Eine Wissenschaftsklausel ist nötig und möglich

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Transkript:

Eine Wissenschaftsklausel ist nötig und möglich Der Vorschlag des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft http://www.urheberrechtsbuendnis.de Rainer Kuhlen Sprecher des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft www.kuhlen.name Auditorium des Grimm-Zentrums der HU zu Berlin 9. Mai 2014 1

Themen Echokammern des Zeitgeistes Ein Paradigmenwechsel über eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke Die Klausel im Detail Der Zweck der privilegierten Nutzung Keine Einschränkung des Zwecks durch geboten Integration der auf Forschung und Lehre/Lernen ausgerichteten Vermittlungseinrichtungen Vergütungsfrei Zugzwang 2

Echokammern des Zeitgeistes Stimmen der kommerziellen Verwertung Stimmen der freien Nutzung publizierten Wissens 3

Echokammern des Zeitgeistes Angekommen in der Politik 4

Echokammern des Zeitgeistes Es bewegt sich etwas auch durch den BGH zur Veranschaulichung im Unterricht zur Veranschaulichung des Unterrichts Der Sinn von 52a sollte sein: für nicht kommerzielle Zwecke von Lehr- und Lernprozessen an Bildungseinrichtungen 5

Echokammern des Zeitgeistes Es bewegt sich etwas auch durch den BGH Landgericht, OLG: kein Speichern und Ausdrucken nach 52a BGH: Speichern und Ausdrucken kleiner Teile nach 52a erlaubt Der Sinn von 52a sollte sein: Drucken und Speichern für den persönlichen sollte generell erlaubt sein 6

Ein Paradigmenwechsel über eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke Bildungs- und Wissenschaftsklausel (Stand 28042014) (1) 1Zulässig ist die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung eines veröffentlichten Werkes für nicht kommerzielle Zwecke a) wissenschaftlicher Forschung oder b) der Lehr- und Lernprozesse an Bildungseinrichtungen. 2Satz 1 gilt auch für Zwecke der Bestandserhaltung durch Einrichtungen wie öffentlich finanzierte Bibliotheken, Archive, Dokumentationen und Museen. 3Satz 1 gilt auch für die wissenschaftliche Forschung und Lehren und Lernen unterstützenden Leistungen von in Satz 2 erwähnten Vermittlungsinstitutionen. (3)Vertragliche Regelungen, die Abs. 1 ausschließen oder einschränken, sind unwirksam. 7

Der Zweck der privilegierten Nutzung für Zwecke wissenschaftlicher Forschung Zwecke der Lehr- und Lernprozesse an Bildungseinrichtungen wie im European Copyright Code use for purposes of scientific research (Art. 5.2, b) use for educational purposes (Art. 5.3, b) 8

Keine Einschränkung des Zwecks durch geboten Der BGH behauptet eine strikte Priorität der vertraglichen (Lizenz-)Vereinbarung gegenüber dem Recht einer Schrankenregelung geboten sei, wenn nicht angeboten. Oder: Nicht geboten, wenn angeboten. Er hat geboten auf eine Weise uminterpretiert, die durch die Texte der Normen und deren Begründungen nicht gedeckt ist und die das Aktionsbündnis für gänzlich unakzeptabel hält. 9

Integration der auf Forschung und Lehre/Lernen ausgerichteten Vermittlungseinrichtungen in die Klausel für kulturbewahrende Leistungen wie Bestandserhaltung für Vermittlungsleistungen, die direkt auf die Prozesse in der Forschung und der Lehre bzw. des Lernens bezogen sind 10

Vergütungsfrei - Vergütungsanspruch Vergütungsanspruch über einen neuen 54er- Paragraphen einlösen Geräteabgabe analog 54a zu 53 (Privatkopie) oder Vergütungsanspruch über einen Gesamtvertrag zwischen Ländern und Verwertungsgesellschaften, analog der Regelung der Nutzung in Schulen gemäß 52a Abs.2 11

Vergütungsfrei Im Open-Access-Paradigma wird die normale Verwertung die vergütungsfreie Nutzung sein Öffentliche Hand vergütet schon jetzt angemessen mit ca. 600 Mio Euro/Jahr an Verlage Vergütung schon über Geräteabgabe Vergütung nach der Erfahrung mit der Vergütungspleite bei 52a kaum machoder durchsetzbar Individuelle Datenerhebung und Abrechnung für Wissenschaftler und Lehrende nicht zumutbar individuelle Abrechnung erzeugt negative Transparenz in sensiblen Bereichen von Bildung und Wissenschaft 12

Zugzwang Der Deutsche Bundestag hatte im November 2012 die Bundesregierung aufgefordert, bis spätestens ein halbes Jahr vor Ablauf der Befristung des 52a UrhG einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem die befristete Sonderregelung des 52a UrhG für Unterricht und Forschung in eine neue einheitliche Wissenschaftsschranke überführt werden kann mit dem Ziel, Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. Da dieses Ziel kaum erreicht werden wird, ist eine weitere Verlängerung von 52a unabdingbar wie unzureichend die dort getroffenen Regelungen auch sind. 13

Vergleich - Durantaye - Aktionsbündnis Die Studie zur Bildungs- und Wissenschaftsschranke von de la Durantaye (2014) hat einen hohen Informations- und Argumentationswert. Der in der Studie angegebene Entwurf einer Bildungs- und Wissenschaftsschranke ist sehr nahe am Vorschlag des Aktionsbündnisses, berücksichtigt aber die in elektronischen Umgebungen entwickelten Bedürfnisse und Verhaltensformen in Bildung und Wissenschaft nur unzureichend. 14

Vergleich - Durantaye - Aktionsbündnis Auch wenn es auf den ersten Blick so aussehen mag, dass beide Vorschläge (Durantaye/Aktionsbündnis) gänzlich verträglich miteinander sind es gibt doch drei entscheidende Differenzen: Das Aktionsbündnis trägt weder den Vorrang des kommerziellen Lizenzangebots mit, weil dies eine Klausel aushebeln würde noch sieht das Aktionsbündnis die Notwendigkeit im Rahmen der Klausel einen Vergütungsanspruch für die privilegierte, im öffentlichen Interesse stehende Nutzung für nicht kommerzielle Zwecke wissenschaftlicher Forschung und von Lehr- und Lernprozessen vorzusehen. Eine individuelle Abrechnung jeder aktuellen Nutzung für Zwecke von Forschung und Lehr- und Lernprozessen hält das Aktionsbündnis für nicht zumutbar und auch nicht für machbar. Das Aktionsbündnis bevorzugt einen pauschalen Gesamtvertrag zwischen den Trägern der Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen und Verwertungsgesellschaften. 15

Vergleich - Durantaye - Aktionsbündnis Das Aktionsbündnis bevorzugt die Bezeichnung Bildungs- und Wissenschaftsklausel als allgemeines Rechtsprinzip für die (im Sinne von Open Access) freie Nutzung publizierten Wissens 16

Perspektiven keine Utopie aber ein langfristiges Ziel Eine Bildungs- und Wissenschaftsklausel kann nicht durch selbstreferentielle Auslegung bestehender Gesetze, Verträge oder Richtlinien entstehen, sondern erfordert den Mut zu einem Paradigmenwechsel: Nicht länger soll die (kommerzielle) Verwertung als der Normalfall des Umgangs mit Wissen und Information angesehen werden sondern als die Ausnahme gegenüber der (im Sinne von Open Access) freien Nutzung. Damit bekommt der Dreistufentest auf jeder Stufe eine grundsätzlich neue Bedeutung. 17

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Interesse an einer Bildungs- und Wissenschaftsklausel Folien und Volltext unter: http://www.urheberrechtsbuendnis.de/ und http://www.kuhlen.name/vortraege.html 18

http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/ Towards a commons-based copyright IFLA 08/2010 Wissensökologie und Wissensökonomie müssen kein Widerspruch sein - ODOK 2012 FH Wels 12.9.2012 19