Helmut Bremer. Das soziale Spiel zwischen Inklusion und Selektion

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Transkript:

Helmut Bremer 10. DIE-Forum Weiterbildung 2007 Exklusion Inklusion Potenziale der Weiterbildung für gesellschaftliche Teilhabe Das soziale Spiel zwischen Inklusion und Selektion Deutsches Institut für Erwachsenenbildung Online im Internet: URL: http://www.die-bonn.de/doks/forum0704.pdf Online veröffentlicht am: 31.10.2007 Stand Informationen: 08.10.2007 Dieses Dokument wird unter folgender creative commons-lizenz veröffentlicht: http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/de/

Helmut Bremer (Uni Hamburg) Das soziale Spiel zwischen Inklusion und Selektion Vortrag auf dem 10. DIE-Forum Weiterbildung Exklusion Inklusion. Potenziale der Weiterbildung für gesellschaftliche Teilhabe 8.10.2007 in Bonn Strukturen sozialer Selektivität der Weiterbildung Wenn wir das Rahmenthema der heutigen Tagung auf den Bereich der Weiterbildung beziehen, d.h. die Frage von Ausschluss Einschluss, Ausgrenzung Integration, Teilhabe Nicht-Teilhabe in und durch Weiterbildung, dann müssen wir uns mit den Strukturen und den Mustern der Teilnahme an Weiterbildung auseinandersetzen. Wir wissen seit langem, dass dies in hohem Maße nach sozialen Gruppen unterschiedlich ist. Begriffe, die das auf den Punkt bringen, sind etwa die doppelte Selektivität (Faulstich 1981) und die Weiterbildungsschere (Schulenberg u.a. 1978, Barz/Tippelt 2003). Gemeint ist: Bildungsungleichheit wird durch Weiterbildung keineswegs kompensiert. Das Gegenteil ist der Fall; Weiterbildung wirkt verstärkend, indem sie vorwiegend von denjenigen in Anspruch genommen wird, die ohnehin über höhere Bildungsstandards verfügen. Unter wissensgesellschaftlichen Bedingungen, in denen Lebenschancen und gesellschaftliche Teilhabe zunehmend von Bildung abhängen, birgt das eine erhebliche Brisanz. Auch wenn das Phänomen keineswegs neu ist, ist es für die Weiterbildung mehr denn je wichtig, sich mit den Mustern und Gründen dafür auseinandersetzen und nach Möglichkeiten des Umgangs und des Entgegenwirkens zu suchen. Die Belege für diese Grundtendenz sind schnell gefunden. Blickt man auf das Berichtssystem Weiterbildung, so zeigt sich, dass die Teilnahme seit 1979 insgesamt deutlich gestiegen ist (von 23% im Jahr 1979 auf 41% im Jahr 2003). Der Anstieg ist besonders stark im Bereich der beruflichen Bildung. Weiterbildungsteilnahme nach Schulbildung und beruflicher Stellung Weiterbildungsteilnahme 1979 Weiterbildungsteilnahme 2003 insgesamt allgemein beruflich insgesamt allgemein beruflich Niedrige Schulbildung 16 13 7 28 17 16 Mittlere Schulbildung 29 22 12 47 28 32 Abitur 43 31 18 59 37 38 Arbeiter 15 9 8 31 18 19 Angestellte 31 20 18 55 32 39 Beamte 45 26 27 68 37 59 Selbständige 21 16 12 49 29 34 Berichtssystem Weiterbildung IX, Kuwan/Thebis 2005 Von Interesse ist im Zusammenhang mit Selektivität und Teilhabe vor allem die Differenzierung nach sozialem Status. Es ergibt sich das Bild eines Fahrstuhleffektes, also eines allgemeinen Anstiegs der Weiterbildungsbeteiligung, ohne dass sich die Abstände zwischen den sozialen Etagen merklich verändert haben. Die eingefügte Tabelle weist das für die Merkmale des Bildungsabschlusses und der beruflichen Stellung aus. Deutliche Unterschiede zeigen sich zudem zwischen Deutschen, Ausländern und Deutschen mit Migrationshintergrund sowie 1

nach Alter und (etwas weniger) Geschlecht. Ich verzichte hier auf weitere Differenzierungen. Diese Grundtendenzen betreffen generell auch die weichen Formen von Weiterbildung; so variiert etwa das informelle berufliche Lernen stark nach der beruflichen Tätigkeit (Ungelernte: 38%, Leitende Angestellte 82%). Ähnliches gilt für das selbstinitiierte Lernen außerhalb von Weiterbildungseinrichtungen. Auch andere Studien stoßen, neben anderen Aspekten, bei der Frage nach Indikatoren der Weiterbildungsteilnahme bzw. -nichtteilnahme immer wieder auf die hohe Bedeutung sozialschichttypischer Merkmale (Schul- und Berufsbildung, berufliche Position). Ich nenne hier etwa die Arbeit von Brüning/Kuwan (2002) zu Benachteiligten (die auch die Bedeutung von Alter, Ethnie, Geschlecht betonen), 1 Baethge/Baethge-Kinsky (2004), die zudem die Bedeutung der Lernförderlichkeit von Arbeitsbedingungen herausgearbeitet haben, und die Publikationen der Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens (2004), bei denen zudem die Situation von Nicht- und Nie-Teilnehmern besonders berücksichtigt ist, bei denen sich objektive und sozialisationsspezifische subjektive Ausschließungsgründe bündeln (Schröder u.a. 2004). Wenn dabei betont wird, dass diese Akteure schlechthin keinen Nutzen darin erkennen, sich den Anstrengungen eines darüber hinaus ungewohnten Lernens zu unterziehen (Expertenkommission Finanzierung Lebenslangen Lernens 2004, S. 152), so knüpft das an die wichtige Arbeit von Bolder/Hendrich (2000) zur Weiterbildungsabstinenz an, in der nachhaltig darauf aufmerksam gemacht wird, dass Nichteilnahme nicht als ein Defizit zu sehen ist, sondern Ausdruck aktiven Handelns sein kann. Geboten ist also aus pädagogischer Sicht, sich mit den subjektiven Gründen für die Nichtbeteiligung auseinander zu setzen. Insgesamt zeigt sich über viele Jahre hinweg das annähend gleiche Bild des sog. Matthäuseffektes (Ehmann 2001): Wer Bildung hat, dem wird durch Weiterbildung noch mehr gegeben. Wie gesagt: Selektivität wird durch Weiterbildung nicht nur nicht kompensiert, sondern im Gegenteil eher noch verstärkt. Die Bildungskumulation privilegierter sozialer Milieus setzt sich ungebrochen fort (Faulstich 2003, S. 650). Man könnte zugespitzt fragen: Forciert Weiterbildung eher Prozesse der Exklusion anstatt solche der Inklusion? Das ist natürlich nicht intendiert. Es war stets ureigene Aufgabe und selbst gestecktes Ziel von Weiterbildung, zu mehr Chancengleichheit und zu sozialer Integration beizutragen (Tippelt 2000, S. 69). Das ist heute besonders wichtig, wo lebenslanges Lernen immer mehr vom Schlagwort zur normativen Handlungsaufforderung, biographische Unsicherheiten zunehmen und Bildung insgesamt der Schlüssel zur Verwirklichung von Lebenschancen wird. Gerade weil das Phänomen so lange bekannt ist, man sich in gewisser Weise daran gewöhnt hat, liegt die Frage nahe, ob Weiterbildung daran überhaupt etwas verändern kann, bzw. was sie daran andern kann? (Auf die Frage kann man gleich entgegen: Wenn nicht Bildungseinrichtungen, wer denn dann?) Dennoch: Es gibt gute Gründe für diese Zweifel. So wissen wir 1 Zur zunehmend wichtiger werdenden Problematik Alter und Weiterbildung vgl. Schröder/Gilberg (2005). 2

aus der Sozialisations- und Biographieforschung, dass die Selektivität des Bildungswesens im Grunde sehr früh beginnt, genau genommen schon vor dem Eintritt in die Bildungseinrichtungen, in der Familie (Büchner/Brake 2006). In der Oldenburger Studie kann man lesen: In der allgemeinen Bildungsbereitschaft der Erwachsenen wirkt das bildungsmäßige Milieu der Herkunftsfamilie stark nach (Schulenberg u.a. 1978, S. 50). Offensichtlich erwerben die Menschen vor allem durch frühe Bildungserfahrungen einen Habitus, der Affinität zu institutionalisierter Bildung, zu pädagogischen Settings hat oder eben nicht. Und das setzt sich auch im Erwachsenenalter fort. Jürgen Wittpoth (1995, S. 76) hat einmal hervorgehoben, dass Erwachsenenbildung eher Feinregulierungsfunktionen hat. Wenn das so ist, dann geht es also nicht darum, durch Weiterbildung die Ungleichheit der Gesellschaft insgesamt aufzuheben daran muss man scheitern. Aber worum es sehr wohl geht, ist, sich für diese Feinregulierungen zu sensibilisieren, die Spielräume auszuloten. Denn diese feinen Regulierungen und Spielräume sind für die Subjekte und ihre biographischen Weichenstellungen sehr bedeutend. Die erwähnten Untersuchungen tragen insgesamt viel dazu bei, Indikatoren und Einflussfaktoren der Weiterbildungsteilnahme zu differenzieren. Wir wissen also eine ganze Menge, aber wenn es um die Gründe für die soziale Selektivität geht, wissen wir vieles auch nicht das gilt im übrigen für die Bildungsforschung insgesamt. Soziale Ungleichheit übersetzt sich offenbar, so Krais (2003, S. 7), in die Prinzipien von Bildung und Kultur. Aber wie dieser Übersetzungsvorgang (ebd.) vonstatten geht, das ist keineswegs klar. Für die Weiterbildung kommen die Autoren des von der Sektion Erwachsenenbildung der DGfE in Auftrag gegebenen Forschungsmemorandums trotz zahlreich vorliegender Studien, soziodemographischer Korrelationen und darauf gestützter Annahmen über Gründe von Teilnahme und Nichtteilnahme zu dem Schluss: Wirklich verstehen können wir das Weiterbildungsverhalten bislang kaum (Arnold u.a. 2002, S. 22). Letztlich läuft das darauf hinaus, die ungleiche Teilhabe an Weiterbildung als Resultat des Ineinandergreifens verschiedener Mechanismen zu sehen. Man kann recht schnell (und einleuchtend) ökonomische, rechtliche, institutionelle, arbeitsplatzbedingte, gelegenheitsbedingte Aspekte aufzeigen, die Menschen daran hindern, Weiterbildungseinrichtungen aufzusuchen, die ja doch im Grunde jedem offen stehen. Aber ich denke, es greift zu kurz, nur auf diese harten Schranken zu blicken. Vielmehr gilt es die Bedeutung sog. weicher Faktoren stärker zu beachten, die Selektivität von Bildung Weiterbildung auch als Ergebnis soziokultureller Prozesse in den Bildungseinrichtungen sozialer Spiele erscheinen lässt. Soziale Milieus: Bildung und Kultur des Alltags Um darauf zu kommen, greife ich auf das Konzept der sozialen Milieus zurück. Bei sozialen Milieus steht die ganze Lebensweise, die Kultur des Alltags, im Mittelpunkt. Menschen eines Milieus ähneln sich in ihren Vorlieben und Haltungen zu Arbeit und Bildung, zu Familie und Freunden, zur Freizeit und auch zu gesellschaftlicher Partizipation. Es sind also Gruppen, die über einen ähnlichen Habitus (Bourdieu) verfügen. Anders gesagt: Während for- 3

Wenn man die Milieustudien zur Erwachsenenbildung (Flaig u.a. 1993, Barz 2000, Barz/Tippelt 2003/2004, Bremer 2007) quer liest, dann kann man sagen, dass die besondere Lebensweise der oberen Milieus sich zumeist auch in einem exklusiven Bildungsverständnis ausdrückt. Sie betonen stärker als andere Aspekte wie Persönlichkeitsbildung, Individualität, Gesundheitsbildung, Selbstentfaltung und in jüngerer Zeit auch die Selbstvermarktung, zu der Weiterbildung beitragen soll. Die Bildungsmotivation wirkt intrinsisch; sie artikulieren deutlich und selbstbewusst ihre Interessen, verbinden mit Weiterbildung eher Chancenerweiterung. Bei den weiter unten stehenden Milieus ist das Verhältnis zu Bildung unaufgeladener ; es geht auch um profane Dinge wie Status, Tugenden, sozial bezogene Ziele, Qualifikation und Aufstieg oder Mühsal und alltägliche Erfordernisse; solche pragmatischen Aspekte von der Notwendigkeiten und Nutzenerwägungen mischen sich stärker mit solchen der Selbst- malstatistische gebildete Gruppen und Zielgruppen auch Ältere, Migranten, Geschlechtsgruppen eher künstliche Gruppen aufgrund äußerer Merkmale sind, kommen Milieus stärker wirklich handelnden Gruppen näher. Milieus berücksichtigen, dass Lebensbedingungen und Lebenslagen unterschiedlich wahrgenommen, verarbeitet und in Handeln überführt werden. Im eingefügten Diagramm sind die sozialen Milieus im sozialen Raum eingeordnet LIBI KONT PO Die Milieus der alltäglichen MO Lebensführung im sozialen Raum (Vester u.a. 2001). 2 Ohne darauf näher einzugehen: Wir finden in der vertikalen Glie- MOBÜ MOA Deutschlands 2003 H E KLB D LEO avantgardistisch eigenverantwortlicgebunden autoritär hierarchie- derung oben die Milieus der besser gestellten Differenzierungsachse TRA PO LIBI KONT Leute mit besonderen Lebensweisen, die TLO MO Konservativtechnokratisches Post- Liberalintellektuelles Habitus der moder- nes Milieu 8% Milieu 7 % Distinktion sich durch Besitz, durch ihre höhere Bildung Milieu 6% MOA MOBÜ Modernes Habitus der Arrivierten Modernes Arbeitnehmermilieu 12% bürgerliches Milieu HED 11% LEO und Kultur und durch einen besonders unkonventionellen Lebensstil von den einfacheren Menschen abgrenzen. Auf der mittleren Stufe sind die Lebensweisen durch das Hedonistisches KLB Leistungsorientiertes Habitus der Milieu Strebenden Arbeitnehmermilieu Kleinbürgerliches Streben nach Respektabilität und Anerkennung 9% 18% Milieu TRAnelles sowie durch Stetigkeit gekennzeichnet. Arbeitermilieu ditio- 13% Unten sind die unterprivilegierten, gering 6% Habitus der Notwendigkeit TLO Traditionslose Unangepaßte Arbeitnehmermilieus Resignierte (zus. 12%) Statusorientierte ca. 2% ca. 6% ca. 3% agis.uni-hannover.de [nach Zahlen von SIGMA] 2003 gebildeten Milieus eingeordnet, die am stärksten von Zwängen und Notwendigkeiten betroffen sind und die die Welt oft als schicksalhaft erleben. Horizontal können rechts die Milieus platziert werden, für die Orientierung an Hierarchien, klarer Ordnung und Status zentral sind. Weiter nach links werden eher Eigenständigkeit, Können und Unabhängigkeit von Autoritäten betont. In diese Lebenszusammenhänge ist auch der Umgang mit Bildung und Weiterbildung eingeordnet, erst aus den Lebenszusammenhängen und Lebensrichtungen der Akteure ergibt sich, inwiefern Weiterbildung Sinn macht. 2 Die Darstellung ist etwas anders als in den Arbeiten von Heiner Barz und Rudolf Tippelt; empirisch sind sie aber sehr ähnlich gebildet; zu den Unterschieden vgl. Bremer (2007, S. 130 ff.). 4

reflexion und Horizonterweiterung. Weiterbildung und lebenslanges Lernen sind auch von Unsicherheiten begleitet. Speziell bei den unteren Milieus bestehen zudem nach wie vor große Barrieren zu Bildung und Weiterbildung ( Lebensführung vs. Lebensbewältigung ). Lebenslanges Lernen Verständnis von Weiterbildung in den sozialen Milieus nach Barz 2000 (S. 161) aktiv Wie Milieus zu lebenslangem Lernen und Weiterbildung stehen, hat Heiner Barz hat einmal TEC ALT KON graphisch dargestellt. Das ist auch für das Thema Inklusion persönliche/ NEA interessant. Demnach zeigt sich soziale Kompetenz ein distinktiver Habitus im Feld AUF KLB professionelle/ berufliche Kompetenz der Weiterbildung in einem selbstbewussten und intrinsischen Auftreten. Lebenslanges TRA HED TLO Lernen ruft hier weniger Ängste hervor, sondern wird eher als reaktiv Möglichkeit der Chancenerweiterung gesehen. Horizontal zeigen die stärker an Status und Prestige orientierten Milieus eine von beruflichen Notwendigkeiten motivierte Bildungsteilhabe, während zur linken Seite hin auch der persönliche Kompetenzzuwachs höher bewertet wird. Es sind, so Barz (2000, S. 182), vor allem die Oberschichtmilieus, die eine große Bereitschaft zeigen, sich weiterzubilden, und dabei je nach Fraktion ein neuhumanistisches (KONservativ gehobenes Milieu), hochkulturell-künstlerisches (TEChnokratisch Liberales Milieu) und auf Selbstentfaltung und -erfahrung (ALTernatives Milieu) setzendes Bildungsverständnis zeigen. Je weiter man sich aber in untere Regionen des sozialen Raums bewegt, desto mehr löst lebenslanges Lernen Verunsicherung aus, führt eher zu Reaktion statt Aktion. Diese Skepsis in Bezug darauf, ob sich Weiterbildung und lebenslanges Lernen lohnt, reicht bis weit in die Mitte der Gesellschaft. Es geht dabei auch keineswegs nur um ein materielles Sich-Rechnen, sondern darum, ob Weiterbildung generell zur Verbesserung der Lebenssituation beiträgt; d.h.: sichert es mein Auskommen, führt es zu verbesserten Perspektiven, sichert es Zugehörigkeit und Teilhabe usw. Zu diesem Bild passen Strategien der milieuspezifischen Ansprache und des Informationsgewinns, die Barz/Tippelt (2004a, S. 169 f.) in ihrer neuen Milieustudie genannt haben (aktive Strategien, passive Strategien, institutionelle Einbindung). Soziale Spiele im Feld der Weiterbildung Welche Bedeutung hat nun das Milieubild nun für die Weiterbildung? Vereinfacht kann man es so sagen: Wenn die Menschen in Weiterbildungseinrichtungen kommen, dann legen sie ihren Habitus, ihre geschmacklichen und moralischen Vorlieben und ihre Dispositionen für 5

Bildung und Lernen, nicht einfach ab. Anders gesagt: Sie bringen gewissermaßen ihre Kultur des Alltags mit, und ihre Kultur des Alltags trifft auf die Kultur der Institution, auf die Kultur der Lehrenden, auf eine bestimmte Lehrkultur. D.h.: Wir haben es hier mit Akkulturationsprozessen (Bourdieu/Passeron 1971) zu tun. Das gilt für alle Milieus in gleicher Weise, aber aufgrund ihres Habitus sind die Lernenden darauf unterschiedlich eingestellt, sie nehmen die gleiche Situation höchst ungleich wahr, und sie verarbeiten die gleiche Situation höchst ungleich. Es ist nicht nur eine bunte Milieuvielfalt, sondern es gibt Gruppen, die aufgrund ihrer Mitgift privilegiert sind oder nicht privilegiert sind (aktive passive Strategien, selbstbewusstes Artikulieren unsicheres Reagieren). Man kann es auch so ausdrücken: Wenn mehr bildungsungewohnte Gruppen in Weiterbildungseinrichtungen drängen, dann gerät auch die bisherige eingespielte Lernkultur unter Druck. In jedem Fall heißt das, dass Lehr-Lernprozesse, pädagogische Settings, Programmkonzepte usw. in solche Akkulturationsprozesse eingelagert sind, dass sie Teil davon sind. Insofern sind es in Anlehnung an Bourdieu soziale Spiele, an denen teilnimmt, wer über den nötigen Sinn für das Spiel verfügt. Das läuft über sehr subtile, meist nicht-intendierte Prozesse der pädagogischen Kommunikation ab. Wer die pädagogische Beziehung, Kommunikationsstrukturen, den pädagogischen Stil und die Codes entziffern kann, ist eingeschlossen, wer das nicht kann, ist implizit ausgeschlossen, hat es zumindest schwerer. Das ist im Prinzip nicht neu. Wir kennen das aus der Teilnehmerforschung. Franz Große (1932) etwa hat das Phänomen der im Verlauf eines Seminars abnehmenden Präsenz unterer Schichten darauf zurück geführt, dass zwischen den Dozenten und den höher gebildeten Angestellten eine größere soziale Nähe besteht. Aufgrund dieses Verhältnisses würde der Lehrende dazu neigen, sich stärker auf den ihm in seiner Ausdrucksweise und in seiner ganzen geistigen Verfassung näherstehenden Schüler einzustellen. Das aber habe den Effekt, dass der Geschulte den Ungeschulten verdrängt (ebd., S. 51). Hans Tietgens (1978 [1964]) hat in seiner Arbeit zur Frage, warum wenig Industriearbeiter in die Volkshochschule kommen, solche Muster sehr eindrucksvoll herausgearbeitet. Er sah, dass, getragen von den mittleren und gehobenen Schichten und der pädagogischen Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden, ein bestimmter, von Zweckfreiheit, Diskussion, Offenheit und weniger von methodischer Wissensvermittlung geprägter Bildungsstil dominant war. Arbeiter nahmen dies als Verschlüsselung wahr. Sie verweigern sich der Gebärde der Offenheit. Die Einladung zum Gespräch scheine ein Vertrauensverhältnis vorauszusetzen, in das sie sich nicht einbezogen fühlen, so Tietgens (ebd., S. 161). Solche soziokulturellen Prozesse laufen, wie man gerade mit Rückgriff auf Milieukonzepte zeigen kann, auch heute in pädagogischen Beziehungen ab; es geht also darum, sich auf diese Problematik neu einzustellen. Praktische Anschlussmöglichkeiten Es sind vor allem zwei Gründe, warum ich diese weichen Formen der Selektivität hervorhebe. Zum einen: Vieles läuft versteckt, im Verborgenen ab und gerade wegen dieser Unsichtbar- 6

keit kann es besonders wirksam sein. Zum anderen: Hier ergeben sich für die Weiterbildung Möglichkeiten, in die Mechanismen von Selektion und Inklusion einzugreifen. Denn es gibt eine Reihe von Gründen, die zu sozialer Selektivität beitragen, an denen die Weiterbildung nichts oder nicht mehr viel ändern kann (biographische Vorerfahrungen, frühe Bildungserfahrungen, Lernförderlichkeit von Arbeitsbedingungen usw.). Aber hier gibt es die Möglichkeit, etwas zu bewirken. Dazu abschließend einige Stichworte. Zunächst einmal ist wichtig, die Ungleichheit und Differenzierung überhaupt wahrnehmen und die Gründe für Weiterbildungsteilnahme und - nichtteilnahme zu verstehen. Das ist keineswegs so selbstverständlich wie es vielleicht scheint. Dazu gehört, sich auch für Fragen von Macht und Ohnmacht zu sensibilisieren, eine besondere Wachsamkeit gegenüber Mainstream-Trends. Barz/Tippelt etwa (2004b, S. 121) gehen davon aus, dass der Bereich der Persönlichkeitsbildung zukünftig wichtiges thematisches Feld der Weiterbildung sein wird. Sie vermuten, dass Kompetenzen wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, Motivationsfähigkeit, Charisma, Zielstrebigkeit, Entscheidungsstärke, Stressbelastbarkeit, Fitness, Phantasie, Kreativität, Originalität, diskursive Intelligenz sowie Mobilität und Flexibilität wichtig sein werden. Vor dem Hintergrund von Exklusion und Inklusion heißt das: Bedient man einfach nach dem Muster Angebot Nachfrage die Bildungsinteressen der bildungsprivilegierten Milieus, die das explizit nachfragen, oder buchstabiert man konkret aus: Was bedeutet es für die in verschiedener Weise benachteiligten Gruppen, sich solche Kompetenzen anzueignen? Weiterhin gilt es: die eigene pädagogische Praxis vor diesem Hintergrund zu reflektieren. Milieubezogene pädagogische Reflexivität, d.h., ein Sich-Selbst-in-Beziehung-Setzen zu den Lernenden, die Reflexion des eigenen Habitus, muss als Teil pädagogischer Professionalität begriffen werden (Bremer 2006). differenzierte Adressatenkonzepte zu entwickeln, insbesondere für die Gruppen, die nicht über die aktiven Strategien der Teilnahme verfügen. Z.B.: Was heißt aufsuchende Bildungsarbeit, die Barz/Tippelt für Gruppen empfehlen, die orientierungsunsicher sind und bei denen sich Bildungsbarrieren bündeln? Wie kann man an institutionelle Vernetzungen andocken, um besseren Zugang zu so eingebundenen älteren traditionellen Milieus oder zu Migranten zu bekommen? Hier darf man gespannt sein auf die Ergebnisse einer nachfolgenden Studie der Forschungsgruppe, in der es um die Umsetzung solcher Befunde ging und die in Kürze vorgelegt wird. 7

erkennen: Weiterbildungseinrichtungen sind selbst spezifisch in Milieus verankert, sie sind oft daraus hervorgegangen. In die eingefügte Abbildung sind Ergebnisse aus verschiedenen Milieustudien eingeflossen, die das aufgezeigt haben. Die Frage ist: Wissen sie das? Und: Wollen sie das? Nicht jede Weiterbildungseinrichtung will und kann alle Milieus erreichen, manche vielleicht. Wichtig ist aber: Wie ist das Gesamtbild in Bezug auf Exklusion und Inklusion? Nimmt man die Perspektive der Integ- LIBI KONT PO MO Teilnehmerschwerpunkte ausgewählter MOBÜ MOA Weiterbildunganbieter im Raum der sozialen Milieus Westdeutschlands 2003 H ration und Inklusion ein, dann muss etwa E KLB D LEO Bildungsmarketing auch auf dieses Ziel gerichtet sein. D.h.: Es muss ein Qualitäts- partizipativ direktiv Bildungsstil TRA TLO KONT LIBI ca. 7% ca. 8% POMO merkmal sein, zu mehr Teilhabe beizutragen Reflexiv- ca. 6% FES Abstrakt (Bremer 2005). MOA ca. 11% MOBÜ ca. 12% Damit zusammen hängt: Wenn man institutionelle Bildung mit Akkulturationsprozessen Reflexiv- VHS Praktisch HED LEO KLB ca. 9% 18% ca. 13% AuL in Verbindung setzt, dann heißt das, dass Weiterbildungseinrichtungen als eine eigene TRAca. Praktisch- Reflexiv 6% kleine Welt zu begreifen sind, ein pädagogisch TLO ca. 12% gerahmter sozialer Mikrokosmos. Hier agis.uni-hannover.de [nach Zahlen von SIGMA] Abkürzungen: 2003 gilt es, das Innenleben der Institution aus LIBI: Liberal-Intellektuelles Milieu KLB: Kleinbürgerliches Arbeitnehmermilieu KONT: Konservativ-Technokratisches Milieu MOA: Modernes Arbeitnehmermilieu POMO: Postmodernes Milieu LEO: Leistungsorientiertes Arbeitnehmermilieu HED: Hedonistisches Milieu TRA: Traditionelles Arbeitermilieu MOBÜ: Modernes Bürgerliches Milieu TLO: Traditionsloses Arbeitnehmermilieu FES: Friedrich-Ebert-Stiftung AuL: Arbeit und Leben VHS: Volkshochschulen dieser Perspektive zu betrachten (Programme, Leitbilder, Strukturen), zu reflektieren: Wie nehmen wir Adressaten wahr? Wie nehmen Adressaten uns wahr? Welche intendierten und nicht-intendierten Botschaften senden wir aus? Welche wollen wir künftig aussenden? usw. Insgesamt geht es darum, sich stärker für diese sozialen Spiele zu sensibilisieren. Dabei gilt: Soziale Spiele sind natürlich kein belangloser Zeitvertreib. Es sind ernste Spiele, und, wie Bourdieu (2001, S. 275) das ausdrückt, es sind keine fair games. Hier geht es um Teilhabe oder Nicht-Teilhabe, um die Möglichkeit, durch Teilhabe an Bildung Lebenschancen umzusetzen oder nicht umzusetzen. Darin ist die Weiterbildung mit ihren Akteuren verstrickt; sie ist Teil dieses Spiels ob sie will oder nicht. Und wenn man sich darüber mehr Klarheit verschafft, kann man seine Rolle in diesem Spiel verändern und damit dem Spiel ein Stück weit eine andere Wendung geben. Darauf kommt es an. Literatur: Arnold, R./Faulstich, P./Mader, W./Nuissl, E./Schlutz, E./Wittpoth, J. (2002): Forschungsschwerpunkte zur Weiterbildung. Frankfurt/M. Baethge, M./Baethge-Kinsky, V. (2004): Der ungleiche Kampf um das lebenslange Lernen: Eine Repräsentativ-Studie zum Lernbewusstsein und -verhalten der deutschen Bevölkerung. In: dies. u.a.: Der ungleiche Kampf um das lebenslange Lernen. Münster, S. 11-200 Barz, H. (2000): Weiterbildung und soziale Milieus. Neuwied-Kriftel: Luchterhand 8

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