Titel: Das. Hintergrund: Brandschutz zu untersuchen. Daten. Realbrände. Hypothese: Nachrechnung. These: kann.



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Transkript:

Das virtuelle Expe riment Methoden des Brandschutzingenieurwesens im Zusammenhang mit Nachrechnungen von Brandereignissen /- experimenten Quelle: NIST, NCSTAR 2: Vol. I Modularbeit des Modul 7 Ingenieurmethoden im Brandschutz des Fire Safety Management Lehrgangs 1 (2008/2010) am Department für Bauen und Umwelt der Donau-Universität Krems Ing. Michael Pulker St. Pölten, am 08.06.2009

Department für Bauen und Umwelt Abstract Titel: Das virtuelle Experiment Untertitel: Methoden des Brandschutzingenieurwesens Brandereignissen /- experimenten im Zusammenhang mit Nachrechnungen von Name Autor: Ing. Michael Pulker Lehrgang/Jahrgang: Fire Safety Management 2008/20100 Hintergrund: Im Bereich des Brandschutzwesens wurde bereits eine Vielzahl an genau dokumentierten Brandversuchen in den unterschiedlichsten Größenkategorien durchgeführt. Je nach Versuchsziel wurden dabei umfangreiche Daten wie z.b. Temperaturverläufe, Rauch- und Schadstoffentwicklung, Ausbreitungsgeschwindigkeiten usw. gesammelt, ausgewertet und dokumentiert. Aber auch eine Vielzahl an tatsächlichen Bränden wurde vor allem bei katastrophalen Auswirkungen (viele Tote oder große Sachschänden) im Nachhinein nachgestellt um offene Fragen zur Brandursache und Brandverlauf zu klären. Auch zu diesen Versuchen gibt es umfangreiches Datenmaterial in Form von Messergebnissen und Auswertungen. In der jüngeren Vergangenheit etablieren sich im Brandschutzwesen im häufiger Methoden des Brandschutzingenieurwesens wie z.b. Brandsimulationsmodelle um Fragestellungen zum vorbeugenden Brandschutz zu untersuchen. Werden als Eingangsparameter nun entsprechende Realbrände herangezogen, so ist demnach davon auszugehen, dass die am Markt etablierten Simulationsmodelle bei fachgerechter Anwendung und einer ausreichenden Anzahl an Eingangsparametern, zu vergleichbaren Ergebnissen wie bei den Realversuchen kommen müssten. Hypothese: Gesucht wird ein Prozess bzw. Checkliste, der die Anwendung von Ingenieurmethoden in Fällen einer Nachrechnung beschreibt. Untersucht wird, welche Parameter mit Brandsimulationsmodellen relativ genau dargestellt werden können, bzw. welchee Parameterr einen hohen Unsicherheitsfaktor aufweisen. Methode und Belege: Anhand ausgewählter Brandversuchen bzw. nachgestellter Realbränden welchee im Nachhinein mittels Brandsimulationsverfahren untersucht wurden, wird analysiert inwieweit die Auswertungen der Simulationen mit den Messergebnissen der Versuche übereinstimmen. Aufgrund dieser Ergebnisse wird ein Prozess bzw. Checkliste definiert, welcher die Anwendung von Ingenieurmethoden in Fällen einer Nachrechnung beschreibt. Weiters wird aufgrund von Literaturrecherche untersucht welche Problemstellungen sich bei der Nachrechnung von Brandereignissen ergeben. These: Unter Einhaltung einiger grundlegenden Voraussetzungen und falls genügend Eingangsparameter für eine Brandsimulation zur Verfügung stehen, kann durchaus ein realistischer Brandverlauf nachgerechnet werden. Bedingung ist jedoch stets die Möglichkeit dass das Simulationsergebniss mit dem tatsächlichen Brandverlauf bzw. Brandauswirkungen vergleichen werden kann. Weitergabe erlaubt Datum: 08.06.2009

Inhaltsverzeichnis 1 Kurzfassung... 4 2 Einleitung... 4 2.1 Definition Validierung - Verifizierung... 5 3 Problemstellungen bei der Nachrechnung von Brandszenarien... 5 3.1 Einleitung... 5 3.2 Aufnahme und Modellierung der experimentellen Eingangsparameter... 5 3.3 Experimentelle Unsicherheiten... 6 3.4 Rahmenbedingungen des Simulationsmodells... 7 3.5 Aussagekraft und Qualität des Simulationsmodells... 8 3.6 Gegenüberstellung der Mess- und Simulationsergebnisse... 12 3.7 Zusammenfassung... 12 4 Brandversuche im Detail... 12 4.1 World Trade Center... 12 4.1.1 Einleitung... 12 4.1.2 Anwendung der Brandsimulation... 13 4.1.3 Vorgehensweise für die Brandsimulation... 14 4.1.4 Ergebnisse der Brandsimulation... 16 4.1.5 Strukturanalyse... 17 4.1.6 Zusammenfassung... 17 4.2 Station Nightclub Feuer auf Rhode Island... 18 4.2.1 Einleitung... 18 4.2.2 Anwendung der Brandsimulation... 18 4.2.3 Vorgehensweise für die Brandsimulation... 19 4.2.4 Ergebnisse der Brandsimulation... 20 4.2.5 Zusammenfassung... 22 5 Zusammenfassung... 22 6 Literaturverzeichnis... 23 7 Verzeichnis der Internet-Verweise... 24 8 Abbildungsverzeichnis... 24 9 Tabellenverzeichnis... 24 10 Abkürzungsverzeichnis... 24

14 Das virtuelle Experiment 4 1 Kurzfassung Hintergrund: Im Bereich des Brandschutzwesens wurde bereits eine Vielzahl an genau dokumentierten Brandversuchen in den unterschiedlichsten Größenkategorien durchgeführt. Je nach Versuchsziel wurden dabei umfangreiche Daten wie z.b. Temperaturverläufe, Rauch- und Schadstoffentwicklung, Ausbreitungsgeschwindigkeiten usw. gesammelt, ausgewertet und dokumentiert. Aber auch eine Vielzahl an tatsächlichen Bränden wurde vor allem bei katastrophalen Auswirkungen (viele Tote oder große Sachschänden) im Nachhinein nachgestellt um offene Fragen zur Brandursache und Brandverlauf zu klären. Auch zu diesen Versuchen gibt es umfangreiches Datenmaterial in Form von Messergebnissen und Auswertungen. In der jüngeren Vergangenheit etablieren sich im Brandschutzwesen im häufiger Methoden des Brandschutzingenieurwesens wie z.b. Brandsimulationsmodelle um Fragestellungen zum vorbeugenden Brandschutz zu untersuchen. Werden als Eingangsparameter nun entsprechende Realbrände herangezogen, so ist demnach davon auszugehen, dass die am Markt etablierten Simulationsmodelle bei fachgerechter Anwendung und einer ausreichenden Anzahl an Eingangsparametern, zu vergleichbaren Ergebnissen wie bei den Realversuchen kommen müssten. Hypothese: Gesucht wird ein Prozess bzw. Checkliste, der die Anwendung von Ingenieurmethoden in Fällen einer Nachrechnung beschreibt. Untersucht wird, welche Parameter mit Brandsimulationsmodellen relativ genau dargestellt werden können, bzw. welche Parameter einen hohen Unsicherheitsfaktor aufweisen. Methode und Belege: Anhand ausgewählter Brandversuchen bzw. nachgestellter Realbränden welche im Nachhinein mittels Brandsimulationsverfahren untersucht wurden, wird analysiert inwieweit die Auswertungen der Simulationen mit den Messergebnissen der Versuche übereinstimmen. Aufgrund dieser Ergebnisse wird ein Prozess bzw. Checkliste definiert, welcher die Anwendung von Ingenieurmethoden in Fällen einer Nachrechnung beschreibt. Weiters wird aufgrund von Literaturrecherche untersucht welche Problemstellungen sich bei der Nachrechnung von Brandereignissen ergeben. These: Unter Einhaltung einiger grundlegenden Voraussetzungen und falls genügend Eingangsparameter für eine Brandsimulation zur Verfügung stehen, kann durchaus ein realistischer Brandverlauf nachgerechnet werden. Bedingung ist jedoch stets die Möglichkeit dass das Simulationsergebnis mit dem tatsächlichen Brandverlauf bzw. Brandauswirkungen vergleichen werden kann. 2 Einleitung Die grundsätzliche Aufgabenstellung der gegenständlichen Modularbeit ist die Beschreibung eines Prozesses bzw. Checkliste, der die Anwendung von Ingenieurmethoden in Fällen einer Nachrechnung von Brandereignissen / -experimenten beschreibt. Diese Nachrechnung wurde bereits in einer größeren Anzahl an wissenschaftlichen Arbeiten und Publikationen behandelt und wird im Allgemeinen im Zusammenhang mit folgenden Themen publiziert: - Validierung einzelner Brandsimulationsmodelle - Vergleiche zwischen einzelnen Brandsimulationsmodellen - Brandsimulation ausgewählter katastrophaler Brandereignisse mit einer hohen Anzahl an Todesopfern und/oder Sachschäden (z.b. World Trade Center) - Nachrechnung von dokumentierten Brandversuchen um Vergleiche zur Realität anzustellen, bzw. um die Testergebnisse zu untermauern und die Versuchsergebnisse grafisch aufzubereiten

14 Das virtuelle Experiment 5 Angemerkt wird, dass sich die gegenständliche Arbeit auf die Ingenieurmethoden im Sinne von Brandsimulationsmodellen (insbesondere CFD Modelle) beschränkt. Andere Ingenieurmethoden wie z.b. Rechenverfahren oder physikalische Modelle sind nicht Teil dieser Arbeit. Ein Kapitel der gegenständlichen Arbeit beschäftigt sich mit den Problemstellungen welche mit der Nachrechnung von Realbränden verbunden sind. Mit den Ergebnissen aus den recherchierten Nachrechnungen, den Erfahrungen des Autors und der Recherche in artverwandten Publikationen wird ein Prozess abgeleitet, welcher die wesentlichen Parameter für die Nachrechnung mittels Brandsimulationsmodellen beschreibt. 2.1 Definition Validierung - Verifizierung In der gegenständlichen Arbeit wird immer wieder der Begriff der Validierung verwendet. Unter Validierung versteht man grundsätzlich den Vergleich zwischen Simulationsmodell und experimentell ermittelten Daten. Die Validierung dient grundsätzlich dazu, um zu untermauern, dass das Modell für den jeweiligen Anwendungsfall zur Realität vergleichbare Ergebnisse liefert. Je komplexer und universeller ein Modell ist, umso aufwendiger gestaltet sich daher auch der Validierungsprozess. So ist z.b. ein einfaches Strömungsmodell ohne Verbrennungsreaktion weit einfacher zu validieren als ein vielseitiges Modell wie z.b. FDS mit Verbrennungsreaktionen, Sprinklersimulation, usw.. Für FDS gibt es z.b. einen eigenen Validierungs Guide, der den Validierungsprozess inkl. der Brandexperimente entsprechend beschreibt. Da das virtuelle Experiment sehr ähnlich einer Modellvalidierung ist, und größtenteils auch dieselben Schwierigkeiten und Vorgehensweisen berücksichtigt werden müssen, wurde die gegenständliche Arbeit sehr nahe an den Validierungsprozess angelehnt. Nicht Gegenstand dieser Arbeit ist die Verifizierung, welche die Überprüfung eines Modells auf interne Plausibilität beschreibt. D.h. beim Verifikationsprozess wird überprüft ob z.b. die angewandten Formeln in sich schlüssig und korrekt sind, oder ob die einzelnen Softwaremodule korrekt interagieren usw.. Im Gegensatz zur Validierung werden bei der Verifizierung üblicherweise nur einzelne Programmmodule verifiziert. Z.B. Überprüfung ob die Navier-Stokes korrekt gelöst werden, oder ob das Verbrennungsmodell korrekte Ergebnisse liefert, usw. 3 Problemstellungen bei der Nachrechnung von Brandszenarien 3.1 Einleitung Bei der Nachrechnung von Brandereignissen bzw. -experimenten mittels Brandsimulationsmodell ergeben sich wie bei der Validierung von Simulationsmodellen eine Vielzahl von Detailproblemen, welche in diesem Kapitel diskutiert werden. 3.2 Aufnahme und Modellierung der experimentellen Eingangsparameter Im Simulationsmodell müssen sämtliche Eingangsparameter wie Geometrie, Lüftungsverhältnisse, Materialien und Materialoberflächen möglichst genau erfasst werden um diese möglichst 1:1 im modellieren zu können. Je nach dem verwendeten Simulationsmodell kann es hier vor allem bei schrägen und runden Flächen zu größeren Unschärfen kommen, da nicht jeder CFD Code geeignet ist diese entsprechend zu modellieren, sondern durch orthogonale Abstufungen ersetzt (diskretisiert) werden müssen. In der folgenden Abbildung ist z.b. die Modellierung von Rundungen im CFD Code FDS anhand eines Schriftzuges dargestellt, wobei sehr gut sichtbar ist, wie die Rundungen durch einzelne

14 Das virtuelle Experiment 6 Blöcke ersetzt werden. Analog müssen auch bei Bauwerken die Rundungen und schrägen Fläche durch orthogonal ausgerichtete Blöcke ersetzt werden: Abbildung 1: Orthogonale Diskretisierung eines Schriftzuges am Beispiel von "FDS" (CAD Ansicht und FDS Ansicht) 1 Wichtig ist generell zu beachten welcher Detailierungsgrad in welchen Bereichen erforderlich ist. So wird z.b. die Rauchausbreitung an der Decke relativ unabhängig von etwaigen Möblierungen im Bodenbereich sein, im Gegensatz dazu können relativ kleine Unterzüge schon wesentlich die Rauchausbreitung an der Decke beeinflussen und den Rauch in ganz andere Richtungen kanalisieren. Soll im CFD Modell auch der Brandverlauf aufgrund der vorhandenen Brandlasten simuliert werden, so stellt dies generell einen sehr großen Unsicherheitsfaktor dar, da im Modell der Abbrand sehr wesentlich von den Material- und Oberflächeneigenschaften, aber auch der Verbrennungsreaktion abhängig ist. In der Praxis wird sich daher vor allem bei komplexen Brandlasten wie z.b. Polstermöbeln ein sehr hoher Unsicherheitsfaktor bezüglich Brandausbreitung und Abbrand ergeben. Aber auch bei scheinbar simplen Oberflächen wie z.b. massiven Hölzern ist der Entzündungsvorgang in der Realität stark abhängig von der Oberfläche (z.b. gehobelt oder rau). Je nach Fragestellung der Brandsimulation ist es daher sinnvoll den die Wärmefreisetzung bzw. Abbrand messtechnisch im Realbrandversuch zu erfassen und als Brandleistungskurve ( Design Fire ) in der Brandsimulation als Eingangsparameter einzugeben (siehe auch nächsten Punkt). 3.3 Experimentelle Unsicherheiten Die Messdatenerfassung von Brandexperimenten ist je nach der zu erfassenden Messgröße einer relativ großen Ungenauigkeit unterworfen. So gestaltet sich z.b. lediglich die exakte Messung der Gastemperatur der Rauchschicht als relativ aufwendig, da bei herkömmlichen Thermoelementen immer auch ein radiativer Anteil mitgemessen wird. D.h. vor allem Temperatursensoren in der Nähe der Flammen messen eine höhere Temperatur als die Gastemperatur tatsächlich beträgt. 1 Abbildung: URL: http://www.fire-simulation.at/feldmodell.html [04.06.2009]

14 Das virtuelle Experiment 7 In der Fachliteratur werden experimentelle Unsicherheiten bei Brandversuchen wie folgt angegeben: Tabelle 1: Zusammenfassung der experimentellen Unsicherheiten in Prozent bei der Messdatenerfassung von Realbrandversuchen 2 Den größten Unsicherheitsfaktor stellt vor allem bei natürlichen Mischbrandlasten in der Regel die messtechnische Erfassung der Quelltherme (Brand) dar. Hier sind sowohl die Energiefreisetzung, als auch die Brandherdgrößen messtechnisch möglichst genau zu erfassen, da es ansonsten in weiterer Folge vor allem bei den Plumeeinmischungen zu Fehlern kommen kann. 3 Das Problem ist jedoch, dass vor allem die genaue Messung der Energiefreisetzung bzw. Brandleistungskurve ist nur in speziell dafür ausgestatteten Versuchsräumen möglich. Bei der direkten Nachrechnung von tatsächlichen Brandereignissen (ohne nachgestellten Brandexperiment) stellt sich die Nachrechnung noch komplizierter dar, da hier üblicherweise keine Messwerte zur Verfügung stehen und auch die vorhandenen Brandlasten oft nicht genau bekannt sind. Lediglich auf Temperaturen und Rauchschichten während des Brandes kann aufgrund der Verformungen, Verrußungen oder Verfärbungen rückgeschlossen werden, wobei auch der Zeitpunkt wann z.b. die maximale Temperatur innerhalb des Brandverlaufes erreicht wurde oft nicht rekonstruiert werden kann. In diesen Fällen ist man oftmals auf Parameterstudien angewiesen, wo die unbekannten bzw. unsicheren Randbedingungen entsprechend variiert werden müssen. Im Abschlussbericht zum Forschungsbericht Grundlagen und Verfahren zur Validierung von Rechenprogrammen für die Brandsimulation ist hierzu Folgendes angeführt: Die Modellierung eines Versuches kann im allgemeinen nicht nur mit einem einzigen Datensatz erfolgen, sondern es muß eine Parameterstudie durchgeführt werden, wobei die unbekannten bzw. unsicheren Randbedingungen zu variieren sind. 4 3.4 Rahmenbedingungen des Simulationsmodells Je nach Komplexität eines Simulationsmodells ist das Ergebnis stark von einer Vielzahl an Eingangsparametern abhängig. Bei einem einfachen Zonenmodell ist z.b. das Ergebnis von relativ wenigen Eingangsparametern abhängig. So wird aufgrund der Raumgröße, Brandleistungskurve und Ventilationsbedinungen im Wesentlichen lediglich ein zeitlicher Verlauf der Rauchschichthöhe und 2 Tabelle: Hamins, 2007, S. 6-4. 3 Vgl. Schneider, 1999, S. 41. 4 ebenda.

14 Das virtuelle Experiment 8 Rauchschichttemperatur als Ergebnis berechnet. Bei komplexeren Zonenmodellen wird auch bereits der Feuerplume sowie die Wand- und Deckenmaterialien berücksichtigt. Bei einem CFD Modell wie FDS hingegen kommen z.b. noch Parameter wie die Größe des Rechengitters, Verbrennungsmodell, Sprinklermodell usw. zu tragen. Erfahrungen des Autors, sowie zahlreiche Fachpublikationen belegen, dass insbesondere die Größe des Rechengitters einen wesentlichen Einfluss auf das Simulationsergebnis hat, wobei es jedoch ein Trugschluss wäre anzunehmen, dass ein feineres Rechengitter automatisch ein reelleres Ergebnis liefert. Üblicherweise ist dies zwar der Fall, aber paradoxerweise ist manchmal die Genauigkeit des Ergebnisses (im Vergleich zum Experiment) vor allem im Plume Bereich bei größerem Rechengitter größer. Im Jahr 2002, als FDS noch nicht so ausgereift war, war dieser Effekt z.b. besonders groß wie die Simulation der US Navy Hangar Tests von Petterson gezeigt haben. In dieser Version kam es bei großen Gittergrößen im Plume Bereich zur Auslöschung von Fehlern, wodurch die Temperaturen bei großen Gittergrößen realistischere Ergebnisse lieferten als dies bei kleinen Gittergrößen der Fall war. 5 Bei der Version FDS 4 war dieser Fehler bereits bereinigt und es kann exemplarisch folgender Zusammenhang zwischen Plume Temperatur und Gittergröße im Vergleich zum Experiment angeführt werden: Abbildung 2: Plume Temperatur in Abhängigkeit von der Gittergröße 6 Wie die Abbildung 2 zeigt, liefert eine Gittergröße von 5 cm ein relativ realistisches Ergebnis der Plume Temperatur, wobei in der Praxis so kleine Rechengitter nur für lokal begrenzte Bereiche angewendet werden können, da die Rechenzeiten sehr stark von der Zellenanzahl abhängig ist. Dass kleinere Gitter automatisch bessere Ergebnisse liefern, kann auch laut McGrattan nicht allgemeingültig angenommen werden 7, wodurch sich vor allem in Bezug auf die Gittergröße eine Parameterstudie mit unterschiedlichen Größen des Rechengitters anbietet. 3.5 Aussagekraft und Qualität des Simulationsmodells Bei der Anwendung von Simulationsmodellen muss man sich stets der Aussagekraft und Qualität des Modells bewusst sein, denn jedes Modell hat Stärken und Schwächen hinsichtlich der Realitätsnähe der 5 Petterson, 2002, S. 120. 6 Abbildung: McGratten, 2007, S. 5-2. 7 ebenda, S. 5-2.

14 Das virtuelle Experiment 9 einzelnen Ergebnisgrößen. So liefert z.b. Modell A sehr gute Ergebnisse hinsichtlich Plume Temperatur, hat dafür jedoch Schwächen im Fernbereich des Brandes. Festgestellt wird, dass es das perfekte Brandsimulationsmodell (noch) nicht gibt. Als Beispiel für so eine Modellunsicherheit wird z.b. die Bewertung der Rauchgasdichte beim CFD Code FDS 4 aufgezeigt. Hier zeigt sich zum Beispiel bei den International Collaborative Fire Modeling Project (ICFMP) Brandversuchen, dass die Rauchgasdichte generell in FDS überbewertet wird. Vor allem bei ventilationsgesteuerten Bränden beträgt der Fehler je nach Testkonfiguration bis zu 600%. 8 Sehr gut ist in der Abbildung die 33% Messunsicherheit der Rauchgaskonzentrationsmessung sichtbar. D.h. es muss stets berücksichtigt werden, dass bereits die Messung eine entsprechende Unsicherheit enthält. Abbildung 3: Vergleich der Rauchkonzentration zwischen Messergebnis und Simulation 9 Als Zusammenfassung von McGrattan s Bericht Verification & Validation of Selected Fire Models for Nuclear Power Plant Applications, Volume 7 FDS, 2007 kann festgehalten werden, dass die Auswertungen des Brandsimulationsprogramms FDS in der Version 4 folgende Vertrauensstellungen besitzen: Grün: - Heißgastemperatur - Höhe der Heißgasschicht - Ceiling Jet Temperatur - Sauerstoffkonzentration - CO2 Konzentration - Druckverhältnis im Brandraum 8 McGratten, 2007, S. 6-18f. 9 Abbildung: ebenda, S. 6-19.

14 Das virtuelle Experiment 10 Gelb: - Plume Temperatur - Flammenhöhe - Rauchgasdichte - Wärmestromdichte (auf/von Wänden und Objekten) - Oberflächentemperaturen (Wände und Objekte) Grün bedeutet, dass diese Simulationsergebnisse die experimentellen Werte bei fachgerechter Modellanwendung sehr gut reproduzieren und die Abweichung zwischen Experiment und Simulation jeweils kleiner als der Messfehler ist. Gelb bedeutet dass diese Simulationsergebnisse entsprechend kritisch zu hinterfragen sind, und sich der Anwender über die Modellgrenzen und Aussagekraft der Ergebnisse genau bewusst sein muss. In Hosser s VFDB Leitfaden für Ingenieurmethoden des Brandschutz wurde eine Brandversuchsreihe der MFPA Leipzig herangezogen um verschiedene am Markt befindliche Brandsimulationsmodelle sowie drei physikalische Modelle untereinander bzw. zum Originalversuch zu vergleichen. Angemerkt wird, dass eine generelle Aussage wie z.b. CFD Code A hat bei der Simulation der Plume Temperatur einen geringeren Fehler als CFD Code B anhand von ein oder zwei Versuchen nicht abgeleitet werden kann. Vielmehr ist die Validierung bzw. Nachrechnung ein sehr komplexer Prozess, der von vielen Eingangsparametern abhängig. Es wurden zwei Versuche durchgeführt mit jeweils Isopropanol in Brandwannen mit 2,4 m² Gesamtfläche. Die Wärmefreisetzungsrate (engl. Heat Release Rate = HRR) wurde mit konstant 3.590 kw festgelegt. Der erste Versuch (Tabelle 2) beschreibt den Brand in dem atriumähnlichen Raum mit geschlossener Verbindung zum Nebenraum. Die angegebenen Werte beziehen sich auf einen Zeitpunkt ca. 8 Minuten nach der Zündung. 10 Der zweite Versuch (Tabelle 3) beschreibt den Brand im kleineren Nebenraum mit Verbindung zum atriumähnlichen Hauptraum. Bei diesem Versuch ergab sich 2-3 Minuten nach der Zündung ein Übergang von der brandlastgesteuerten zur ventilationsgesteuerten Verbrennung, erkennbar an den aus der Öffnung des Brandraums in den atriumähnlichen Nachbarraum schlagenden Flammen. Da außerdem bei diesem Versuch aufgrund der hohen Temperaturen im Brandraum die Strahlungsrückkopplung auf die Brandquelle eine große Rolle spielt (erkennbar an der deutlich höheren mittleren Brandleistung und des entsprechend schnelleren Abbrands des vorhandenen Brennmaterials) ist dieser Versuch für einen Vergleich zwischen physikalischen Modellen und Rechenmodellen nur mit zusätzlichen analytischen Ansätzen verwendbar. 11 Diese beiden Versuche untermauern die These, dass keine allgemeingültige Behauptung aufgestellt werden kann, dass z.b. das Modell A die Temperaturen generell überschätzt und das Modell B die Temperaturen unterschätzt. Als Beispiel wird hier z.b. die Temperatur in Schlot 2 herangezogen: Bei Versuch 1 liefert das Feldmodell CFX geringere Temperaturen als im Realversuch und das Feldmodell FDS sowie das Zonenmodell MRFC liefern höhere Temperaturen als der Realversuch. Bei Versuch 2 ist dies genau umgekehrt (siehe Pfeile in den Tabellen). Demzufolge wird untermauert, dass die Modellbewertung und Validierung ein äußerst komplexes Thema ist, dass von vielen Randbedingungen abhängig ist. 10 Vgl. Hosser, 2009, S. 130 11 ebenda, S. 130

14 Das virtuelle Experiment 11 In den folgenden beiden Tabellen sind die Ergebnisse dieser beiden Versuche angeführt: Tabelle 2: Ergebnisvergleich der verschiedenen Modelluntersuchungen zum Originalbrandversuch Brand im Atrium" (Versuch Nr. 4 am 22.05.2003 bei der MFPA Leipzig) 12 Tabelle 3: Ergebnisvergleich der verschiedenen Modelluntersuchungen zum Originalbrandversuch Brand in einem an das Atrium angrenzenden Raum" (Versuch Nr. 2 am 22.05.2003 bei der MFPA Leipzig) 13 12 Tabelle: Hosser, 2009, S. 133. 13 Tabelle: ebenda, S. 134.

14 Das virtuelle Experiment 12 3.6 Gegenüberstellung der Mess- und Simulationsergebnisse Beachtet werden muss, inwieweit die Mess- und Simulationsergebnisse ohne weiteres gegenübergestellt werden können. So entspricht z.b. die errechnete Heißgastemperatur des Zonenmodells einer durchschnittlichen Gasschichttemperatur, während das Messergebnis je nach Art des Sensors eine lokale Temperatur an einer bestimmten Position X ist, die üblicherweise durch den radiativen Anteil auch noch entsprechend überhöht gemessen wird. D.h. bevor Werte miteinander verglichen werden, muss analysiert werden inwieweit diese überhaupt vergleichbar sind, oder ob die Werte eventuelle gemittelt oder korrigiert werden müssen. 3.7 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurden die Probleme und Fehlerquellen dargestellt, welche bei der Nachrechnung oder Validierung mit Simulationsprogrammen zu tragen kommen. Der Modellanwender muss sich stets dieser Probleme bewusst sein, und die möglichen Fehlerquellen entsprechend berücksichtigen, kompensieren oder dokumentieren. Zum Tragen kommen hierbei: - Fehler und Ungenauigkeiten bei der Aufnahme und Modellierung der experimentellen Eingangsparameter - Fehler und Ungenauigkeiten durch experimentelle Unsicherheiten bei der Messung (Messfehler) - Fehler und Ungenauigkeiten bei der Annahme Rahmenbedingungen für die Simulation - Fehler und Ungenauigkeiten durch das Simulationsmodell selbst - Fehler und Ungenauigkeiten bei der Gegenüberstellung von Mess- und Simulationsergebnissen Wichtig ist, dass sich der Modellanwender stets bewusst ist, welche Fehler zu vernachlässigen sind, und welche Fehler und Ungenauigkeiten sich eventuell summieren und in weiterer Folge sogar potenzieren und somit das Simulationsergebnis mitunter sogar unbrauchbar wird. 4 Brandversuche im Detail In diesem Kapitel wird die Nachrechnung von Brandversuchen bzw. Realbränden analysiert. Als Beispiele wurden hier die Untersuchungen zu den Anschlägen am 11.9.2001 auf das World Trade Center (WTC), sowie die Untersuchungen zum Brand des Station Nightclub auf Rhode Island am 20.2.2003, herangezogen. Zu beiden Ereignissen gibt es hunderte Seiten lange Berichte mit Daten und Fakten, aufgrund der begrenzten Länge der gegenständlichen Modularbeit können jedoch nur einzelne Schwerpunkte diskutiert und dargestellt werden. 4.1 World Trade Center 4.1.1 Einleitung Der Kollaps von WTC 1 und WTC 2 und in weiterer Folge auch WTC 7 stellt das katastrophalste und gleichzeitig am besten untersuchte Brandereignis in der Geschichte des vorbeugenden Brandschutzes dar. Die gegenständliche Arbeit befasst sich lediglich auf die durchgeführten Untersuchungen vom NIST, welche mit dem Programm FDS durchgeführt wurden und die Herangehensweise an diese Untersuchungen. Als Quelle hierzu dienen die NCSTAR 1 Berichte welche öffentlich auf der NIST Homepage heruntergeladen werden können. Das Ziel der Untersuchungen durch das NIST waren die Erlangung von Erkenntnissen zu den Umständen welche dazu beigetragen haben, dass es zum Einsturz der Gebäude kam, bzw. welche Aspekte des

14 Das virtuelle Experiment 13 Brandschutzes, des Personenverhaltens, der Evakuierung und der Rettungsmannschaften dazu beigetragen haben, dass die Opferzahl in bestimmten Bereichen höher oder niedriger war. Die Ergebnisse der Untersuchungen fließen auch in Änderungen von bau- und brandschutztechnischen Vorschriften und Gesetzen mit ein. 14 Die Untersuchung der WTC Anschläge durch das NIST gliedert sich in viele einzelne Untersuchungsberichte, welche sich z.b. mit Themen wie gesetzlichen Vorgaben, Brandschutzvorschriften, Evakuierung, Brandausbreitung, Einsatz der Rettungskräfte usw. beschäftigt. In der folgenden Grafik sind diese Teilbereiche angeführt, wobei sich diese Arbeit auf den Brandverlauf und Temperatureinwirkung auf die Stahlkonstruktion beschränkt, welche in weiterer Folge zum Kollaps der Gebäude geführt hat. Die entsprechenden Themen sind in der Grafik rot umrahmt: Abbildung 4: Themengliederung der WTC Untersuchungen 15 4.1.2 Anwendung der Brandsimulation Eine Brandsimulation der WTC Brände war erforderlich, um festzustellen welche Umstände zum Kollaps der Türme geführt hatten. Als Ergebnis wurde eine dreidimensionale zeitabhängige Simulation der thermischen Verhältnisse in den Türmen in der Zeit vom Einschlag der Flugzeuge bis zum Einsturz der Türme. 14 NIST NCSTAR1, 2005, S. xxix 15 Abbildung: ebenda.

14 Das virtuelle Experiment 14 4.1.3 Vorgehensweise für die Brandsimulation 16 Das verwendete Modell musste folgende Forderungen erfüllen: - Realistische Abbildung von der thermischen Einwirkung auf wesentliche Bauteile wie z.b. die tragende Struktur - Simulation der komplexen Brandlasten (Mischbrandlasten) - Simulation der Flammenausbreitung in den Geschoßen - Einsatz eines validierten Modells Diese Forderungen führten zum Einsatz von FDS welches vom NIST selbst entwickelt wurde, wobei es bis dahin noch nicht für die Simulation von Brandausbreitung von so großen Geschoßflächen verwendet wurde. Von WTC 1 wurden 8 Geschoße (92-99) simuliert, und vom WTC 2 wurden 6 Geschoße (78-83) simuliert, wobei teilweise sehr aktuelle und detaillierte Geschoßpläne vorlagen und teilweise gar keine Pläne vorlagen. Die folgende Grafik zeigt das unbeschädigte WTC 1: Abbildung 5: WTC 1 Simulation in FDS (vor dem Einschlag) 17 Eine Testserie diente nur zur Feststellung inwieweit FDS imstande ist, bei einer gleichbleibenden Wärmefreisetzungsrate (1,9 MW bzw. 3,4 MW) die Temperaturen im Raum richtig zu simulieren. D.h. es handelte sich um eine Art der Validierung mit Schwerpunkt auf das Temperaturverhalten. Diese Testreihe brachte folgende Ergebnisse: - Die Raumtemperatur im Deckenbereich wurde von FDS um rund 4% überschätzt - Die Rauchgas- und Luftgeschwindigkeiten bewegten sich im Rahmen der Messunsicherheiten - Die Ausrichtung und Ausdehnung des Feuer Plumes wurde von FDS unterschätzt - Die Wärmestromdichte lag im Bereich der Messunsicherheiten 16 NIST NCSTAR 1, 2005, S. 121ff. 17 Abbildung: ebenda, S. 122.

14 Das virtuelle Experiment 15 Ein wesentlicher Einflußfaktor in der Simulation ist die Brandentwicklungszeit und Brandausbreitung in den jeweiligen Geschoßen. Um diese Werte abschätzen zu können wurden Realbrandversuche (Maßstab 1:1) durchgeführt, wo der Brand von einzelnen Arbeitsplätzen unter verschiedenen Bedingungen nachgestellt wurde. Diese Bedingungen waren z.b. mit und ohne Beteiligung von Kerosin, oder z.b. abgefallene nichtbrennbare Teile der Decke auf den Arbeitsplätzen usw.. Die Ergebnisse der Untersuchungen dienten zur Anpassung des Verbrennungsmodells von FDS an diese Einflussfaktoren. Abbildung 6: Nachbau von intakten und zerstörten Arbeitsplätzen für die Brandsimulation 18 Die folgende Abbildung zeigt den Verlauf der Wärmefreisetzungsrate von den Versuchen und von der FDS Simulation: Abbildung 7: Wärmefreisetzungsrate bei einem Brand von drei Büroarbeitsplätzen 19 Die wesentlichen Erkenntnisse aus den Versuchen waren: - Das Kerosin beschleunigte die Brandausbreitung - Von den beschädigten Arbeitsplätzen (Teile der Decken auf den Plätzen) verbrannten nur rund 60% der brennbaren Anteile - Die Temperaturen im Deckenbereich betrugen zwischen 800 C und 1.100 C 18 Abbildung: NIST NCSTAR 1, 2005, S. 124. 19 Abbildung: ebenda, S. 125.

14 Das virtuelle Experiment 16 Mittels FDS konnten folgende Parameter erfolgreich repliziert werden: - Die generelle Form der Brandleistungskurve - Die Zeit wo die erste Hälfte der Verbrennungsenergie freigesetzt wird (Abweichung rund 3 Minuten) - Den Wert der Brandleistung zu diesem Zeitpunkt mit rund 9% Genauigkeit - Die Branddauer mit rund 6 Minuten Genauigkeit - Die Maximaltemperatur im Deckenbereich mit rund 10% Genauigkeit Diese Abweichungen liegen innerhalb der Messunsicherheiten (Messfehler) bzw. der Unsicherheit der Eingangsparameter (Brandlastverteilung usw.). Zusammenfassend wird festgestellt, dass diese Unsicherheiten mehr überwiegen als die Unsicherheiten aufgrund des Modellfehlers. Aus den Ergebnissen dieser Vorab-Tests konnten die Eingangsparameter für die eigentlichen Simulationsläufe eingegeben werden. Es wurden mehrere Simulationen durchgeführt, wobei jeweils unterschiedliche Kerosinmengen, Brandlastverteilungen und Zerstörungsgrade der Einrichtung angenommen wurden. Da die verwendete FDS Version noch keinen Algorithmus für brechendes Glas implementiert hat, wurden die Verglasungen zu fixen Zeiten entfernt, so wie dies anhand der Fotografien und Videos reproduziert werden konnte. 4.1.4 Ergebnisse der Brandsimulation Die Ergebnisse zeigten die Brandausbreitung und die Temperaturen in Abhängigkeit von der Zeit in den einzelnen Geschoßen: Abbildung 8: Brandverlauf (Temperaturverlauf) in Abhängigkeit von der Zeit 20 Die Parameterstudie zeigte, dass die Brände im WTC 1 grundsätzlich ventilationsgesteuert abliefen und somit der Kerosinanteil nur eine unwesentliche Rolle spielte. Das zusätzliche Kerosin verzögerte sogar die Brandausbreitung, da zuerst die Brandlasten aufgebraucht werden musste, bevor genügend Sauerstoff für eine Brandausbreitung zur Verfügung standen. Im Gegensatz zum WTC 1 waren beim WTC 2 durch den Einschlagwinkel des Flugzeuges eine größere Fensteranzahl betroffen, wodurch die Verbrennung im Wesentlichen brandlastgesteuert ablief. Aufgrund der simulierten Brandverläufe und der vorhandenen Fotografien konnte im Zuge der Parameterstudie auf die Brandlastverteilung und Kerosinmenge rückgeschlossen werden. In der FDS Simulation wurde in weiterer Folge ausgewertet, dass die Maximale Brandleistung im WTC 1 bei rund 2 WG lag und im WTC 2 bei rund 1 GW. 20 Abbildung: NIST NCSTAR 1, 2005, S. 128.

14 Das virtuelle Experiment 17 Die wesentlichste Auswertung war jedoch die Temperatureinwirkung auf die tragende Konstruktion, wobei hierzu jeweils der Mittelwert der oberen Heißgasschicht und der unteren Kaltgasschicht, sowie die Rauchdichte und Rauchschichthöhe als Eingangsparameter für die Strukturanalyse herangezogen wurde. 4.1.5 Strukturanalyse Mittels eines vom NIST entwickelten Schnittstellenprogrammes ( Fire Structure Interface ) wurden diese Daten in Ansys 8.0 übernommen, welches ein spezielles Programm zur Simulation von Strukturmechanik ist. Im Zuge weiterer Brandtests und Analysen wurde festgestellt inwieweit z.b. fehlende Brandschutzbeschichtungen die Temperaturentwicklung in den tragenden Bauteilen negativ beeinflussen. In der Strukturanalyse erfolgt beim WTC 1 der Kollaps nach 100 min. gegenüber 102 min. in der Realität und beim WTC 2 nach 43 min. gegenüber 56 min. in der Realität. Diese relativ gute Übereinstimmung zeigt dass sowohl das Brandsimulationsmodell als auch das Struktursimulationsmodell ein realistisches Abbild der Realität zeigen. 4.1.6 Zusammenfassung Festgehalten wird, dass bei komplexen Brandlasten eine Validierung des Modells unbedingt erforderlich ist. D.h. das Modell muss mittels Realbrandversuchen an die jeweilige Ausgangssituation angepasst werden. Der Vorteil beim WTC war das umfangreiche Fotomaterial, wodurch relativ gut der Brandverlauf zumindest in den Außenbereichen sichtbar und nachvollziehbar war. Auf den Brandverlauf im Gebäudekern konnte man nur aufgrund der Brandsimulation rückschließen. Bei der Simulation wurde das Bersten der Fenster manuell aufgrund der vorhandenen Fotos und Videos ausgelöst. Dieser Umstand war vor allem beim ventilationsgesteuerten Brand im WTC 1 ein wesentlicher Faktor für die Wärmefreisetzungsrate des Brandes. Die Validierungsversuche haben gezeigt, dass FDS relativ gut die betreffenden Temperaturen und Wärmefreisetzungsraten simuliert. Wichtig ist jedenfalls die Durchführung von Parameterstudien um bei unbekannten Parametern (Brandlastverteilung, Kerosinmenge, ) ein der Realität entsprechendes Szenario zu simulieren. Für die WTC Simulationen wurde weiters auch eine Parameterstudie bezüglich der Rechengittergröße durchgeführt, wobei festgestellt wurde, dass eine Zellgröße von 50 cm für die Simulationen ausreichend ist. 21 In Verbindung mit der Strukturanalyse zeigt sich, dass die Brandsimulation mittels FDS sehr gut geeignet war um den Brandverlauf bzw. die Temperatureinwirkungen auf die tragende Konstruktion nachzuvollziehen. Kritisch hinterfragt werden muss, inwieweit sich etwaige Fehler bei den Eingabeparametern gegenseitig ausgelöscht haben. Vor allem bei der Strukturanalyse besteht z.b. hinsichtlich der Zerstörung bzw. Beschädigung der Brandschutzbeschichtung ein großer Unsicherheitsfaktor, welcher sich jedoch massiv auf die Erwärmung und somit Schwächung der tragenden Konstruktion auswirkt. Es wäre daher auch durchaus denkbar, dass z.b. bei der Brandsimulation die Temperaturen im Kern des Gebäudes zu hoch simuliert wurden, dafür aber z.b. angenommen wurde, dass die Brandschutzbeschichtung der tragenden Konstruktion weniger beschädigt war als dies tatsächlich der Fall war. Im Endeffekt ergibt ein solches Szenario bei entsprechender Parameterwahl vermutlich die gleichen Zeiten bis zum Kollaps wie in der Realität. 21 Vgl. NIST NCSTAR 1-5E, 2005, S. 86ff.

14 Das virtuelle Experiment 18 4.2 Station Nightclub Feuer auf Rhode Island 22 4.2.1 Einleitung Am 20.2.2003 kam es in einen Nachtclub auf Rhode Island zu einem katastrophalen Brand, bei dem insgesamt 100 Personen zu Tode kamen. Ausgelöst wurde der Brand durch Pyrotechnikeffekte auf der Bühne welche PU Schaum (Schallschutzschaumstoff) im Wandbereich in Brand setzte. Nach rund einer Minute war bereits im Bereich der Notausgänge Rauch sichtbar und nach 5 Minuten schlugen bereits Flammen aus dem Dach. Der Hauptzugang und gleichzeitige Notausgang war binnen kurzer Zeit durch Personen blockiert. In der folgenden Grafik sind die weiteren Notausgänge sichtbar, welche jedoch nur von wenigen Personen benützt wurden: Abbildung 9: Grundrißplan des Station Nightclub 23 Ein Grund für die hohe Opferzahl war die extrem schnelle Verrauchung, die fehlenden Brandschutzeinrichtungen sowie die Fluchtwegsituation. 4.2.2 Anwendung der Brandsimulation Mit der Brandsimulation sollte nachgewiesen werden, was die Gründe für die extrem schnelle Verrauchung und Brandausbreitung waren und ob z.b. eine Sprinkleranlage dieses Szenario verhindern hätte können. 22 NIST NCSTAR 2, 2005 23 Abbildung: ebenda, S. xviii.

14 Das virtuelle Experiment 19 4.2.3 Vorgehensweise für die Brandsimulation Als erster Schritt wurden vom NIST Brandversuche bezüglich der Entzündung der PU-Schaum (Schaumstoffbeschichtung) angestellt. Dieser Schaumstoff dienste als Schalldämmung zur besseren Akustik und hatte keinerlei brandschutztechnische Qualifikationen. In weiterer Folge wurde der Bühnenbereich 1:1 für diverse Brandversuch nachgebaut, um in weiterer Folge den Brand ohne Sprinkleranlage und mit Sprinkleranlage nachzustellen. Abbildung 10: Bilder Brandversuche, links ohne Sprinkleranlage, rechts mit Sprinkleranlage 24 24 Abbildung: NIST NCSTAR 2, 2005, S. 4-30.

14 Das virtuelle Experiment 20 Diese Versuche haben bereits gezeigt, dass bei einer vorhandenen Sprinkleranlage die Brandausbreitung wesentlich eingeschränkt worden wäre. Um in weiterer Folge den Brand- und Verrauchungsverlauf des gesamten Clubs zu untersuchen erfolgte die Brandsimulation mittels FDS. Als Zellgröße wurde 10 cm gewählt, wobei auch Parameterstudien mit 5 cm und 20 cm Zellgrößen erfolgten, wobei sich gezeigt hat, dass die Brandausbreitung bei 20 cm Zellgröße langsamer als in der Realität war und bei 5 cm Zellgröße schneller als in der Realität. Als Brandlast wurden PU Schaum und Sperrholzplatten wie in der Realität angenommen. 4.2.4 Ergebnisse der Brandsimulation Das folgende Diagramm stellt die Temperaturverläufe 1,7 m vor der Bühne dar. Der raschere Anstieg der Temperatur im Deckenbereich (Ceiling) beim Experiment wird den Messunsicherheiten im Bereich des Ceiling Jets zugeschrieben, wo im Realfall ein einzelner Punkt erfasst wird, und in der Simulation der gemittelte Wert einer ganzen Zelle ausgewertet wird. Abbildung 11: Exemplarischer Vergleich eines Temperaturverlaufes von Brandversuch und Brandsimulation 25 Ebenso wurden beim visuellen Vergleich zwischen Brandversuch und Brandsimulation vergleichbare Ergebnisse festgestellt, wie folgende Abbildung vom gesprinklerten Brand zeigt: 25 Abbildung: NIST NCSTAR 2, 2005, S. 5-16.