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Transkript:

Tuberöse Sklerose Deutschland e.v. www.tsdev.org I N F O R M A T I O N S B L A T T 1 5 Vagusnervstimulation wenn Medikamente gegen Epilepsie nicht mehr weiterhelfen Einführung In Deutschland gibt es etwa 800 000 epilepsiekranke Menschen vom Säugling bis zum Greis, und etwa 70 80 % davon können mit Medikamenten zufriedenstellend behandelt werden. Was aber ist mit dieser Gruppe von etwa 200 000 Patienten, bei denen Medikamente das immer wieder bedrohliche und überraschende Auftreten von epileptischen Anfällen nicht verhindern können? Hier spricht man von einer Pharmakoresistenz, was bedeutet, dass die Epilepsie mit Medikamenten nicht mehr zu bessern ist. Alternative Therapieformen zur medikamentösen Behandlung Drei nicht-medikamentöse Therapieformen mit nachgewiesener Wirksamkeit stehen bei ausbleibender Anfallskontrolle zur Verfügung: Epilepsiechirurgie Ketogene Diät Vagusnervstimulation Sie sind jedoch nicht als Alternative, sondern zunächst immer als Ergänzung zu einer stabilen und tolerierbaren Medikation zu verstehen. Nach internationaler Definition liegt eine Pharmakoresistenz schon vor, wenn drei Medikamente in Mono- oder Kombinationstherapie nicht zur Anfallsfreiheit geführt haben. In der Praxis werden jedoch in der Regel viel mehr Antiepileptika eingesetzt, obwohl man durch große Studien weiß, dass die Chance auf Anfallsfreiheit nach dem dritten Antiepileptikum weniger als fünf Prozent beträgt. Bis heute fehlen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, welches weitere Medikament hilfreich sein wird, wenn die ersten drei richtig angewendeten Antiepieleptika nicht erfolgreich waren. Deshalb ist es wichtig, rechtzeitig über Therapiealternativen nachzudenken, weil durch häufige Anfälle nicht nur das Risiko von Begleiterkrankungen steigt, sondern auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität dramatisch abnimmt, und nicht zuletzt bei Kindern zusätzlich die Entwicklung beeinträchtigt werden kann. Abbildung 1 1 Anschrift Am Rosengarten 1 65375 Oestrich-Winkel Tel & Fax 0700-88 23 76 37 email info@tsdev.org Bankverbindung Spendenkonto 123 54 64 Sparkasse Ettlingen BLZ 660 512 20 Schirmherrin Anke Koch Ehefrau des hessischen Ministerpräsidenten Mitgliedschaften des TSD e.v. Kindernetzwerk e.v. Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte Tuberous Sclerosis International (TSI)

Allein die Epilepsiechirurgie mit dem Ziel einer Entfernung des krankhaft veränderten Hirnareals, das die Anfälle verursacht, kann als kausale Therapie mit einer Heilungschance angesehen werden. Von allen therapie-resistenten Epilepsien kommen nur etwa 30 % für einen solchen Eingriff in Frage, und von den operierten Patienten bleiben nicht alle dauerhaft anfallsfrei. Als zweites Verfahren mit einer biblischen Vorgeschichte (in Form von Heilfasten) ist die Ketogene Diät seit den neunziger Jahren in den USA wieder angewendet worden und hat heute auch in Deutschland einen festen Stellenwert bei bestimmten seltenen Stoffwechselerkrankungen. Bei vielen anderen Epilepsieformen kann sie erfolgreich sein, verlangt aber wegen der gesamten Ernährungsumstellung von den Eltern ein hohes Maß an Mitarbeit. Die Diät muss zu 80 % aus Fettanteil bestehen unter Verzicht auf jegliche Kohlehydrate. Sie muss aufgrund möglicher Stoffwechselnebenwirkungen engmaschig ärztlich überwacht werden und wird meist nicht länger als ein bis zwei Jahre angewendet. Im Gegensatz dazu ist die Vagusnervstimulation (VNS) eine Therapie, die nach operativer Implantation eines Schrittmacher-ähnlichen Generators und individueller Anpassung der elektrischen Einstellung über viele Jahre ohne jeden zusätzlichen Betreuungsaufwand auskommt. Die Vagusnervstimulation hat eine lange Geschichte: Schon in den 30er Jahren wurde versucht, durch Stimulationen am Vagusnerven höhere Hirnfunktionen zu beeinflussen. Seit nun mehr als 15 Jahren ist die VNS zur Behandlung therapieresistenter Epilepsien zugelassen. Weltweit wurden bisher über 40 000 Patienten (Stand: Mitte 2006) mit VNS behandelt. Als Nebeneffekt wurde außerdem eine Verbesserung der Stimmung beobachtet, sodass die VNS zunehmend auch bei der Behandlung der Depression ihren Platz finden wird. der Haut implantiert und mit einem Kabel verbunden, das mit Spiralelektroden um den linken Halsnerv (Nervus vagus) gelegt wird. Er enthält die Batterie und einen Mikrochip, der rund um die Uhr schwache Stromimpulse abgibt. Zwei etwa vier cm lange Hautschnitte sind dazu an der linken Halsseite und am Rand der Achselhöhle erforderlich, die Operationsdauer beträgt etwa ein bis zwei Stunden. Nach drei Tagen stationären Aufenthalts erfolgt die engmaschige ambulante Betreuung. Um späteren Infektionen vorzubeugen, erhält der Patient vor dem Eingriff intravenös ein Antibiotikum. Die Batterie reicht je nach Einstellung für etwa neun bis zehn Jahre. In Deutschland wird mit der Stimulation des Vagusnerven schon am Ende der Operation begonnen, bevor der Patient aus der Narkose erwacht. Nach einer individuell angepassten Einstellung liegt die Stromstärke zwischen 0,5 und 3,5 ma, wobei nach einer Stimulationsdauer von 7-30 sec jeweils ein Pausenintervall von 0,5 bis 5 Minuten folgt. Der Generator sendet also in regelmäßigen Abständen elektrische Impulse an den Nervus vagus, der diese an die Stellen des Gehirns weiterleitet, von denen man annimmt, dass sie der Ausgangsort der Anfälle sind. Radiotelemetrisch kann die Einstellung ohne jede Belastung beliebig oft bis zum optimalen Effekt für den Patienten variiert werden (siehe Abb. 2). Außerdem haben der Patient oder die Angehörigen die Möglichkeit, mit Hilfe eines kleinen Magneten zusätzliche Stimulationen zu aktivieren, um Anfälle im Falle einer Aura zu verhindern oder auch während eines Anfalles den Anfallsverlauf abzukürzen oder abzumildern. Die Einweisung in das VNS-System und die Benutzung des Magneten erfolgt noch am Operationstag. Es werden zwei Magneten ausgehändigt, so dass auch der betreuenden Einrichtung oder Schule ein Magnet zur gefahrlosen Benutzung zur Verfügung steht. Die Methode der Vagusnervstimulation soll im Weiteren näher erklärt werden: 2 Operation und Funktionsweise Der Vagusnerv ist am Hals operativ leicht zugänglich. Bedeckt und gut geschützt von Muskeln liegt er paarig angelegt auf beiden Seiten in einer Gefäßscheide im Bereich der rechten und linken Halsschlagader. Operiert wird auf der linken Seite, weil dort der geringste Einfluss auf den Herzrhythmus zu erwarten ist. Vor jeder Operation wird ein EKG geschrieben. Leidet der Patient an Herzrhythmusstörungen, ist die Implantation eines VNS nicht angezeigt. Ein etwa taschenuhrgroßer Generator (siehe Abb. 1) wird unterhalb des Schlüsselbeins links unter Abbildung 2

Wirkungsmechanismus Zunächst hatte sich dieses Therapieprinzip bei allen Tiermodellen sowohl zur Unterdrückung akuter Anfälle als auch zur dauerhaften Epilepsieprophylaxe als wirksam erwiesen, bevor vor etwa 20 Jahren die ersten Patienten damit behandelt wurden. Mit modernen Untersuchungsmethoden konnten zahlreiche Effekte auf das Gehirn nachgewiesen werden. Am eindrucksvollsten ist der Umstand, dass mit zunehmender Dauer der VNS die Häufigkeit epilepsietypischer Muster im EEG signifikant abnimmt. Trotzdem konnte bis heute der eigentliche Wirkungsmechanismus der Anfallsunterdrückung nicht aufgedeckt werden. Antiepileptische Wirksamkeit Die Wirksamkeit dieser Methode wurde an mehreren hundert Epilepsie-Patienten in kontrollierten klinischen Studien nachgewiesen. Der antiepileptische Effekt setzt in der Regel nach einigen Wochen ein und bleibt über viele Jahre ohne Wirkungsverlust erhalten. Eine komplette Anfallsfreiheit wird nur in wenigen Fällen erreicht (5-10 % aller behandelten Patienten). In der Regel wird eine medikamentöse Basistherapie beibehalten. Da in der Epilepsiebehandlung kurzfristig bis zu 30 % Verbesserungen durch Placebo-Effekte bekannt sind, spricht man von der Wirksamkeit einer antiepileptischen Therapie erst dann, wenn eine dauerhafte Anfallsverminderung um 50 % und mehr erreicht wird. Diese Wirksamkeit erreichen mit der VNS nach einem Jahr 30-40 % aller behandelten Patienten, nach zwei Jahren bis zu 50 % der Patienten. Langzeitstudien konnten zeigen, dass auch darüber hinaus die Effektivität der VNS in dieser Höhe bis zu fünf Jahre und länger erhalten bleibt. Deshalb bleiben fast 90 % aller VNS-Patienten auch noch nach fünf Jahren dieser Behandlung treu. Die Akzeptanz der VNS ist im Vergleich zu modernen antiepileptischen Medikamenten erstaunlich hoch, wenn man berücksichtigt, dass bereits in den ersten drei Jahren etwa 40 % der Patienten ein neues Medikament wieder absetzen. Abbildung 3 Als häufigste Nebenwirkungen antiepileptischer Medikamente sind Müdigkeit, verminderter Antrieb und kognitive Störungen gefürchtet. Die VNS hingegen zeigt keine Wechselwirkungen mit Medikamenten, zusätzlich hat sie auch in mehreren Studien eindeutig nachgewiesene positive Effekte auf den allgemeinen Wachheitsgrad, die psychische Grundstimmung und die Kognition. Diese vorher nicht bekannten Effekte wurden zufällig bei Epilepsie-Patienten gefunden, dann systematisch untersucht und führten dazu, dass die VNS in Europa auch zur Behandlung der schweren Depressivität zugelassen wurde. Entsprechend klinische Studien werden in Deutschland bereits durchgeführt. Nicht zuletzt führen diese psychogenen Effekte der VNS zu einer deutlich verbesserten Lebensqualität der betroffenen Patienten. So beobacht man auch bei vielen Patienten, die keine 50 %ige Anfallsverminderung erreichen, viel weniger Krankenhausaufenthalte, leichtere und kürzere Anfälle oder eine raschere Erholungsphase nach schweren Anfällen. Oft ist keine Notfallmedikation mehr erforderlich. All diese Randerscheinungen der VNS werden noch genauer untersucht, deshalb erhalten Patienten, Eltern und Angehörige jetzt häufig Fragebögen, mit denen die gesundheitsbezogene Lebensqualität und der Schweregrad der Anfälle erfragt und beurteilt werden kann. Das VNS-Therapiesystem ist wirksam bei allen Formen von Anfällen und den verschiedensten Epilepsie-Syndromen. Ursprünglich nur für fokale Epilepsieformen vorgesehen, ist die Wirksamkeit bei generalisierten Epilepsien genauso gut erkennbar. Kleinkinder können ebenso davon profitieren wie alte Menschen, die Altersspanne bei Implantation liegt zwischen einem und 85 Risiken und Nebenwirkungen der VNS Jahren. Auch schwerbehinderte Patienten mit Jahrzehnte langer Epilepsie sprechen in gleichem Maße auf VNS an wie nicht behinderte Patienten. Keine Anfallsform wird durch die VNS besonders gut beeinflusst. Treten mehrere Anfallsarten nebeneinander auf, sieht man häufig zunächst einen Rückgang der Dämmerattacken. Die Operationsrisiken sind bei dem oberflächlichen Eingriff gering, das Infektionsrisiko mit der Notwendigkeit einer Entfernung des VNS-Systems liegt bei zwei bis drei Prozent. Außerdem kann es zu Nachblutungen, Schäden am Vagusnerven sowie am Stimulationssystem kommen. 3

Es ist also, wie bei allen nicht notfallmäßigen Eingriffen, eine ausführliche Aufklärung erforderlich. Sehr selten kann es zu einer überschießenden Narbenbildung zwischen Vagusnerv und Elektrode kommen. Der behandelte Arzt erkennt dies an einem hohen Übergangswiderstand. Die Elektrode muss dann ausgetauscht werden. Ein solcher Zweiteingriff ist aufgrund der Verwachsungen deutlich riskanter, da die Freipräparation des Nervus vagus erschwert ist. Bei Kindern und geistig behinderten Patienten ist das Wundinfektionsrisiko leicht erhöht, da an der Wunde oft manipuliert wird. Folge kann eine vermehrte Narbenbildung sein. 4 Während der Stimulation kann es zu Heiserkeit, Hustenreiz oder Schluckbeschwerden kommen. Diese Missempfindungen berichten etwa 30 % aller Patienten nach drei Monaten. Nach einem Jahr sind es jedoch nur noch weniger als 10 %, die diese Empfindung als störend wahrnehmen. Sie können durch entsprechende Programmierung der elektrischen Parameter zusätzlich minimiert werden. Für die Implantation und Erststimulation sind Herzrhythmusstörungen zu beachten. Sie sind allerdings ein sehr seltenes Phänomen. Wie und wo kann man eine VNS-Therapie erhalten? Sprechen Sie zunächst mit Ihrem behandelnden Arzt über die VNS. Er wird Sie an ein Zentrum in Ihrer Nähe überweisen, wo die Möglichkeit der VNS-Implantation besteht und Sie durch eine ausführliche Beratung umfassend informiert werden. In etwa 20 Kliniken in Deutschland kann diese Operation vorgenommen werden, die nachfolgenden Programmierungen des Generators können durch eingewiesene Ärzte auch in Praxen und Kliniken mit einem Epilepsie-Schwerpunkt außerhalb des Implantationszentrums vorgenommen werden. Ist bei Patienten mit VNS eine Magnetresonanztomografie (MRT) möglich? Nach Angaben des Herstellers ist eine Magnetresonanztomografie des Kopfes mit bis zu 1,5 Tesla möglich (Stand Mai 2007). Hierfür ist eine Sender- und Empfängerspule notwendig. Ganzkörper-MRT können nicht durchgeführt werden. Wichtig ist, den Generator vor einer Untersuchung zu deaktivieren. Nach der Untersuchung sollte die Programmierung überprüft werden. Überhitzung an Bruchstellen von Elektroden kann nicht ausgeschlossen werden. Vor einer MRT-Untersuchung sollte möglichst die Firma Cyberonics Europe (Hersteller der Geräte) kontaktiert werden. Bitte weisen Sie Ihren Arzt darauf hin, dass im Ärztehandbuch für die VNS- Therapie weitere Informationen enthalten sind. Weitere häufig gestellte Fragen: Beeinflussen Elektrokleingeräte das VNS-Therapiegerät? Das Gerät wird von Mikrowellenherden und sonstigen Elektrogeräten nicht beeinflusst. Können Mobiltelefone das Gerät beeinträchtigen? Aktuelle Testergebnisse zeigen keine Beeinflussung durch Mobiltelefone. Kommt es zu Wechselwirkungen zwischen dem VNS-Gerät und Flughafensicherungssystemen? Es sind keine Wechselwirkungen bekannt. Der Wirkungsbereich derartiger Systeme sollte allerdings zügig durchquert werden! Wie sieht es mit therapeutischer Diathermie aus? VNS-Patienten dürfen nicht mit Kurz- oder Mikrowellendiathermie und medizinischer Ultraschalldiathermie behandelt werden. Bemerkung Abbildung 4 Der Text des Autors wurde in einer kürzeren Form bereits für die Zeitschrift der Selbsthilfegruppe LIBERO veröffentlicht. Die Redaktion behielt sich Ergänzungen zu aktuellen Fragen vor.

Literatur 1. J Sperner: Implantation und Komplikation der Vagusnervstimulation. Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie (4/2007). 2. Vagus-Nerv-Stimulation (VNS), Beiträge zur Vagus-Nerv-Stimulationstherapie (VNS). Zeitschrift der Deutschen Epilepsievereinigung einfälle (2006). 3. VNS-Therapie: Einführung für Patienten. Cyberonics Europe S.A./N.V. Weitere Informationen im Internet: www.vnstherapy.com / www.vnstherapy.de Autor Prof. Dr. med. Jürgen Sperner Leiter des Bereichs Neuropädiatrie Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Campus Lübeck Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck Tel. 0451-5002605 Fax 0451-5006064 sperner@paedia.ukl.mu-luebeck.de www.kinderklinik-luebeck.de Abbildungen Abb 1. Das VNS-System besteht aus dem batteriebetriebenen Generator mit einem Durchmesser von 51 mm, einer Höhe von 6,9 mm und einem Gewicht von 25 g. Das Elektrodenkabel wird unter der Haut bis zur linken Halsseite geführt und mit den spiraligen Elektroden um den Halsnerven (Nervus vagus) gelegt. Über diesen Vagusnerv werden tiefe Hirnstrukturen stimuliert, die einen modulierenden Effekt auf die Gehirnoberfläche, den Kortex ausüben. Redaktionelle Bearbeitung Dr. med. Carmen Gallitzendorfer Layout Helmut Hehn Abb.2. Schema der Position des VNS-Systems unter der Haut beim Menschen. Abb.3 Die Programmierung des VNS-Systems über einen Handheld-PC und eine telemetrische Programmierwand dauert nur etwa eine Minute. Abb.4 Position des Systems bei einem kleinen Kind mit einem Körpergewicht von 23 kg. Kaum noch erkennbare Narbenbildung (Pfeile) sechs Monate nach Operation. 5

Rechtlicher Hinweis: 6 Mit den Infoblättern des Tuberöse Sklerose Deutschland e.v. werden Basisinformationen für Betroffene, deren Angehörige und weitere Kontaktpersonen bereitgestellt. Sie sollen Hilfestellung im Umgang mit der Erkrankung geben und zur weiteren Aufklärung hierüber beitragen. Die Informationen berücksichtigen den jeweils aktuellen Stand der Wissenschaft und werden regelmäßig aktualisiert. Ungeachtet dessen sind sie kein Ersatz diagnostischer und / oder therapeutischer Maßnahmen durch den Facharzt und sollten keinesfalls Anlass für eine eigenmächtige Veränderung oder den Abbruch ärztlicher Verordnungen sein. Dies kann zu lebensbedrohlichen Situationen führen! Die Informationsblätter wollen auch nicht für einzelne Personen und / oder Institutionen werben oder Ratschläge erteilen. Eine Weitergabe des Informationsblattes an den behandelnden Arzt ist sinnvoll und erwünscht. Soweit in einzelnen Informationsblättern auf Links verwiesen wird, welche nicht vom Verfasser stammen, distanziert sich dieser ausdrücklich und erklärt, dass ein rechtsgeschäftlicher Wille mit der Bereitstellung solcher Verweise nicht verbunden ist. Stand: 27.05.2008