Grasbasierte Tierzucht und Tierhaltung. Dr. med. vet. Anita Idel Feldatal und Berlin Mediation & Projektmanagement Agrobiodiversität

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Grasbasierte Tierzucht und Tierhaltung Dr. med. vet. Anita Idel Feldatal und Berlin Mediation & Projektmanagement Agrobiodiversität Durch den Tagungstitel Fleisch aus Weidehaltung steht Gras, wenn auch unausgesprochen, im Zentrum dieser Tagung als meist gar nicht wahrgenommener aber letztlich unverzichtbarer Teil der Lebensgrundlagen des Menschen. Zusammenhänge zwischen der Entwicklung der Lebewesen auf und im Boden sowie in der Luft und im Wasser sind teilweise in Vergessenheit geraten, noch ehe ihre Dynamiken richtig verstanden waren. Das gilt insbesondere für die Bedeutung der Grasländer. Die Welternährungsorganisation FAO gibt die Zahl der Rinder und Büffel heute mit weltweit ca. 1,5 Mio. an doppelt so viele, wie vor fünfzig, sechzig Jahren. Vor dieser Zeit lebten diese Wiederkäuer überwiegend dort, wo ihre Nahrung wuchs, nämlich auf dem Grasland. Seitdem sind weitere ca. 750 Mio. dazugekommen, die quasi auf dem Ackerland stehen, weil wir sie zu Nahrungskonkurrenten gemacht haben. Denn für sie wird Futter angebaut, während sie ihr Leben ohne Weidegang in Ställen oder Feedlots fristen müssen. Auch wenn darüber diskutiert werden kann und soll, ob und in welchem Ausmaß eine Zufütterung von Kraftfutter für die Gesundheit der Tiere und die Ökologie vertretbar oder sogar wünschenswert ist: Für jeden landwirtschaftlichen Betrieb stellt die Antwort auf die Frage, wie die Rinderfütterung entwickelt werden soll, eine Grundsatzentscheidung dar: Es geht um die Richtung; denn entweder Sie versuchen zu intensivieren und verdrängen das Grund- und Raufutter Ihrer Kühe durch immer mehr Kraftfutter oder Sie entscheiden sich für mehr Nachhaltigkeit und wählen die andere Richtung, wodurch Kraftfutter immer mehr durch Gras ersetzt wird.

La Grotte Chauvet Pont d Arc Die Zeichnungen in der Höhle von Chauvet zählen mit 30-40.000 Jahren zu den ältesten weltweit. Wir sehen überwiegend Grasfresser. In der Mitte ein Nashorn, eine Art, welche in Europa die Eiszeit nicht überlebt hat. Aber der Auerochse, das Wildpferd und das Wisent der europäische Bison haben überlebt. Diese Weidetiere haben seit der letzten Eiszeit einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Böden und deren Fruchtbarkeit geleistet. Vielen Menschen ist das bewusst aber meist nur für die Zeit nach der Domestikation. Und zuvor - wo war bereits fruchtbares Land, als die Menschen begannen, sesshaft zu werden? Und wo sind heutzutage die weltweit fruchtbarsten Großregionen? Und was ist das gemeinsame Merkmal dieser sogenannten Kornkammern, den Regionen, auf denen seit Jahrzehnten Getreide, Mais und Soja in riesigen Monokulturen angebaut werden? Ob die Prärie in Nordamerika, die Pampa in Argentinien, die Schwarzerdeböden in der Ukraine sie alle sind Steppenböden, die ihre gigantische Fruchtbarkeit ihrer Nutzungsart verdanken: Jahrtausendelange Beweidung hat drei bis sechs Meter dicke Humusschichten entstehen lassen. Aber je länger die Weidetiere schon durch Verdrängung und/oder Ausrottung aus dem Blickfeld verschwunden sind, desto eher wird vergessen, dass Steppe immer bedeutet: Gras und Weidetier. Denn kein Grasland bleibt erhalten, wenn es dauerhaft ungenutzt bleibt. Ohne Beweidung entsteht Wald, wenn es nicht zu kalt und / oder zu trocken ist, sonst wachsen Büsche. Prärie - Bison

Trotz des dramatischen Umbruchs von Gras ist es weltweit immer noch das größte Biom: Stellt man sich die Weltkugel vor und zieht den Anteil Wasser ab, bleibt die globale Landfläche übrig; deren größter Teil wird von Gras bewachsen. In der Natur gibt es keine Monokulturen, auch Gräser leben immer als Gesellschaft. Gras kommt in und zwischen vier Extremen vor Hitze, Kälte, Trockenheit und Nässe: Gräser überstehen die extreme Kälte oberhalb der Baumgrenzen ebenso wie extreme Hitze des Sahels. Gräser leben in feuchten Gebieten wie den Auenlandschaften ebenso wie in der trockenen Serengeti. Das Erfolgsprinzip liegt in der Biodiversität: der regionenspezifischen Zusammensetzung aus mehr- und einjährigen Gräsern, mit der sie so flexibel reagieren können wie keine andere Pflanzengesellschaft. Das gilt auch für alle Übergangs- und Mischformen zwischen nass, kalt, trocken und heiß in Kombination und im Wechsel. Deshalb überleben Grasgesellschaften auch in Regionen, in denen sich Überschwemmungen und Trockenzeiten abwechseln. Geschätzte 50 Millionen das folgende Bild zeigt die enorme Verbreitung des Bisons in Nordamerika. Weil dort der Höhepunkt der Ausrottung der Weidetiere erst in den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts erfolgte, ist im kollektiven Gedächtnis der Menschen in den Prärieregionen Nordamerikas immer noch verankert, dass die heutigen Äcker früher Weideland waren.

Wissenschaftlich belegt, aber öffentlich wenig bekannt ist hingegen der Verlust der Bodenfruchtbarkeit Nordamerikas innerhalb der letzten 100-130 Jahre: 25-30%. Dieses Foto steht sinnbildlich für die Art von Agrarsystem, die ich vor meiner Ausbildung zur Tierärztin, in meinem Agrarstudium gelernt habe: Eine ausgeräumte Landschaft kein Baum, kein Strauch steht der Technik im Weg... Jahrzehntelanger Einsatz von synthetischem Stickstoffdünger und Pestiziden generiert letztlich eine sterbende Landschaft. Und doch werden dieses und ähnliche Bilder weiterhin nicht zur Abschreckung, sondern für die Werbung eingesetzt - quasi als weltweites Vorbild für die Chemisierung und Technisierung der Landwirtschaft. Weil die Amerikaner bereits seit Jahrzehnten immer höhere Ernten produzieren, liegt es nahe zu glauben, sie wüssten, wie es geht Ein Irrtum. Denn wer das behauptet, macht die Rechnung ohne den Wirt : den Boden. Produktion ist nur möglich, solange der Boden noch Reserven hat und die schrumpfen. Deshalb hat sich der Weltagrarrat auf die Erhaltung natürlicher Ressourcen und speziell auf die Vermeidung der Degradierung der Bodenfruchtbarkeit durch Erosion und Verdichtung konzentriert. In den USA und Kanada gibt es Erfahrungen mit der Revitalisierung degradierter Böden durch nachhaltiges Beweidungsmanagement. Das wurde ursprünglich vom Naturschutz initiiert; inzwischen entwickeln auch Landwirte nachhaltige Beweidungsprojekte und nutzen Bisons für die kommerzielle Produktion von Fleisch.

Und in Südamerika? Ebenfalls auf ca. 50 Millionen wird die Zahl der Guanakos geschätzt, die als Stammform der Lamas die Pampa Argentiniens bei der Ankunft der Spanier im 16. Jahrhundert besiedelten. Das ist heute in der Bevölkerung Argentiniens kaum mehr bekannt. Denn die Guanakos wurden aus der fruchtbaren Ebene mehr und mehr nach Westen in die Berge verdrängt oder regional ausgerottet, sodass die Menschen vergaßen, dass sie einstmals riesige Flächen beweideten. Das folgende Bild zeigt bezüglich der Landnutzungsänderungen in Südamerika, dass neben der dramatischen Regenwaldrodung auch das Grasland durch Umbruch extrem betroffen ist. Sojaanbau und Landnutzungsänderungen Flächenänderung im Sojaanbau Regenwald Savanne mit Bäu men Grasland, Savanne/ Weide Andere Ackerflächen Argentinien Brasilien 17,50% 48,75% 33,75% Paraguay 20% 47% 23% 10% 35% 45% 20% GERMANWATCH 2011 Wer an Südamerika und an Fleisch denkt, stellt sich vermutlich saftige Weiden vor. Um so erschrockener war ich bei meinen Recherchen 2013 und 2014 in Argentinien: Ich fand nicht nur die durch Anbau von gentechnisch manipulierter Soja in Monokultur degradierten Ackerböden vor, sondern in gleichem Ausmaß degradiertes Weideland infolge von Über- und Unterbeweidung.

Bison bonasus - Verbreitung Holozän hellgrün Hochmittelalter dunkelgrün Auch in Europa haben die Menschen vergessen, dass Weidetiere nach der letzten Eiszeit die Böden und Landschaften geprägt haben. So war das Wisent, der europäische Bison, einer ihrer wesentlichen Mitbewohner; dessen enormes Beweidungsgebiet führte von Nordspanien über Mitteleuropa bis nach Zentralasien. Anfangs war er weniger der Ausrottung als der Verdrängung ausgesetzt, sodass sich die Herden immer weiter in den Nordosten Europas zurückzogen. So waren in unseren Breiten bereits vor 2.000 Jahren, zu Zeiten der Römer, keine großen Wisentherden mehr unterwegs. Begehrlichkeiten an den Schwarzerdeböden der Ukraine sind kein neues Phänomen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren sie drei Meter dick. Wiederum sind kein Baum und kein Strauch zu sehen: Nichts das die Technik bremst ebenso wenig wie die menschengemachte Erosion, die die Fruchtbarkeit der Böden in hundert Jahren auf die Hälfte schrumpfen ließ.

Auerochsen haben das große Verbreitungsgebiet der Wisente noch weit übertroffen: Sie besiedelten den Doppelkontinent Eurasien von der westeuropäischen Atlantikküste über Nordafrika bis an die ostasiatische Pazifikküste. Zudem hatte sich eine eigene Subpopulation in Indien entwickelt. Leider ist in der Bevölkerung wie überall auch auf dem Subkontinent der Heiligen Kühe die Erinnerung an die großflächige Beweidung durch Auerochsen in Vergessenheit geraten. Trotz seiner wichtigen Rolle und gigantischen Verbreitung ist der Auerochse in Eurasien ausgerottet worden. Das Foto zeigt eine phänotypische Nachzüchtung. Dazu wurden seit den 1930er Jahren Kreuzungsversuche mit Podolischen Steppenrindern, Schottischen Hochlandrindern, Spanischen Kampfrindrassen auch einigen Hausrinderrassen durchgeführt. Um die weltweite Bedeutung des Graslandes zu verstehen, reicht es nicht, nur das oberirdische Wachstum wahrzunehmen; denn dann führt insbesondere der Vergleich von Grasland und Wald fast zwingend zu falschen Schlussfolgerungen. Nur wer auch in den Boden sowie in die Luft die Atmosphäre schaut, kann dem Geheimnis des Wachstums auf die Spur kommen, welches auf der Verbindung dieser drei Lebensräume basiert. Kutschera und Lichtenegger (1982), Wiesenwurzeln

Die Photosynthese verbindet als biochemische Reaktion Luft, Bodenoberfläche und Wurzelraum: Sie ist quasi der Motor des Wachstums angetrieben von der Energie der Sonne. Das Besondere beim Gras: Die Beweidung löst einen Wachstumsimpuls aus, der durch Mähen imitiert werden kann. Nicht nur der oberirdische, sondern auch der Zuwachs an Biomasse im Boden (Wurzeln) stammt wesentlich aus dem CO2 der Luft. Das gilt auch für den Humus, der durch die Arbeit von Regenwürmern und anderen (Mikro-)Organismen aus verrottenden Pflanzenbestandteilen entsteht. Für Grasböden kann man vereinfacht formulieren: Die Wurzeln von heute sind der Humus von morgen. Wie beispielsweise im menschlichen Körper finden auch im Boden aufbauende und abbauende Prozesse immer gleichzeitig statt. Wird Boden nachhaltig bewirtschaftet / ist das Beweidungsmanagement nachhaltig, überwiegt der Bodenaufbau. Da die Hauptmasse bei der Photosynthese immer aus dem CO2 der Luft stammt, ist ein Zuwachs von Humus immer mit einer Entlastung der Atmosphäre verbunden. Umgekehrt führt eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung des Bodens zu einer Belastung der Atmosphäre. Humus besteht zu mehr als 50 Prozent aus Kohlenstoff (C) Jede zusätzliche Tonne Humus im Boden entzieht der Atmosphäre ca. 1,8 Tonnen CO2: 0,55 to C 1,25 to O2 1,8 to CO2 ========= Alle Weidetiere sind Mittler zwischen den unterschiedlichen Lebensräumen. Dass sie mit ihren Fäkalien dem Boden etwas davon zurückgeben, was sie gefressen haben, wissen auch viele landwirtschaftliche Laien. Aber dass die Kuh zur Bodenfruchtbarkeit viel mehr beiträgt, als Kot und Urin zu produzieren, diese Zusammenhänge sind selbst unter Agrarexperten kaum bekannt. Deshalb spreche ich von verborgenen Potentialen der Weidetiere. DAUER-Grünland und Wiederkäuer - verborgene Potenziale

In meinem Buch Die Kuh ist kein Klima-Killer konzentriere ich mich auf die Böden, die so steil, steinig, nass oder trocken sind, dass sie nicht beackert aber beweidet werden sollten. Sei es im Donau-Moos oder in den Rhein-Auen eine gesunde Grasnarbe ist die Voraussetzung, um den Boden bei Überflutungen durch festhalten zu erhalten. Tatsächlich aber wird aber weiterhin häufig bis nahe an die Flüsse Ackerbau betrieben. In den hochwassergefährdeten Gebieten führt dies zu Schäden in Milliardenhöhe. Nicht ackerfähiges DAUER-Grasland Nicht ackerfähiges DAUER-Grasland Die Rinderzucht zielt auf immer höhere Leistungen, weshalb auch Kühe zunehmend wie Schweine mit Kraftfutter gefüttert werden. Die geniale Fähigkeit der Rinder wiederzukäuen und Gras und Heu zu Milch und Fleisch umwandeln zu können, steht schon lange nicht mehr im Zentrum der Forschung. Stattdessen werden seit mehr als zwei Jahrzehnten Millionen ausgegeben, um ihnen salopp formuliert das (Methan-)Rülpsen abzugewöhnen. Auch für die Hochleistungsrinder expandiert auf immer mehr Ackerland der Anbau von Kraftfutter, damit steigt auch der Einsatz von synthetischem Stickstoffdünger: Seine Herstellung verursacht hohe CO2-Emissionen, weil dabei viel Energie verbraucht wird; und bei seiner Anwendung auf dem Acker entsteht Lachgas: N2O ist mehr als 300 mal so klimarelevant wie CO2. Das ist wenig bekannt und noch weniger die Folgen: Lachgas bildet den größten Beitrag der Landwirtschaft zum Klimawandel. Für die nicht wiederkäuergemäße Fütterung mit Kraftfutter ist gar kein Pansen nötig, denn die Fähigkeit zum Wiederkäuen wird zur Verdauung von Soja, Weizen und Mais ja gar nicht benötigt Beim Rülpsen entweicht Methan 25 mal klimarelevanter als CO2. Das war solange kein Problem, wie der jahrtausendelange Kreislauf des Kohlenstoffs (C) zwischen den Lebensräumen funktionierte. Aber eine Rinderhaltung auf Spaltenböden und Beton statt auf der Weide stellt der Belastung der Atmosphäre durch Methan keine Entlastung durch Humusbildung mehr gegenüber. Anstatt die Rinderzucht auf Hochleistung verbunden mit nicht wiederkäuergemäßer Fütterung und der Belastung von Böden, Gewässern und Klima mit synthetischem Stickstoffdünger als Auswuchs des unverantwortbaren Agrarsystems zu erkennen, ist der eigentliche Verursacher aus dem Blick geraten: Der (Klima-)Killer ist immer der Mensch. Denn so wie wir zwischen ressourcenverbrauchenden und nachhaltigen Lebens- und Ernährungsstilen unterscheiden, gilt das auch für Agrarsysteme. Deshalb muss jede Investition und Innovation daran gemessen werden, wie sie sich auf das jeweilige Agrarsystem und insbesondere die biologischen Ressourcen auswirkt.

Aber beispielsweise errechnen fast alle Studien zur Bedeutung der Rinder für den Klimawandel gar keine Bilanzen, sondern nur die Freisetzung (Emission) klimarelevanter Gase und nicht deren Speicherung (Sequestrierung). Wenn aber die sogenannten Systemgrenzen so gesetzt werden, dass das Potential der Rinder, Bodenentwicklung und Bodenfruchtbarkeit zu fördern, überhaupt nicht berücksichtigt wird, hat die Kuh als Methan rülpsender Wiederkäuer schon verloren, bevor ein Forschungsprojekt überhaupt begonnen wird. In der Folge hat ihr schlechtes wissenschaftliches Image als Klimakiller über die Medien auch die Öffentlichkeit erreicht. Durch die industrialisierte Landwirtschaft steigt der Ressourcenverbrauch. Wir verbrauchen biologische Reserven, ohne gleichzeitig zu ihrer Regenerierung beizutragen. Das gilt nicht nur für die Belastung und Zerstörung von Böden und den Verlust biologischer Vielfalt, denn industrielle Tierhaltung gilt zu Recht auch als Verschmutzer und Vergeuder von Wasser. Meist wird die positive und notwendige Rolle nachhaltiger Beweidung auch in diesem Zusammenhang gar nicht wahrgenommen: Aufgrund seiner weltweit gigantischen Ausdehnung spielt das Grasland eine entscheidende Rolle für die Regeneration des Grundwassers ein weiteres Beispiel für die verborgenen Potenziale grasbasierter Tierzucht und Tierhaltung.