Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs nur dann, wenn das Opfer es bemerkt; Raub und Raubversuch in Tateinheit



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Transkript:

22, 25, 240, 249, 250 StGB Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs nur dann, wenn das Opfer es bemerkt; Raub und Raubversuch in Tateinheit BGH, Beschl. v. 08.11.2011 3 StR 316/11 Leitsätze Das Verwenden einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeuges als Drohungsmittel bei 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass die Drohung von dem Bedrohten wahrgenommen wird. Wird dasselbe Zwangsmittel gegen verschiedene Personen eingesetzt, so stehen die dadurch verwirklichten Raubdelikte wegen ihres Charakters als Tatbestände zum Schutz des höchstpersönlichen Rechtsguts der Willensfreiheit in Tateinheit zueinander. (Leitsätze des Bearbeiters) Fall A und B überfielen zusammen mit dem Y aufgrund eines gemeinsamen Tatplans nachts auf offener Straße zwei Passanten, um an Wertsachen zu kommen. Während Y dem K ein Teppichmesser an den Hals hielt und der A dessen Taschen durchwühlte, forderte der B von der L die Herausgabe von deren Handtasche. Die L hatte das Teppichmesser nicht gesehen, was A, B und Y ihrerseits nicht wussten. L gab aber dennoch aufgrund der von ihr als gefährlich und bedrohlich eingeschätzten Situation die Handtasche heraus. Daraus entnahm B nach kurzem Suchen das Portemonnaie mit 50 Bargeld, Kreditund EC-Karten und Ausweispapieren. Die Tasche gab er L zurück. Währenddessen gelang es dem K, an einem Haus die Klingel zu betätigen. Beim Erscheinen einer Person in der Haustür flüchteten die Täter aus Angst vor der Polizei, ohne K etwas weggenommen zu haben. Strafbarkeit von A, B und Y? Die 30, 239 a, b StGB sind nicht zu prüfen. Hier ist wieder einer der Fälle, die Sie bald im Examen wiedersehen. Wetten, dass? Aufbau: Wegen der unterschiedlichen Handlungen ist nach den jeweiligen Opfern zu trennen. Eine gemeinsame Prüfung der drei als Mittäter empfiehlt sich (zunächst) nicht, da Y am Geschehen gegenüber K nicht unmittelbar mitwirkt. Sprechen Sie den Auslegungsstreit zum Wegnahmebegriff bei 249 StGB stets an. Handelt es sich wie vorliegend um einen klaren Fall, genügen kurze Ausführungen. Ausführlich dazu AS-Skript Strafrecht BT 1 [2011], Rdnr. 392 ff. Entscheidung 1. Teil: Taten zum Nachteil des K A. Strafbarkeit von A und Y I. A und Y könnten einen versuchten Raub gemäß 249, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB begangen haben, indem Y dem K das Teppichmesser an den Hals hielt und A dessen Taschen durchwühlte. 1. Der Raub ist mangels Wegnahme gegenüber K nicht vollendet und als Verbrechen in der Begehung des Versuchs strafbar, 23 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB. 2. Beide hatten den Tatentschluss, als Mittäter arbeitsteilig handelnd durch den Einsatz des Teppichmessers den K mit dem Tode zu bedrohen und dadurch Wertgegenstände an sich zu bringen. Diese Wertsachen im Eigentum des K wären für Y und A fremde bewegliche Sachen gewesen. Die Auslegung des Merkmals Wegnahme beim Raubtatbestand ist umstritten. Ein großer Teil des Schrifttums stellt dafür in Parallele zu 242 StGB auf die innere Willensrichtung des Opfers ab (Sch/Sch/Eser/Bosch, 28. Aufl. 2010, 249 Rdnr. 2). Danach ist die Wegnahme gegeben, weil K den Gewahrsamsverlust in dem Bewusstsein dulden sollte, diesen bei Verwirklichung der Drohung nicht verhindern zu können. Nach ständiger Rspr. und einem anderen Teil des Schrifttums kommt es auf den äußeren Vorgang an (BGHSt 14, 386, 390; LK-Vogel, 12. Aufl. 2010, 249 Rdnr. 29). Danach zeigt das Durchwühlen der Taschen durch A, dass der Tatplan der beiden Mittäter auf eine eigenmächtige Gewahrsamserlangung und nicht auf ein Gebenlassen der Beute durch K gerichtet war. Somit hatten A und Y nach allen Ansichten Wegnahmeentschluss. Beide handelten zudem mit dem Ziel, die Sachen für sich zu behalten oder zu verwerten, also in der Absicht rechtswidriger Zueignung. 3. Der tatplangemäße Versuchsbeginn gemäß 22 StGB lag in dem Vorhalten des Messers als Teilverwirklichung des Raubes. 22

RÜ 1/2012 4. Rechtswidrigkeit und Schuld sind gegeben. 5. Ein strafbefreiender Rücktritt nach 24 Abs. 2 S. 1 StGB scheidet aus, weil die Tataufgabe aus Angst vor der Polizei den Versuch entweder zum Fehlschlag machte oder die Freiwilligkeit der Vollendungsverhinderung. A und Y sind strafbar wegen versuchten Raubes. II. Der Raubversuch könnte nach 250 Abs. 2 Nr. 1, 2. Alt. StGB qualifiziert sein. 1. Das Tatmittel des gefährlichen Werkzeugs setzt nach allgemeiner Ansicht voraus, dass der Gegenstand überhaupt irgendein objektives Gefahrenpotenzial aufweist. Das ist bei einem Teppichmesser wegen der Gefahr lebensgefährlicher Schnittverletzungen zu bejahen. Handelt es sich um einen Alltagsoder Gebrauchsgegenstand, ist umstritten ob die Gefährlichkeit darüber hinaus objektiv oder nach dem konkreten Gebrauchswillen bestimmt werden muss (vgl. zum Streit ausführlich BGH, Beschl. v. 03.06.2008 3 StR 246/07, RÜ 2008, 577, wonach für Gebrauchsmesser mit längerer Klinge die objektive Gefährlichkeit genügt). Einigkeit besteht jedoch darüber, dass jeder Gegenstand mit Verletzungspotenzial durch den konkreten Einsatz zum gefährlichen Werkzeug gemacht werden kann (vgl. Fischer, 58. Aufl. 2011, 250 Rdnr. 21). Hier wurde dem K das Teppichmesser an den Hals gehalten. Es fungierte damit nicht mehr als Gebrauchsgegenstand, sondern als Waffenersatz. 2. Die Tathandlung des Verwendens verlangt, dass der fragliche Gegenstand als willensbeugendes Raubmittel zum Einsatz kommt. Dafür genügt es, dass mit dem dem Gegenstand innewohnenden Gefahrenpotenzial gedroht wird und das Opfer den Gegenstand wahrgenommen hat (vgl. BGH, Urt. v. 08.05. 2008 3 StR 102/08, NStZ 2008, 687). K sollte dadurch dass ihm das Messer an den Hals gehalten wurde, Angst vor einem tödlichen Schnitt oder Stich haben, und er hat die Klinge an seinem Hals gespürt. Y hat es damit gemeinschaftlich mit A verwendet. [6] Daneben belegen die Feststellungen einen versuchten besonders schweren Raub gemäß 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23 StGB zum Nachteil des Zeugen K., denn gegenüber diesem Zeugen verwendeten die Angeklagten ein gefährliches Werkzeug, indem sie ihm das Teppichmesser an den Hals hielten. Insoweit wurde die Tat indes nicht vollendet, weil die Angeklagten nach dem Erscheinen einer weiteren Person ohne Beute flüchteten. 3. A und Y handelten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Sie sind wegen versuchten besonders schweren Raubes zu bestrafen. III. Zugleich haben A und Y einen versuchten schweren Raub gemäß 249, 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 2. Alt. 22, 23, 25 Abs. 2 StGB verwirklicht, der jedoch von der schwereren Qualifikation des 250 Abs. 2 StGB im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt wird. IV. Eine versuchte, besonders schwere räuberische Erpressung gemäß 253, 255, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB zum Nachteil des K ist nach Auffassung des Schrifttums wegen der vorliegenden Wegnahme schon tatbestandlich nicht erfüllt (Lackner/Kühl, 27. Aufl. 2011, 255 Rdnr. 2). Die Rspr. sieht in dem Raubversuch eine versuchte räuberische Erpressung als miterfüllt an, lässt sie aber hinter dem für spezieller erachteten Raubversuch zurücktreten (vgl. BGH b. Holtz, MDR 1992, 17, 18). V. Auch die mitverwirklichten Delikte des versuchten Diebstahls gemäß 242, 22, 23 StGB, der Nötigung gem. 240 StGB sowie der Bedrohung gemäß 241 StGB treten hinter dem spezielleren Raubversuch zurück. Vgl. zum Streit AS-Skript Strafrecht AT 2 [2011], Rdnr. 180. Prüfen Sie in einer Klausur im Zusammenhang mit gefährlichen Werkzeugen stets 250 Abs. 2 Nr. 1 vor 250 Abs. 1 Nr. 1 a StGB. Ergibt sich die Gefährlichkeit nämlich schon aus dem konkreten Gebrauch, muss der Streit zur Gefährlichkeit bei bloßem Beisichführen nicht mehr entschieden werden. 23

B. Strafbarkeit von B B könnte einen ebenso versuchten besonders schweren Raub gemäß 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB zum Nachteil des K begangen, als er die L überfiel. Das Handeln von A und Y wird ihm nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß 25 Abs. 2 StGB zugerechnet, da alle drei einen gemeinsamen Tatplan zu den Überfällen gefasst hatten und entsprechend arbeitsteilig gegen die Opfer vorgingen. Zwischenergebnis: A, B und Y sind strafbar wegen versuchten, besonders schweren Raubes in Mittäterschaft. 2. Teil: Taten zum Nachteil der L Die Prüfung der Handtasche als Behältnis ist wichtiger als man zunächst glaubt, da die Handtasche zugleich das Behältnis für die später entwendeten Wertsachen war und L die Handtasche herausgegeben hat. Sieht man in diesem Vorgang bereits den Gewahrsamsverlust am Inhalt, müsste die Rspr. von ihrem Standpunkt aus Raub am Inhalt durch das spätere eigenmächtige Entnehmen der Wertgegenstände ablehnen, da der Gewahrsamswechsel zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogen war. Der BGH bejaht Raub an den Wertgegenständen, ohne die Frage der Wegnahme zu präzisieren oder zu begründen. Hier liegt ein Schwachpunkt der Entscheidung. Das Ergebnis ist vom Rspr.-Standpunkt nur plausibel, wenn in der vorher erfolgten Herausgabe der Tasche noch kein Gewahrsamswechsel an Behältnis und Inhalt gesehen wird. Die allerdings nicht zweifelsfreie Begründung dafür kann in einer bloßen Gewahrsamslockerung gesehen werden. Dann ist es möglich, den eigentlichen Gewahrsamsverlust an den Wertgegenständen in dem Moment zu sehen, in dem sie B eigenmächtig an sich nahm. Darin liegt dann auch nach der Rspr. das für 249 StGB erforderliche Nehmen (s. III). In einer Klausur könnte man nach der Raub- und Erpressungskonzeption der Rspr. auch vertreten, den Raub am Tascheninhalt zu verneinen und bereits die Herausgabe der Tasche als das vermögensschädigende Tun i.s.d. 253, 255 StGB bzgl. des Tascheninhalts anzusehen. Das Schrifttum wäre nicht gehindert, bereits in der äußeren Hergabe der Tasche zugleich den Beginn der Wegnahme des Portemonnaies mitsamt Inhalt i.s.v. 249 StGB zu sehen. I. A, B und Y könnten einen gemeinschaftlichen Raub an der Handtasche gemäß 249, 25 Abs. 2 StGB begangen haben, als sie sich diese aushändigen ließen. 1. Soweit A und Y den K mit dem Teppichmesser bedrohten, scheidet dieses als Raubmittel gegenüber der L aus, da diese Bedrohung die L nicht erreicht hat. Drohung erfordert, dass der Bedrohte in diese Zwangslage versetzt wird, mithin Kenntnis von der Drohung erlangt (BGH NJW 2004, 3437). Allerdings lag durch das gesamte Auftreten der Täter auch ihr gegenüber eine schlüssige Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben vor, da sie die Gesamtsituation als gefährlich und bedrohlich erfasst hatte. 2. Die Tasche stand im Eigentum der L, war also für A, B und Y eine fremde bewegliche Sache. 3. Infolge dieser Drohung gab die L die Tasche heraus. Ob trotz einer Mitwirkungshandlung des Opfers noch Raubwegnahme vorliegen kann, ist innerhalb des Raubverständnissees von Rspr. und Lit. umstritten. Darauf kommt es jedoch nicht an: Da die Täter an der Tasche kein Interesse hatten und diese nur kurzfristig zum Zweck der Durchsuchung in Händen halten wollten, hat L durch die Hergabe nur eine Gewahrsamslockerung und noch nicht einmal einen Verlust ihres Gewahrsams bewirkt. II. Fraglich ist, ob eine gemeinschaftliche räuberische Erpressung gemäß 253, 255, 25 Abs. 2 StGB bzgl. der Tasche angenommen werden kann. 1. Das dafür erforderliche qualifizierte Zwangsmittel liegt in der schlüssigen Drohung gegenüber L mit gegenwärtiger Leibes- und Lebensgefahr. 2. Ob in der Aushändigung der Tasche eine vermögensmindernde Handlung i.s.d. Erpressungstatbestandes liegt, ist zweifelhaft. a) Das Schrifttum müsste dies schon deshalb verneinen, weil in der Gewahrsamslockerung in dem Bewusstsein, sich nicht dagegen wehren zu können, nicht die von dieser Auffassung geforderte Vermögensverfügung i.s.e. notwendigen Mitwirkungsaktes liegt. b) Für die Rspr. kann die Hergabe einer Sache ein tatbestandliches Tun sein. Danach fehlt es aber an der Vermögensminderung, weil der Besitzverlust nur kurzfristig war. III. A, B und Y könnten einen gemeinschaftlichen Raub gemäß 249, 25 Abs. 2 StGB hinsichtlich der Wertsachen begangen haben, indem B unter dem Eindruck der Drohung den Inhalt der Tasche an sich brachte. 1. Die Täter bedrohten die L bei dem Überfall gemeinschaftlich mit Lebensbzw. Leibesgefahr (s.o.). 24

RÜ 1/2012 2. Die 50 Bargeld, die Kredit- und EC-Karten sowie Ausweispapiere waren für sie fremde bewegliche Sachen. 3. Der Gewahrsamsverlust daran vollzog sich in dem Moment, als B den Inhalt aus der Tasche holte. Dieses eigenmächtige Tun ist sowohl nach der Rspr. als auch nach der Lit. Wegnahme i.s.d. Raubes, die sich Y und A aufgrund der Gemeinschaftlichkeit ihres Handelns wie eine eigene zurechnen lassen müssen. 4. Vorsatz, Absicht rechtswidriger Zueignung, Rechtswidrigkeit und Schuld liegen bei allen drei Mittätern vor. A, B und Y sind wegen gemeinschaftlichen vollendeten Raubes strafbar. IV. Fraglich ist, ob sie gemäß 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB das Teppichmesser, das vorliegend in seiner konkreten Nutzung als ein anderes gefährliches Werkzeug anzusehen ist, auch bei der Tat gegenüber L verwendeten. Vordergründig betrachtet könnte dies bejaht werden, wenn bei der Tat auch das Verhalten gegenüber K erfassen würde. Dagegen spricht jedoch, dass L das Teppichmesser gar nicht gesehen hat. [5] Eine Waffe oder wie hier ein anderes gefährliches Werkzeug wird nur dann im Sinne von 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB,bei der Tat verwendet, wenn der Täter den Gegenstand als Raubmittel zweckgerichtet einsetzt und wenn das Opfer die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben mittels des Gegenstandes wahrnimmt und somit in die entsprechende qualifizierte Zwangslage versetzt wird (BGH, Beschluss vom 1. September 2004 2 StR 313/04, BGHR StGB 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 5). Da die Zeugin L. das Teppichmesser nicht bemerkte, wurde es bei der Tat ihr gegenüber nicht als Drohmittel verwendet. Damit scheidet eine Strafbarkeit wegen besonders schweren Raubes aus. V. Der gegenüber L gemeinschaftlich begangene Raub könnte als schwerer Raub gemäß 250 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, 2. Alt., 25 Abs. 2 StGB qualifiziert sein. 1. Spätestens durch den Gebrauch gegenüber K ist das Teppichmesser zum gefährlichen Werkzeug geworden, und zwar entweder weil man dies allein aus der objektiven Gefährlichkeit ableitet oder aus der realisierten Verwendungsabsicht. 2. Für die Tathandlung des Beisichführens genügt es, dass der Täter den Gegenstand so zur Verfügung hat, dass er sich seiner jederzeit und ohne nennenswerte Schwierigkeiten bedienen kann. [5] Bei dieser Tatqualifikation wird eine Kenntnis des Opfers von der Existenz des gefährlichen Werkzeugs nicht vorausgesetzt. Die Täter handelten vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Damit haben sich A, B und Y wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes strafbar gemacht. VI. Infrage kommt noch ein gemeinschaftlicher versuchter besonders schwerer Raub gemäß 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, 25 Abs. 2 StGB. Da A, B und Y nicht erkannt hatten, dass L von dem Angriff mit dem Teppichmesser auf K keine Kenntnis hatte, sie aber zugleich davon ausgingen, mit dem Verwenden des Teppichmessers gegenüber K auch die L auszurauben, hatten sie Tatentschluss für eine Verwendung des gefährlichen Werkzeugs auch gegenüber der L. Zu dessen Ausführung haben sie nach ihrer Tatvorstellung unmittelbar angesetzt, als sie das Teppichmesser K an den Hals hielten. A, B und Y haben einen versuchten besonders schweren Raub gemäß 249, 250 Abs. 2 Nr. 1, 22, 23, 25 Abs. 2 StGB verwirklicht. Vom BGH in der vorliegenden Entscheidung ebenfalls nicht erörtert. 25

Trotz der höheren Strafdrohung tritt der Versuch des besonders schweren Raubes hinter dem vollendeten schweren Raub zurück (BGH, Beschl. v. 01.09. 2004 2 StR 313/04, NJW 2004, 3437; a.a. Gössel JR 2005, 159, 160). VII. Ebenfalls im Wege der Gesetzeskonkurrenz tritt die nach der Rspr. mitverwirklichte gemeinschaftliche (schwere) räuberische Erpressung gemäß 253, 250, 250 StGB zurück. VIII. Dasselbe gilt für die mitverwirklichten Delikte des Diebstahls gemäß 242 StGB, der Nötigung gemäß 240 StGB sowie der Bedrohung gemäß 241 StGB. C. Konkurrenzen zwischen den Delikten zum Nachteil K und zum Nachteil L [7] Der vollendete schwere Raub zum Nachteil der Zeugin L. und der versuchte besonders schwere Raub zum Nachteil des Zeugen K. stehen im Verhältnis der Idealkonkurrenz, 52 StGB. Anders als in den Fällen, in denen sich die Tat nur gegen ein Opfer richtet, tritt hier der versuchte besonders schwere Raub nicht hinter dem vollendeten schweren Raub zurück. Raub und räuberische Erpressung sind Willensbeugungsdelikte. In das höchstpersönliche Rechtsgut der Willensfreiheit haben die Angeklagten zum Nachteil beider Zeugen eingegriffen. Wer durch eine Handlung höchstpersönliche Rechtsgüter von mehreren Personen angreift, begeht dadurch die gleiche Tat mehrmals (BGH, Urteil vom 28. April 1992 1 StR 148/92, BGHR StGB 253 Abs. 1 Konkurrenzen 2). Wenn der Täter mehrere Personen an der Ausübung von Widerstand gegen eine Wegnahme hindern will, ist der Tatbestand mehrfach erfüllt (BGH aao für den Fall der Nötigung mehrerer Personen zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung). Hieraus ergibt sich, dass auch in Fällen wie dem vorliegenden die angemessene Bewertung des Tatunrechts die Annahme von Tateinheit erfordert. Ergebnis: A, B und Y sind wegen gemeinschaftlichen versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gemeinschaftlichem schwerem Raub strafbar. Dr. Rolf Krüger 26