Leben Migranten länger? Eine Analyse der Mortalität älterer Migranten in Deutschland Martin Kohls Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Nürnberg Viele Welten des Alterns? Berlin, DZA/BAMF, 24./25. Juni 2010
Überblick 1. Forschungsinteresse und -fragen 2. Ergebnisse 3. Zusammenfassung
Forschungsinteresse In Deutschland leben: - 6,7 Mio. Ausländer (AZR 31.12.2009) - 15,6 Mio. Personen mit Migrationshintergrund = 19% der Gesamtbevölkerung (MZ 2008) - zunehmende Bedeutung von Migrantenbevölkerung - aufgrund demographischer Alterung in Deutschland - Hinweise auf höhere Lebenserwartung trotz eingeschränkter Gesundheit
Forschungsinteresse -> Explizite Erkenntnisse zum vergangenen und aktuellen demographischen Verhalten von Migranten wesentlich, um zukünftige Lebenserwartung/Verweildauer in Gesundheit sowie soziodemographische Zusammensetzung ableiten zu können. -> besonderes Interesse der Träger der Sozialversicherungen, Wissenschaft und Politik.
Ergebnisse bisheriger Studien - Sterblichkeit bei Ausländern im Säuglings-, Kleinkind- und Teenageralter höher - ab Alter 16 bei Deutschen höhere Sterblichkeit - ab Alter 65 deutlich höhere Mortalität bei Deutschen -> differentielle Mortalitätsanalysen unter Berücksichtigung des Migrationsstatus aufgrund fehlender geeigneter Datenquellen noch nicht umfassend präsentiert
Projekt Mortalität und Morbidität von Migranten in Deutschland -> Analyse der unverzerrten Sterblichkeit nach Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit, Migrationshintergrund, Aufenthaltsdauer, Aufenthaltsstatus, sozialer Status etc. Unter Verwendung mehrerer Datengrundlagen: - Amtliche Statistik - Ausländerzentralregister (AZR) - Gesetzliche Rentenversicherung (GRV)
Amtliche Statistik -> Notwendigkeit weiterer Datengrundlagen Vorteile: - Zeitreihe seit 1970 - Todesursachenanalyse Nachteile: - Analysen nach Migrantengruppen nicht möglich - in höheren Altersstufen starke Verzerrungen durch unterlassene Abmeldungen bei Fortzug - fehlende Sterbefälle von in Dtl. registrierten Ausländern, die im Ausland verstarben
Ausländerzentralregister (AZR) Vorteile: - aufgrund Bereinigung von 2000-2004 recht valide Datenbasis - Analysen nach Migrantengruppen, Aufenthaltsdauer, Aufenthaltsstatus Nachteile: - fehlende Zeitreihe aufgrund gesetzlicher Löschfristen (5 Jahre) - in jüngeren Altersstufen verzerrt - Verzerrrungen werden mit zeitlichem Abstand zur Bereinigung wieder größer -> Notwendigkeit weiterer Datengrundlagen
Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) Vorteile: - bei 65+ sehr valide aufgrund Rentenauszahlung - Zeitreihen auswertbar ab 1994 - große Anzahl von Co-Variablen - Analysen nach Migrantengruppen, multivariate Analysen Nachteile: - selektive Verzerrungen möglich, weil: - Alter 20-65: Fehlen nicht-rentenversicherungspflichtiger Personen (Hausfrauen, Beamte, Selbständige) - Alter 65+: Fehlen von nie-rentenversicherungspflichtigen Personen
Überblick 1. Forschungsinteresse und -fragen 2. Ergebnisse 3. Zusammenfassung
Lebenserwartung 60-jähriger Männer, Amtliche Statistik, 1990-2007 29 e(60) i 27 Ausländer, amtl. Stat. 25 23 21 19 Deutsche, amtl. Stat. 17 15 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 Quelle: Eigene Berechnungen mit Daten des FDZ-RV, SUFRTBN93XVST06 - SUFRTBN06XVST06, SUFRTWF94XVST06 - SUFRTWF07XVST06.
Lebenserwartung 60-jähriger Männer, Amtliche Statistik, GRV, 1990-2007 29 e(60) i 27 25 23 21 19 Ausländer, GRV Deutsche, GRV 17 15 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 Quelle: Eigene Berechnungen mit Daten des FDZ-RV, SUFRTBN93XVST06 - SUFRTBN06XVST06, SUFRTWF94XVST06 - SUFRTWF07XVST06.
Lebenserwartung 60-jähriger Männer, GRV, 1990-2007 21 e(60) i 20 Deutsche, GRV 19 Ausländer, GRV 18 17 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 Quelle: Eigene Berechnungen mit Daten des FDZ-RV, SUFRTBN93XVST06 - SUFRTBN06XVST06, SUFRTWF94XVST06 - SUFRTWF07XVST06.
Lebenserwartung 60-jähriger Männer, Amtliche Statistik, GRV, 1990-2007 Diskrepanz: - deutlich geringerer Bestand der ausländischen Bevölkerung (weniger Karteileichen, Rentenzahlung, pflichtgemäße Meldung bei Sterbefall) - Sterbefall im Ausland bei Wohnort in Dtl. (definitionsgemäß nicht in der amtlichen Statistik enthalten)
Ausländer, 60-64 65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 90-94 95%-KI-Grenze (Woolf) 1,1 Sterblichkeitsrisiken von Männern aus Ex-Jugoslawien, GRV, 1994-2007 1,8 nd x,i / n d x,dt. 1,7 Ex-Jugos., n d x, dt. = 1 1,6 2003-2007 1,5 1,4 Ex-Jugos., 1,3 1994-1998 1,2 2003-2007 Ausländer, 1,0 0,9 0,8 0,7 1994-1998 Alter Quelle: Eigene Berechnungen mit Daten des FDZ-RV, SUFRTBN93XVST06 - SUFRTBN06XVST06, SUFRTWF94XVST06 - SUFRTWF07XVST06.
Sterblichkeitsrisiken ausländischer Personen, GRV, 2003-2007 1,3 1,2 1,1 1,0 n d x, dt. = 1 Frauen, ausländisch Männer, ausländisch 0,9 0,8 0,7 0,6 Alter 20-24 30-34 40-44 50-54 60-64 70-74 80-84 90-94 Quelle: Eigene Berechnungen mit Daten des FDZ-RV, SUFAKVS04XVSBB bis SUFAKVS07XVSBB und FDZ-RV, SUFRTBN93XVST06 - SUFRTBN06XVST06, SUFRTWF94XVST06 - SUFRTWF07XVST06.
Multivariate Analysen (GRV) - sterblichkeitserhöhender Effekt des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente mit damit verbundenem schlechteren Gesundheitszustand bei Migranten etwas stärker als bei Deutschen - Sozial bedingte Sterblichkeit bei Migrantinnen und Migranten geringer (Proxy: Ausbildungsstand)
Zusammenfassung Ältere Migrantinnen und Migranten: - Aus vgl. Analysen mit amtl. Statistik, AZR GRV ergeben sich: - Mortalität erwachsener Ausländer geringer, klassischer Healthy Migrant-Effect - Übersterblichkeit der älteren deutschen Bevölkerung gegenüber der ausländischen Bevölkerung seit 1994 - seit 2002 Übersterblichkeit der ausländischen Bevölkerung - Neubildungen stellen bei ausländischen Personen die Mehrheit aller Sterbefälle (Zunahme von 1980 bis 2008 um ca. 30%) - Eine vermutete höhere Sterblichkeit ausländischer Personen an bestimmten Todesursachen konnte nicht bestätigt werden
Zusammenfassung Mortalität II: - Personen aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien bereits seit 1994 ungünstige Sterblichkeitswerte - Ausländische Personen, die lange in Deutschland aufhältig sind bzw. sogar in Dtl. geboren, zeigen überdurchschnittliche Sterblichkeit - Aufenthaltsstatus bedingte Sterblichkeitsunterschiede existieren Multivariate Analysen: - Vorheriger Bezug einer Erwerbsminderungsrente bewirkt deutlich erhöhtes Mortalitätsrisiko - sozial bedingte Sterblichkeitsunterschiede geringer als bei Deutschen
Vielen Dank Weitere Informationen: martin.kohls@bamf.bund.de und www.bamf.de/forschung und www.weltbevoelkerung.org