Die AKP-Türkei im Nahen Osten: Aufstieg und Niedergang? André Bank andre.bank@giga-hamburg.de GIGA Forum Die Türkei in der Krise: Innenpolitische Proteste und außenpolitische Rückschläge 4.12.2013
1. Einleitung Ende 2010 war die Türkei die Anwärterin auf den Status als Regionalmacht im Nahen Osten: -kooperative, v.a. ökonomische Beziehungen zu fast allen einflussreichen Akteuren: Saudi-Arabien, Golfstaaten, Syrien, Irakisch-Kurdistan, Iran, Hamas & Hizballah - soft power : Erdogan populärster Politiker in Arab Public Opinion polls 2010; türkisches Modell Ende 2013 wird der Niedergang der Türkei im Nahen Osten prophezeit Leitfragen: (1) Was erklärt den regionalpolitischen Aufstieg der AKP-Türkei im Nahen Osten von 2003 bis 2010? (2) Welche Auswirkungen haben die Arabischen Umbrüche seit 2011 für die regionale Stellung der Türkei? 09.12.2013 2
Struktur des Vortrags 1. Einleitung 2. Regionalpolitischer Aufstieg vor 2011 3. Die Türkei und die Arabischen Umbrüche 4. Schluss: Neue Abwendung vom Nahen Osten? 09.12.2013 3
2) Regionalpolitischer Aufstieg vor 2011 Innertürkische Entwicklung unter der AKP zwischen 2003 und 2007 Kontinuität der neoliberalen Wirtschaftspolitik; sukzessiver Machtausbau der AKP (EU-Harmonisierung als Anker ; weitere Wahlsiege), aber noch keine direkte Herausforderung von Armee und Justiz direkte Konfrontation in der Verfassungskrise 2007: Doppelsieg der AKP bei Referendum zur Direktwahl des Präsidenten und den Parlamentswahlen (47%) weitgehende Entmachtung der Kemalisten durch neuerlichen Wahlsieg im Juni 2011 und Rücktritt des Generalstabs Juli 2011 neue Herausforderung der AKP-Hegemonie durch Gezi- Proteste im Mai/Juni 2013 09.12.2013 4
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2) Regionalpolitischer Aufstieg vor 2011 Dynamiken regionaler Ordnung im Nahen Osten Neue Pluralität relevanter Akteure: - Niedergang der USA: Irak seit 2003, Ende Friedensprozess - Schwächung der traditionell einflussreichen Ägypten & Saudi-Arabien: Kriege im Libanon 2006, Gaza 2008/9 Regionale Bipolarität (pro-westlicher Status Quo vs. Widerstand) => Mittelposition der Türkei - Ausbau der Handelsbeziehungen - Mediation in Konflikten: Libanon 2008, Israel-Syrien 2008 - zunehmender Populismus ( soft power : Gaza-Flotilla 2010 09.12.2013 6
2) Regionalpolitischer Aufstieg im Nahen Osten zentrales Argument: Verflechtung und gegenseitige Verstärkung von innertürkischer Entwicklung und Wandel im Nahen Osten: innenpolitische Hegemonie der Türkei ab 2007 als Voraussetzung für deutlich aktivere Nahostpolitik (insideout) regionalpolitisches Engagement und innenpolitische Legitimation (outside-in): anti-israelische Haltung im Gazakrieg und Lokalwahlen Feb. 2009; Gaza-Flotilla Mai 2010 Aufstieg der anatolischen Tiger & Handelsausbau mit Irakisch-Kurdistan, Libyen, Syrien & Iran (inside-out) 09.12.2013 7
3) Die Türkei und die Arabischen Umbrüche Ende 2010 zentrale Merkmale einer Regionalmacht zunächst sprunghaftes Verhalten: -keine Reaktion bei Sturz Ben Alis in Tunesien im Jan. 2011 -Befürwortung von Mubaraks Sturz in Ägypten im Feb. 2011 (breite Unterstützung arabische Straße ; erfolgreicher Staatsbesuch in Nordafrika Sept. 2011) -Stillschweigen bei Niederschlagung der Proteste in Bahrain im März 2011 -erst langsames Abrücken von Gaddafi in Libyen bis Mai 2011: zunächst wider NATO-Intervention, dann Akzeptanz => erste deutliche Kritik von arabischen Demonstranten an AKP-Politik => pragmatische Anpassung oder Anzeichen von Niedergang? 09.12.2013 8
3) Die Türkei und die Arabischen Umbrüche Syrien als größte Herausforderung: - vom Freund zum Feind : erfolglose Vermittlungsversuche bis August 2011 -seither offene anti-asad-haltung: Unterstützung von FSA und anderen Oppositionellen (Muslimbrüder), Aufnahme von Flüchtlinge -aber keine direkte militärische Beteiligung: Ambivalenz der Kurdenfrage; fehlende öffentliche Unterstützung, v.a. der AKP- Anhänger Weitere Herausforderungen: -Putsch gegen Mursi und Muslimbrüder in Ägypten -Schwächung anderer islamisch-konservativer Parteien (Nahda, PJD) und Aufstieg radikal-islamistischer Salafisten 09.12.2013 9
4) Schluss: Neue Abwendung vom Nahen Osten? unter der AKP ist die Türkei zur Regionalmacht im Nahen Osten aufgestiegen; nach 2007 und infolge von innenpolitischer Konsolidierung und vorteilhaften regionalpolitischen Dynamiken die Arabischen Umbrüche wirkten zunächst ambivalent; insbesondere der Krieg in Syrien hat die Stellung der AKP-Türkei aber deutlich geschwächt Neue Abwendung vom Nahen Osten? Eher ja: wirtschaftlicher Niedergang (Syrien, Libyen) & Schwächung türkischer Partner (Syrien, Ägypten) Neue Hinwendung nach Europa? Eher nein: europäische Wirtschaftskrise; fehlende Annäherung im Beitrittsprozess 09.12.2013 10
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