AGRARSYSTEME DER ZUKUNFT BMBF WETTBEWERB DER VISIONEN STADTOASEN Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes Prof. Dr. Uwe Waller, Goebenstr. 40, 66117 Saarbrücken, uwe.waller@web.de mit neomar GmbH Dr. Bert Wecker, Am Osterberg 22, 31311 Uetze, bert.wecker@neomar.de
DIE VISION: Aquakultur, die Produktion hochwertiger Lebensmittel, steht weltweit im Fokus. Ihre Produktionssysteme müssen multifunktional sein, um nachhaltig eine wachsende Weltbevölkerung versorgen zu können. Die VISION STADTOASEN beschreibt multifunktionelle Einheiten für die regionale Versorgung, die in Kreisläufen Stoffe und Energie recyceln und damit Ökosysteme und Ressourcen entlasten. Die Photosynthese wandelt Sonnenenergie in pflanzliche Biomassen. Dieser Prozess, die primäre autotrophe Produktion, entwickelte sich im Verlauf der Evolution und ist der Meilenstein in der Entwicklung unserer Biosphäre. Pflanzliche Biomassen unterhalten seitdem die Nahrungsnetze unserer Ökosysteme, in denen die in der Biomasse gebundene Energie von einer Vielzahl von Konsumenten und Destruenten verwertet wird. Der Abbau organischer Biomasse führt zur Rückgewinnung von Nährstoffen, die in einem Kreislauf in die primäre Produktion, in die Photosynthese, zurückfließen. Kreislaufführung, trophische Kaskaden und Koppelproduktion sind Merkmale unserer Ökosysteme, die die Biosphäre stabilisieren. Wird die Funktionsweise der Ökosysteme auf die Agrarproduktion abgebildet, kann Nachhaltigkeit nur durch die Koppelung trophischer Ebenen (Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen) in künstlichen Ökosystemen erreicht werden. Die Stoff- und Energieströme zirkulieren dann ebenfalls über trophische Kaskaden. Pflanzennährstoffe, Stickstoff und Phosphat, knappe und teure Ressourcen, müssen nur noch in dem Maß in der Produktion ergänzt werden, wie sie mit den Produkten aus dem Produktionskreislauf exportiert werden. Die pflanzlichen Komponenten in einem multifunktionellen Kreislauf minimieren den Kohlenstoff-Fußabdruck; Kohlenstoffdioxid wird photosynthetisch in die Biomassen eingebaut. Ein Bereich der Agrarproduktion, der sich besonders für die die Koppel- und Kaskadenproduktion eignet, ist die Aquakultur. Das Fluid ist Lebensraum, trägt alle Stoffströme und steht im Fließgleichgewicht mit der Atmosphäre. Die Herausforderung ist, biologische und technische Komponenten in einer multifunktionalen (multi-trophischen) Prozesskette zusammen zu fassen. Ziel der VISION STADTOASEN ist, das Wissen über die Prozesskette und die Prozessführung in die Realität umzustezen. Eine OASE ist seit Menschengedenken eine multifunktionale Einheit für sichere und nachhaltige Agrarproduktion. Die VISION STADTOASEN ist ein Zukunfts-Agrarsystem für uns Menschen in einer zunehmend urbanisierten Gesellschaft. -
DIE BEGRÜNDUNG: Ein Agrarsystem mit zunehmender Bedeutung für die stabile Versorgung der Weltbevölkerung mit sicheren Nahrungsmitteln ist die Aquakultur. Nach Angaben der FAO wird die Aquakultur in diesem Jahr mit mehr Lebensmitteln zur Ernährung beitragen als die Fischerei. Die potentiellen Erträge der Fischerei sind aufgrund unzureichenden Managements der natürlichen Ressource heute nicht mehr realisierbar. Die Aquakultur befindet sich auf einem sehr ähnlichen Weg und benötigt dringend Zukunftskonzepte für eine nachhaltige Produktion. Die VISION STAD- TOASEN koppelt die Produktion in der Aquakultur an unterschiedliche Organismen, um schonend, effizient und verantwortungsbewusst zur nachhaltigen Versorgung mit Lebensmitteln, regenerativen Energieträgern und Rohstoffen beizutragen. Die Produktion in der Aquakultur ist von Wirtschaftsinteressen geprägt. Die am Markt durchsetzbaren Preise lassen Umweltschutz nicht zu. Die Produktionsverfahren, typischerweise Netzkäfige und Teiche, sind lineare Produktionssysteme mit hohen Produktionsverlusten. Sie sind zudem gegenüber der Umwelt offen, entlassen Stoffe und belasten damit die Umwelt. Offene Systeme bieten zudem keine konstanten Produktionsbedingungen, entsprechen damit nicht den Anforderungen des Tierschutzes. Die Produktionsbedingungen werden von den Umweltbedingungen bestimmt, die durch die Aquakultur selber, zum Beispiel durch Nährstoffeinträge, beeinträchtigt werden. Die Schäden, die durch konventionelle Aquakulturen verursacht werden, hemmen auch die natürliche Produktion. Mit der Ausweitung der Aquakultur werden die Schäden kritische Größen erreichen. Evolutive Prozesse sind langsam, zu langsam, um bestehende Biosysteme an die rasante Entwicklung unserer Gesellschaften anzupassen, selbst, wenn es scheint, dass viele Ökosysteme immer noch über eine hohe Elastizität verfügen. Ökosysteme benötigen verantwortungsvolles Handeln. Unsere Biosphäre ist ein dynamisches System, das Stabilität aus Kreislaufprozessen erhält, die sich in der Evolution entwickelt haben. Die Biosphäre ist heute, nach rapider Technisierung und Wachstum, anthropogen überformt. Die hohe Beanspruchung der Agrarflächen macht es notwendig, Siedlungsräume stärker für die lokale Lebensmittelproduktion zu entwickeln. Das ist auch notwendig, um Nutzungskonkurrenzen, die durch neue Energiepflanzen und Rohstoffproduktion gegenüber dem Lebensmittel entstehen, abzubauen. Die Folgen der global zunehmenden Besiedlung und Technisierung sind deutlich und es muss befürchtet werden, dass ohne eine Kehrtwende in der Nutzung der Biosphäre irreversible Schäden unvermeidlich sein werden. Die VISION STADTOASEN steht für die regionale Versorgung in einer zunehmend urbanisierten Gesellschaft. In der Stadt, in hochdichten und komplexen Ballungsräu- A 1 -
men, kann der Mensch durch lokale Produktion in Oasen sicher mit frischen und gesunden Lebensmitteln versorgt werden. Die Agrarproduktion ist heute immer noch durch lineare Produktionsprozesse gekennzeichnet, die die Ressourcen der Biosphäre übernutzen und die in der Produktion anfallenden Reststoffe als Abfall deponieren. Lineare Produktion muss durch Kreislaufproduktion ersetzt werden, um den global zunehmende Bedarf an Rohstoffen und Lebensmitteln zu decken und, um zum Schutz der Biodiversität und des Klimas. Der Verlust von Masse und Energie linearer Produktionsverfahren verhält sich diametral zu den Prozessen der Biosphäre. Wichtige und in Zukunft entscheidende Ressourcen werden als Folge linearer Produktion zu knappen Gütern, da sie nicht in Produktionsprozesse zurückgeführt werden. Die VISION STADTOASEN hat weitgehend geschlossenen Kreisläufe, die Koppel- und Kasakadennutzung zum Ziel, also multifunktionale Agrarsysteme, die auf Systemik, also auf validierten Konzepten systemtheoretischer Wissenschaft, aufbauen. Agrarsysteme der Zukunft müssen die Gesellschaft mit gesunden Nahrungsmitteln versorgen und sie müssen gleichzeitig Ökosysteme und Biosphäre schützen. Die Schnittstelle zwischen Agrarsystem und Umwelt muss weitere Belastungen ausschließen. In unseren Ökosystemen werden Gleichgewichte durch Organismen unterschiedlicher trophischer Ebenen aufrecht erhalten: Produzenten, Konsumenten und Destruenten bilden ein Nahrungsnetz. Die Stoff- und Energieströme zirkulieren in und zwischen einzelnen Kreisläufen. In technischen Agrarsystemen kann diese Koppelung von Organismen unterschiedlicher trophischer Ebenen nachvollzogen und die Rückführung von Stoffen und Energie realisiert werden. Dazu müssen die natürlichen Lebensbedingungen durch die Bioverfahrenstechnik abgebildet werden. Der Tierschutz ist in STADTOASEN mehr als nur ein gesellschaftliches Ziel, der Tierschutz ist Voraussetzung für die nachhaltige, wirtschaftliche Produktion. Mit der VISION STADTOASEN wollen htw saar und neomar anregen, verfügbares Wissen aus Forschung und Entwicklung in die Realität zu überführen. Sie wollen die Machbarkeit der Vision nachweisen. Zur Erreichung der Ziele kann auf das Wissen der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar) und der neomar zugegriffen werden. Das Portfolio der htw saar schließt Betriebswirtschaft, Marketing und Logistik ein. Auch diese Disziplinen sind für den Entwicklungsprozess STADTOASEN wichtig. Die neomar und die htw saar agieren und kooperieren national und international, sodass eine gesicherte wissenschaftliche und technologische Basis für eine Umsetzung vorhanden ist. A 2 -
DIE UMSETZUNG: Weltweit werden Alternativen gesucht, um die steigende Nachfrage nach Produkten aus der Aquakultur zu decken. Die Alternative für eine moderne, nachhaltige und verantwortliche Aquakultur ist die Kreislaufanlage. Sie hat entscheidende Vorteile gegenüber konventionellen Verfahren: Kreislaufanlagen haben einen sehr geringen Wasserverbrauch. Die Bioverfahrenstechnik schließt heute einen Wasseraustausch aus. Die Lebensbedingungen können optimal an die Bedürfnisse der Arten angepasst werden. Konstante Produktionsbedingungen minimieren den Futtereinsatz und damit den Einsatz von Ressourcen. Die kontrollierte Wasserführung minimiert das Risiko von Erkrankungen und schließt eine Verschmutzung der Umwelt aus. Lebenserhaltungssystem, Wasseraufbereitung Hilfsstoffe Wasser Lebensmittel Stofftransfer Produktion von Fische, Krebsund Weichtiere Sauerstoff Futter N P CO2 Solarenergie Stofftransfer Produktion von Mikroalgen Lebensmittel Rohstoff Aufbereitung-Prozess - 1 Aufbereitung-Prozess - 2 Biomasse... Treibstoff Aufbereitung-Prozess - n Stofffluss Edukte Stofffluss Produkte Interne Massen- und Stofflüsse N : Stickstoff, P : Phosphat, CO2 : Kohlenstoffdioxoid A 3 -
Die VISION STADTOASEN hat die Koppelung von Produktionssystemen in der Aquakultur, wie in der Abbildung oben schematisch skizziert, zum Ziel. Die Nährstoffe, die in der Aquakultur von Fischen anfallen, werden zur Produktion von Mikroalgen benutzt. Der Austausch der im Prozesswasser gelösten Nährstoffe ist systemreif entwickelt und im experimentellen Maßstab erprobt worden. Mikroalgen sind reich an essentiellen Rohstoffen für die Futtermittelproduktion und können über neuartige Futtermittel in die Fischproduktion zurückgeführt werden. Damit wird unmittelbar ein Beitrag zur Schonung der natürlichen Fischereiressourcen geleistet, die Fischmehl/öl als Rohstoff für die Aquakultur liefern. Neben der direkten Rückführung gibt es weitere Wege zur Nutzung der Biomasse. Mikroalgen sind zum Beispiel ein hervorragender Rohstoff für die Biotreibstoffproduktion. Im Vergleich zu konventionellen Energiepflanzen ist der Flächenbedarf für ihre Produktion minimal. Das Implementieren neuer technischer Lösungsansätze bei der Koppelung von Produktionssystemen steht im Brennpunkt der VISION STADTOASEN. Dabei spielt die langjährige Zusammenarbeit zwischen htw saar und neomar eine entscheidende Rolle. Das Ergebnis gemeinsamer und interdisziplinärer Forschung und Entwicklung ist zum Beispiel eine neuartige Technik zur Übergabe der im Prozesswasser gelösten Nährstoffe zwischen der tierischen und pflanzlichen Produktion. Die Prozessautomatisierung ist dabei von großer Bedeutung. Momentan hat die die Forschung und Entwicklung den Fokus auf prozessintegrierten, energetisch effizienten Ernteverfahren. Neue grundlagenwissenschaftliche Ansätze für eine modell-prädiktive Regelung, die in einem laufenden Promotionsvorhaben erarbeitet werden, sollen die Prozesssicherheit der Anlagen in den STADTOASEN erhöhen. Internationale Kooperationen an der htw saar befassen sich mit der Mikrobiologie der Prozesse, also der Hygiene und Lebensmittelsicherheit in weitgehend geschlossenen fluiden Kreisläufen. Die Basistechnologie der neomar, die ocean-loop Technologie, stellt einen Meilenstein in der Entwicklung nachhaltiger Verfahren für die Aquakultur dar. Teile der Technologie wurden im kommerziellen Maßstab validiert, andere Teile im experimentellen Maßstab erprobt. Das Ergebnis der VISION STADTOASEN ist eine weltweit exportfähige Aquakulturtechnologie, die ortsunabhängig einsetzbar ist. Das Ziel ist die Serienfertigung von Anlagen für den Export zusammen mit Industriepartnern. A 4 -