1. Hauptstück Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen

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1. Hauptstück Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen Geltungsbereich 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen, sowie die Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts. (2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für Fremde, die 1. nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, oder nach vorigen asylgesetzlichen Bestimmungen zum Aufenthalt berechtigt sind oder faktischen Abschiebeschutz genießen oder sich nach Stellung eines Folgeantrages ( 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) im Zulassungsverfahren ( 28 AsylG 2005) befinden, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt; 2. nach 95 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügen oder 3. nach 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt sind. [idf BGBl I 38/2011] EB zu BGBl I 100/2005 Abs. 1 definiert den Geltungsbereich des Gesetzes. Von der Erteilung, Versagung bzw. Entziehung von rechtsbegründenden (konstitutiven) Aufenthaltstiteln für Fremde, die sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten oder aufhalten wollen, ist die deklaratorische Dokumentation bereits bestehender gemeinschaftsrechtlicher Aufenthalts- und Niederlassungsrechte (sog. Freizügigkeitssachverhalte) zu unterscheiden. Somit fallen alle konstitutiven Berechtigungen für einen Aufenthalt unter sechs Monaten aus dem Geltungsbereich dieses Gesetzes heraus. Regelungen über das Einreiserecht (einschließlich Sichtvermerkspflicht) und das Aufenthaltsrecht bis sechs Monate finden sich im Fremdenpolizeigesetz. 25

1 Philip Czech In Abs. 2 findet sich eine taxative Aufzählung, auf welche Fremden dieses Bundesgesetz nicht anzuwenden ist. Nicht anzuwenden ist dieses Bundesgesetz auf Personen, die nach dem Asylgesetz 2005 und bereits auf Grund der Bestimmungen der Asylgesetze von 1968, BGBl. Nr. 126/1968, von 1991, BGBl Nr. 8/1992, und von 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, zum Aufenthalt berechtigt sind; das sind insbesondere Asylwerber, deren Antrag auf internationalen Schutz zugelassen ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung und Fremde, denen der Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist; die nach 95 Fremdenpolizeigesetz über eine Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügen. Das sind Angehörige jener Personengruppen, die in Österreich auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages oder auf Grund des Bundesgesetzes über die Einräumung von Privilegien und Immunitäten an internationale Organisationen, Privilegien und Immunitäten genießen, und die nach 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden befristeten Erwerbstätigkeit berechtigt sind. Hier handelt es sich um Sonderfälle der Erteilung von Visa zu Erwerbszwecken, für die das Visum D+C ( Aufenthalts-Reisevisum ) mit sechsmonatiger Gültigkeit geöffnet wurde. Die Aufnahme einer bloß vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit, einer bloß vorübergehenden unselbständigen Tätigkeit und einer Tätigkeit, zu deren Ausübung eine Beschäftigungsbewilligung nach 5 AuslBG Voraussetzung ist. Bloß vorübergehend ist eine Tätigkeit, wenn sie innerhalb von zwölf Monaten nicht länger als sechs Monate ausgeübt werden darf. EB zu BGBl I 29/2009 ( 1 Abs. 2 Z 1): In den bestehenden 1 Abs. 2 Z 1 wird die Wortfolge oder faktischen Abschiebeschutz genießen eingefügt. Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, genießen bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung faktischen Abschiebeschutz ( 12 AsylG 2005), sind jedoch bis zur Zulassung des Asylverfahrens nicht zum Aufenthalt berechtigt ( 13 AsylG 2005). Ebenso wird einem Asylwerber durch die Verhängung eines Rückkehrverbotes nach 62 FPG das vorläufige Aufenthaltsrecht nicht jedoch der faktische Abschiebeschutz entzogen. Da sich diese Personen ebenfalls im Asylverfahren befinden, werden die durch die Ergänzung des Wortlauts der Z 1 nun in konsequenter und sachgerechter Weise ebenfalls vom Anwendungsbereich des NAG ausgenommen. EB zu BGBl I 122/2009 ( 1 Abs. 1): Es handelt sich um eine terminologische Anpassung auf Grund der Neuregelungen betreffend das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht. 26

Geltungsbereich 1 ( 1 Abs. 2 Z 1): Der bestehende 1 Abs. 2 Z 1 soll um die Wortfolge oder sich aufgrund eines Folgeantrages ( 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) im Zulassungsverfahren befinden ergänzt werden. Bisher gilt das NAG ebenso wie die vorhergehenden aufenthaltsrechtlichen Rechtsvorschriften nicht für Fremde, die über ein asylrechtliches Aufenthaltsrecht verfügen oder faktischen Abschiebeschutz genießen, anders ausgedrückt für Fremde, die sich im Asylverfahren befinden. Durch die Änderung betreffend den faktischen Abschiebeschutz von Fremden, die einen Folgeantrag gestellt haben (siehe die Erläuterungen zu 12a AsylG 2005), ist nunmehr die vorgeschlagene Ergänzung des Wortlautes der Z 1 erforderlich, damit weiterhin alle sich im Asylverfahren befindlichen Fremden in konsequenter und sachgerechter Weise vom Anwendungsbereich des NAG ausgenommen bleiben. Befindet sich der Fremde, der einen Folgeantrag gestellt hat, nicht mehr im Zulassungsverfahren, weil das Verfahren zugelassen wurde, verfügt er ab diesem Zeitpunkt über ein asylgesetzliches Aufenthaltsrecht ( 13 AsylG 2005) und ist damit ebenfalls von 1 Abs. 2 Z 1 umfasst. Inhaltsübersicht Rz I. Allgemeines... 1 5 II. Ausnahmen vom Geltungsbereich des NAG... 6 A. Asylwerber und nach dem AsylG zum Aufenthalt berechtigte Personen... 7 14 B. Träger von Privilegien und Immunitäten... 15 18 C. Nach 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit Berechtigte... 19 20 Schrifttum zu 1: Eberwein/Pfleger, Fremdenrecht für Studium und Praxis 3 (2014); Feik, Fremdenrecht, in Bachmann ua (Hrsg), Besonderes Verwaltungsrecht 10 (2014), 139; Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts 10 (2014); Kutscher/Völker/Witt, Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht. Leitfaden zum NAG 2 (2010); Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht (2014). I. Allgemeines 1 bestimmt den Geltungsbereich des NAG. Während Abs 1 die Sachverhalte umschreibt, die im NAG geregelt werden, schließt Abs 2 die Anwendung auf bestimmte Personengruppen aus, deren Aufenthalt in Österreich durch andere Gesetze geregelt wird. Das NAG gilt für Fremde, dh für natürliche Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen ( 2 Abs 1). Mit dem Erwerb der Staatsbür- 27 1

1 Philip Czech 2 3 4 gerschaft werden Aufenthaltstitel und Dokumentationen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gegenstandslos ( 10 Abs 3 Z 2), ein anhängiges Verfahren ist einzustellen. Das NAG regelt einerseits die Erteilung, Versagung und Entziehung von Aufenthaltstiteln von Fremden, die sich länger als sechs Monate in Österreich aufhalten wollen ( 8) und andererseits die Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ( 9). Der Wesensunterschied zwischen einem Aufenthaltstitel und der Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts besteht darin, dass mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels ein Recht verliehen wird und ihre Wirkung somit konstitutiv ist. Mit der Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts wird hingegen ein bereits bestehendes, unmittelbar aus dem Unionsrecht abgeleitetes Recht mit lediglich deklaratorischer Wirkung bescheinigt. Die mehr als sechsmonatige Dauer des (geplanten) Aufenthalts grenzt den Anwendungsbereich des NAG von jenem des FPG ab, das die Erteilung von Einreisetiteln ( 2 Abs 1 FPG) und damit den Aufenthalt von Fremden bis zu einer Dauer von höchstens sechs Monaten regelt. Während das FPG primär auf die polizeiliche Überwachung von Fremden abzielt, dient das NAG der Steuerung der Zuwanderung nach Österreich und damit dem Migrationsmanagement (Feik, Fremdenrecht in Bachmann ua [Hrsg], Besonderes Verwaltungsrecht 10 [2014] 147). Entscheidend für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von NAG und FPG ist nicht die tatsächliche, sondern die beabsichtigte Aufenthaltsdauer. Allerdings ist die Anwendbarkeit des NAG nicht davon abhängig, dass die Dauer des beantragten Aufenthaltstitels auch tatsächlich ausgenützt werden wird (VwGH 19.12.2012, 2011/22/0124). Das NAG unterscheidet zwischen Aufenthaltstiteln zur Niederlassung (vgl die Legaldefinition in 2 Abs 2) und Aufenthaltsbewilligungen zum bloß vorübergehenden befristeten Aufenthalt für einen bestimmten Zweck. Der Niederlassung dienen die folgenden Aufenthaltstitel: Rot-Weiß-Rot Karte ( 41), Rot-Weiß-Rot Karte plus ( 41a), Blaue Karte EU ( 42), Niederlassungsbewilligung ( 43), Niederlassungsbewilligung ausgenommen Erwerbstätigkeit ( 44), Daueraufenthalt EU ( 45), Familienangehöriger ( 47 Abs 2), Niederlassungsbewilligung Angehöriger ( 47 Abs 3). Aufenthaltsbewilligungen zum bloß vorübergehenden befristeten Aufenthalt werden für folgende Zwecke bzw Personengruppen erteilt: Rotationsarbeitskräfte ( 58), Betriebsentsandte ( 59), Selbständige ( 60), Künst- 28

Geltungsbereich 1 ler ( 61), unselbständig Erwerbstätige, die eine vom sachlichen Geltungsbereich des AuslBG ausgenommene Tätigkeit ausüben ( 62), Schüler ( 63, 65), Studierende ( 64, 65), Sozialdienstleistende ( 66), Forscher ( 67) sowie Familienangehörige der genannten Personen, ausgenommen Betriebsentsandte, Selbständige, Schüler und Sozialdienstleistende ( 69). Die Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ist in 51 57 geregelt. Sie erfolgt in Form einer Anmeldebescheinigung ( 53), einer Bescheinigung über den Daueraufenthalt ( 53a), einer Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ( 54) oder einer Daueraufenthaltskarte ( 54a). 5 II. Ausnahmen vom Geltungsbereich des NAG Abs 2 nimmt bestimmte Personengruppen vom Geltungsbereich des NAG aus, die von der allgemeinen Regel des Abs 1 erfasst wären, weil sie sich länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten bzw aufhalten wollen. Die Aufzählung des Abs 2 ist taxativ. 6 A. Asylwerber und nach dem AsylG zum Aufenthalt berechtigte Personen 1 Abs 2 Z 1 nimmt jene Personen vom Anwendungsbereich des NAG aus, die sich nach dem AsylG 2005 bzw dessen Vorgängerbestimmungen (dh AsylG 1997, AsylG 1991, AsylG 1968) im Bundesgebiet aufhalten dürfen. Dies betrifft einerseits Fremde, denen der Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, und andererseits Fremde, deren Asylverfahren anhängig ist. Sobald das Verfahren zugelassen wurde ( 28 AsylG), hat der Asylwerber gemäß 13 AsylG ex lege (VwGH 25.9.2007, 2007/18/0631) ein Aufenthaltsrecht. Dieses wird mit einer Aufenthaltsberechtigungskarte ( 51 AsylG) dokumentiert. Diese vorläufige Aufenthaltsberechtigung endet ex lege mit der durchsetzbaren Entscheidung über den Antrag, mit der Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder mit dem Verlust des Aufenthaltsrechts nach 13 Abs 2 AsylG (Verurteilung oder Anklage wegen einer Vorsatztat, Verhängung der Untersuchungshaft, Betretung bei der Begehung eines Verbrechens auf frischer Tat). Der Gesetzgeber wollte ursprünglich nur jene Asylwerber vom Anwendungsbereich des NAG ausnehmen, die nach dem AsylG zum 29 7 8

1 Philip Czech 9 10 11 Aufenthalt berechtigt sind und nicht auch jene Fremden, denen nur faktischer Abschiebeschutz zukommt (VwGH 23.10.2008, 2008/21/0435; VwGH 17.9.2008, 2008/22/0080). Mit BGBl I 29/2009 wurde 1 Abs 2 Z 1 auch auf diese Kategorie von Asylwerbern erstreckt. Faktischer Abschiebeschutz ( 12 AsylG) besteht für Asylwerber während des Zulassungsverfahrens. Er entsteht ex lege mit der Stellung des Antrags (vgl 17 AsylG) und ist mit einer Verfahrenskarte ( 50 AsylG) zu bescheinigen. Der faktische Abschiebeschutz endet mit der Erlassung einer durchsetzbaren ( 16 Abs 4 BFA-VG) Entscheidung, der Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder zwei Jahre ( 24 Abs 2 AsylG) nach seiner Einstellung. Die Zulassung des Verfahrens führt ebenfalls zur Beendigung des faktischen Abschiebeschutzes, an dessen Stelle das Aufenthaltsrecht nach 13 AsylG tritt. Mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 (BGBl I 122/2009) wurden auch Asylwerber vom Anwendungsbereich des NAG ausgenommen, deren Folgeantrag (zur Definition siehe 2 Abs 1 Z 23 AsylG) noch nicht zugelassen wurde und die daher zt gemäß 12a AsylG keinen faktischen Abschiebeschutz genießen. Wie aus den EB zur RV zu BGBl I 122/2009 hervorgeht, sollen nach dem Willen des Gesetzgebers nunmehr alle sich im Asylverfahren befindlichen Fremden vom Anwendungsbereich des NAG ausgenommen sein, ungeachtet des Bestehens eines asylrechtlichen Schutzes vor Abschiebung. Von der Anwendung des NAG ausgenommen sind auch Fremde, denen der Status eines Asylberechtigten oder eines subsidiär Schutzberechtigten (VwGH 26.6.2012, 2008/22/0775) zuerkannt worden ist. Für sie besteht grundsätzlich keine Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel nach dem NAG zu beantragen. Durchbrochen wird dieser Grundsatz durch 45 Abs 12. Demnach können Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte fünf Jahre nach Zuerkennung dieses Status (wobei die Dauer des Asylverfahrens teilweise einzurechnen ist) einen Aufenthaltstitel Daueraufenthalt EU erhalten, wenn sie die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen erfüllen und Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt haben. Die bloße fremdenpolizeiliche Duldung fällt nicht unter 1 Abs 2 Z 1. Daher sind Fremde, denen eine Karte für Geduldete gemäß 46a Abs 4 FPG ausgestellt wurde, nicht vom Anwendungsbereich des NAG ausgenommen (LVwG Wien 7.1.2015, VGW-151/023/34295/2014). Da Asylwerber vom Anwendungsbereich des NAG ausgenommen sind, können sie selbst dann keinen Aufenthaltstitel nach diesem Ge- 30

Geltungsbereich 1 setz beantragen, wenn sie die Erteilungsvoraussetzungen erfüllen (VwGH 18.5.2006, 2006/18/0123). Ein während eines anhängigen Asylverfahrens gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG ist gemäß 1 Abs 2 Z 1 zurückzuweisen (VwGH 28.8.2008, 2008/22/0070). Will ein Asylwerber einen Aufenthaltstitel nach dem NAG beantragen, müsste er vor der Antragstellung seinen Asylantrag zurückziehen, was jedoch nach 25 Abs 2 AsylG grundsätzlich während der Anhängigkeit des Asylverfahrens vor dem BFA nicht möglich ist. Erst während des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG kann der Antrag zurückgezogen werden. Eine Inlandsantragstellung ist in diesem Fall grundsätzlich nicht zulässig ( 21 Abs 1). Sie ist jedoch nach 21 Abs 3 zuzulassen, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens isv Art 8 EMRK geboten ist (VwGH 26.1.2012, 2008/21/0162). Der VfGH erachtet es als verfassungsrechtlich unbedenklich, jene Fremden von der Anwendung des NAG auszuschließen, die nach dem AsylG zum (vorläufigen) Aufenthalt berechtigt sind (VfSlg 18076/2007 = migralex 2007, 103 [Anm Szymanski]; kritisch Muzak, migralex 2007, 75). Der VwGH hat sich dieser Ansicht angeschlossen (VwGH 17.4.2013, 2010/22/0097; VwGH 23.5.2012, 2008/22/0780). 12 Nach 54 Abs 1 letzter Satz gilt die Nichtanwendung des NAG nach 1 Abs 2 Z 1 nicht für Drittstaatsangehörige, die als Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern zum Aufenthalt berechtigt sind. 57 erstreckt diese Ausnahme von der Nichtanwendbarkeit des NAG auch auf die Angehörigen von Schweizer Bürgern, die von ihrem Aufenthaltsrecht aufgrund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz (ABl 2002 L 114/6) Gebrauch gemacht haben. Dasselbe gilt gemäß 57 für Angehörige von Österreichern, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz in Anspruch genommen haben und im Anschluss an diesen Aufenthalt nach Österreich zurückgekehrt sind. Daher kann bspw ein Asylwerber nach seiner Heirat mit einer österreichischen Staatsangehörigen eine Aufenthaltskarte ( 54) beantragen, wenn seine Ehefrau von ihrem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat und danach wieder nach Österreich zurückgekehrt ist (VwGH 26.2.2013, 2010/22/0129). Mit der entsprechenden Anpassung des 54 durch BGBl I 122/2009 wurde die Judikatur des EuGH (19.12.2008, C-551/07, Sahin) und des VwGH (22.1.2009, 2008/21/0671) umgesetzt, wonach 31 13

1 Philip Czech im Fall einer nach dem AsylG zum Aufenthalt berechtigten Person, die daneben ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht geltend machen kann (bspw nach der FreizügigkeitsRL aufgrund der Ehe mit einem Unionsbürger), 1 Abs 2 Z 1 wegen des Vorrangs des Unionsrechts unangewendet zu lassen (EuGH 19.12.2008, C-551/07, Sahin) und eine entsprechende Aufenthaltskarte auszustellen war (VwGH 22.1.2009, 2008/21/0671). Ist ein nach dem AsylG zum Aufenthalt berechtigter Fremder Familienangehöriger von Österreichern, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit nicht Gebrauch gemacht haben, so kann das Unionsrecht dennoch insofern eine Rolle spielen, als der Fremde jedenfalls Familienangehöriger von Unionsbürgern im Sinne der EuGH-Judikatur (EuGH 15.11.2011, C-256/11, Dereci) ist. Ein Eingriff in den durch die Unionsbürgerschaft verliehenen Kernbestand an Rechten liegt allerdings nur dann vor, wenn die Verweigerung eines Aufenthaltstitels für den Fremden dazu führt, dass seine die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden Angehörigen dadurch de facto gezwungen werden, das Gebiet der Union zu verlassen. Ein solcher Zwang zur Ausreise wird allerdings durch die Nichtanwendbarkeit des NAG nicht begründet, wenn der Fremde nach dem AsylG über ein Aufenthaltsrecht verfügt. Dabei ist nach der Judikatur des VwGH unerheblich, ob es sich um ein vorläufiges Aufenthaltsrecht während des Asylverfahrens, um ein befristetes Aufenthaltsrecht als subsidiär Schutzberechtigter oder ein unbefristetes Aufenthaltsrecht als anerkannter Flüchtling handelt (VwGH 26.6.2012, 2008/22/0775; VwGH 23.5.2012, 2008/22/0780; VwGH 26.1.2012, 2008/21/0162). Das Unionsrecht steht daher einer Anwendung von 1 Abs 2 Z 1 auf Angehörige von österreichischen Staatsbürgern, die nicht isv 57 von ihrer Freizügigkeit Gebrauch gemacht haben, nicht entgegen. 14 In der Nichtanwendbarkeit des NAG liegt eine Schlechterstellung gegenüber dem FrG 1997, nach dem der Status eines vorläufig aufenthaltsberechtigten Asylwerbers der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nicht entgegen stand. Soweit türkische Staatsangehörige betroffen sind, verstößt diese Schlechterstellung gegen die Stillhalteklausel des Art 13 ARB 1/80 (vgl allgemein EuGH 15.11.2011, C-256/11, Dereci). 1 Abs 2 Z 1 ist daher für Asylwerber türkischer Staatsangehörigkeit, die in den Anwendungsbereich des Assoziationsabkommens fallen, unangewendet zu lassen (VwGH 19.1.2012, 2008/22/0837). 32