Zwänge. Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe Aktuelle Themen in der Psychotherapie des Fördervereins Sonnenberg Klinik (e.v.).

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Transkript:

Zwänge Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe Aktuelle Themen in der Psychotherapie des Fördervereins Sonnenberg Klinik (e.v.). Referent: Mattias Kammerer - aktuell als internistischer Funktionsarzt und in der Psychosomatischen Ambulanz der SBK tätig - nicht-kommerzieller Vortrag

typische Zwangshandlungen Waschzwang

typische Zwangshandlungen Ordnungszwang

Kontrollzwang

normaler Zwang im Kindesalter

Zwänge sind wichtig!

Beispielpatientin - Zählzwang Wenn Lara trinkt, nimmt sie stets 4 Schlücke. Falls sie sich die Hände wäscht, muss das immer genau 16 mal sein. Alles was Lara S. macht, muss sie in Viererpotenzen einteilen, jede noch so banale alltägliche Handlung. Wenn Lara S. nicht mehr zählt, steigen Angstgefühle in ihr auf - sie befürchtet dann, jemand in der Familie könnte einen Autounfall haben oder Krebs bekommen. Mit den Ritualen versucht sie das Unheil abzuwehren.

Wann liegt eine Zwangserkrankung vor? - die Betroffenen leiden unter ihrem Verhalten ( ich-dyston ) - sie sind durch die Zwangsstörung im Alltag stark beeinträchtig - der Zwang hat seine entlastende Funktion verloren, er kostet (teilweise immens) viel Zeit und Energie - das Verhalten wird als sinnlos und unbeeinflussbar gesehen Cave: Patienten wissen oft nicht, dass es sich bei Zwängen um eine chronische Erkrankung handelt. Daher vergehen oft Jahre, bis psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen wird. Oft wird das familiäre Umfeld terrorisiert.

Wie oft kommen Zwangserkrankungen vor? - die Ein-Jahres Prävalenz liegt bei ca. 3 % (das sind 2,4 Millionen Betroffene in Deutschland) - Ergebnisse in unterschiedlichen kulturellen Kreisen ähnlich - Beginn häufig in der Kindheit oder Jugend (mittleres Erkrankungsalter 20 Jahre) - bei 50-70% der Patienten lässt sich ein Critical-Life-Event finden, z.b. Schwangerschaft, Hausbau, sexuelle Probleme, Heirat, Tod eines Angehörigen) - Männer erkranken früher (44% vs. 22% vor dem 20.Lebensjahr), halten danach ihre Erkrankung eher geheim

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Zwanghafte Persönlichkeitsstörung Mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen (subjektiv ich-synton ): übermäßiger Zweifel und Vorsicht ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen, Ordnung, Organisation und Planungen Perfektionismus, der die Fertigstellung von Aufgaben behindert- Überzogene Gewissenhaftigkeit, Skrupelhaftigkeit und unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit unter Vernachlässigung von Vergnügen und zwischenmenschlichen Beziehungen übermäßige Pedanterie und Befolgung von Konventionen Rigidität und Eigensinn unbegründetes Bestehen auf Unterordnung Anderer unter eigene Gewohnheiten oder unbegründetes Zögern, Aufgaben zu delegieren Aufdrängen beharrlicher und unerwünschter Gedanken oder Impulse Quelle: ICD-10

Zwang - Komorbiditäten Depressionen (35 78 %) Dysthymie (1,5 15 %) Panikstörung (12 48 %) sozialer Phobie (18 46 %) Alkoholabhängigkeit (14 16 %) Essstörungen (8 17 %) Quelle: S3-Leitlinie

Zwang und Persönlichkeitsstörung bei 44% der Zwangsstörungspatienten besteht eine Komorbidität mit Persönlichkeitsstörungen vor allem: Selbstunsichere, Zwanghafte, Dependente und Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung (Cluster C nach ICD-10 ängstlich, vermeidend) Borderline-PS bei 6% der Patienten erhöhter Therapieaufwand bei Menschen mit schizotyper und passiv-aggressiver PS daher tiefergehender Ansatz in der Sonnenberg Klinik

Funktion und Entstehung von Zwängen Bindung von Ängsten Bindung von Aggressionen Schaffung von Distanz zur Erhaltung der persönlichen Integrität - oft einzige Möglichkeit der Abgrenzung Kompensation eines Kontrollverlustes Anale Phase nach Freud (2.-3.Lebensjahr) mit dem Spannungsfeld Hingabe vs. Zurückhaltung

Zwangshandlungen - Beispiel Habe ich wirklich die Türe geschlossen? Das Haus könnte ausgeraubt werden! Ist der Ofen aus? Es droht eine Brandkatastrophe... Wenn ich mir nicht ständig die Hände wasche, könnte ich mich anstecken. Atmet mein Baby wirklich noch? Besser, ich schaue noch einmal nach! Ich muss alles wegwerfen, womit sich eine unangenehme Erinnerung verbindet. Bevor ich koche sperre ich den Putzschrank zu, damit ich nicht aus Versehen Kloreiniger in die Suppe schütte.

Typische Zwangsgedanken

Indikation für stationäre Behandlung Gefahr für das Leben schwerwiegende Vernachlässigung oder Verwahrlosung normaler Tagesablauf nicht mehr möglich Wahrnehmung ambulanter Psychotherapie nicht mehr möglich keine ambulante Therapiemöglichkeit vorhanden vorliegen psychischer oder somatischer Komorbiditäten starke Beeinträchtigung der psychosozialen Funktionsfähigkeit hohe Anfangsschwelle

Bekannte Zwangspatienten