RMA: Interview Heiko Holefleisch

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Transkript:

RMA: Interview Heiko Holefleisch Mainspitze (uli). Seit sechs Jahren wohnt Heiko Holefleisch in Gustavsburg. Seit einem Jahr engagiert sich der Dramaturg und Mitarbeiter eines Fernsehsenders verstärkt für die Bürgerinitiative Mainspitze (BIMS) gegen Flughafenausbau und zunehmende Verlärmung. Heiko Holefleischs öffentliche Reden und Publikationen, inhaltlich markant, haben stets auch einen starken emotionalen Gehalt und daher mancherorts eine polarisierende Wirkung. Wir sprachen mit dem 63jährigen stolzen späten Vater von zwei Kindern im Grundschulalter zum Gesamtkomplex Flughafenerweiterung. Herr Holefleisch, die BIMS Mainspitze ist seit Jahren besonders aktiv gegen den Fluglärm. Beschreiben Sie doch, was sich seit Eröffnung der Landebahn verändert hat. Niemand, der dabei war, wird die Bürgerversammlung vor einem Jahr vergessen können: ein Gustavsburger Bürgerhaus, gefüllt wie noch nie, Fassungslosigkeit, Verzweiflung, Wut und die Entschlossenheit, sich gegen den Lärm dieser Bahn und gegen den Ausbau zur Wehr zu setzen. Die Lichterkette am 23. Dezember auf der Darmstädter mit 500 Bürgern, Posaunenchor und Kirchenglocken und einer trotzigen Stillen Nacht. Zuletzt die Jahrestags-Kundgebung direkt an der Landebahn, zu der in den Ferien 300 Teilnehmer aus der Mainspitze mit Fahrrad, Bus oder Bahn aufbrachen. Dazwischen 4o Montagsdemonstrationen oder die Mahnwachen - stets mit starker Mainspitzen-Präsenz. Die Bürgerinitiative aktiviert und mobilisiert mehr, als es allen politischen Parteien bei ihren Veranstaltungen gelingt. Auch

daher weiß die Politik die Macht dieser Bewegung sehr wohl einzuschätzen. Denn am Flughafen bei den fortwährenden Kundgebungen, da ist nur die Spitze dieses Eisbergs zu sehen. Bürgerinitiativen und zahlreiche Klagen der Kommunen konnten den Bau der Landebahn nicht verhindern. Macht sich Verdrossenheit breit? Natürlich gibt es auch Ermüdung, gelegentliche Verzweiflung, Menschen, die ihr Leid und ihre Wut nicht verhehlen, aber erschöpft sind. Doch Verdrossenheit klingt anders. Die Warnung der Wissenschaftler, der Aufschrei der Ärzte in den Kliniken, die politischen Erosionen in Frankfurt und die wachsende Unsicherheit bei den Regierenden selbst sind für uns Ansporn für Entschlossenheit. Diese Landebahn ist zwar aus Beton, aber der politische Wille und die Kraft der Argumente sind stärker. Aussagen von Spitzenkräften aus Politik und der Luftfahrtindustrie klingen wie eine Verhöhnung der Menschen, die unter Fluglärm leiden. Lärm sei hauptsächlich Kopfsache und man hätte schließlich die Wahl, auch aus dem Rhein-Main-Gebiet wegzuziehen, sind nur zwei Beispiele. Was entgegnen Sie? Diese Aussagen sind wirklich schwer zu ertragen. Wo wohnen diese Leute? Und wie leben sie? Politiker haben einen Amtseid geleistet, Manager sehen sich offensichtlich sowieso ganz und gar befreit von jeglicher sozialen Verantwortung. Wenn Herr FRAPORT-Schulte in Mainz erklärt, dass 70 % unserer Lärmerfahrung nur in unseren Köpfen stattfinden, dann ist das für ihn und FRAPORT natürlich auch ein

kommunikatives Desaster. Ich vermute, da hatte man ihm versehentlich den Sprechzettel für eine Veranstaltung der Luftlobby in Davos zugesteckt. Herr Bouffier erklärt ja auch weit genug weg in Gießen, dass der Fluglärm in Rhein-Main in Wirklichkeit genau die drei Gemeinden drumherum interessiert. Tatsächlich hat Lärmwahrnehmung auch subjektive Faktoren. Aber die Wissenschaft belegt, dass der hohe Grad und die Stetigkeit von Lärm und deren Unausweichlichkeit zu schwersten körperlichen Schädigungen führen. Wie wägt die BIMS ab, wenn es um Schaffung von Arbeitsplätzen am Flughafen, Wohlstand für die Region contra Fluglärm und Schadstoffbelastung geht? Völlig richtig, das muss sehr genau abgewägt werden. Was im Moment aber stattfindet, ist, dass die Arbeitsplatz- Behauptung als Totschlagargument ohne jegliches Abwägen herhalten muss. Ist es ein Beitrag zum Wohlstand der Region, wenn Hunderte Quadratkilometer verlärmt werden, mit steigender Tendenz? Ist es Wohlstand, wenn Gottesdienste und Bestattungen regelmäßig vom Fluglärm übertönt werden. Wenn Kindergärten, Krankenhäuser, Altenheime, Schulen selbst bei geschlossenen Fenstern leiden? Ist es Wohlstand, wenn flächendeckend giftige Feinstaub-Emissionen auf uns nieder gehen? Und wie viele Arbeitsplätze rechtfertigen dies? Alle diesbezüglichen Zahlen und Prognosen haben sich außerdem in Luft aufgelöst. Lange Zeit wurde die Bürgerbewegung mit dem Jobvernichter-Vorwurf attackiert. Arbeitsverdichtung,

Billiglöhne, Outsourcing, die LUFTHANSA baut hunderte Jobs ab - das ist vom ganzen Jobwunder übrig geblieben. Wie messen wir also Wohlstand? An Renditen, an Arbeitsplatz-Zahlen? An Lebensqualität? An sozialer und kultureller Vielfalt? Diese Diskussion offen, möglichst ohne Partikularinteressen zu führen, muss unser aller Ziel sein. Vielleicht bieten die nächsten Monate mit einer stärkeren politischen Fokussierung durch die beiden Wahlen dafür eine Chance. Was halten Sie von den Programmen zum aktiven und passiven Schallschutz? Aktiver Schallschutz ist sinnvoll, aber er wird sehr viel Zeit in Anspruch nehmen. Es ist zu befürchten, dass leisere Flugzeuge kaum Wirkung hinterlassen, weil im Gegenzug ihre Frequenz zunimmt. Passiver Schallschutz heißt im schlimmsten Fall Verbunkerung. Es gibt keine Alternative, außer den Lärm an seiner Quelle zu bekämpfen. Für mich ist es geradezu obszön, dass FRAPORT eine Region verlärmt, aber der Steuerzahler, also die Betroffenen, auch noch den passiven Schallschutz finanzieren dürfen. Die Forderungen der BIMS sind eindeutig: Schließung der Landebahn, Deckelung der Flugbewegungen auf 380.000 pro Jahr. Wie soll das durchgesetzt werden? Durch den Druck aus der Bevölkerung, der ein Umdenken in der Politik bewirkt. Es ist wichtig, dass in die Köpfe der politischen Entscheidungsträger kommt, wie unsinnig beispielsweise der Konkurrenzkampf der Flughafenstandorte ist. Auch sollen Politiker begreifen, dass sie sich mit dem

Scheinargument der Schaffung von Arbeitsplätzen nicht vor den Karren der Interessen der Luftfahrtindustrie spannen lassen müssen. Was sind die Konsequenzen, wenn das nicht gelingt? Wie verhalten Sie sich dann persönlich? Ich wüsste nicht, warum das nicht gelingen sollte. Bisher waren die Schadstoff-Emissionen neben der Lärmdiskussion eher vernachlässigt. Das wird noch für reichlich Zündstoff in den Diskussionen sorgen. Wir erkennen auch alle, dass der Wachstumswahn in der Krise ist. Die Energiepolitik hat sich geändert, warum sollte das nicht auch in der Infrastrukturund Verkehrspolitik möglich sein. Zu meinem persönlichen Verhalten können sie mich gerne in 18 Monaten wieder fragen.