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2. Phonetik und Phonologie 17 Lektüre zur Vertiefung Eine empfehlenswerte Einführung in die Phonologie, die auch andere Sprachen berücksichtigt und verschiedene theoretische Modelle vorstellt, ist Hall 2011. Eine kurze und leicht verständliche Einführung unter Berücksichtigung der Aussprachevarietäten, der Intonation und der Schrift findet sich in der Duden-Grammatik (= Duden 4). Eine gut verständliche Einführung in die Phonetik ist Petursson/Neppert 2002, eine anspruchsvollere Einführung Pompino-Marschall 2009, stärker auf das Deutsche bezogen und die Realisationsphonologie berücksichtigend ist Kohler 1995.

3. Das Lautinventar des Deutschen Lauti nventar Lautgrammati k Phonotaktik Standardaussprache System Minimalpaar distinktiv Wenn man die Lautstrukturen einer Sprache beschreibt, muss man zunächst feststellen, welche Sprachlaute in dieser Sprache vorkommen, d.h. das Lautinventar aufstellen, und dann feststellen, wie aus diesen Lauten Wörter zusammengesetzt werden können, d. h. die Lautgrammatik oder Phonotaktik beschreiben. Die Aufstellung des Lautinventars ist keineswegs eine triviale Aufgabe. In der Germanistik konnte bisher kein Konsens darüber erreicht werden, wie viele Vokale oder Konsonanten das Deutsche hat. Die Sprach laute sind eben keine Objekte, die man wie Kieselsteine vorfindet und zählen kann, sondern gedankliche Konstrukte, mit denen die Sprecher die in der Gesellschaft vorgefundenen Sprachäußerungen organisieren, wobei sie dies unbewusst tun und auch nicht alle auf die gleiche Weise. Was die Sprecher an Sprachäußerungen vorfinden, ist nicht einheitlich. Die Sprache variiert nach den Regionen, in denen sie gesprochen wird, nach der sozialen Stellung der Sprecher, aber auch nach anderen sozialen Gruppierungen wie z. B. Altersgruppen. Viele Sprecher können sich auch auf ihre Umgebung einstellen und mehrere Sprachsysteme verwenden. Eines dieser Systeme ist weitgehend als Standardsystem anerkannt. Es wird in Aussprachewörterbüchern und anderen Werken kodifiziert, professionelle Sprecher und Lerner des Deutschen als Fremdsprache orientieren sich meist daran. Diese Norm hat auch ihre Kritiker, sie ist aber einheitlicher und weiter anerkannt, als diese es wahrhaben wollen. Natürlich ist es eine Norm, die meist straflos übertreten werden kann, ein regionaler oder fremdsprachlicher Akzent hat auch seinen Charme, solange man sich noch gut verständlich machen kann. In diesem Buch geht es nur um diese Norm, die Standardaussprache, und auch nur um die in Deutschland geltende. Bei der Beschreibung eines Sprachsystems sind die beobachtbaren Sprachdaten auf ein abstraktes System zu reduzieren. Einer der wichtigsten Grundsätze dabei ist die Ökonomie der Darstellung, nicht nur bei den Linguisten, sondern auch und sogar in erster Linie bei den Sprechern. Nach "Ockhams Rasiermesser" soll man bei der Darstellung eines Gegenstands mit möglichst wenigen theoretischen Entitäten auskommen, also sollte man versuchen, das Lautinventar möglichst klein zu halten. Ein wichtiges Kriterium dabei ist die Minimalpaarmethode: die Laute d und tsind sich zwar sehr ähnlich, aber der Unterschied ist relevant (distinktiv), denn er unterscheidet die Wörter danken und tanken. Diese Wörter sind verschieden, unterscheiden sich aber genau durch einen einzigen Sprachlaut, daher nennt man sie ein Minimalpaar. Bei Meinhold/Stock (1980: 83-86, 124-127) finden sich umfangreiche Minimalpaarlisten, hier ein paar Beispiele: flieht- fleht Tier- Tour sehen - sähen heben - hoben Brut- Brot lesen - lösen

3. Das Lautinventar des Deutschen 19 Acker -Acker Kl!pe -Kippe Rkge-RQge Stauge -StauQe Rebe-Rede bannen -ba[!gen KiPpe -Kyppe Höhle -Hölle rollt -reut reißen -reisen Tritt -Trick heben -weben qu IIen -qujflen Robe-Robbe Halt-Haut Name-Dame schleifen -schleißen Meile -Meise Allerdings sollte man die Reduktion des Lautinventars nicht mit einer übergroßen Komplexität der Darstellung an anderer Stelle erkaufen. Es ist z. B. durchaus sinnvoll, darauf zu verzichten, das z (ausgesprochen als "ts") in Zeit auf die Lautkombination t + s zu reduzieren, weil dadurch die Lautgrammatik komplizierter werden würde (auch wenn die Minimalpaarmethode wegen tragen [tr] und zagen [ts] sowie Schups [ps] und Schutz [ts] eine solche Auflösung ergeben würde). Einen Buchstaben für den glottalen Plosiv dagegen kann man, wie bereits gesagt, ohne Kosten an anderer Stelle entbehren; das gi It auch für den entsprechenden Sprach laut im Lautsystem. Ebenso konnte man in der Orthographie auf das th verzichten, das man früher in der Schreibung von Wörtern wie Thier und Muth verwendete. Die Aufgabe des Phonologen ist also, die unendl iche Vielfalt der phonetischen Real isierungen (keine zwei Äußerungen, auch desselben Worts, sind phonetisch identisch) auf ein optimal kleines Inventar abstrakter Sprachlaute zu reduzieren. Die k in Kiste und Kuh oder engl. kitlcool sind wegen der folgenden Vokale durchaus verschieden, wie bereits erwähnt, aber dieser Unterschied ist nicht distinktiv, weil es dafür keine Minimalpaare gibt. Der Unterschied der Laute kund q im Arabischen dagegen ist durch das Minimalpaar kalb,hund' und qalb,herz' distinktiv. Die Laute kund qsind Varianten desselben Sprach lauts (Allophone) im Englischen, die Laute sind verschiedene Phoneme im Arabischen. Der phonetische Unterschied zwischen dem ch im Wort ich und dem in ach ist sehr deutlich (man nennt sie ich-laut und ach-laut), trotzdem sind es Allophone desselben Phonems. Ein Minimalpaar ist nicht zu finden; die wenigen Kandidaten wie Kuchen und Kuhchen oder tauchen und Tauchen (,kleines Tau'!) sind nicht nur an den Haaren herbeigezogen, sondern unterscheiden sich auch durch die Wortbildungsstruktur: Das Diminutivsuffix -chen hat immer den ich-laut. Die Wahl der Variante hängt u.a. vom vorangehenden Vokal ab, daher ist die Verteilung geregelt. Solche Allophone nennt man stellungsbedingte Allophone. Ein anderes Beispiel für stellungsbedingte Allophonie ist die Variation von behauchtem (aspiriertem) und nicht behauchtem p: aspiriert vor Vokal, nicht aspiriert z. B. vor s (P/'apst). Eine andere Form der Allophonie sind die freien Allophone: Im Deutschen kann man das r mit der Zunge oder hinten im Gaumen aussprechen; diese Varianten sind artikulatorisch sehr verschieden, aber jeder Sprecher verwendet nur eine von beiden und es gibt kein Minimalpaar. Unterschiedliche Phoneme müssen in der Schrift durch unterschiedliche Buchstaben bezeichnet werden, sonst ergeben sich beim Lesen Verwechslungen. Für die Allophone eines Sprachlauts genügt eine einzige Bezeichnung, wie man am r und dem ch sehen kann. Trotzdem ist die Buchstabenschrift des Deutschen kein guter Repräsentant des deutschen Lautsystems, denn die Abweichungen sind nicht uner- Phonem vs. Allophon stellungsbedingte vs. freie Allophone Buchstabenschrift

20 3. Das Lautinventar des Deutschen Lautschrift Vokale und Konsonanten heblich und verwirren eher: Den Buchstabenkombinationen ch, sch und dem ng entspricht nur ein Laut, ebenso der Verbindung von Vokalbuchstaben und h (eh, ah etc.), dem Einzelbuchstaben x entsprechen dafür zwei Laute (k + s). Das ch repräsentiert nicht nur den ich-lach-laut, sondern in Wachs und Christus auch das k. Da wir für das Deutsche die lateinische Schrift übernommen haben und das Lateinische nicht alle Sprachlaute des Deutschen kennt, mussten für die neuen Laute neue Buchstaben erfunden werden (ä, Ö, ü, ß) oder eben Buchstabenkombinationen verwendet werden, wodurch die Lautstruktur der Wörter allerdings verundeutlicht wird. Diese Komplikationen sollte man kennen und verstehen, und dafür ist das Studium der Lautstruktur deutscher Wörter nötig. Wegen der uneindeutigen Zuordnung von Sprach laut und Buchstabe, aber auch um die Aussprache verschiedener Sprachen einigermaßen vergleichbar zu machen, hat die "International Phonetic Association" ein internationales phonetisches Alphabet (die "Lautschrift") entwickelt, das für alle Sprachen eine einheitliche Schrift bieten soll. In diesem Alphabet gibt es dann für die Buchstabenkombination sch das Zeichen UL das auch für das englische sh steht, wobei freilich die subtilen Unterschiede zwischen der englischen und der deutschen Norm für Ul nicht berücksichtigt werden. Die Sprach laute des Deutschen lassen sich in zwei Klassen einteilen: Vo- kaie und Konsonanten. Vokale nennt man auch "Selbstlaute", Konsonanten "Mitlaute"; dahinter steht die Auffassung, dass Vokale allein ausgesprochen werden können, d. h. eine Silbe bilden können, Konsonanten nur zusammen mit einem Vokal. Das ist nicht ganz falsch, es gilt z. B. für das Lateinische, für das diese Begriffe geprägt wurden. Im Deutschen gibt es dagegen auch Konsonanten, die in diesem Sinne "selbst lauten" können, wie wir später sehen werden. Der artikulatorische Unterschied besteht darin, dass bei Konsonanten dem Luftstrom aus der Lunge ein Hindernis entgegengesetzt wird, bei Vokalen kann dagegen der Luftstrom ungehindert austreten. Phonologisch gesehen sind die beiden Klassen nicht scharf getrennt, es besteht vielmehr ein gradueller Übergang von eher vokalischen zu eher konsonantischen Lauten (s. u. Kap. 5). 3.1. Konsonanten Konsonanten unterscheiden sich von Vokalen dadurch, dass bei ihnen dem Luftstrom aus der Lunge ein Hindernis entgegengesetzt wird; das ist ein artikulatorischer Unterschied. Sie unterscheiden sich untereinander durch die Art dieses Hindernisses; über die Hindernisse lassen sich die Konsonanten klassifizieren. 3.1.1. Oie Artikulationsparameter Artikulationsstelle, Artikulationsart und Stimmton Alveolen Velum Labia Die Wörter passe, Tasse und Kasse unterscheiden sich durch die Laute p, t und k. In allen drei Fällen ist das Hindernis ein vollständiger Verschluss, er wird aber an unterschiedlichen Artikulationsstellen gebildet. Verschlusslau-

3.1.Konsonanten 21 te nennt man auch Plosive (verkürzt aus "Explosive"). Beim p ist der Verschluss an den Lippen, beim twird er mit der Zunge an dem gerillten Sockel des Gaumens hinter den oberen Schneidezähnen, den "Alveolen", gebildet, beim k am weichen und beweglichen hinteren Teil des Gaumens, dem Gaumensegel oder "Velum". Weicher Gaumen (Velum) Harter Gaumen (Palatum) Zalmdaull11 (Alveolen) Lippen (Labia) Kehlkopf (Larynx) Abbildung 2: Die Sprechwerkzeuge Die Wörter locken und lochen unterscheiden sich nur durch die Laute k und eh. Beim k ist das Hindernis ein vollständiger Verschluss, es ist ein Plosiv. Beim eh wird nur eine Enge gebildet, durch die Luft gepresst wird, wobei Turbulenzen entstehen, die man als Rauschen hört. Solche Enge-, Rausch- oder Reibelaute nennt man Frikative (lat. fricatio,,das Reiben'). Die Artikulationsstelle ist dieselbe (am Velum), der Überwindungsmodus des Hindernisses, die Artikulationsart, verschieden (plosiv vs. Frikativ). Eine dritte Unterscheidung ist die zwischen den s-lauten in reisen und reißen. Beide Laute sind Frikative, beide werden an den Alveolen gebildet. Sie unterscheiden sich durch den Stimmton. Das s in reisen ist stimmhaft, das in reißen stimmlos. Bei stimmhaften Lauten vibrieren die Stimmbänder, wenn die Luft durch den Kehlkopf strömt; bei stimmlosen sind die Stimmbänder geöffnet und vibrieren nicht. Abb. 3 und 4 zeigen die Zustände des Kehlkopfs bei Stimmlosigkeit und Stimmhaftigkeit. Der Bogen oben steht für die Vorderseite des Kehlkopfs, für den Schildknorpel. Die bohnenförmigen Knorpel sind die beweglichen Stellknorpel, die die Stimmbänder spreizen oder zusammenziehen können. Bei Stimmlosigkeit sind die Stimmbänder auseinandergezogen und die Luft kann ungehindert durch den Kehlkopf strömen. Bei Stimmhaftigkeit werden Plosiv Frikativ Stimmton