2. Juli 2009 Seite 1 von 7 Doping im Turniersport Kommentar von Sylvia Gros, Reitlehrerin Trainer A Ich bin seit über 30 Jahren im Besitz des Reiterausweises der FN und habe 25 Jahre lang an Turnieren teilgenommen. Die Brisanz des Themas und meine Verantwortung als Ausbilderin erfordert es, dass ich meinen Kommentar auch hier veröffentliche - für mich und meine Ausbildungsweise und für meine Reitschüler und vor allem für die Pferde! Bereits seit vielen Jahren erscheinen immer wieder Schlagzeilen wegen Manipulationen an Sportpferden: Folgenden Spitzenreitern wurde nachgewiesen, dass ihre Pferde im Wettkampf gedopt waren: Ulla Salzgeber, Bettina Hoy, Rene Tebbel, Ludger Beerbaum, Meredith Michaels-Beerbaum, Christopher Ahlmann, Isabell Werth. Hugo Simon wurde ebenfalls mit Manipulationen in Verbindung gebracht, und diese begonnene Liste ließe sich sicherlich verlängern, würden doch nur mehr als stichprobenweise Untersuchungen vorgenommen. Und ja, auch Christine Stückelberger war bereits 1987 ihre Euromameisterschafts-Medaille wegen Doping aberkannt worden, nachgerückt ist damals Johann Hinnemann, der die Celler Landgestüt.-Hengste ausbildet. Aber Hinnemann wurde 1988, ein Jahr nach Stückelberger ebenfalls des Dopings überführt, weil er seinem Pferd Ideeal ein Hustenmittel gegeben hatte - Ideeal litt an chronischem Kehlkopfpfeifen - das ist eine Krankheit, die bei schwerer Belastung die ausreichende Luftzufuhr behindert. Nun reitet Isabell Werth mit Whisper ein krankes Pferd im Hochleistungssport - Whisper leidet an Zitterkrankheit. Mag das Leistungspotenzial dieser Pferde noch so beeindruckend sein: Sie sind nicht gesund und somit verbietet es sich, sie für den Pferde-Leistungssport mit seinen Anstrengungen einzusetzen. Die sich aufdrängende Frage, ob die Pferde schon immer an ihrer Krankheit litten, oder ob sie durch übermäßiges Training krank wurden (Stichwort Hyperflexion), läßt sich nicht hier
2. Juli 2009 Seite 2 von 7 beantworten - Fakt ist: diese Pferde sind Opfer von tierquälerischer Handlungen und ihre Namen stehen stellvertretend für viele andere Pferde - im Leistungssport und im Freizeitsport! Dank der Unterstützung ihres Verbandes, der FN, konnten sich die meisten Reiter bislang immer irgendwie aus der Dopingsache heraus manövrieren und wie es scheint, wird auch diesmal wieder aus Werths fadenscheinigen Aussagen das Bestmögliche zu ihren Gunsten geschneidert. Pikanterweise leitet Hinnemann inzwischen Fachlehrgänge zur Ausbildung von Dressurpferden unter der Fittiche der FN. Diese Leuten - von Reitern mag ich da gar nicht mehr sprechen - müssen allesamt lebenslang gesperrt werden. Sie haben rücksichtslos ihre Erfolge auf Kosten einer sprachlosen Kreatur erworben, das Pferd kommerziell missbraucht, den Sport als Mittel zum Zweck degradiert. Ich kann nicht glauben, dass irgendwo ein Pfleger und ein Tierarzt auch nur ein einziges Medikament an und ins Pferd bringen, ohne dass sein Reiter davon weiß. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass jeder unserer Sportreiter grundsätzlich als erster mit dem Tierarzt Behandlungsmaßnahmen für das Pferd bespricht und wenn es irgendwie geht, bei der Verabreichung zugegen ist. "Hier wird nichts dem Zufall überlassen" sagte mir einmal einer der großen Reiter. Ein guter Tierarzt weist grundsätzlich auf sämtliche Risiken hin, er kann allerdings nicht verhindern, dass seine Hinweise ignoriert werden. Die hübsche Geschichte vom "Leben erleichtern" sowie "Pfleger/Tierarztfehler" können Werth und Co nur völlig unbedarften Tierliebhabern erzählen. Wer selbst reitet, weiß um das intensive und auf den Tag zielgerichtete Training, das für diese sportlichen Leistungen nötig ist. Man darf sicher vermuten, dass Whisper unter Gabe des Psychopharmaka geritten und in irgendeiner Form für die nötige Form des Turniertages trainiert wurde. Damit befand sich Whisper sicherlich nicht in der lebenserleichternden Situation, die in den Medien glauben gemacht wird. Am ehesten die Reiterin hatte hier eine Lebenserleichterung, wenn sie einem sensiblem Fluchttier und damit leicht irritierbarem Pferd schneller, weil gelassener, die geforderten Schwierigkeitsgrade antrainieren konnte - die Schwierigkeitsgrade, die am Tag des Turniers dann mit inzwischen abgebautem Medikament perfekt und placierungswürdig präsentiert werden sollen. Dass Frau Werth die Prüfung als läppisch bezeichnet, immerhin war das eine international ausgeschriebene Intermediaire I, die sie mit einem 10-jährigen Pferd zitterkranken Pferd in
2. Juli 2009 Seite 3 von 7 Wiesbaden gewonnen hatte, und darüber hinaus betont, daß sie "total bescheuert sein müsste, ihr ganzes Leben für so eine lächerliche Geschichte zu riskieren" gibt dem Ganzen einen besonders fatalen Beigeschmack, wenn man mit seinen Gedanken etwas zwischen den Zeilen forscht. Für ein Pferd ist keine Prüfung läppisch - auch einfach nur geritten zu werden ist nämlich von Natur aus nicht läppisch für ein Pferd! Und ein Tierarzt hat sich wieder einmal in der Abbauzeit getäuscht. Abbauzeit bezüglich Nachweisbarkeit oder Wirkung des Medikamentes? Etwas zu knapp bemessen also? Und dann ist es noch besonders blöd gelaufen: Schließlich wird ja nicht jedes Pferd zur Dopingprobe herausgepickt. Dass Tierärzte und manchmal auch Pfleger als Schuldige zur Verfügung stehen - wie auch jetzt wieder bei Werth - und die Reiter in die Opferrolle bringen, ist nicht neu aber furchtbar - mit dem Wehklagen und der Angst, das Ansehen sämtlicher Ikonen des Reitsports der letzten 20 Jahre zu verlieren, gerät das wahre Opfer im Reitsport all dieser Jahre, das Pferd, gleich wieder zur Fußnummer. Und nun erscheint die Schlagzeile vom 29.6.09: Isabell Werth trennt sich von Tierarzt Stihl. Verheiratet ist sie ja nicht mit Herrn Stihl, einen Tierarzt zieht man zu Rate oder nicht. Herr Dr. Stihl ist seit Jahren in der Reiterszene bekannt, er gilt als eine Art Medizinmann für Pferde, wurde und wird jedoch mit fragwürdigen Methoden in Verbingung gebracht. Stellt sich die Frage: Wieso also mußte Isabell Werth - wie schon andere zuvor - in die Schweiz schweifen, um einen Tierarzt mit anrüchigem Leumund zu Rate zu ziehen? In Deutschland gibt es hervorragende Tierärzte für Pferde! Die FN, Dachverband der deutschen Reiterei, ein eingetragener Verein, steckt mitten drin im Dilemma, einen Weg zu finden, der sie nicht das Gesicht verlieren lässt - einerseits als Tierschützer mit eigener Agenda dem Wohl des Pferdes verschrieben und andererseits als Träger der kommerziellen Vermarktung des Pferdes im Sport, sitzt doch die größte Mäzenin, sprich Eigentümerin der Pferde des großen deutschen Reitsports seit vielen Jahren im Präsidium. Die Kader aufzulösen ist eine Flucht der FN nach vorne, ausgelöst durch Ludger Beerbaum, insofern gebührt ihm mein Respekt - Ludger Beerbaum hat der FN definfitv auf die Sprünge geholfen, ohne seine offenen Worte würden vielleicht auch heute wieder die Dopingfälle nach altbewährtem Muster gelöst werden: Betroffenheit signalisieren, Lösungen suchen - leider immer nur zum Wohl des Reiters, also eher Auswege, Sperrungen nur, wenn völlig unumgänglich, aber so, dass kein Turnierstart wirklich gefährdet ist...
2. Juli 2009 Seite 4 von 7 Rechtlich hat Ludger Beerbaums Aussage zum Stallbuch - Eintragung von medikamentösen Behandlungen der Pferde contra Wiederverkaufswert - brisanten Inhalt, meines Wissens hat das Verschweigen von wesentlichen Eigenschaften unangenehme Konsequenzen. Es ist ohnehin eine Schande, dass der pekuniäre Wert eines Pferdes nur durch sportlichen Erfolge steigt - kein Pferd auf dieser Welt hat Interesse daran, mit einer Schleife am Kopf eine Ehrenrunde zu galoppieren - und kein Pferd der Welt kann sich sein Schicksal aussuchen. Ein krankes Pferde muss behandelt werden dürfen - aber im Leistungssport hat es nichts verloren.gesunde Pferde im Leistungssport könnten trotz "normaler" Bewegungen oder eines Patzers Sieger sein, wenn die ruhig oder schmerzfrei gestellten Pferde im Stall blieben. Die Ereignisse überschlagen sich derzeit, ich selbst habe vor 5 Monaten endgültig einen Schlussstrich gezogen und hoffe im Namen aller "sauberen" Reiter und Pferdefreunde, dass von der Basis aus ein Neuaufbau möglich wird, der das Pferd in unserer Zeit artgerecht berücksichtigt. Ich habe der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) e.v. geschrieben, daß ich meine Mitgliedschaft als Persönliches Mitglied kündige, weil sie meine Interessen nicht vertritt, und meine Gründe dafür auch genannt. Man muss sich nur das von der FN als Schaufenster der deutschen Pferdezucht gepriesene Bundeschampionat ansehen: 3- und 4- jährige Pferde werden mit altersgemäß unnatürlichen Bewegungsabläufen und Körperhaltungen vorgestellt - nichts davon kann auf Grundlage korrekter klassischer Remontenausbildung erfolgt sein. Auf einem Dressurturnier der Kategorie A mit schweren Prüfungen wurden beim Grand Prix Special Sieger und Zweitplacierter begeistert vom Publikum gefeiert,. Zum Feiern war mir nicht zumute, ich hatte diesen Reitern zuvor am Abreiteplatz zugesehen: die Pferde wurden über einen Zeitraum von 30 Minuten ununterbrochen in der sogenannten Hyperflexion (ein neuer "Fachausdruck" geprägt durch Anky van Grunsven, deren Reitweise ich als Tierquälerei empfinde) und mit Einsatz von Sporen und Gerte zur Ausschüttung von Adrenalin gebracht, so dass im Viereck zu gegebener Zeit für 5 Minuten spektakuläre Lektionen zu sehen waren - vielleicht weil die Pferde dankbar waren, dass sie in dieser Zeit ihre Hälse um 15 Zentimeter dehnen durften? Die Antwort von Herrn Christoph Hess und Frau Annette Dresen ließ 2 Monate auf sich warten, aber ich möchte sie hier zeitnah auszugsweise wiedergeben: "... Die Gründe, die Sie anführen,... müssen wir akzeptieren, auch wenn
2. Juli 2009 Seite 5 von 7 wir sicher die Probleme nicht so deutlich sehen, wie Sie sie uns hier schildern.... Deshalb hatten wir auch vor wenigen Monaten über das PM-Forum ein Merkblatt zum Vorbereitungsplatz veröffentlicht, in dem wir auf genau dieses Problemfeld hinweisen, um hierfür genügend Sensibilität bei allen Beteiligten zu wecken. Auf der anderen Seite wollten wir mit dem Merkblatt aber auch aufklären, damit nicht jedes - leichte hinter die Senkrechte kommen des Pferdes - gleich als Hyperflexion bezeichnet wird..." Die doch vieldeutige Ausdrucksweise hat mich zu einer Erwiderung veranlasst, abgeschickt am 22. April 2009, ich bekam bis heute keine Antwort mehr. Deshalb veröffentliche ich diesen Inhalt als offenen Brief nun hier: "hallo frau dresen, hallo herr hess, ich danke ihnen sehr, dass sie sich die zeit für eine ausführliche antwort genommen haben. der inhalt ihrer zeilen stimmt mich doch noch ein wenig nachdenklicher und daher erlaube ich mir auch, nochmals zu antworten und zu hinterfragen: - sie "sehen sicher die probleme nicht so deutlich wie ich es schildere": ich kann ihre aussage nicht konkret einschätzensie sind sich sicher, daß die probleme nicht so sind, wie von mir geschildert? oder sie sind sich sicher, daß sie die von mir geschilderten probleme nicht so deutlich sehen können? - und für diese interpretation stellt sich mir dann die frage: sie sehen es nicht, weil sie nicht dazu in der lage sind oder sie glauben nicht, daß es so ist? bitte gehen sie hinaus und schauen sie genau hin! -... sie wollen... "mit ihrem merkblatt darauf hinweisen, daß nicht jedes - leichte hinter die senkrechte kommen des pferdes - gleich als hyperflexion bezeichnet wird"... glauben sie, ich könnte das nicht differenzieren? oder wollen sie mit dem merkblatt die hyperflexion doch irgendwie zulassen? ich schrieb ihnen nicht, weil pferde gelegentlich leicht hinter die senkrechte kommen, sondern weil bekannte turnierreiter/innen unter
2. Juli 2009 Seite 6 von 7 frenetischen beifall ihre siege feiern, jedoch keiner aus dem begeisterten publikum am abreiteplatz zugesehen hat - wo die pferde über 30 minuten nonstop so tief und eng eingestellt waren, daß sie mit dem maul ihre brust berühren konnten. keinerlei dehnungsphasen, die der muskulatur eine versorgung mit sauerstoff ermöglichen könnten... intervalltraining gibt es für menschliche hochleistungssportler schon lange, aber für die pferde? frau dresen, herr hess, solange die fn richter als abreiteplatz-aufsicht vorschreibt, diese dort aber nicht sind, wird sich nichts verbessern. solange immer dieselben turnierfachleute, die diese reiterei zulassen und mit siegen belohnen- solange diese turnierfachleute den nachwuchs prägen, weil sie die testate ausstellen, die fortbildungen leiten, solange der nachwuchs nur von diesen turnierfachleuten geprüft und zugelassen wird, solange kann sich auch nichts ändern - und da sehe ich ansätze, die von der fn durchaus gestaltet werden könnten. nochmals danke für ihre aufmerksamkeit und viele grüße Sylvia Gros" Es geht noch weiter: Christine Wels quält Pferde beim Longieren. Mir liegen Aussagen von Augenzeugen vor: Hallentore werden geschlossen, Zuschauer sind unerwünscht beim Training der Hochleistungspferde. Beim Westernreiten müssen die Pferde Spins drehen, bis einem schon vom Zusehen schwindlig wird, oder Stops werden knallhart auf die Bande zu geritten, dann eine Pferdelänge rückwärts und gleich nochmal - zum Verbessern - mit Vollgas nach vorne und Bremse auf der Wand. Reitanfänger können sich ein Pferd kaufen - und in einem einschlägig bekannten Versandhaus gleich mal eine Tellington-Kandare dazu - mit einer derart hoch gebauten Zungenfreiheit, dass manch ein Pferd sein Maul nicht mehr schließen kann, weil die Aufwölbung der Stange in den Gaumen drückt, mit Anzügen, die ca. 20 cm lang sind und einem langen Hebel auf die durch die hohe Zungenfreiheit ungeschützten Laden des Pferdes. Dieses Gebiss gehört nicht in die Hand eines unerfahrenen Reiters, aber auch hier siegt der Kommerz über den Tierschutz.
2. Juli 2009 Seite 7 von 7 Was im Reitsport inzwischen geschieht, und dabei ist es völlig egal, ob Freizeit oder Sport, ob Dressur, Springen, Western, es ist nur noch mit einem Wort zu beschreiben: furchtbar. Die Pferde sind edel, sanftmütig, freundlich, klar in ihrer Denkstruktur, sie sind bereit, uns zu tragen, obwohl dort am Rücken die Raubkatze als natürlicher Feind sitzen könnte - mit uns Menschen hat ein Feind aus der Zivilisation Platz genommen, und das Pferd erträgt alles sprachlos! Pferde leiden stumm, weil sie als Flucht- und Beutetiere nicht einmal beim Abfohlen stöhnen dürfen, sonst würde der natürlich Feind Raubkatze sein Opfer schneller entdecken. "Könnten Pferde schreien, wären die Reithallen voll vom Geschrei der Pferde" sagt Karl Merschformann vor 30 Jahren zu mir. Wie Recht er hatte, konnte ich damals noch nicht erahnen. Wann besinnen sich wieder alle darauf, dass wir mit dem Lebewesen Pferd in der Reiterei etwas Schönes machen wollen? "Demut und Geduld" sind die Worte mit denen ich den Umgang mit Pferden und die Reiterei an sich beschreibe, und diese Qualitäten benötigen wir für uns Menschen, das Pferd bringt sie uns ohnehin entgegen. Sylvia Gros Reitlehrerin Trainer A Quellen: http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,587846,00.html http://www.welt.de/welt_print/article2567723/dressurreiterin-unter-tierquaelerei-verdacht.html http://www.welt.de/print-welt/article640744/die_spritze_im_stall_von_hugo_simon.html http://www.karolabady.de/turnieredesjahres.html http://www.sueddeutsche.de/sport/897/473413/text/ http://forum.horsevideo.eu/showthread.php?t=1122 http://www.news.ch/der+pferdesport+kaempft+um+ehrlichkeit/192701/detail.htm http://www.reitwelten.de/tag/ausbildung+anmeldung+pferdesport http://www.pferd-aktuell.de/doc-..75976/d.htm http://www.cavallo.de/news/doping-fall-isabell-werth-macht-sie-pferden-zu-viel-druck.325410.233219.htm http://www.cavallo.de/news/dressurreiterin-werth-im-zdf-mein-leben-liegt-in-scherben.325782.233219.htm