Sprachen Anonym Der Sozialistische Realismus und die Aufgaben des sowjetischen Schriftstellers Unter besonderer Beachtung von "Sovetskaja literatura" von Maksim Gor kij und "Čto takoe socialističeskij realizm?"von Andrej Sinjavskij Studienarbeit
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Slavisches Seminar WS 08/09 Hauptseminar: Abram Terc/Andrej Sinjavskij. Wissenschaftler und Schriftsteller in Sowjetrussland und in der Emigration. Der sozialistische Realismus und die Aufgaben des sowjetischen Schriftstellers. Unter besonderer Beachtung von Sovetskaja literatura von Maksim Gor kij und Čto takoe socialističeskij realizm? von Andrej Sinjavskij Eingereicht am 20.03.09 v
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung... 3 2. Geschichtlicher Hintergrund des sozialistischen Realismus... 5 3. Maksim Gor kij und Andrej Sinjavskij in ihrer Beziehung zum Sozialistischen Realismus. 7 3.1 Maksim Gor kij als Gründervater des Sozialistischen Realismus... 7 3.2. Andrej Sinajvskij/Arbam Terc: Bruch mit den Normen des Sozrealismus... 9 4. Sinjavskij - Terc: Čto takoe socialističeskij realizm? (1959)... 10 4.1. Struktur und Inhalt des Essays... 10 4.2. Die Aufgaben des sowjetischen Schriftstellers... 11 4.2.1. Anwendung der Formel des Sozialistischen Realismus... 12 4.2.2. Der positive Held und die Heldenmystifizierung mit einem Exkurs zu Maksim Gor kij... 17 5. Schlusswort... 23 Bibliographie... 25 2
1. Einleitung Gegenstand der folgenden Arbeit soll der Sozialistische Realismus als künstlerische Hauptmethode und die damit verbundenen Anforderungen an den sowjetischen Schriftsteller sein. Nicht nur das Revolutionsjahr von 1917, sondern auch die Etablierung des Sozialistischen Realismus als offizielle Kunstdoktrin Anfang der 30er Jahre wird als entscheidender Einschnitt und Veränderung, sowohl auf der literarischen, als auch auf der literaturpolitischen Ebene gesehen. Mit dem Dekret О перестройке литературнохудожественных оргаизаций ( Über den Umbau der literarisch-künstlerischen Organisationen ) des CK der Kommunistischen Partei am 23.04.1932 wurde der dynamischen Vielfalt der literarischen Gruppen ( групповщина ), die etwa seit 1918 das Wesen der sowjetischen Literatur bestimmt hatte, ein Ende gesetzt. Damit wurden nicht nur die zu der Zeit bestehenden literarischen Gruppen aufgelöst, sondern auch ein homogener Schriftstellerverband gegründet, der alle sowjetischen Schriftsteller vereinigen sollte, die bereit waren am sozialistischen Aufbau teilzunehmen 1, und die sich ab nun der Methode des Sozialistischen Realismus bedienen sollten. Dies beinhaltete nicht nur die homogene Vereinheitlichung der Struktur des Schriftstellerverbandes als Folge des Dekretes, sondern auch den Anfang zur kunsttheoretischen Vereinheitlichung der Literatur in Bezug auf den sozialistischen Realismus, welche die Literatur für mehr als zwei Jahrzehnte fest im Griff hatte. 2 Damit wurde die Literatur endgültig in den Dienst des Staates gestellt. Doch wie sahen die Anforderungen an die Schriftsteller aus, die sich der neuen Methode bedienen sollten? Eine oft zitierte Aussage Stalins beschreibt die Schriftsteller als Ingenieure der Seele ( инженер человеческих душ 3 ): Es gibt eine Arbeit von gewaltiger Wichtigkeit [ ] es gibt Ingenieure, die Traktoren bauen können, es gibt Ingenieure, die die Konstruktion von Industriegiganten leiten. Ihr Schriftsteller seid auch Ingenieure, die die Konstruktion der menschlichen Seele leitet. Dies ist eine nicht weniger wichtige Arbeit als jede andere Arbeit, die in unserem Land für den Aufbau des Sozialismus und seinen Sieg geleistet wird. 4 Die Etymologie des Wortes Ingenieur bezeichnet ein Angestelltenverhältnis. Dies zeugt von der Annahme, dass Schriftsteller kalkulierte Literatur schreiben 5 und diese die Menschen 1 Lauer, Reinhard: Geschichte der russischen Literatur. Von 1700 bis zur Gegenwart. München 2000, S. 664. 2 Ebd., S. 665. 3 Waegemans, Emmanuel: Geschichte der russischen Literatur von Peter dem Großen bis zur Gegenwart (1700-1995). Konstanz 1998, S. 290. 4 Zitiert nach V.M. Kiršon, in Sovetskaja literatura na novom etape (Stenogramma pervogo plenuma orgkomiteta Sojuza sovetskich pisatelej, 29. Oktjabrja.3. nojabrja 1932) M. 1933, S.194, in: Günther, Hans: Die Verstaatlichung der Literatur. Entstehung und Funktionsweise des sozialistisch-realistischen Kanons in der sowjetischen Literatur der 30er Jahre. Stuttgart 1984, S. 12. 5 Sander, Hans-Dieter: Marxistische Ideologie und allgemeine Kunsttheorie. Erlangen 1969, S. 29. 3