37/SN-307/ME XXI. GP - Stellungnahme zu Entwurf (gescanntes Original) 1 von 7 S+/ SN - '!>o+--/fto (1-1= Erik Otto, M.A. An das Präsidium des Nationalrates Dr. Karl Renner Ring 3 A-IOI0 Wien ÖSTERREICH Centrum für Hochschulentwicklung Carl-Bertelsmann-Straße 256 Postfach 105 0-33311 Gütersloh Telefon 05241/9761-21 Telefax 052411976140 http://www.che.de 1 e-mail: erik.otto@che.de Gütersloh, 16.04.02 IOtlhö Begutachtungsverfahren Universitätsgesetz 2002 Sehr geehrte Damen und Herren, in Ihrem Schreiben vom 8. März übersenden Sie Herrn Professor Müller-Böling den Begutachtungsentwurf zum österreichischen Universitäts gesetz mit der Bitte um Stellungnahme. Im Auftrag von Herrn Professor Müller-Böling lasse ich Ihnen heute in der Anlage die Stellungnahme mit einer kurzen Vorbemerkung in 25 Exemplaren zukommen. Die Stellungnahme ist ebenfalls per E-Mail an das Bundesministerium übersandt worden. In der Hoffnung, mit unseren Gedanken nützliche Anregungen geliefert zu haben verbleibe ich im Auftrag von Herrn Professor Müller-Böling mit freundlichen Grüßen CHE Gemeinnütziges Centrum für Hochschulentwicklung GmbH Geschäftsführer: Prof. Or. Detlef Müller-Söling Gesellschafter: Sertelsmann Stiftung und Stiftung zur Förderung der Hochschul rektorenkonferenz Amtsgericht Gütersloh HRB 3122
2 von 7 37/SN-307/ME XXI. GP - Stellungnahme zu Entwurf (gescanntes Original) Prof. Dr. Detlef Müller-Böling Centrum fi.ir Hochschulentwicklung Stellungnahme zum Bundesgesetz über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (U niversitätsgesetz) Vorbemerkung Das ehe Centrum für Hochschulentwicklung (ehe) wurde im Mai 1994 von der Bertelsmann Stiftung und der Hochschulrektorenkonferenz zur Initiierung und Unterstützung von Reformen im deutschen Hochschulwesen gegründet. Das ehe versteht sich als.,denkfabrik H und als Berater für das deutsche Hochschulsystem. Als gemeinnützige Institution definiert es politisch unabhängig Ziele, entwickelt Konzepte und lotet in Pilotprojekten gemeinsam mit Hochschulen und Bundesländern Gestaltungsspielräume aus. In dieser Eigenschaft und aufgrund der Beratungserfahrung in Hochschulgesetzgebungsverfahren deutscher Bundesländer nimmt das ehe auf Einladung des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur zum Begutachtungsentwurf für das geplante Universitätsgesetz 2002 Stellung. Diese Stellungnahme versteht sich in erster Linie als Anregung aus externer Perspektive, die nicht beanspruchen kann, die speziellen historischen, politischen und kulturellen Bedingungen des österreichischen Hochschulwesens zu berücksichtigen. Den Schwerpunkt bilden dabei vor dem Hintergrund der arbeitsstrategischen Ausrichtung des ehe Überlegungen zu universitären Organisations- und Leitungsstrukturen. I. Allgemeine Bewertung Der vorliegende Gesetzesentwurf beinhaltet wesentliche Elemente zur Herstellung der Vollrechtsfähigkeit der österreichischen Universitäten. Die geplanten Reformen erlauben ihnen weitgehende Gestaltungsfreiheiten und bedeuten eine begrüßenswerte Rücknahme staatlicher Steuerung und
37/SN-307/ME XXI. GP - Stellungnahme zu Entwurf (gescanntes Original) 3 von 7 Eingriffe. Im internationalen Vergleich bedeutet der Entwurf einen großen Schritt hin zu einer Autonomie der Universitäten. Dies äußert sich in der Organisationsstruktur, in den Willens bildungs- und Entscheidungsprozessen, in Haushaltsfragen ebenso wie in Personalangelegenheiten. Der Gesetzesentwurf schafft nach Auffassung des ehe beste Voraussetzungen fur ein international wettbewerbsfahiges und zukunftsorientiertes Hochschulwesen in Österreich. Gleichwohl enthält er stellenweise - etwa was die Berichtspflichten und die Vorschriften zu Zielvereinbarungen anbelangt -noch eine übertriebene Regelungsdichte, die einer optimalen Nutzung der geschaffenen Freiräume zur Entwicklung und Entfaltung der Hochschulen entgegenstehen und nach Auffassung des ehe vermieden werden könnte. 11. Besonders hervorzuhebende positive Elemente Die dreiteilige Leitungsstruktur ( 18) bestehend aus einem extern besetzten Universitätsrat, Rektorat und Senat verwirklicht die wünschenswerte Trennung von Entscheidungs-, Aufsichts- und Beratungsfunktionen und beinhaltet eine klare Zuordnung von Kompetenzen. Besonders begrüßenswert ist in diesem Zusammenhang die Gestaltungsfreiheit der Hochschule in ihrer inneren Organisation unterhalb der Senatsebene. So können tradierte disziplinäre Organisationsformen zur Disposition gestellt und flexible aufgabenbezogene Gliederungen entwickelt werden, die dem jeweiligen Profil der Universität am besten entsprechen. Das Prinzip der doppelten Legitimation des Rektors ( 21) durch das Zusammenspiel von Universitätsrat und Senat stärkt die Akzeptanz und Entscheidungsfahigkeit dieser Leitungsfunktion. Zu begrüßen ist weiterhin, dass das Rektorat ( 20) als Leitungsteam mit nicht weisungsgebundenen Vizerektoren konzipiert ist und so eine flexible, anforderungsgerechte Aufgabenteilung in diesem Organ der Universität möglich wird. In seiner Eigenschaft als Dienstvorgesetzter aller Angehörigen der Universität kann die Universität über das Amt des Rektors die bereits 2001 in Kraft getretenen Universitätslehrerdienstrecht enthaltene Personalautonomie ausüben. Durch die Beschlussfassung über den vom Rektor vorzulegenden Entwicklungs- sowie Organisationsplan verfugt der Universitätsrat ( 19) über die strategische Aufgabenstellung, die diesem Organ zukommen sollte. Besetzung und Aufgaben des Senats ( 24) erscheinendem ehe als überzeugend; insbesondere trägt das 25%ige Quorum fiir studentische Mitglieder deren Mitbestimmungsbelangen angemessen Rechnung, ohne die Stimmenmehrzahl der Pofessoren und die Rechte der anderen Gruppen auf Repräsentanz zu verletzen. Durch die Wahl von zwei externen Mitgliedern des Universitätsrats und die Beratungsfunktionen fiir Rektorat
4 von 7 37/SN-307/ME XXI. GP - Stellungnahme zu Entwurf (gescanntes Original) und Universitätsrat als wichtigsten Beschlussorganen nimmt der Senat wichtige Kontroll- und Mitbestimmungsfunktionen innerhalb der Hochschule adäquat wahr. In der Entwicklung vom Gestaltungsvorschlag zum Gesetzentwurf ist positiv festzustellen, dass die Vizerektoren ( 22) nunmehr auf Vorschlag des Rektors nach Anhörung des Senats vom Universitätsrat gewählt werden. Zu begrußen ist ferner, dass eine direkte Vertretung des Ministeriums im Universitätsrat nunmehr ausgeschlossen ist und das Ministerium zwei Mitglieder des Universitätsrats bestimmt, die keine Angehörige der Ministerialverwaltung oder der Regierung oder Mandatsträger sein dürfen. Der Abschluss von Leistungsvereinbarungen ( 11) zwischen Staat und Hochschule und die Einfiihrung von Zielvereinbarungen innerhalb der Hochschule (management by objectives) stellen wichtige und u.e. effiziente Steuerungs- und Koordinationsinstrumente im Hochschulwesen dar. Kosten-Leistungsrechnung, Leistungsberichte, Wissensbilanz, Evaluationen und ein Qualitätsmanagement ( 12-14) sind nützliche Instrumente, um die notwendige Transparenz in der Arbeit von Hochschulen herzustellen und auf der Grundlage von Stärken-Schwächenanalysen Verbesserungsmaßnahmen einzuleiten. Das ehe ist der Ansicht, dass die Einrichtung einer Schiedskommission zur Mediation von Konflikten innerhalb der Hochschule in der Form, wie sie in 38 vorgesehen ist, von beispielgebender Bedeutung sein kann, weil sie die Bereitschaft der Universitäten zur Selbststeuerung und Selbstverantwortung dokumentiert. In Bezug auf die studienrechtlichen Bestimmungen ist die verpflichtende Einruhrung der im Bologna-Prozess vereinbarten dreiphasigen Studienstruktur ( 49) ein geeignetes Verfahren, um klare Verhältnisse gerade rur die Studierenden und den Arbeitsmarkt zu schaffen. Der ausdrückliche Hinweis auf den Verbleib des Studienbeitrags an den Hochschulen ( 86, Abs. 6) kennzeichnet eine bedeutende Weiterentwicklung im Entwurf. Nur durch diese Regelung kann sichergestellt werden, dass der Studienbeitrag eine Anreizwirkung auf die Universitäten ausübt und die eingenommen Gelder zu Qualitätsverbesserungen, die den Studierenden zu Gute kommen, verwendet werden. Gleiches gilt im Übrigen analog rur die Forschung mit der Zusicherung, dass Einnahmen aus Drittmitteln die Höhe der staatlichen Zuweisungen nicht reduzieren ( 11, Abs.8). In. Überdenkenswerte Elemente und Verbesserungsvorscbläge
37/SN-307/ME XXI. GP - Stellungnahme zu Entwurf (gescanntes Original) 5 von 7 Für eine optimale Nutzung des im Gesetzesentwurf enthaltenen Autonomiepotenzials empfiehlt das CHE, folgende Aspekte einer weiteren kritischen Überprüfung zu unterziehen: Wie bereits im Gestaltungsvorschlag wird auch im vorliegenden Gesetzentwurf der Rektor auf der Basis eines Dreiervorschlags gewählt ( 19, 21, Abs. 3). Daraus könnte die Gefahr einer direkten Konfrontation zwischen Senat und Universitätsrat erwachsen, die letztendlich den Kandidaten schaden und dem Verhältnis zwischen Universitätsrat und Senat abträglich sein könnte. Zu empfehlen wäre statt dessen die Einrichtung einer Findungskommission, die aus Vertretern des Universitätsrats und des Senats besteht und bereits im Vorfeld einer förmlichen Entscheidung gemeinsam geeignete Kandidaten aussucht. Diese hätten dann in der öffentlichen Debatte die Akzeptanz bei der Gremien. Bedauernswerter Weise findet die im Gestaltungsvorschlag vorgesehene und nach CHE-Meinung vorbildliche Schiedsinstanz zur Vermittlung im Fall einer Nicht-Einigung zwischen Ministerium und Universität im Leistungsvereinbarungsprozess im Entwurf keine Erwähnung mehr. Dabei wäre gerade diese Instanz ein sinnvolles Instrument zur Herstellung wechselseitigen Vertrauens und zur Vermeidung von Spannungen, die das Verhältnis Staat-Hochschule insbesondere in Finanzierungsfragen dauerhaft belasten können. In Bezug auf die Leistungsvereinbarungen wäre die in 11 enthaltene pauschale Ermächtigung des Ministeriums, bis zu 1 % des Globalbudgets rur besondere Erfordernisse der Ergänzung der Leistungsvereinbarung einzubehalten, zu überdenken. Hier besteht die Gefahr, dass die begrüßenswerte Flexibilität und Reagibilität über einen finanziellen Mechanismus reduziert werden. Darüber hinaus ist der Leistungsvereinbarungskatalog im Vergleich zum Gestaltungsvorschlag fast unverändert hoch detailliert. Für eine Flexibilisierung des Verfahrens wäre es sinnvoller, den Katalog nicht im Universitäts gesetz festzuschreiben, sondern dort nur die Ermächtigung zum Abschluss von Leistungsvereinbarungen zu fixieren und andere Details in einer anderen Rechtsform (wie etwa einer Verordnung) nieder zu legen. Dies hätte nicht zuletzt den Vorteil, dass Lernprozesse, die nach allen Erfahrungen in Deutschland mit den Prozessen und den Inhalten von Leistungsvereinbarungen verbunden sind, leichter nutzbar gemacht werden können. Im Hinblick auf eine möglichst umfassende Autonomie der Hochschulen wäre es konsequent, den Universitäten auch die Verantwortung fur ihre Liegenschaften zu übertragen. Dies ist jedoch nicht vorgesehen (Erläuterungen, allgemeiner Teil, g.)
6 von 7 37/SN-307/ME XXI. GP - Stellungnahme zu Entwurf (gescanntes Original) Als überzogen und unnötig erscheinen ebenfalls die Auflagen zur Qualitätssicherung und zum Berichtswesen ( 12, 14). Auch hier wäre es empfehlenswert, Detailregelungen nicht im Gesetz festzulegen, sondern sich dort auf die Beschreibung von Rahmenanforderungen sowie darauf zu beschränken, die Hochschulen zum Aufbau und zur Pflege eines eigenen Qualitätsmonitoring zu verpflichten. Dies stärkt die Eigenverantwortung fiir Instrumente und Konzepte der Qualitätssicherung. Als zu weitreichend erscheint aus Sicht des ehe ebenfalls das starke Eingriffsrecht des Ministeriums durch die Anordnung externer Evaluationen ( 12). Eine solche Maßnahme schaffi: Misstrauen und steht der Selbststeuerung der Hochschule entgegen. Durch die Festlegung der Evaluationsbereiche in den Leistungsvereinbarungen und die Beschreibung der Maßnahmen in den Leistungsberichten erfiillt das Ministerium bereits zentrale Aufsichtspflichten ( 11). Kritisch ist in einem auf Wettbewerb ausgerichteten System die Regelung des Hochschulzugangs ( 58) zu bewerten. Über das Recht, die Studierenden selbst auszuwählen, kann eine Nachfrageorientierung des Studienangebots erreicht werden. So entstehen zum einen Anreizeffekte auf Seiten der Hochschulen; zum anderen können die Universitäten den Hochschulzugang direkt in den Dienst der Profilbildung stellen. Ähnlich problematisch erscheint die Festlegung des Studienbeitrags im Gesetz ( 86). Eine Differenzierung der Beitragshöhe nach Studiengängen, Standorten und unterschiedlichen Angeboten nach Maßgabe eigenverantwortlicher Entscheidungen der Universitäten ist so nicht möglich und verhindert wünschenswerte Effekte wie eine Förderung des Wettbewerbs Überlegungen zur strategischen Positionierung der einzelnen Hochschulen. Der Gesetzgeber sollte die Höhe der Studien beiträge daher in die Entscheidungskompetenz der Universitäten legen, gegebenenfalls im Rahmen vorgegebener Bandbreiten. Berufungspolitik ist die Grundlage jeder erfolgreichen Hochschulentwicklung. Die Ausgestaltung von Berufungsverfahren muss eine effektive, profilorientierte und proaktive Personalpolitik der Universitäten ermöglichen. Die Vorgaben im Gesetzentwurf ( 93) weisen in dieser Hinsicht einige Schwächen auf. Die Ausrichtung (Denomination) aller Professuren ist im Entwicklungsplan niedergelegt, den der Universitätsrat auf Vorschlag des Rektorats und nach Stellungnahme des Senats beschließt. Damit werden eine EinzelfallpTÜfung und flexible Umorientierung bei der Neu- oder Wiederbesetzung vakanter Professuren empfindlich erschwert. Zu empfehlen wäre eine wesentlich aktivere Rolle des Rektorats, aber auch des Universitätsrates,
37/SN-307/ME XXI. GP - Stellungnahme zu Entwurf (gescanntes Original) 7 von 7 in Berufungsvorgängen, beginnend mit der Entscheidung über die fachliche Ausrichtung einer Professur bis zur Bewerberauswahl, damit strategische Aspekte der Hochschulentwicklung, die Gesamtinteressen der Institution und die "Entdeckung von Lücken" in deren Leistungsportfolio die notwendige Aufmerksamkeit in Berufungsverfahren erfahren. Nach dem im Gesetzentwurf vorgesehenen Regelungen obliegt die Erstellung einer Vorschlagsliste für die Berufungsentscheidung durch den Rektor allein dem Senat, und das auch nur mittelbar über die Bestellung der vier Gutachter. Die von diesen erarbeitete Vorschlagsliste wird von keinem weiteren Organ der Universität - Universitätsrat, Rektorat oder Senat - beraten und beschlossen. Wenn drei der vier Gutachter Externe sein sollen, kommt darin zudem ein starkes Misstrauen gegenüber der Eigenverantwortung der Universitäten im innersten Kernbereich ihrer akademischen Aufgaben zum Ausdruck. Die Regelung birgt die Gefahr in sich, dass den Bedürfuissen der Universität und ihrer Fächer nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Eine bessere Alternative auch für die Qualitätssicherung in Berufungsentscheidungen wäre wiederum die stärkere Mitwirkung des Rektorats und des Universitätsrates an der Erstellung einer Vorschlagsliste. Bei Rückfragen stehen wir selbstverständlich gern zur Verrugung.