Migration und Pflegebedürftigkeit
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- Manuela Müller
- vor 6 Jahren
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1 Migration und Pflegebedürftigkeit Dr. Martin Kohls Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Nürnberg Tagung des Diözesan-Caritasverbandes Köln Die Zukunft der Pflege ist bunt Köln, 1. Juni 2012
2 Überblick 1. Relevanz 2. Morbidität 3. Pflege 4. Zusammenfassung
3 Relevanz - zunehmende Bedeutung der Migrantenpopulation bei erwarteter Alterung und Schrumpfung - Anteile älterer Migranten werden steigen - bei Vorliegen spez. Krankheitsmuster Auswirkungen auf Gesundheits- und Pflegesystem - Relevant für SPV, GKV, GRV, Wissenschaft, Politik
4 Überblick 1. Relevanz 2. Morbidität 3. Pflege 4. Zusammenfassung
5 Einflussfaktoren der Gesundheit/Sterblichkeit von Migranten Theorie (z.b. Kohls 2012) Aspekte des Herkunftslandes -Kulturelle Normen, Werte, Einstellungen (Ernährung, Gesundheits- und Risikoverhalten) -Biologisch-genetische Voraussetzungen Aspekte des Ziellandes -Rechtliche Lage (Aufenthaltsgesetz, Asylbewerberleistungsgesetz) -Normen, Werte, Einstellungen des Ziellandes -Sozioökonomische Benachteiligung -Unterstützung ethnischer sozialer Netzwerke -Zugang zur Gesundheitsversorgung Auswahlprozesse (Selektivität) -Migrationsmotive (ökonomisch, familiär, Flucht, Vertreibung) -Healthy-Migrant-Effect, Unhealthy-Remigration- Effect -Rückkehr-Selektivität (Salmon-Bias-Effect) statistische Erfassungsprobleme Gesundheitsstatus -Prävalenz chronischer Erkrankungen -Krebs, HK-Erkrankung Mortalität -Todesursache gemessene Mortalität Demographische Aspekte -Alter, Geschlecht, Familienstand Sonstige Faktoren -Anpassungsreaktionen -Persönliche, familiale, soziale Ressourcen Zeit Mit zunehmender Aufenthaltsdauer Veränderung der Relevanz der Faktoren
6 Einflussfaktoren der Morbidität von Migranten Praxis Gesundheitliche Risiken bei Migranten importierte Krankheiten : - höhere Prävalenz an Infektionskrankheiten (TBC; HIV; Hepatitis B; Helicobacter pylori) Abh. vom sozioökonomischen Status: - Probleme bei Schwangerschaft und Geburt (geringe Zahlen) - psychische Belastungen (Flucht, Verfolgung) - Arbeitsunfälle, Frühberentung
7 Arbeitsunfälle, Frühberentung Arbeitsunfälle - Migranten und Türken häufiger betroffen, Tätigkeiten in Arbeitsstellen mit erhöhtem Unfallrisiko Frühberentung (als Spätfolge gesundheitlich belastender Arbeitsbedingungen) - Migranten häufiger von Frühberentung betroffen als Nichtmigranten, bei Frauen größere Differenzen als bei Männern, spätere Frühberentung - dabei weniger Inanspruchnahme von Reha-Maßnahmen (Sprache) - Tätigkeiten vor Frühberentung bei Migranten zumeist physisch belastend (Baugewerbe etc.)
8 Risiko- und Gesundheitsverhalten Risikoverhalten: - Übergewicht, Adipositas - Rauchen - Alkohol- und Suchtmittelgebrauch Gesundheitsverhalten: - Rettungsstellen statt Hausärzte häufig erste Anlaufstelle (abends, nachts, Wochenende) - geringere Inanspruchnahme von Vorsorgeleistungen und ambulanten Pflegediensten (Ausschlagung präventiver Arztbesuche, unüblich in Herkunftsländern)
9 Gesundheitsbezogene Vorteile Morbidität vs. Mortalität: - geringere Mortalität an Herz-Kreislauf-Erkrankungen - Phänomen des gesunden Migranten Healthy-Migrant-Effect - allgemein niedrigere Mortalität, teilweise durch stat. Messfehler bedingt (erhöhte Bestandszahlen)
10 Altersspez. Sterblichkeit, Ausländer, al, , Männer, amtl. Statistik 1,4 1,2 1,0 nd x,t / n d x, nd x,1970 = 1 0,8 Gesamt 0, ,4 0, , Quelle: Eig. Berechnung mit Daten des Statistischen Bundesamts : alte Bundesländer : alte Bundesländer und Berlin-Ost
11 Erklärungsansätze - Gesundheitlicher Übergang vom Herkunfts- ins Zielland - Auswahlprozesse, Selektion - Sozioökonomische Benachteiligung - Statistische Messprobleme
12 Überblick 1. Relevanz 2. Morbidität 3. Pflege 4. Zusammenfassung
13 Morbidität vs. Pflegebedürftigkeit - Aus der Morbidität ergibt sich ein erhöhtes/vermindertes Risiko der Pflegebedürftigkeit. - Allgemein: Je gesünder, desto geringeres Pflegerisiko. Bei Migranten bisher keine eindeutigen Tendenzen ableitbar: - erhöhte Arbeitsbelastung, sozioökonomische Belastung als Risikofaktoren - Gesundheitsvorteile wirken eher schützend
14 Datenquellen Aufgrund defizitärer nationaler Datenlage bis 2011: - verschiedene Kommunen veranlassten eigene Erhebungen, um langfristige Altenhilfeplanung auch für Migranten durchführen zu können (u.a. Berlin, München, Münster) Problem: - Zielsetzungen (Pflege- und Hilfsbedürftigkeit, Angebot an Pflegeleistungen, Auslastung bestehender Heime) - Definition der Personen mit MH - geringe Vergleichbarkeit
15 Pflegestatistik des Stat. BA Pflegebedürftige (Frauen + Männer) : : aufgrund demographischer Alterung weitere Zunahme : zwischen 3,0 und 4,0 Mio. (u.a. Stat. Ämter 2010) - Unbekannt: Entwicklung der Pflegequoten (Medikalisierung, Kompression, Status-Quo)
16 Pflegequoten % Pflegequote 70% 60% Frauen 50% 40% 30% 20% 10% 0% Männer 0-4 ' Quelle: Eig. Berechnung mit Daten des Statistischen Bundesamts.
17 Pflegebedürftige (Ausländer, MH) Einfache Schätzung (gleiche Pflegequoten): Pflegebedürftige ausländische Personen : (3,4%) : (4,4%) Pflegebedürftige Personen mit MH : (7,7%) : (8,6%)
18 Demographisch bedingte Zunahme von Pflegebedürftigen, (1999 = 1) 1,7 PB i,t / PB i,1999 1,6 Frauen, ausländisch 1,5 1,4 Männer, ausländisch 1,3 Männer, deutsch 1,2 1,1 1,0 0,9 Frauen, deutsch 1999 = Quelle: Eig. Berechnung.
19 Pflegebedürftige (MH) Wirkungen des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes (TNS Infratest Sozialforschung im Auftrag des BMG, November 2011) Anteil von Personen mit MH: - Pflegebedürftige in Privat-HH: 8% - von ambulanten Diensten betreut: 7% - In vollstationären Einrichtungen: 9% Schätzung Pflegebedürftige Personen mit MH (Pflegestatistik 2009): : (8,2%) Anteil von Personen mit MH (Bestandszahlen): - Alter 65+: 8,7% - Alter 75+: 7,1%
20 Pflegestufen bei Personen mit und ohne Migrationshintergrund (MH) 70% 60% 54% 59% mit Migrationshintergrund ohne Migrationshintergrund 50% 40% 30% 31% 32% 20% 15% 10% 9% 0% Pflegestufe I Pflegesstufe II Pflegestufe III Quelle: Studie zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz TNS Infratest Sozialforschung 2010, eig. Darstellung.
21 Anteil von Pflegebedürftige mit MH in vollstationären Einrichtungen Quelle: Studie zum Pflege-Weiterentwicklungsgesetz TNS Infratest Sozialforschung 2010, eig. Darstellung.
22 Pflegebedürftige (MH) - Erkenntnisse Pflegebedürftige: - 68% der Befragten Deutsch als Muttersprache, geringe Bedeutung von Sprachbarrieren - Pflegebedürftige mit MH beziehen häufiger Pflegegeld (häufiger zum Lebensunterhalt benötigt) - bei Personen mit MH größere Distanz zur Nutzung professioneller Pflege Pflegeversorgung: - strukturelle Unterschiede bei der Pflege: in 50% der ambulanten Pflegedienste keine Betreuten mit MH (häufiger in Großstädten) - 12% der Pflegedienste mit Betreuten mit MH haben spezielle Angebote für Pflegebedürftige mit MH - amb. Pflegedienste: 11% des Personals mit MH - vollstat. Einrichtungen: 15% des Personals mit MH (Auskunft Leitung), 23% (Auskunft, Heimkräfte)
23 Überblick 1. Relevanz 2. Morbidität 3. Pflege 4. Zusammenfassung
24 Zusammenfassung -> langfristiger Einfluss des Healthy-Migrant- Effects weiterhin uneindeutig -> dem Anteil an der Bevölkerung entsprechende Anteile an Pflegebedürftigen -> für dahinterstehende Zusammenhänge kaum Forschungsergebnisse Hypothesen: - besserer Gesundheitsstatus, weniger pflegebedürftig - Begutachtungspraxis verschieden (sprachliche, kulturelle Barrieren, Benachteiligung) - Antragsstellungsverhalten unterschiedlich (öfter, erst bei Ablehnung erfolgt Auseinandersetzung)
25 Zusammenfassung -> zukünftig erhöhter Pflegebedarf (Demographie, gesundheitl. Belastungen) -> Pflege-Vorstellungen unterscheiden sich kaum -> Pflegeangebote bei älteren Migranten wenig bekannt (Sprache, Vorbehalte, Unübersichtlichkeit, Vertrauen auf Kinder, Rückkehroption)
26 Handlungsempfehlungen zur Verbesserung einer interkulturellen Pflegeversorgung - Allgemeine Integration verbessern - Stärkung der Prävention - Geschlechtsspezifische Angebote etablieren - Überwindung von Sprachbarrieren - Maßnahmen zur IKÖ - Verbesserung der Datenlage
27 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Nachfragen: Literatur: Kohls, Martin (2012): Pflegebedürftigkeit und Nachfrage nach Pflegeleistungen von Migranten im demographischen Wandel. Forschungsbericht 12. Nürnberg: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. (ISBN: ) Kohls, Martin (2012): Demographie von Migranten in Deutschland. In: Challenges in Public Health, Nr. 63 (Hrsg.: Razum, Oliver). Frankfurt/Main: Peter Lang Verlag. (ISBN: )
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