Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) auf den Jahresabschluss Limburg, 18. Juni 2009 Prof. Dr. Andreas Birk 1
Ziele und Notwendigkeit der Reform des Bilanzrechts 1. Erleichterungen und Entlastungen für die Unternehmen 2. Umsetzung von Vorgaben der Europäischen Union 3. Modernisierung der nationalen Rechnungslegung 4. Verhinderung der Anwendung der IFRS bei mittelständischen Unternehmen 5. Beibehaltung eines einfachen und kostengünstigen Regelwerks mit Annäherung an die IFRS 6. Anhebung des Informationsniveaus des Jahresabschlusses 2
Gliederungsübersicht Aktivseite Bilanz Passivseite Anlagevermögen Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände Entwicklungskosten Umlaufvermögen Umfang der Herstellungskosten Abschreibungen Aktive latente Steuern Eigenkapital Ausweisänderungen Ausschüttungssperren Fremdkapital Pensionsrückstellungen Bilanzierung von Rückstellungen Passive latente Steuern Zusätzliche Anhangangaben werden gefordert Die Bildung von Bewertungseinheiten wird erlaubt ( 254 HGB) Die Währungsumrechnung wird konkretisiert ( 256a HGB) 3
Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände Bisher: Aktivierungsverbot für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens Problem: Die Werttreiber des Unternehmens sind in der Bilanz nicht erkennbar Neuregelung: Aktivierungswahlrecht für selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände ( 248 Abs. 2 S. 1 HGB) Voraussetzung: Beginn der Entwicklung nach dem 31.12.2009 Auswirkungen auf die Handelsbilanz Die Aktivierung erhöht Gewinn und Eigenkapital Ausschüttungssperre / Ergebnisabführungssperre für das anteilige Eigenkapital Belastung der zukünftigen GuV durch die anfallenden Abschreibungen Auswirkungen auf die Steuerbilanz Kein Ansatz in der Steuerbilanz (solange 5 Abs. 2 EStG unverändert bleibt) Keine Steuerzahlung auf den höheren Gewinn Handels- und Steuerbilanz fallen auseinander (Ende der Einheitsbilanz) Passive latente Steuern können entstehen 4
Forschungs- und Entwicklungskosten Bisher: Aktivierungsverbot für sämtliche Forschungs- und Entwicklungskosten Neuregelung: Aktivierungswahlrecht für die Herstellungskosten, die bei der Entwicklung eines selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstands angefallen sind ( 248 Abs. 2 S. 1 HGB i.v.m. 255 Abs. 2a HGB) Eine Abgrenzung zwischen Forschung und Entwicklung ist notwendig Forschung: die eigenständige und planmäßige Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen, über deren Verwertbarkeit keine Aussagen gemacht werden können Entwicklung: die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen für die Neuentwicklung von Gütern oder Verfahren oder die Weiterentwicklung von Gütern oder Verfahren mittels wesentlicher Änderungen 5
Forschungs- und Entwicklungskosten Forschungsphase Entwicklungsphase Hohe Wahrscheinlichkeit des Entstehens eines Vermögensgegenstands Nein Ja Aktivierungsverbot Aktivierungswahlrecht Bilanzpolitische Spielräume werden eröffnet 6
Umfang der Herstellungskosten ( 255 Abs. 2 HGB) Pflicht Wahlrecht Bisher Materialeinzelkosten Fertigungseinzelkosten Sondereinzelkosten der Fertigung Materialgemeinkosten Fertigungsgemeinkosten Abschreibungen Allgemeine Verwaltungskosten Aufwand für soziale Leistungen Neuregelung Materialeinzelkosten Fertigungseinzelkosten Sondereinzelkosten der Fertigung Materialgemeinkosten Fertigungsgemeinkosten Abschreibungen Allgemeine Verwaltungskosten Aufwand für soziale Leistungen Verbot Vertriebskosten Vertriebskosten Forschungskosten Anpassung an die steuerliche Wertuntergrenze Einschränkung von bilanzpolitischen Spielräumen Anpassung an IFRS Gewinn in der Handelsbilanz kann zunächst steigen Keine steuerlichen Auswirkungen Nicht umgesetzt wurde die Bewertung von Handelspapieren zum Zeitwert Kreditinstitute haben Sonderregeln zu beachten 7
Neuregelung der Abschreibungen Planmäßige Wertminderung Außerplanmäßige Wertminderung (dauerhaft) Außerplanmäßige Wertminderung (vorübergehend) Zuschreibung Anlagevermögen Pflicht bei abnutzbarem Anlagevermögen 253 Abs. 3 S. 1, 2 HGB Pflicht bei allen Vermögensgegenständen 253 Abs. 3 S. 3 HGB Wahlrecht nur bei Finanzanlagen 253 Abs. 3 S. 4 HGB Pflicht bei allen Vermögensgegenständen nach vorhergehender außerplanmäßiger Abschreibung 253 Abs. 5 S. 1 HGB Verbot bei Geschäfts- oder Firmenwert nach vorhergehender außerplanmäßiger Abschreibung 253 Abs. 5 S. 2 HGB Gebot bei bestimmten Vermögensgegenständen im Zusammenhang mit Altersvorsorgeverpflichtungen 253 Abs. 1 S. 3, 4 HGB Umlaufvermögen Entfällt Pflicht bei allen Vermögensgegenständen 253 Abs. 4 S. 1, 2 HGB Pflicht bei allen Vermögensgegenständen 253 Abs. 4 S. 1, 2 HGB Pflicht bei allen Vermögensgegenständen nach vorhergehender außerplanmäßiger Abschreibung 253 Abs. 5 S. 1 HGB 8
Aktivierungswahlrecht für aktive latente Steuern 274 Abs. 1 S. 2 HGB Latente Steuern sind zukünftige Steuerbelastungen oder Steuererstattungen, die bereits heute verursacht worden sind Anknüpfungsmerkmale für latente Steuern sind zeitlich begrenzte Differenzen und quasipermanente Differenzen zwischen der Handelsbilanz und der Steuerbilanz Wirkungsweise 2009 Handelsbilanz Steuerbilanz Umsatzerlöse 200.000 200.000 Lfd. Aufwand Zuführung Drohverlustrückstellung -70.000-30.000-70.000./. Gewinn vor Steuern 100.000 130.000 Ertragsteueraufwand (30 %) Aktive latente Steuern -39.000 + 9.000-39.000./. Gesamter Steueraufwand -30.000-39.000 Gewinn nach Steuern 70.000 91.000 Der Zweck der Bilanzierung von latenten Steuern ist die zutreffende Darstellung der Vermögenslage und der Ertragslage des Unternehmens 9
Erweiterung des Aktivierungswahlrechts auf Verlustvorträge 274 Abs. 1 S. 4 HGB Verluste werden zu Vermögen Die aus Verlustvorträgen mögliche Steuerersparnis der nächsten fünf Jahre darf (Wahlrecht) als aktive latente Steuern (Vermögensgegenstand) aktiviert werden - Die Steuerersparnis muss werthaltig sein - Der Nachweis der Werthaltigkeit erfolgt durch einen Businessplan - Wahrscheinlichkeitsüberlegungen über die Werthaltigkeit der Verlustvorträge sind anzustellen Auswirkungen auf die Handelsbilanz Der Gewinn nach Steuern steigt (der Verlustausweis wird geringer) Die Eigenkapitalquote steigt Für das höhere Eigenkapital gilt eine Ausschüttungssperre 10
Pflicht zum Ausweis von passiven latenten Steuern 274 Abs. 1 S. 1 HGB Bestehen zwischen der handelsrechtlichen Bewertung von Vermögensgegenständen bzw. Schulden und der Bewertung in der Steuerbilanz Differenzen, die sich später voraussichtlich ausgleichen, dann muss (Pflicht) die sich daraus ergebende Steuerbelastung als passive latente Steuern in der Bilanz ausgewiesen werden. Beispiel: Aktivierung der Aufwendungen für ein selbst erstelltes Patent Wirkungsweise 2009 Handelsbilanz Steuerbilanz Umsatzerlöse 200.000 200.000 Lfd. Aufwand Selbst erstelltes Patent -70.000 + 50.000-70.000 Gewinn vor Steuern 180.000 130.000 Ertragsteuern (30 %) Passive latente Steuern -39.000-15.000./. -39.000./. Übriges Aktivvermögen Bilanz 31.12.2009 Patent 50.000 Jahresüberschuss 126.000 Davon gesperrt 35.000 91.000 Passive latente Steuern 15.000 141.000 141.000 Gesamter Steueraufwand -54.000-39.000 Gewinn nach Steuern 126.000 91.000 11
Saldierung und Anwendungsbereich Die Saldierung von aktiven und passiven latenten Steuern ist zulässig ( 274 Abs. 1 S. 3 HGB) eine Bilanzverkürzung tritt ein die Eigenkapitalquote verbessert sich Auf einen Überhang von aktiven latenten Steuern kann das Aktivierungswahlrecht angewandt werden Anwendungsbereich des Konzepts der latenten Steuern Kleine Kapitalgesellschaften haben ein Wahlrecht, das Konzept der latenten Steuern überhaupt anzuwenden ( 274a HGB) Dann entfallen die Anhangangaben automatisch ( 288 Abs. 1 HGB) Mittelgroße Kapitalgesellschaften müssen die Vorschriften für latente Steuern anwenden Die Anhangangaben zu latenten Steuern müssen aber nicht gemacht werden ( 288 Abs. 2 HGB) Nach 285 Nr. 29 HGB ist im Anhang anzugeben, auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die latenten Steuern beruhen und mit welchen Steuersätzen die Bewertung erfolgt ist 12
Bilanzierung von Rückstellungen Was fällt weg: 1. Das Passivierungswahlrecht für Aufwandsrückstellungen ( 249 Abs. 2 HGB a.f.) Übergangsregelung beachten (erfolgsneutrale Einstellung in die Gewinnrücklagen ist möglich) 2. Rückstellung für unterlassene Instandhaltung ( 249 Abs. 1 S. 3 HGB a.f.) wenn die Nachholung später als 3 Monate im neuen Geschäftsjahr erfolgt Was ist neu: 1. Die Bewertung von Rückstellungen erfolgt mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag ( 253 Abs. 1 S. 2 HGB) Künftige Kosten- und Preissteigerungen sind zu berücksichtigen In der Steuerbilanz gilt unverändert das Stichtagsprinzip Latente Steuern fallen an 2. Langfristige Rückstellungen sind abzuzinsen ( 253 Abs. 2 S. 1 HGB) Abzinsungspflicht für alle Rückstellungen mit Restlaufzeit von mehr als 1 Jahr Abzinsungssatz ist der durchschnittliche Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre entsprechend der Laufzeit der Rückstellung Deutsche Bundesbank ermittelt die Abzinsungssätze ( 253 Abs. 2 S. 4 HGB) 13
Pensionsrückstellungen Das Konzept zur Bilanzierung und Bewertung von Pensionsrückstellungen wurde komplett geändert Einbeziehung von erwarteten Lohn- und Gehaltssteigerungen sowie Rentenerhöhungen Abzinsung mit einem durchschnittlichen Marktzinssatz für eine Restlaufzeit von 15 Jahren Saldierung mit dem Planvermögen Der Unternehmer muss sehr sorgfältig mit den Pensionsverpflichtungen umgehen 14
Eigenkapital Ausstehende Einlagen (nicht eingefordert) Nur noch auf der Passivseite offen vom Gezeichneten Kapital absetzen ( 272 Abs. 1 S. 3 HGB) Der Eigenkapitalausweis wird reduziert Eigene Anteile Das Gezeichnete Kapital ist um den Nennbetrag der eigenen Anteile kürzen ( 272 Abs. 1a HGB) Ein übersteigender Kaufpreis ist mit den frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen Ausschüttungssperren für Gewinne sind zu beachten bei: 1. der Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens abzüglich passiver latenter Steuern 2. der Zeitbewertung von Vermögensgegenständen, die mit Pensionsverpflichtungen saldiert werden, abzüglich passiver latenter Steuern 3. der Aktivierung von latenten Steuern 15
Zusätzliche Anhangangaben Anhebung des Informationsniveaus 285 Nr. 3 HGB: Off-balance-sheet-Transaktionen 285 Nr. 16 HGB: Entsprechenserklärung zum Corporate Governance Kodex 285 Nr. 21 HGB: Geschäfte mit nahestehenden Personen, die nicht marktüblich sind 285 Nr. 26 HGB: Berichtspflicht über Investitionen in Investmentvermögen 285 Nr. 27 HGB: Risikoeinschätzung zu den nicht in der Bilanz ausgewiesenen Eventualverbindlichkeiten 285 Nr. 28 HGB: Aufgliederung der ausschüttungsgesperrten Gewinne 285 Nr. 29 HGB: Angaben zu den latenten Steuern auf Verlustvorträge 16
Bilanzpolitik Handelsbilanz und Steuerbilanz fallen auseinander Gestaltungspotentiale ausschöpfen Die umgekehrte Maßgeblichkeit wird beendet Steuerrechtliche Wahlrechte sind unabhängig von der Handelsbilanz ausüben Mehraufwand für die Bilanzerstellung (Ende der Einheitsbilanz) Das interne Berichtswesen und die IT-Systeme müssen angepasst werden Die bilanzpolitischen Spielräume verändern sich Zahlreiche Ansatz- und Bewertungswahlrechte fallen weg Bewusste letztmalige Inanspruchnahme von Wahlrechten zur Bildung von stillen Reserven Neue ganz erhebliche Wahlrechte kommen hinzu die vorzeitige Anwendung sämtlicher Neuregelungen bereits in 2009 ist gemäß Art. 66 Abs. 3 S. 6 EGHGB zulässig Die Ermessensspielräume werden sehr viel größer Die Vergleichbarkeit der Handelsbilanzabschlüsse wird stark beeinträchtigt 17