden Faktoren die Gesamtheit repräsentiert. In diesem Beispiel muss also darauf geachtet werden, dass die Testpersonen bezüglich ihres Geschlechts, Alters, Berufes etc. im selben Verhältnis wie die Gesamtheit ausgewählt werden, da diese Merkmale maßgeblich die Aussagekraft des Ergebnisses beeinflussen. Andere Merkmale, wie z.b. Haarfarbe oder Parteizugehörigkeit spielen bei der Wahl der Testpersonen in diesem Falle keine Rolle, könnten es aber bei anderen Fragestellungen. Die Anzahl der Personen muss so gewählt werden, dass mit Hilfe von statistischen Methoden die gewünschte Genauigkeit erreicht wird. Oder anders herum kann von der Anzahl der Testpersonen auf die Wahrscheinlichkeit, dass die Prognose zutreffend ist, geschlossen werden.

2 Konzept zur Durchführung eines Probandentests 10 2.2 Anforderungsprofil und Auswahl der Testpersonen Die grundsätzlichen Überlegungen aus Kapitel 2.1 müssen nun auf die Fragestellung, wie sie im Kapitel 1.1 bereits beschrieben wurde, übertragen werden. Als Testpersonen kommen also grundsätzlich Personen in Frage, deren Hörverlust möglichst symmetrisch und beidohrig effektiv versorgbar ist. Bezüglich des Alters und des Grades ihrer Schwerhörigkeit sollten ihre Eigenschaften die der Gesamtheit der Hörgeräteträger möglichst gut repräsentieren. In Abb. 2-1 ist die Altersverteilung von 3300 Hörgeräteträgern dargestellt, die im Jahre 1992 von einer großen deutschen Hörgeräteakustiker- Filialkette mit Hörgeräten neu versorgt wurden. Da diese Eigenschaften in der Bevölkerung weit Verteilung in Prozent gestreut sind und es in der Literatur unterschiedliche Angaben zu diesen Parametern gibt, sollte der Test zusätzlich an einer Vergleichsgruppe, die aus Normalhörenden 4 besteht, überprüft werden. Die Vergleichsgruppe benötigt zwar keine Hörgeräte, aber ihr Hörvermögen entspricht einer wie im Anhang 8.1.2 beschriebenen idealen Hörgeräteversorgung eines Schwerhörigen. Die monaurale ideale Hörgeräteversorgung wird durch das Verschließen eines Ohres mit einem Gehörschutz-Stöpsel simuliert. Angaben zu den Eigenschaften von otologisch normalen Personen werden beispielsweise in der ISO 226 beschrieben, danach liegt die Hörschwelle eines gesunden Ohres bei allen Frequenzen von 125 Hz bis 8 khz bei null db HL. Da die Hörschwelle mit zunehmendem Alter durch Lärmexpositionen zunimmt, sollten die Probanden möglichst junge Erwachsene sein. Kinder kommen nicht in Frage, da sie zwar eine normale Hörschwelle haben, aber ihr Körperwachstum und ihre hohen Konzentrationsschwankungen das Messergebnis negativ beeinflussen können. 35 30 25 20 15 10 5 0 1-10 Abb. 2-1: Altersverteilung von Neuversorgungen nach Müller (3300 Patienten) 11-20 Altersverteilung von Hörgeräteträgern mit Neuversorgungen Die Anzahl der Testpersonen, die benötigt werden, um eine vorgegebene Genauigkeit des Ergebnisses zu erhalten, ist kaum vorauszusagen. Zum einen, weil man in der Literatur keine genauen Angaben zu den Normalverteilungen in der Bevölke- 21-30 31-40 41-50 51-60 61-70 71-80 81-90 91-100 >100 Alter in Jahren 4 DIN EN ISO 7029 / 2.1 Otologisch normale Person: Eine Person mit normalem Gesundheitszustand, die ohne bekannte Ohrerkrankung ist, deren Gehörgänge frei von übermäßigem Ohrenschmalz sind, und die bisher nicht übermäßig unter Lärmeinwirkung gestanden hat.

2 Konzept zur Durchführung eines Probandentests 11 rung hinsichtlich der Einflussfaktoren, der in dieser Arbeit zu überprüfenden Kriterien, existieren und zum anderen, weil die Genauigkeit der Versuchsanordnung (Gruppen des Sprachtests; Mitarbeit der Probanden, etc.) nicht exakt zu bestimmen ist. Die Anzahl der Probanden sollte genügend groß sein, um statistische Methoden zur Auswertung der Testergebnisse anwenden zu können. Dabei sind weitere limitierende Faktoren die zeitliche Begrenzung der Dauer der Diplomarbeit und das zur Verfügung stehende Budget für die Aufwandsentschädigung der Probanden. In der Vergangenheit wurden beispielsweise bei Studien mit Probandentests mit Fragestellungen im audiologischen Bereich eine Anzahl von 12 (BIRD-Test [9] ), 15 (Verständlichkeitsabweichung der einzelnen Wortgruppen des Freiburger Sprachtests zum Mittelwert [2] ), 21 (Hörgeräte-Anpassung mit der Lautheitsskalierung im Vergleich zu einem audiogramm-basierten Verfahren [21] ) oder auch in umfangreicheren Studien zum Teil bis zu 57 (Anpassung und Überprüfung von Hörhilfen mit verschiedenen Verfahren der Hörflächenskalierung [14] ) und mehr Probanden benötigt, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen. Allen Auswertungen dieser Studien liegt die Annahme zu Grunde, das sich die Gesamtheit der Probanden bezüglich ihrer individuellen Streuung wie die Gaußsche Verteilung verhält. Es lassen sich also die klassischen Methoden der statistischen Wahrscheinlichkeitsrechnung anwenden. Da es sich bei der Fragestellung um die Gegenüberstellung mehrerer Messanordnungen bezüglich des Hörgewinnes binauraler Hörgeräteversorgung im Störschall im Vergleich zur monauralen Hörgeräteversorgung handelt, scheint eine Anzahl von zehn bis zwanzig Probanden zu genügen, um eine Aussage mit genügend hoher Wahrscheinlichkeit darüber treffen zu können, inwieweit ein Verständnisgewinn mit zwei Hörgeräten bei den unterschiedlichen Messanordnungen nachweisbar ist. 2.3 Planung der Versuchsdurchführung Zum Beginn der Planung des Probandentests kommt es im Wesentlichen auf zwei Dinge an. Zum einen muss ein Testablauf geplant werden, der für konstante Messbedingungen sorgt und bei allen Testpersonen gleichermaßen angewandt wird, und zum anderen muss gewährleistet sein, dass genügend geeignete Probanden für den Test rekrutiert werden können. Bei der Planung des Testablaufs sind die Rahmenbedingungen für den Aufbau in der Messkabine und das Audiometer zum größten Teil durch die Fragestellung vorgegeben und durch verbindliche Normen und Vorschriften so wie durch den Bezug zu der in der Praxis üblichen Messmethode geregelt. In den folgenden Tabellen sind die Vorgaben mit dem Bezug auf die zugrunde liegende Norm, Vorschrift oder Empfehlung aufgelistet, die beim Versuchsaufbau beachtet werden muss.

2 Konzept zur Durchführung eines Probandentests 12 Folgende Tabellen listen die Vorgaben für die jeweiligen Bereiche auf: - Tab. 2-1: Anforderungen an die Messkabine - Tab. 2-2: Anforderungen an die Darbietungsformen und die Pegel der Sprache und des Zusatzschalls Vorgabe: Wert: Quelle: Verbindlichkeit: Grundfläche Nicht quadratisch BIAP 06/2 5 [4] Empfehlung Raumvolumen 16 m² BIAP 06/2 Empfehlung Eigenresonanz < 7 Hz BIAP 06/2 Empfehlung Nachhallzeit bei 250 Hz < 0,3 s BIAP 06/2 Empfehlung Störschallpegel < 40 db(a) BIAP 06/2 Empfehlung Tab. 2-1: Anforderungen an die Messkabine Die Anforderungen an das zu benutzende Audiometer sind in der DIN EN 60645-1 bis 60645-2 festgelegt und die des Sprachmaterials und der Unterweisung der Probanden in den Testablauf in der DIN ISO 8253-1 bis 8253-2, bzw. DIN EN ISO 8253-3. Die Bereitstellung von geeigneten Räumlichkeiten sowie technischen Geräten war gewährleistet, da die Studie in enger Zusammenarbeit mit der Akademie für Hörgeräte-Akustik (AHA) in Lübeck stattfand und die Akademie eine geeignete Messkabine sowie alle benötigten Gerätschaften, soweit sie am Deutschen Hörgeräte Institut nicht schon vorhanden waren, für den Zeitraum der Diplomarbeit kostenlos zur Verfügung stellte. Die Akademie war zudem bei der Suche nach geeigneten Probanden behilflich, so dass es möglich war zehn binaural versorgte Hörgeräteträger zu rekrutieren. Die Gruppe der normalhörenden Vergleichsgruppe setzte sich aus Schülern, Studenten und jungen Erwerbstätigen zusammen, deren Hörverlust in keiner Frequenz zwischen 125 Hz und 8 khz über 15 db HL liegt. Auf die genaue Zusammensetzung der beiden Probandengruppen wird später noch im Kapitel 5.1 eingegangen. Die Anforderungen und der Umfang der Mittel, die zur Beantwortung des Diplomarbeitsthemas benötigt werden, sind nunmehr festgelegt, und es ist sichergestellt, dass sie für die Durchführung der Arbeit zu Verfügung stehen. Im nächsten Planungsschritt muss die Auswahl der technischen Geräte stattfinden und der Aufbau der Testanordnung konfiguriert werden. 5 Bureau International d'audiophonologie kurz: BIAP; Empfehlung 06/2: Technische Ausrüstungen für Hörgeräte-Anpassungen

2 Konzept zur Durchführung eines Probandentests 13 Vorgabe: Wert: Quelle: Horizontale Anordnung des Lautsprechers zur Sprachdarbietung Vertikale Anordnung des Lautsprechers zur Sprachdarbietung Frontal zur Testperson (0 Einfallswinkel; Abstand 1 m) In Kopfhöhe des sitzenden Probanden DIN EN ISO 8253-3 Abschnitt 8 DIN ISO 8253-2 Abschnitt 5.3 Sprachschallpegel 65 db (5 DIN EN ISO 8253-3 Abschnitt 15.3 Horizontale Anordnung der Lautsprecher zur Zusatzschalldarbietung Art des Zusatzschalls (Störschalls) Vertikale Anordnung des Lautsprechers zur Zusatzschalldarbietung Zusatzschallpegel Testanordnung 1: Im Winkel von 180 von hinten Testanordnung 2: Im Winkel von +45 rechts und 45 links vom frontalen (0 ) Lautsprecher für Sprache Testanordnung 3: Im Winkel von 45 von der Seite, mit der der monaurale Vergleich stattfindet Testanordnung 4: Im Winkel von 90 von der Seite, mit der der monaurale Vergleich stattfindet Frequenzbewertetes Rauschen mit konstantem Spektraldichtepegel innerhalb des Frequenzbereiches von 125 Hz bis 1 khz und oberhalb von 1 khz um 12 db/okt. Abfallend. (Grenzabweichungen = ± 5 db) Nicht kohärentes Rauschen bei Testanordnung 2 In Kopfhöhe des sitzenden Probanden 60 db Verbindlichkeit: Vorschrift (1 Vorschrift Vorschrift (2 Die gebräuchlichste Anordnung von HNO- Ärzten und Hörgeräteakustikern Zulässig (4 in der Praxis DIN EN ISO 8253-3 Abschnitt 15.2 Mögliche Alternative zu anderen Anordnungen (vom Autor der Diplomarbeit vorgeschlagene Anordnung) Vorschrift (1 Zulässig (4 Mögliche Alternative zu anderen Anordnungen (Findet Anwendung Zulässig (4 beim BIRD-Test und beim ILD- bzw. BILD- Test) DIN EN 60645-2 Abschnitt 13.1 DIN EN ISO 8253-3 Abschnitt 15.2 DIN ISO 8253-2 Abschnitt 5.3 DIN EN ISO 8253-3 Abschnitt 15.3 (1 Bei Verwendung anderer Anordnungen müssen diese eindeutig angegeben werden (2 Bei Verwendung anderer Schallpegel müssen diese eindeutig angegeben werden Vorschrift (3 Vorschrift Vorschrift (2 (3 Bei Verwendung eines anderen Zusatzschalls muss dessen Eigenschaft eindeutig angegeben werden (4 Wenn die Anordnung eindeutig im Anpassbericht angegeben ist. (siehe DIN EN ISO 8253-3 Absatz 15.2) (5 Entsprechend dem ungefähren Sprachschallpegels bei normaler Unterhaltung Tab. 2-2: Anforderungen an die Darbietungsformen und die Pegel der Sprache und des Zusatzschalls

3 Aufbau des Testmaterials und der Messkabine 14 3 Aufbau des Testmaterials und der Messkabine 3.1 Auswahl des Sprachtests Das für Verständlichkeitsmessungen verwendete Sprachmaterial sollte möglichst repräsentativ für die Sprache und für die zu betrachtende Kommunikationssituation sein. Dabei tritt als grundlegendes Problem die hohe Zahl von Variablen auf, für die eine möglichst vernünftige Festlegung erfolgen sollte. Zu diesen Variablen gehören die Art des Tests. Man unterscheidet: - offene Tests, bei denen ein Testitem (z.b. ein Wort oder Satz) dem Probanden dargeboten wird, das er möglichst korrekt wiederholen soll und - geschlossenen Tests, bei denen der Proband das richtige Testitem aus einer Liste von möglichen Antworten bezeichnet. Weitere Variablen sind: - die Länge der Testitems (z.b. einsilbige oder mehrsilbige Wörter oder Sätze), - die Auswertungsmethode (Bewertung richtig erkannter Phoneme, Silben, Wörter oder Sätze), - der Sprecher (männlich/weiblich, geschult/ungeschult, synthetische Sprache) sowie - die Wahl eines Störgeräusches und einer räumlichen Anordnung von Nutzschall und Störschallquelle Jedes der gebräuchlichen Sprachtestverfahren besitzt eine eigene Kombination dieser Variablen, so dass sich die Testergebnisse schwer miteinander vergleichen lassen. Zudem ist die Festlegung der Variablen abhängig vom Einsatzzweck des Tests. Beispielsweise steht bei der Diagnostik von Hörstörungen die analytische Fähigkeit des Tests im Vordergrund, d.h. die Möglichkeit, aus den auftretenden Phonemverwechslungen Rückschlüsse auf das gestörte Hörsystem zu ziehen, während bei der Begutachtung eher eine hohe Reproduzierbarkeit und Genauigkeit des Tests und eine hohe Repräsentanz des Sprachmaterials für alltägliche Kommunikation im Vordergrund stehen. Bei der Hörgeräteanpassung ist dagegen eine hohe Sensitivität gegenüber kleinen Änderungen der Einstellparameter des Hörgerätes wichtig [8]. Der derzeit in der Standardaudiometrie fast ausschließlich eingesetzte standardisierte Sprachtest, der Freiburger Wörtertest (DIN 45621-1), ist ein offener Test mit Einsilbern bzw. Mehrsilbern (Zahlen). Als Alternative dazu wurde in jüngerer Zeit das Reimtestverfahren mit geschlossenen Antwortalternativen [20] entwickelt, die sich in nur einem Phonem unterscheiden und sich daher reimen (z.b. Sinn, hin, bin, Kinn,

3 Aufbau des Testmaterials und der Messkabine 15 Zinn). Dieses Verfahren vermeidet Fehlerquellen bei der Testbewertung durch den Testleiter und ist automatisierbar. Die Einsilbertests haben den Vorteil einer geringeren Redundanz, d.h. aus einem richtig verstandenen Teil des Wortes kann nicht auf den anderen, unverständlichen Teil geschlossen werden. Da im Deutschen aber Zweisilber häufiger als Einsilber sind, sind sie eher repräsentativ für die deutsche Sprache (Anwendung bei der Ermittlung des MCL und der U-Schwelle für Sprache). Sprachtests mit Sätzen bieten dagegen eine sehr realitätsnahe Kommunikationssituation. Ihre Diskriminationsfunktion (der Prozentsatz richtig verstandener Wörter als Funktion des Sprachpegels) ist sehr steil, so dass sie eine hohe Sensitivität gegenüber Änderungen im Sprachpegel oder im Signal-Rausch-Abstand aufweisen. Für den deutschen Sprachraum gibt es den standardisierten Marburger Satztest (DIN 45621-2) und den Göttinger Satztest. Wie bereits bei der Planung der Versuchsanordnung sind bei der Wahl des Tonmaterials aufgrund des Praxisbezugs die Form des Sprachtests und des Zusatzschalls (Störschalls) vorgegeben. Es gibt zwar, wie bereits angesprochen, eine Reihe von Sprachtests, die genauso gut oder sogar besser für den Test geeignet sind, aber nur der Freiburger Sprachtest ist genormt und findet überall in der Praxis bei der Überprüfung von Hörgeräteversorgungen Anwendung. Er ist nach der Begutachtungsanleitung der Heil- und Hilfsmittelrichtlinien Vorschrift für das Muster 15 (Verordnungsformula des HNO-Arztes). Nach B. Kollmeier [10] hat der Freiburger Sprachtest bekanntermaßen folgende Nachteile: 1. Es wird ein offener Wortschatz verwendet. Dies setzt voraus, dass die Testperson das zu verstehende Wort vorher kennt und bereit ist, es in der Prüfsituation zu wiederholen. Problematisch ist das Verfahren daher beispielsweise bei Ausländern. Außerdem können die Messergebnisse von der Bildung des Probanden sowie der individuellen Hemmschwelle bei der Wiederholung bestimmter Wörter (z.b. Schwein oder Mist ) abhängen. 2. Die Antwort wird durch Wiederholen des Testwortes gegeben, so dass Fehler aufgrund undeutlicher Aussprache des Probanden oder Fehlhörigkeit der prüfenden Person auftreten können. 3. Eine Wiederholung des Tests mit derselben Wörtergruppe ist erst nach einem langen Intervall möglich, weil gewisse Kombinationen von Testwörtern leicht gemerkt werden können und bei der Wiederholungsmessung zu fälschlich hohen Sprachverständlichkeiten führen können. 4. Der Test ist nicht automatisierbar, d.h. die Mitwirkung einer Prüfperson ist immer erforderlich, so dass die Testergebnisse von ihr beeinflusst werden können. 5. Die derzeit verfügbare Aufsprache des Testmaterials wurde von einem ausgebildeten Sprecher aufgesprochen, der bestimmte Sprachelemente überartikuliert

3 Aufbau des Testmaterials und der Messkabine 16 und daher für den täglichen Sprachgebrauch uncharakteristische Erkennungsmerkmale liefert. 6. Durch die Auspegelung sämtlicher Testwörter auf den gleichen RMS-Wert (effektiver Sprachschallpegelwert) wurden zudem große Verständlichkeitsunterschiede zwischen den Wörtern erzeugt. In einer weiteren Studie von B. Bangert [2] wurde überdies mit einer homogenen Gruppe von 15 Hörgeräteträgern der unterschiedliche Schwierigkeitsgrad der einzelnen Wörtergruppen zum mittleren Schwierigkeitsgrad des gesamten Wörterinventars des Freiburger Sprachtests ermittelt. Die Ergebnisse dieser Studie sind in Abb. 3-1 dargestellt. Abweichung in Prozent 100 Verständlichkeitsabweichung der einzelnen Gruppen des Freiburger Sprachtests zum Mittelwert 80 60 40 20 0-20 -40-60 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 Vertrauensbereich (2σ) + σ - σ -80-100 Abb. 3-1: Verständlichkeitsabweichung der einzelnen Gruppen des Freiburger Sprachtests zum Mittelwert Diese Nachteile, die in der Praxis bedauerlicherweise wenig Beachtung finden, müssen bei der Durchführung des Probandentests besonders berücksichtigt werden, damit sie die Ergebnisse nicht übermäßig verfälschen. Hierzu wurden folgende Dinge bei der Konfiguration des Testaufbaus beachtet: 1. Jede Versuchsanordnung wurde mit drei unterschiedlichen Gruppen des Freiburger Sprachtests durchgeführt und anschließend ein arithmetischer Mittelwert zur Bestimmung der Diskrimination berechnet (Bei nur einer Testgruppe entspricht ein richtig verstandenes Wort 5%-Punkten der Gesamtdiskrimination; bei drei Testgruppen nur noch 5/3%-Punkten). Damit die bekannten Verständlichkeitsabweichungen (Abb. 3-1) zwischen den einzelnen Testanordnungen nicht so stark

3 Aufbau des Testmaterials und der Messkabine 17 ins Gewicht fallen, wurden die Gruppen 3, 5, 14, 15 und 20 nicht verwendet und die restlichen Gruppen so zusammengestellt, dass ihre Abweichungen sich möglichst gut gegenseitig aufheben. 2. Da der Probandengruppe der Hörgeräteträger und zwei der Normalhörenden die Wörter des Sprachtests und deren Reihenfolge sehr gut vertraut sind (weil sie alle bis auf einen regelmäßig an Probandentest, die im Rahmen der Meisterschulungen an der Akademie für Hörgeräte-Akustik stattfinden, teilnehmen), wurden die einzelnen Wörter einer Testbatterie in ihrer Reihenfolge so verändert, dass keine Wörter in der üblichen Reihenfolge hintereinander vorgespielt werden (siehe Kapitel 3.2). 3. Die Muttersprache aller Probanden ist Deutsch. 4. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Bildungsstand der Probanden genügt, um die von ihnen geforderten Aufgaben zu begreifen und sie mit ausreichend konstanter Konzentration mitarbeiten, weil die Gruppe der Hörgeräteträger mit dieser Art von Tests vertraut ist und die Gruppe der Normalhörenden aus Gymnasiasten, Studenten und Akademikern besteht. 5. Die Probanden erhalten eine angemessene Aufwandsentschädigung und es ist ihnen bewusst, dass von ihnen dafür eine konstante Mitarbeit verlangt wird. 6. Die Probanden werden, wenn nötig, immer wieder dazu aufgefordert, laut und deutlich die von ihnen verstandenen Wörter nachzusprechen, damit der Prüfer sie seinerseits fehlerfrei versteht. Kann der Prüfer ein wiedergegebenes Wort nicht sicher verstehen, unterbricht er den Test kurz (Anhalten der Sprach-CD und Abschalten des Störschalls) und fordert den Probanden auf, das zuletzt gehörte Wort noch einmal zu wiederholen. Danach fährt er mit dem Test unverzüglich fort. 7. Der Prüfer ist normalhörend. 8. Jede Testgruppe wird während des Versuchs nur einmal wiederholt. Zwischen der ersten und zweiten Darbietung hat der Proband mindestens fünf weitere Testgruppen nachgesprochen, so dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass er sich die Wörter aus der ersten Darbietung merken konnte. 9. Der Prüfer hat keine Vorgaben, was das erwartete Ergebnis und dessen Genauigkeit angeht, und will deswegen das Ergebnis nicht willentlich beeinflussen. Mit den aufgezählten Maßnahmen sollten mögliche Fehlerquellen bezüglich des Sprachmaterials und der Einflussfaktoren der Testperson und des Prüfers hinreichend minimiert sein, damit eine möglichst hohe Genauigkeit des Testes gewährleistet werden kann.

3 Aufbau des Testmaterials und der Messkabine 18 3.2 Modifikation des Sprachtests Die Compakt-Disk, auf der das Sprachmaterial in originaler Form aufgezeichnet ist (ACOUSTICON Hörsysteme GmbH; Sprachtest nach DIN 45621), wurde in der herkömmlichen CD-Qualität gesamplet (44.100 Hz; 16 bit; Stereo) und zur Weiterverarbeitung im Wave-Format auf der Festplatte eines Rechnersystems gespeichert. Anschließend wurden die Gruppen in ihre einzelnen Wörter inklusive der 4sekündigen Pausen zwischen den Wörtern mit einem Sounddateien-Verarbeitungsprogramm (MAGIX audio studio 5) zerteilt und in einer festgelegten neuen Reihenfolge wieder zusammengefügt. Folgende Regeln wurden dabei beachtet: 1. Die Zahlen bzw. Wörter des originalen Sprachmaterials sind in den jeweiligen Gruppen nur in ihrer Reihenfolge vertauscht. 2. Es folgen in der neuen Anordnung keine zwei Wörter der Originalanordnung aufeinander. 3. Die Gruppen sind in ihrer Reihenfolge vertauscht (Ansagetext jeder Gruppe) 4. Es hat kein Austausch von Zahlen bzw. Wörtern zwischen unterschiedlichen Gruppen stattgefunden. 5. Die neue Anordnung der Zahlen bzw. Wörter innerhalb der jeweiligen Gruppen und die Anordnung der Gruppen mit mehrsilbigen und einsilbigen Wörtern wurde nach den in Tab. 3-1 dargestellten Vertauschungsregeln durchgeführt. Mehrsilber (CD-Tracks 1-10) Reihenfolge der Gruppen: Reihenfolge der Zahlen: Reihenfolge der Gruppen: Einsilber (CD-Tracks 11-30) Reihenfolge der Wörter: Alt: Neu: Alt: Neu: Alt: Neu: Alt: Neu: Alt: Neu: Alt: Neu: 1 4 1 7 1 7 11 6 1 19 11 12 2 7 2 10 2 10 12 11 2 8 12 15 3 5 3 8 3 18 13 4 3 10 13 18 4 9 4 1 4 5 14 17 4 13 14 6 5 6 5 3 5 8 15 12 5 4 15 9 6 8 6 5 6 14 16 9 6 11 16 20 7 1 7 2 7 20 17 19 7 1 17 14 8 3 8 6 8 2 18 13 8 5 18 3 9 10 9 4 9 15 19 1 9 16 19 17 10 2 10 9 10 3 20 16 10 2 20 7 Tab. 3-1: Reihenfolge der Gruppen und Testitems in der modifizierten Art Die so neu geordneten Gruppen wurden danach auf einer CD-R im Digital-Audio (-Extra)-Format zusammen mit dem dazugehörigen Prüfbericht mit der neuen Reihenfolge in verschiedenen Dateiformaten gespeichert, so dass diese CD-R mit jedem

3 Aufbau des Testmaterials und der Messkabine 19 handelsüblichen CD-Player abspielbar ist und zusätzlich die Dokumentation des modifizierten Sprachmaterials bequem mit einem PC vervielfältigt werden kann. 3.3 Auswahl der technischen Geräte Die Anforderungen an das zu benutzende Audiometer sind in der DIN EN 60645-1 bis 60645-2 festgelegt und besagen unter anderem, dass das Ausgangspegel-Einstellelement für Sprachsignale in Stufen von höchstens 5 db kalibriert sein muss (Abschnitt 8.1). Der Ausgangspegel am Lautsprecherausgang muss mit Hilfe des Stellers in einem Bereich von 10 db bis 80 db relativ zu seiner Bezugsposition einstellbar sein (Abschnitt 8.2). Es muss möglich sein, den Pegel des Kalibriersignals (der Sprach-CD) mit einer Unsicherheit von nicht mehr als 1 db auf die Bezugsmarkierung (Zielpegel) abzugleichen (Abschnitt 7.2). Bei den Probandentests ist vorgesehen, die Sprache mit einem Schallpegel von 65 db und den Störschall mit 60 db bei den Hörgeräteträgern bzw. 70 db bei den Normalhörenden am Ort des Kopfes der Testperson darzubieten. Da der Messaufbau in der Kabine ausschließlich für diese Testreihe benutzt wird, besteht die Überlegung, das Audiometer aus Kostengründen nicht von einem Servicetechniker der betreffenden Firma softwareintern auf die temporäre Anordnungsänderung zu kalibrieren und sie anschließend erneut auf den in der AHA benötigten Aufbau einzustellen. Mit einem Audiometer, bei dem der Schallpegel der Sprache und des Zusatzschalls in 1 db- Schritten variierbar ist, könnte man die systematischen Abweichungen, die durch die Veränderungen der Lautsprecherabstände zum Probanden und durch die Positionsveränderungen der Lautsprecher im Raum entstehen, durch konstante Berücksichtigung dieser Abweichungen mit der Genauigkeit von ± 1 db ausgleichen. Aufgrund dieser Überlegungen eignet sich ein rechnergestütztes Audiometer mit der Typenbezeichnung AURICAL der Firma Madsen besonders gut für diese Messungen, weil es diesen Anforderungen entspricht und sich mit ihm überdies hinaus bis zu sechs benutzerdefinierte Testeinstellungen vordefinieren und per Funktionstasten aufrufen lassen, so dass man für jede Lautsprecheranordnung im Raum per Tastendruck die passende Einstellung wählen kann, die die gewünschten Schallpegel für das Sprachsignal und Rauschsignal am Ort des Probanden erzeugt. Da es derzeit auf dem deutschen Markt keine dreikanaligen Audiometer gibt, lässt sich das nicht kohärente Rauschen nach DIN EN ISO 8253-3 Abschnitt 15.2 und die Sprache nicht gleichzeitig über ein Audiometer allein abspielen. Da dies aber in einer der Testanordnungen erforderlich ist, muss eine Lösung, die dies ermöglicht, gefunden werden. Eine Möglichkeit wäre, ein zweites Audiometer in die Messkabine zu stellen, was als nicht sehr komfortabel erscheint, weil ein zusätzlicher PC den Geräuschpegel in der Messkabine erhöhen würde und eine zusätzliche Tastatur, Maus, sowie Monitor und Bedienungspult die Einstellungen für die Messungen unnötig verkomplizieren würden.