Germanistik Renate Enderlin Definition und Negation der Rollen in Ludwig Tiecks "Kindermärchen: Der gestiefelte Kater" Studienarbeit
Definition und Negation der Rollen in Ludwig Tiecks Kindermärchen: Der gestiefelte Kater Seminararbeit von: Renate Enderlin Seminar SS2004: Die deutsche Komödie um 1800
Inhaltsverzeichnis 1. Ausrollen der Thematik... 2 2. Identität und Negation der Rolle... 3 2.1 Rolle und Kontext... 3 2.2 Rolle und Konstanz... 5 2.3 Rolle und Maske... 5 2.4 Rolle und Aufgabe... 6 3. Konsequenz und Funktion des aus-der-rolle-fallens... 6 3.1 Fiktionsbruch oder Fiktionsstörung... 6 3.2 Das aus-der-rolle-fallen als Eigenleistung... 8 3.3 Komik... 9 4. Identität und Negation einiger Rollen im Tieckschen Stück... 10 4.1 Der Kater... 10 4.1.1 Rolle und Kontext... 10 4.1.2 Rolle und Konstanz... 11 4.1.3 Rolle und Maske... 12 4.1.4 Rolle und Aufgabe... 12 4.2 Gottlieb... 13 4.2.1 Rolle und Kontext... 13 4.2.2 Rolle und Konstanz... 14 4.2.3 Rolle und Maske... 14 4.2.4 Rolle und Aufgabe:... 15 4.3 Der König... 15 4.3.1 Rolle und Kontext... 15 4.3.2 Rolle und Konstanz... 15 4.3.3 Rolle und Maske:... 16 4.3.4 Rolle und Aufgabe:... 16 4.4 Hanswurst... 16 4.5 Der Besänftiger... 17 4.6 Die Rolle des Dichters... 18 4.7 Die Rolle der Zuschauer... 18 5. Die Rolle der Bühne... 20 6. Einrollen des Themas... 21 7. Verwendete Literatur:... 22 7.1 Primärliteratur:... 22 7.2 Sekundärliteratur:... 22 1
1. Ausrollen der Thematik Ludwig Tieck hat in Der gestiefelte Kater seinem Kindermärchen in drei Akten nicht nur eine Menge Rollen entworfen, sondern seine Figuren auch gehäuft aus ihren Rollen heraustreten lassen. Die Analyse des Aus-der-Rolle-Fallens auf der Tieckschen Bühne ist spannend, weil es unterschiedliche Ursachen und Konsequenzen dafür gibt, die in dieser Arbeit dargestellt werden sollen und das Phänomen der Rolle an sich eine differenzierte Betrachtung verdient; wobei ich nicht bloß theoretisch über Begriff, Form und Funktion des Aus-der-Rolle-Fallens sprechen, sondern vor allem seine Praxis im Text Der gestiefelte Kater aufzeigen möchte. Noch bevor die erste Figur ihrer Rolle untreu geworden, wirft Tieck das Personenverzeichnis aus seiner üblichen Rolle und verwirrt damit gleich zu Beginn die Erwartungen des Lesers. Die Liste der Personen erlaubt einen kleinen Vorgeschmack auf das, was uns in diesem Text zu erwarten hat. Bewusst nenne ich Tiecks Stück einen Text, da es mir nicht darum geht, den gestiefelten Kater als Bühnenwerk, sondern als Lesedrama zu analysieren. Gerne würde ich auch den Begriff Schauspieler vermeiden und stattdessen ausschließlich von den Figuren Tiecks sprechen. Nun handelt der Text aber von einem fiktiven Schauspiel mit fiktivem Publikum und fiktiven Darstellern. Das heißt, auch in unserer Lektüre haben wir es mit Schauspielern zu tun, weshalb ich auf die Begriffe Schauspieler und Darsteller nicht verzichten werde. Die Rollen auf der fiktiven Bühne verteilen sich allerdings nicht bloß auf fiktive Schauspieler und Zuschauer, die ich ohne Bedenken als Publikum bezeichnen kann, weil ich nicht von einem zweiten realen Publikum, sondern von einem Leser ausgehe. Tieck verteilt auch eine Rolle des Dichters, des Souffleurs, des Maschinisten und Rollen anderer auf dem Theater ungewöhnlicher Figuren. Elefanten, Löwen, Bären und Affen, Jupiter oder die Gespenster sorgen dafür, dass bei Tieck nicht nur Figuren aus ihrer Rolle treten, sondern auch das Personenverzeichnis den Konventionen widerspricht. Erstens wird hier aufgezählt, was unter normalen Umständen gar nicht auf die Bühne gehört wie zum Beispiel Dichter und Publikum und zweitens lässt Tieck einen Hanswurst auftreten, dessen Tradition mit Gottsched 1 eigentlich schon (1737) zur Zeit der Aufklärung ihr Ende fand. Das Personeninventar erfüllt weder seine konventionelle Rolle noch die üblichen Erwartungen des Lesers und erzeugt damit einen ersten Hauch von Komik und Ironie, wovon in diesem Text nicht wenig zu finden ist. 1 Frenzel: Daten deutscher Dichtung, Bd. 1, S. 159. 2