LANDRATSAMT ESSLINGEN Esslingen a. N., den 04.10.1995 542 Rahmenkonzeption für Inobhutnahmen im Landkreis Esslingen Vorbemerkung Die Jugendhilfeeinrichtung Verein Jugendhilfe e. V. in Esslingen a. N. nimmt im Auftrag des Kreisjugendamtes Esslingen Kinder und Jugendliche in akuten Krisen auf, sofern deren weitere Gefährdung in diesen Krisen nur durch eine vorläufige Unterbringung abgewendet werden kann. Die Inobhutnahme dient darüber hinaus der differenzierten Abklärung der Krisensituation und der Entwicklung einer Perspektive. Diese Konzeption ist in einem zwischen freien Jugendhilfeträgern und Jugendamt des Landkreises Esslingen abgestimmten Planungs- und Konzeptionsentwicklungsprozeß entstanden und beschreibt, wann und wie die akute Aufnahme und vorläufige Unterbringung junger Menschen in einer Einrichtung und in qualifizierten Familien (Bereitschaftspflegestellen) erfolgen soll. Es sollen 2-3 Plätze in der Einrichtung und 2 Plätze in Bereitschaftspflegestellen vorgesehen werden. 1. Zielgruppen In die Einrichtung und in die Bereitschaftspflegestellen sollen aufgenommen werden: 1.1 Kinder und Jugendliche, die sich mit der Bitte um Obhut an den Sozialen Dienst, an andere Personen oder an die Bereitschaftsgruppe selbst wenden. Die Unterbringung dieser Zielgruppe erfolgt gemäß 42 Abs. 2 SGB VIII 1.2 Kinder und Jugendliche, die aus massiven Krisen- und Gefährdungssituationen in Herkunfts- und Pflegefamilien in Obhut genommen werden müssen. Die Unterbringung dieser Zielgruppe erfolgt gem. 42 Abs. 3 SGB VIII 1.3 Kinder und Jugendliche, die durch die Polizei aufgegriffen wurden. Die Unterbringung dieser Zielgruppe erfolgt gem. 42 Abs. 3 SGB VIII in Verbindung mit 1 JSchÖG
2 Kinder im Alter bis zu 12 Jahren werden in der Regel in Bereitschaftspflegestellen untergebracht. 2. Verfahren und Kooperation 2.1 Aufnahme Aufgenommen werden Kinder und Jugendliche, - die vom Sozialen Dienst untergebracht werden, - die außerhalb der Dienstzeiten des Sozialen Dienstes von einer Polizeidienststelle eingewiesen werden und - die außerhalb der Dienstzeiten des Sozialen Dienstes, auch an Wochenenden und an Feiertagen erscheinen oder von Dritten gebracht werden. Die Kinder und Jugendlichen erhalten unverzüglich die Gelegenheit, eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen. 2.2 Abklärung Der Soziale Dienst informiert unverzüglich die Personensorgeberechtigten über die Inobhutnahme. Der Soziale Dienst lädt zu einem Teamgespräch ein, an dem Personensorgeberechtigte, ggf. Jugendliche/Kinder, ein Mitarbeiter der Einrichtung und sonstige Personen, soweit dies erforderlich ist, teilnehmen. Im Team wird zunächst nochmalig geprüft, ob eine Entlassung des Kindes oder Jugendlichen ins Elternhaus möglich ist. Kommt das Team zu der Auffassung, daß die Inobhutnahme als Krisenintervention und zur weiteren Klärung für die jungen Menschen unabdingbar notwendig ist und widersprechen die Personensorgeberechtigten der Inobhutnahme, führt der Soziale Dienst unverzüglich eine Entscheidung des Vormundschaftsgerichts herbei. 2.3 Dauer und Beendigung Kommt das Team während der Inobhutnahme zum Ergebnis, daß eine außerfamiliäre erzieherische Hilfe nötig ist, wird entweder auf Antrag der Personensorgeberechtigten oder nach einem entsprechenden Vormundschaftsgerichtsbeschluß auf Antrag des Amtsvormunds bzw. Amtspflegers eine erzieherische Hilfe gemäß 27 ff. SGB VIII
3 oder eine Eingliederungshilfe gemäß 35a SGB VIII eingeleitet und ein Hilfeplan erstellt. Die Inobhutnahme endet mit der Entlassung des Kindes bzw. Jugendlichen aus der Einrichtung. Sie dauert grundsätzlich längstens 2 Wochen. In besonders begründeten Einzelfällen kann, sofern eine Hilfe nach 27 ff. SGB VIII beantragt ist, die Inobhutnahme für die weitere Abklärung bis zu einem Monat dauern. Im Interesse der Perspektivenklarheit für die Beteiligten ist sie so schnell wie möglich zu beenden. 3. Die Unterbringung in der Einrichtung Der Verein Jugendhilfe e. V. stellt in einer Wohngruppe 2-3 Plätze zur Verfügung. Eine Unterbringung in Einzelzimmern ist gewährleistet. Die Einrichtung ist an 365 Tagen im Jahr in der Zeit von 7.00 Uhr bis 24.00 Uhr Anlaufstelle für Inobhutnahmen. Aufgabe der Mitarbeiter der Einrichtung ist es, unverzüglich die Unterbringung, Versorgung, Aufsicht, erste Beratung und gegebenenfalls ärztliche Behandlung zu gewährleisten, bis die Übergabe des jungen Menschen an die Personensorgeberechtigten erfolgt oder eine anderweitige Unterbringung durch den Sozialen Dienst veranlaßt wird. Die Mitarbeiter der Einrichtung koordinieren gegebenenfalls die Aufnahme in eine geeignete Bereitschaftspflegestelle. 4. Die Unterbringung in Bereitschaftspflegestellen Der Verein Jugendhilfe e. V. sucht zwei geeignete Familien, die zur Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen bereit sind und regelt mit ihnen vertraglich die Betreuungsaufgabe. Ein Partner sollte eine sozialpädagogische Ausbildung haben. Die Gewinnung, Auswahl, Vorbereitung und Beratung der Bereitschaftspflegestellen werden von den Mitarbeitern der Einrichtung geleistet. Während der Inobhutnahme sind die Bereitschaftspflegestelle bereit, die jungen Menschen an ihrer Familiengemeinschaft teilhaben zu lassen. Die Familie bietet den jungen Menschen einen Rahmen, in dem sie Vertrauen fassen können. Es soll für alle Beteiligten (Kind, Jugendlicher, Familie und Sozialer Dienst) klar ersichtlich sein, daß die Bereitschaftspflegestelle eine Einrichtung für die vorübergehende, kurzfristige Unterbringung ist. Die Familie gewährleistet im Zusammenwirken mit den Mitarbeitern der Einrichtung die Unterbringung, Verpflegung, Beaufsichtigung und Betreuung der jungen Menschen. Sie stellt dem jungen Menschen ein möbliertes Zimmer zur Verfügung.
4 Mit der Aufnahme eines jungen Menschen übernimmt die Familie die Aufsichtspflicht und die tatsächliche Personensorge. Detaillierte Absprachen werden im Einzelfall mit den Beteiligten getroffen, insbesondere bezüglich der schulischen Betreuung und der Kontakte zur Herkunftsfamilie. 5. Finanzierung Für die Dauer der Inobhutnahme gem. 42 SGB VIII gewährt das Kreisjugendamt nach Abstimmung mit dem Pflegesatzreferat des Landeswohlfahrtsverbandes Württemberg- Hohenzollern in Stuttgart den 1,5fachen Heimpflegesatz. V e r e i n b a r u n g zwischen dem Landkreis Esslingen als örtlichem Träger der Jugendhilfe, vertreten durch den Landrat Dr. Braun (nachstehend Landkreis Esslingen) u n d dem Verein Jugendhilfe e. V., vertreten durch den Vorstand, Herrn Werner (nachstehend Verein Jugendhilfe) 1 Gegenstand der Vereinbarung Die Vereinbarung verfolgt den Zweck, Kinder und Jugendliche, die dem Jugendamt nach 42 SGB VIII in Obhut übergeben worden sind, zu beherbergen und zu versorgen, bis sie dem(n) Personensorgeberechtigten übergeben werden können oder eine anderweitige Entscheidung getroffen ist. 2 Beauftragung des Vereins Jugendhilfe gem. 42 SGB VIII 1. Der Verein Jugendhilfe verpflichtet sich, Kinder und Jugendliche, die gem. 42 SGB VIII in Obhut zu nehmen sind, in der Zeit von 7.00 Uhr bis 24.00 Uhr aufzunehmen. Die Inobhutnahme endet mit der Entlassung des Kindes bzw. Jugendlichen aus der Einrichtung. 2. Für die Inobhutnahme im Sinne dieser Vereinbarung stellt der Verein Jugendhilfe dem Landkreis Esslingen 4 Inobhutnahmeplätze, 2 Plätze in einer Wohngruppe und 2 Plätze in Bereitschaftspflegestellen zur Verfügung. 3. Die vom Verein Jugendhilfe beauftragten MitarbeiterInnen nehmen während der Unterbringung die den Personensorgeberechtigten zustehenden Rechte und Pflichten der Erziehung entsprechend 38 SGB VIII wahr. 3 Aufgaben des Vereins Jugendhilfe
5 1. Der Verein Jugendhilfe nimmt eigenverantwortlich im Auftrag des Kreisjugendamtes Esslingen Kinder und Jugendliche im Rahmen von 42 SGB VIII auf. Die Übergabe erfolgt üblicherweise durch das Jugendamt/Sozialer Dienst und außerhalb der allgemeinen Dienstzeiten durch die zuständigen Polizeidienststellen. Die Aufnahme kann auch auf Bitten eines(r) Kindes oder Jugendlichen erfolgen ( 42 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). 2. Erfolgt die Aufnahme eines(r) Kindes oder Jugendlichen ohne Mitwirkung des Jugendamtes/Sozialer Dienst, klärt der Verein Jugendhilfe den Sachverhalt vorläufig ab (5 2 Abs. 3). Er informiert zum frühestmöglichen Zeitpunkt das Jugendamt/Sozialer Dienst. 3. Der Verein Jugendhilfe übernimmt die übliche Verpflegung, Unterbringung, Beaufsichtigung und Beratung der Kinder und Jugendlichen bis zur Übergabe an die Personensorgeberechtigten oder bis zur anderweitigen Versorgung. 4 Aufgaben des Landkreises Esslingen Das Jugendamt/Sozialer Dienst des Landkreises Esslingen arbeiten mit dem Verein Jugendhilfe in allen Fragen der Inobhutnahme eng und vertrauensvoll zusammen. Das Jugendamt/ Sozialer Dienst informiert unverzüglich die Personensorgebe-rechtigten über die Inobhutnahme. Die Abklärung über evtl. weitere Hilfen für die aufgenommenen Kinder und Jugendlichen werden vom Jugendamt/Sozialer Dienst zusammen mit den Personensorgeberechtigten und den betroffenen jungen Menschen vorrangig behandelt. 5 Finanzierung 1. Durch die besondere Aufgabenstellung ist ein erhöhter Personalaufwand und das Vorhalten von freien Plätzen notwendig. Aufgrund der vorliegenden Konzeption, welche Bestandteil dieser Vereinbarung ist und einer entsprechenden Kostenberechnung wird zunächst ein Tagessatz von DM 337,40 abgerechnet. Dies entspricht dem 1,5fachen des derzeit gültigen Pflegesatzes. Bei Erhöhung des Sonderpflegesatzes des Vereins Jugendhilfe ist dieser entsprechend anzupassen. 2. In den Pflegesatz einbezogen sind analog der Heimkostenberechnung die Aufwendungen für das Personal, die Verpflegung und Übernachtung, die Miet- und Mietnebenkosten sowie der notwendige Aufwand für den Versicherungsschutz. Nicht im Pflegesatz enthalten sind die Sonderaufwendungen im Einzelfall (z. B. Kosten für Krankenhilfe, Fahrtkosten anläßlich der Aufnahme, Überführung, notwendige Bekleidung). 3. Während der Dauer der Inobhutnahme hat der junge Mensch ab dem dritten Tag Anspruch auf eine anteilige Barbeihilfe (Taschengeld). Die Höhe richtet sich nach den Empfehlungen des Landesjugendamtes. 4. Die Pflegekosten werden nach Kalendertagen berechnet. Der Aufnahme- und der Entlassungstag gelten als ein Kalendertag. 5. Diese Regelung ist bis zum 31.12.1997 gültig. Danach bedarf es einer neuen Vereinbarung ( 7 Abs. 2). 6 Heimaufsicht Es wird festgestellt, daß die Einrichtung in der jetzt vereinbarten Form den geltenden Vorschrif t e n der Heimaufsicht des Landesjugendamtes Württemberg-Hohenzollern unterliegt.
6 7 Vereinbarungsdauer und Kündigung 1. Änderung in der Vereinbarung bedürfen der Zustimmung der Partner und der Schriftform. 2. Kommt eine neue Finanzierungsvereinbarung zum 01.01.1998 ( 5 Abs. 5) nicht zustande, ist die gesamte Vereinbarung ab diesem Zeitpunkt aufgehoben. 2. Für die außerordentliche Kündigung gelten die Vorschriften der 542, 553 und 554 BGB. 8 Sonstige Bestimmungen 1. Die Vereinbarung gilt für die in diesem Vertrag festgelegten Plätze. Ist darüber hinaus ein weiterer Bedarf vorhanden, ist der Verein Jugendhilfe bemüht, auch hierfür innerhalb der Einrichtung eine Lösung zu finden. 2. Diese Vereinbarung tritt am 01.06.1996 in Kraft. Esslingen a. N., 25.04.1996 Landkreis Esslingen Verein Jugendhilfe e. V. Dr. Braun Werner