Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Mit dem im Jahr 2006 offiziell in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz kurz AGG kommt der deutsche Gesetzgeber seinen Verpflichtungen zur Umsetzung europäischer Richtlinien nach. Vor allem eine Signalwirkung gegen Antidiskriminierung ist angestrebt. Und so bedürfe es wenn es nach dem Gesetzgeber geht zu einer wirksamen und dauerhaften Überwindung von Benachteiligungen grundlegende Änderungen im Verhalten und in der Einstellung jedes Einzelnen. Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen im Arbeitsleben sind schon immer sensible Themen, die den Arbeitsalltag begleiten. Seien es Fragen zur gleichen Entlohnung von Männern und Frauen, zur Integration von behinderten Menschen und von Migranten oder Strategien zur Vermeidung von Mobbing und Belästigung: oftmals ist nicht ganz klar, ob überhaupt ein Tatbestand vorliegt und welche rechtlichen Möglichkeiten Betroffene haben, um Benachteiligungen entgegenzuwirken. Mit dem AGG sollen derartige Rechtslücken geschlossen werden. Trotz der mittlerweile vieljährigen Praxiserprobung des Gesetzes sind Fragen zur Diskriminierung nach wie vor ganz heiße Eisen (Abb. 1). Im Rahmen einer Studie zum Thema Diskriminierung in Deutschland und Europa halten 60% der befragten Bürger Deutschlands Diskriminierungen aufgrund der ethnischen Herkunft für sehr verbreitet. Dieses Bild deckt sich mit den Antworten der Befragten aus den europäischen Nachbarstaaten. Auch die Frage zur gleichen Vergütung der Arbeit von Frauen und Männern ist längst nicht beantwortet. Zwar ist eine ungleiche Bezahlung größtenteils strukturell bedingt durch die vielfach schlechtere Bezahlung typischer Frauenberufe, doch auch bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit werden Frauen nicht selten schlechter entlohnt. So liegt der geschlechtsspezifische Lohnabstand in Deutschland bei etwa 22% und damit über dem europäischen Schnitt. Im Arbeitsleben besteht allgemein eine große Unsicherheit und Unkenntnis über Fragen zur Gleichbehandlung. Gemäß einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2015 verfügt knapp die Hälfte der befragten Unternehmen z.b. über keine Beschwerdestelle, die für sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz zuständig ist. Man könnte die Liste an statistischen Zahlen noch weiter fortführen sie würde indes nur belegen, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer noch ein ganzes Stück vor sich haben auf dem Weg zur Gleichbehandlung aller Personengruppen, so wie es das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorsieht. Abb. 1: Was versteht man unter Diskriminierung? Mit dem (umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannten) Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz sollen Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der 1

Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindert und beseitigt werden (Abb. 2). Abb. 2: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Damit dies geschehen kann, erhalten die von dem Gesetz geschützten Personen bestimmte Rechte gegenüber dem Arbeitgeber und gegenüber Mitarbeitern, wenn diese gegen die formulierten Diskriminierungsverbote verstoßen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Gesetz nicht in allen Lebenslagen Anwendung findet und auch nicht grundsätzlich eine Ungleichbehandlung ausschließt, denn diese Ungleichbehandlung bezieht sich auf spezielle Merkmale, auf die wir noch zu sprechen kommen werden. die für Arbeitnehmer und Arbeitgeber relevanten Themen praxisnah aufarbeiten. Wir werden uns zunächst ansehen, welche Ziele das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz überhaupt verfolgt und werfen dabei einen Blick auf die schon angesprochenen Merkmale, die von einer Diskriminierung oder Ungleichbehandlung nach dem Gesetz betroffen sind. Aber auch die Frage, für wen das Gesetz überhaupt Gültigkeit hat, soll an dieser Stelle beantwortet werden. Die genannten Diskriminierungsmerkmale kommen in ganz unterschiedlicher Ausprägung am Arbeitsplatz zum Vorschein. Welche Formen der Benachteiligung gibt es eigentlich? Wir erörtern, was es mit unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung, mit allgemeiner und sexueller Belästigung und mit der Anweisung zur Benachteiligung auf sich hat. Welche Rechte haben von Diskriminierungen Betroffene? Wie sollen sie sich verhalten und wen können sie ansprechen? Wir werden sehen, dass die Rechte der Betroffenen mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zwar erweitert wurden, dass dabei aber nicht außer Acht gelassen werden darf, das Verhalten der erlebten Situation anzupassen oder anders gesagt: nicht jedes Recht ist auf jede Form der Benachteiligung anwendbar. Da diese Entscheidungen nicht immer ganz einfach sind, tritt den Betroffenen an dieser Stelle etwa die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beratend zur Seite. Diese wird im Zweifelsfall auch auf Ausnahmen zu vorher definierten Diskriminierungstatbeständen Auskunft geben können, denn in bestimmten Situationen sind Ungleichbehandlungen nicht nur ausdrücklich erlaubt, sondern sogar erwünscht. Wir werden uns ansehen, welche dies sind. Abb. 3: Inhalt des Moduls In diesem Modul möchten wir nicht jeden Paragrafen des Gesetzes einzeln interpretieren, sondern möglichst in einem Gesamtkontext 2 Stellenausschreibungen und Bewerbungsverfahren sind häufige Angriffspunkte, wenn es um Vorwürfe der Ungleichbehandlung geht. Was ist bei der Formulierung von Stellenanzeigen zu beachten? Nach welchen Kriterien sollte bei der Bewerberwahl vorgegangen werden? Welche Fragen sind in Bewerbungsgesprächen erlaubt und welche verboten? Wir beschäftigen uns am Ende des Kurses mit den

organisatorischen Maßnahmen, die der Arbeitgeber im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zu veranlassen und umzusetzen hat. Herkunft, Kultur, Bräuche, Traditionen, Religion und/oder durch ein gemeinsames Erscheinungsbild auszeichnen. Somit verfolgt dieses Modul zum einen das Ziel, über die Rechte der von Benachteiligungen betroffenen Personen zu informieren, zum anderen aber insbesondere den Ansatz, Benachteiligungen und Diskriminierungen erst gar nicht aufkommen zu lassen. Abb. 5: Rasse und ethnische Herkunft (Ethnie) Abb. 4: Acht geschützte Merkmale Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz untersagt nicht generell die unterschiedliche Behandlung von Beschäftigten. Allerdings ist die ungerechtfertigte Benachteiligung dann unzulässig, wenn gegen eines der insgesamt acht schützenswerten Merkmale verstoßen wird (Abb. 4). Genau diese Merkmale, die Sie hier abgebildet sehen, sind Inhalt des Gesetzes. Es handelt sich um die Kriterien Rasse, ethnische Herkunft, Religion, Weltanschauung, Alter, sexuelle Identität, Behinderung und Geschlecht. Verstöße gegen diese Merkmale können arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, auch wenn in einigen Fällen Ausnahmen zu beachten sind. So spricht man von einer unzulässigen Benachteiligung z.b. dann, wenn eine Mitarbeiterin nicht mit einer Kollegin zusammenarbeiten will, nur weil diese ein Kopftuch trägt. Dies wäre eine unzulässige Benachteiligung aufgrund der ethnischen Herkunft. Abb. 6: Religion und Weltanschauung Grund genug, dass wir uns die einzelnen Merkmale ein wenig näher ansehen. Im Arbeitsleben darf die Hautfarbe, die Abstammung oder die Muttersprache keine Rolle spielen (Abb. 5). Benachteiligungen, die sich aus einer anderen Sprache, Kultur oder Herkunft ergeben, sind inakzeptabel. In diesem Zusammenhang wird unter Ethnie eine abgrenzbare Gruppe von Menschen verstanden, die sich durch eine gemeinsame Sprache, Geschichte, 3 In eine ganz ähnliche Richtung zielen die Merkmale Religion und Weltanschauung. Nach dem deutschen Grundgesetz kann jeder Mensch seine Religion frei wählen. Der Glaube ist Privatsache und wird durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschützt. Während sich der Begriff Religion immer in Zusammenhang bringen lässt mit einer außerweltlichen Macht, die Einfluss auf das Leben der

Menschen nimmt, so bezeichnet der Begriff Weltanschauung die Erklärung der Welt ohne den Rückgriff auf Gott oder ein Jenseits. Davon unabhängig ist ein grundsätzliches Verbot von Benachteiligungen, die sich aus diesen Merkmalen ergeben. Auf eine Ausnahme kommen wir noch zu sprechen. Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst also etwa bei der Caritas oder der Diakonie gelten hier einige Besonderheiten bezüglich einer ungleichen Behandlung. Abb. 8: Behinderung Abb. 7: Geschlecht Bedenken Sie, dass das Vorliegen eines Schwerbehindertenausweises nicht erforderlich ist, um eine Behinderung als solche zu kennzeichnen. Es besteht jedoch ein Unterschied zwischen einer Behinderung und einer Krankheit. So fallen etwa Spiel- oder Alkoholsucht oder ein Armbruch in die Kategorie Krankheit und werden vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz als solche nicht ausdrücklich geschützt. Grundsätzlich haben Frauen und Männer die gleichen Rechte am Arbeitsplatz und im Berufsleben allgemein (Abb. 7). Niemand darf im Arbeitsleben aufgrund des Geschlechts benachteiligt werden und zwar weder unmittelbar noch mittelbar. Dabei schließt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz auch Formen der Belästigung (insbesondere der sexuellen Belästigung) ausdrücklich mit ein. Frauen und Männer haben in einer gleichen Position bei vergleichbarer Tätigkeit und Qualifikation Anspruch auf die gleiche Vergütung. Die ungerechtfertigte Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen wird ebenfalls durch das AGG geschützt (Abb. 8). Behinderungen können dabei körperlicher, geistiger oder seelischer Art sein. Sie liegt in der Regel dann vor, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung länger als sechs Monate andauert und für das jeweilige Lebensalter untypisch ist. Darüber hinaus wird durch die Art und den Grad der Behinderung die Teilnahme am Arbeitsleben beeinträchtigt. Abb. 9: Sexuelle Identität Niemand darf wegen seiner sexuellen Orientierung im Rechtsleben benachteiligt werden dies gilt auch für das Arbeitsrecht (Abb. 9)! Mit dem Merkmal der sexuellen Identität werden die unterschiedlichen Formen der sexuellen Ausrichtung wie Hetero-, Homo- oder Bisexualität erfasst und geschützt. 4

diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten. Es ist somit festzuhalten, das im Grunde genommen alle Kollegen und Vorgesetzten, mit denen Sie es im Arbeitsleben zu tun haben, unter das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz fallen. Im AGG sind damit auch Selbstständige, Organmitglieder, Geschäftsführer und Vorstände angesprochen, soweit die Bedingungen für die Erwerbstätigkeit vorliegen. Abb. 10: Alter Eine Gleichbehandlung und Chancengleichheit muss auch bestehen für Menschen unterschiedlichen Alters. Nicht nur ältere Beschäftigte müssen geschützt werden; auch jüngere Mitarbeiter/innen dürfen nicht benachteiligt werden! Auch hier kann es wie wir noch sehen werden zu (allerdings positiven) Ausnahmen kommen, wenn etwa Förderprogramme für den Wiedereinstieg in den Beruf speziell für ältere Beschäftigte zum Tragen kommen. Abb. 12: Formen der Benachteiligung Abb. 11: Anwendungsbereich des AGG Wobei damit noch nicht ganz geklärt ist, für wen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz eigentlich nun gilt (Abb. 11). In 6 des AGG heißt es hierzu: Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind 1. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, 2. die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten und 3. Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu 5 Was ist eigentlich eine Benachteiligung? Wir verwendeten den Begriff bislang synonym mit Ungleichbehandlung und Diskriminierung. Bezugnehmend auf die geschützten Merkmale des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes versteht man unter einer Benachteiligung die schlechtere Behandlung eines Menschen bzw. Beschäftigten wegen eines oder mehrerer dieser geschützten Merkmale (Abb. 12). Dies kann sich ganz unterschiedlich äußern: in abfälligen Bemerkungen zwischen Kollegen, in ungleichen Aufstiegschancen im Beruf, in Ausgrenzungen, in Mobbing und in körperlichen als auch seelischen Belästigungen. Dabei ist es oft nicht einfach, Benachteiligungen auf den ersten Blick zu erkennen, da sie nicht immer offen zutage treten. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz unterscheidet die folgenden Formen von Benachteiligungen: unmittelbare Benachteiligungen, mittelbare Benachteiligungen, Belästigungen, sexuelle Belästigungen und Anweisungen zur Benachteiligung. Wir werden uns im Folgenden mit diesen verschiedenen Formen etwas

näher auseinandersetzen. Etwas schwieriger gestaltet sich die Sachlage bei einer mittelbaren Benachteiligung, da sie nicht zustande kommt aufgrund direkter, zielgerichteter Handlungen zwischen zwei Personen (Abb. 14). Diese Form der Benachteiligung liegt dann vor, wenn eine Regelung oder Maßnahme im Unternehmen zwar scheinbar neutral ist, jedoch Angehörige einer Gruppe besonders benachteiligen kann, ohne dass es hierfür einen sachlichen Grund gibt. Abb. 13: Die unmittelbare Benachteiligung Eine unmittelbare Benachteiligung liegt dann vor, wenn eine Person eine schlechtere Behandlung als eine Vergleichsperson erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (Abb. 13). Der Grund für diese Benachteiligung liegt im Verstoß gegen eines oder mehrerer durch das AGG geschützter Merkmale, also etwa der Religion, der Herkunft, des Geschlechts usw. Man spricht hier auch von einer direkten oder offenen Benachteiligung. Nehmen wir uns dazu ein Beispiel vor: Eine Muslimin bewirbt sich im Städtischen Krankenhaus als Arzthelferin. Sie wird abgelehnt, weil sie ein Kopftuch trägt. Damit liegt eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit vor. Ähnlich verhält es sich auch mit einer ungünstigeren Behandlung einer Frau wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft. Dieser Fall ist in 3 des AGG sogar ausdrücklich geschildert. Abb. 14: Die mittelbare Benachteiligung Im Beispiel aus Abb. 14 ist in der Ausschreibung einer Stelle als Küchenhilfe in einem Altenheim vorgesehen, dass alle Bewerber bzw. Bewerberinnen einen Deutsch-Test absolviert haben müssen, obwohl Deutschkenntnisse für die Ausübung dieser Tätigkeit überhaupt nicht erforderlich sind. Mittelbare Benachteiligungen betreffen somit in der Regel nicht eine Einzelperson, sondern eine begrenzte Personengruppe. Nichtsdestotrotz liegt hier eine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor, da hier offensichtlich gegen ein geschütztes Merkmal verstoßen wird. Eine unmittelbare Benachteiligung eines Beschäftigten im Berufsalltag lässt sich häufig recht gut beobachten, da sie entweder direkt durch ein zielgerichtetes, diskriminierendes Handeln erfolgt oder aber durch die bewusste Unterlassung einer gebotenen Handlung. Abb. 15: Die Belästigung 6

Eine Belästigung aufgrund einer nach dem AGG geschützten Diskriminierungskategorie ist immer unzulässig (Abb. 15). Man spricht von einer Belästigung, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. Eine unerwünschte Verhaltensweise bewirkt, die Würde der betroffenen Person zu verletzen. 2. Infolge der Belästigung entsteht ein Umfeld, das von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnet ist. 3. Die Belästigung steht in Zusammenhang mit einer der geschützten Diskriminierungskategorien. motiviertes Verhalten die Würde eines Menschen verletzt oder verletzen kann. Zu den sexuellen Belästigungen zählen obszöne Äußerungen, unerwünschte körperliche Berührungen sexuellen Inhalts, E-Mails mit pornographischen Darstellungen, Aufforderungen zu sexuellen Handlungen und natürlich unerwünschte sexuelle Handlungen selbst. Eine sexuelle Belästigung setzt kein wiederholtes Verhalten voraus, so dass bereits ein einmaliges Fehlverhalten ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist. Wenn eine Mitarbeiterin, wie in diesem Beispiel, von ihrem Vorgesetzten permanent ohne ihr Einverständnis geduzt wird, kann dies bereits den Tatbestand einer Belästigung nach dem AGG erfüllen. Abb. 17: Die Anweisung zur Benachteiligung Abb. 16: Mobbing und sexuelle Belästigung Eine besondere Form der Belästigung ist das Mobbing. Hier geht die Belästigung in der Regel nicht von einer einzelnen Person aus, sondern gleich von mehreren Personen. So sind ständige rassistische Bemerkungen wegen einer bestimmten ethnischen Herkunft durch Kollegen und Vorgesetzte eine Belästigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Dabei ist zu beachten, dass dabei ein Fehlverhalten von einer gewissen Dauer erforderlich ist; ein Fehltritt also ein einmaliges widriges Verhalten stellt so gesehen noch keine Belästigung dar. Dies ist allerdings anders bei einer sexuellen Belästigung. Sie ist eine besondere Form der Belästigung, in der unerwünschtes, sexuell 7 Ebenfalls in den Anwendungsbereich des AGG fällt die schriftliche oder mündliche Anweisung zu einer Benachteiligung (Abb. 17). Sie liegt dann vor, wenn der Dienstgeber Mitarbeiter anweist, bestimmte Personen zu benachteiligen. Wenn z.b. die Heimleitung den Personalchef anweist, behinderte Beschäftigte grundsätzlich nicht zu befördern, so stellt dieses Vorgehen eine Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz dar. Dabei ist es unerheblich, ob die Anweisung auch tatsächlich ausgeführt wird, d.h. ob wirklich eine Benachteiligung einer Person eintritt. Wie lassen sich Fälle von Benachteiligungen eigentlich beweisen? Ist ein Beweis überhaupt erforderlich und wer kann diesen in welcher Form erbringen? Beweise für Benachteiligungen sind oftmals nur schwer zu erbringen, vor allem dann, wenn keine schriftlichen Dokumente vorliegen und keine Zeugen zu finden sind. Den Nachweis über eine Benachteiligung hat aber der jeweils Betroffene zu erbringen;

allerdings sind hierbei Beweiserleichterungen vorgesehen. So reicht es in der Regel zunächst aus, überhaupt Anhaltspunkte für eine Benachteiligung vorzubringen. Die andere Partei trägt dann die Beweislast nachzuweisen, dass keine Ungleichbehandlung vorgelegen hat bzw. vorliegt oder diese Ungleichbehandlung gerechtfertigt war. In 22 des AGG heißt es dazu konkret: Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat. Sind in einem konkreten Fall eine oder gar beide Aussagen gültig, so verfügt der Betroffene über mehrere Möglichkeiten, seine Rechte durchzusetzen. Es handelt sich dabei um das Beschwerderecht, das Leistungsverweigerungsrecht und das Recht auf Schadensersatz und Anspruch auf Entschädigung. Nicht alle Rechte stehen jedem Betroffenem in jeder Situation in vollem Umfang zur Verfügung. Wir werden uns also im Folgenden anschauen, was es mit den einzelnen Ansprüchen auf sich hat (Abb. 19). Abb. 19: Rechte der Betroffenen Abb. 18: Rechtsfolgen einer Benachteiligung Die Frage nach dem Beweis für eine Benachteiligung führt uns zu der Frage, welche rechtlichen Folgen mit Ungleichbehandlungen verbunden sind, sowohl für den Verursacher als auch für den Betroffenen. Aus welchen Tatbeständen leiten sich Rechtsfolgen nach dem AGG ab? Unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten lassen sich zusammenfassend zwei grundlegende Aussagen treffen: 1. Diskriminierende Bestimmungen in Vereinbarungen und Verträgen sind unwirksam. Und 2. Ungerechtfertigte Benachteiligungen durch den Dienstgeber oder durch seine Beschäftigten stellen eine Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten dar. Die Beschäftigten haben das Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten wegen eines in 1 genannten Grundes benachteiligt fühlen. Abb. 20: Das Beschwerderecht 8

Die Beschwerde ist zu prüfen und das Ergebnis der oder dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen. (Abb. 20) Welche Stelle in Ihrem Unternehmen die Beschwerden entgegennimmt und bearbeitet, entscheidet der Dienstgeber. Grundsätzlich sollte aber auch die Mitarbeitervertretung als Ansprechpartner zuständig sein. Mit einer Beschwerde soll zunächst einmal offengelegt werden, dass eine Benachteiligung stattgefunden hat, stattfindet oder stattfinden wird. Die Beschwerde zielt dabei auf die Beseitigung der Benachteiligung bzw. ihre Unterlassung. Aber auch weitere Rechte lassen sich im Zuge einer Beschwerde geltend machen. Abb. 21: Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes Abb. 22: Das Leistungsverweigerungsrecht In bestimmten Fällen nämlich bei Belästigungen und sexuellen Belästigungen haben die Arbeitnehmer das Recht, ihre Tätigkeit ohne Verlust ihrer Vergütung einzustellen. Man bezeichnet dies als Leistungsverweigerungsrecht (Abb. 22). Beachten Sie aber, dass dies nur möglich ist, wenn der Dienstgeber keine oder ungeeignete Maßnahmen ergreift, um die Belästigung zu unterbinden. Da es im Zweifelsfall für einen Beschäftigten schwerfallen wird, über die Wirksamkeit von eingeleiteten Maßnahmen zu urteilen, ist hier die Rücksprache mit der Mitarbeitervertretung oder einer externen Stelle empfehlenswert, bevor Sie von Ihrem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch machen. Auch externe Stellen wie etwa Antidiskriminierungsverbände kümmern sich um die Anliegen der von Ungleichbehandlungen Betroffenen. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist eine unabhängige Anlaufstelle für Menschen, die von Diskriminierungen betroffen sind (Abb. 21). Sie wurde mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes eingerichtet und informiert über Ansprüche der Betroffenen und über Möglichkeiten des rechtlichen Vorgehens bei Benachteiligungen. Sie vermittelt zwischen verschiedenen Beratungsstellen und strebt im Einzelfall eine gütliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten an. Die Antidiskriminierungsstelle beteiligt sich auch an wissenschaftlichen Untersuchungen und Studien und entwickelt Maßnahmen zur Verhinderung von Benachteiligungen. 9 Abb. 23: Entschädigung und Schadensersatz Nach 15 AGG haben die Betroffenen mitunter Anspruch auf Schadensersatz oder Entschädigung: Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber

verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen (Abb. 23). Vermögensschäden liegen insbesondere dann vor, wenn mit der Benachteiligung gehaltsmäßige Einbußen verknüpft waren, die im Zuge von Schadensersatzansprüchen wieder eingeholt werden sollen. Zum Ausgleich anderer, nicht-monetärer Ansprüche werden Entschädigungen, also Schmerzensgeld geleistet. Sollten Sie einmal in diese Situation geraten, müssen Sie bestimmte Fristen beachten, wenn Sie Schadensersatz- oder Schmerzensgeldansprüche stellen wollen. Ganz gleich, ob und welche Rechte Sie im Falle einer Benachteiligung in Anspruch nehmen möchten oder ob Sie sich weigern, eine Anweisung auszuführen, die dem AGG entgegenspricht, Sie dürfen deswegen vom Dienstgeber nicht benachteiligt werden. Man spricht hier auch vom Maßregelungsverbot. manchmal nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Wieso werden nicht-behinderte Mitarbeiter durch längere Pausenzeiten von Beschäftigten mit einer Behinderung nicht diskriminiert? Warum werden jüngere Mitarbeiter nicht diskriminiert, wenn älteren Beschäftigten zwei zusätzliche Urlaubstage zustehen? Warum werden Männer durch Frauenparkplätze nicht diskriminiert? Der Gesetzgeber hat eingesehen, dass eine zwangsweise Gleichbehandlung nicht nur im Arbeitsleben kaum möglich ist und hat daher vier Fallgruppen definiert, in denen sehr wohl Ungleichbehandlungen vorkommen können und diese auch legitim sind. Es sind dies: 1. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen, 2. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen der Religion oder der Weltanschauung, 3. Zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters und 4. sogenannte positive Maßnahmen zur Verhinderung oder zum Ausgleich von Benachteiligungen. Auch hier schauen wir uns die Ausnahmen der Reihe nach an. Abb. 24: Wann sind Ausnahmen zulässig? Abb. 25: Ausnahme: berufliche Anforderungen Wir hatten eingangs des Moduls bereits erwähnt, dass die acht durch das AGG geschützten Merkmale Benachteiligungen zwar eindeutig kennzeichnen, dass es jedoch im Einzelfall Ausnahmen zu ansonsten festen Regelungen gibt (Abb. 24). In bestimmten Situationen gelten Benachteiligungsverbote also nicht absolut Ungleichbehandlungen sind Eine unterschiedliche Behandlung ist dann zulässig, wenn besondere Anforderungen an eine Arbeitsstelle oder eine Tätigkeit gestellt werden. Ohne die Erfüllung dieser Anforderungen kann die Arbeit nicht oder nur wesentlich schlechter ausgeführt werden. Im Beispiel sucht ein Pflegedienst für die Auslieferung des fahrbaren Mittagstisches einen Fahrer. Hier ist 10

es zulässig, einen körperlich behinderten Mitarbeiter etwa einen Rollstuhlfahrer von dieser Tätigkeit auszuschließen, etwa aus dem Grund, dass die Mahlzeiten bisweilen in den ersten oder zweiten Stock geliefert werden müssen. Ebenso können in Stellenausschreibungen Männer von der Funktion des Gleichstellungsbeauftragten ausgeschlossen werden, da nur Frauen als Stelleninhaber die Beweggründe von anderen Frauen wirklich nachvollziehen können. Diese Ausnahme betrifft allerdings weniger das AGG selbst, als vielmehr das deutsche Grundgesetz. Abb. 27: Ausnahme: Alter Abb. 26: Ausnahme: Religion und Weltanschauung Bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften, den ihnen zugeordneten Einrichtungen und durch Vereinigungen, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer bestimmten Religion oder Weltanschauung zu Aufgabe gemacht haben, ist eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Merkmals Religion und Weltanschauung zulässig. Zum Beispiel kann von einem leitenden Angestellten der Caritas verlangt werden, dass dieser sich mit den Grundwerten der katholischen Kirche identifiziert und diese auch nach außen bekennt. So können also Bewerber aus Herkunftsländern ausgeschlossen werden, die in einem Konfliktverhältnis etwa zu einer katholischen Beratungsstelle stehen. Die ethnische Zugehörigkeit kann gerade hier der Maßstab sein, durch den sich ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Berater und dem zu Beratenden entwickelt. Auch zu einer zulässigen unterschiedlichen Behandlung wegen des Alters bezieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz Stellung. Ungleichbehandlungen wegen des Alters sind danach zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sind. Diese etwas schwammige Formulierung wird im Folgenden präzisiert und schließt Folgendes ein: besondere Bedingungen für die Entlohnung, für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, aus Fürsorgepflichten, aufgrund von Mindestanforderungen an das Alter und an die Berufserfahrung, durch die Festlegung eines Höchstalters aufgrund spezifische Ausbildungsanforderungen oder aufgrund der Notwendigkeit einer langen Einarbeitungszeit, um nur einige Ausnahmen zu nennen. Entscheidend ist hier die Legitimität, die diesen Einschränkungen zugrunde liegt. Die Beschränkungen dürfen nicht konstruiert werden, um Personengruppen eines bestimmten Alters per se zu diskriminieren. Und schließlich sind Ungleichbehandlungen auch dann zulässig, wenn durch geeignete und angemessene Maßnahmen bestehende Nachteile aufgrund des Alters, des Geschlechts, einer Behinderung usw. verhindert oder ausgeglichen werden sollen. 11

sie von externen Stellen (z.b. Personalberatungsagenturen) erstellt werden. Abb. 28: Ausnahme: positive Maßnahmen Es handelt sich dabei um gezielte Maßnahmen zur Förderung bestimmter Mitarbeitergruppen. So kann es erlaubt sein, für die Besetzung der Pforte in einem Krankenhaus einem behinderten Bewerber bei gleicher Eignung den Vorzug zu geben vor einem nicht-behinderten Bewerber. Wie Sie vielleicht bemerkt haben, setzen viele Ausnahmen im Berufsleben bereits bei der Stellenbesetzung an, d.h. bei der Stellenausschreibung und beim Bewerbungsverfahren. Wir werden daher gleich auf diese beiden Fälle noch näher zu sprechen kommen. Für alle im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz definierten Ausnahmen gilt jedoch: Der Dienstgeber sollte sich genau überlegen, in welchen Fällen er von den Ausnahmen Gebrauch macht. In jedem Fall sollten Ungleichbehandlungen sehr gut begründet werden können. Abb. 29: Stellenausschreibungen Passagen, die den geschützten Merkmalen des AGG widersprechen, können als unzulässige Benachteiligungen angefochten werden. Dabei sind es oft Formulierungen, die sich quasi als Standard in Stellenausschreibungen eingeschlichen haben, die rechtlich zumindest bedenklich sind. Achten Sie doch einmal darauf, ob Sie die folgenden Hinweise beachten: Erstens. Formulieren Sie Ihre Anzeigen geschlechtsneutral, also so, dass sich sowohl Frauen als auch Männer angesprochen fühlen. Über Ausnahmen zu dieser Regel haben wir bereits gesprochen. Bei der Ausschreibung einer Stelle als Gleichstellungsbeauftragte können Sie auf die männliche Bezeichnung verzichten. Es geschieht sehr häufig, dass Stellensuchende durch eine Formulierung in einer Stellenanzeige von vornherein ausgeschlossen werden, sei es aufgrund der ethnischen Herkunft, einer Behinderung, des Geschlechts, des Alters oder der Religion. Dies ist natürlich nicht im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, das jede benachteiligende Formulierung in Stellenausschreibungen verbietet. Also sollten Sie bei der Erstellung von Anzeigen sehr gut darauf achten, wie diese formuliert sind (Abb. 29). Dabei spielt es auch keine Rolle, ob der Dienstgeber die Anzeigen selbst verfasst bzw. Mitarbeiter aus der Personalabteilung oder ob 12 Zweitens. Vermeiden Sie die Angabe eines bestimmten Lebensalters, sofern es auch hier keine zwingenden, legitimen Ausnahmen gibt. Für die Formulierung gesucht bis 40 Jahre bedarf es schon schlüssiger Argumente, um nicht ältere Bewerber zu diskriminieren. Drittens. Vermeiden Sie auch Formulierungen wie z.b. deutschstämmig, um sich nicht den Vorwurf ethnischer Ungleichbehandlungen auszusetzen. Viertens. Vermeiden Sie Angaben zu einer fest

definierten Berufserfahrung (z.b. mit mindestens dreijähriger Berufserfahrung). Besser ist hier eine neutralere Formulierung wie etwa mit einschlägiger Berufserfahrung. Fünftens. Auch auf doppeldeutige Aussagen wie etwa in guter körperlicher Konstitution, die wenig Konkretes aussagen und nur zu Missinterpretationen führen werden, können Sie ruhigen Gewissens verzichten. Und sechstens. Bitten Sie nicht ausdrücklich um die Übersendung eines Bewerberfotos. Dies könnte dahingehend ausgelegt werden, dass bereits im Vorfeld Bewerber aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder einer sichtbaren Behinderung ausgeschlossen werden sollen. Verwenden Sie lieber die Formulierung Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftigen Bewerbungsunterlagen oder Ähnliches. Sie merken, dass in Stellenausschreibungen viele Fallstricke lauern, über die man sich bei der Erstellung nicht unbedingt gezielt Gedanken macht und die einem auch ohne böse Absichten schnell zum Verhängnis werden können. Aber es gibt natürlich auch Aussagen, die auf den ersten Blick diskriminierend erscheinen, jedoch nach dem AGG durchaus zulässig sind. Die Formulierung Bei gleicher Qualifikation geben wir behinderten Mitarbeitern den Vorzug stellt eine Ausnahme im Sinne einer positiven Maßnahme also der Förderung einer besonders benachteiligten Personengruppe dar. Abb. 30: Personalauswahl Nachdem vermutlich mehrere Bewerbungen für eine ausgeschriebene Stelle bei Ihnen eingegangen sein werden, stellt sich nun die Frage der Bewerber- bzw. Personalauswahl. Wie gelingt es Ihnen unter den Gesichtspunkten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes eine rechtlich einwandfreie Auswahl zu treffen? Auch hier gibt es einige Dinge zu beachten, die aber schon mit ein wenig gesundem Menschenverstand hergeleitet werden können. Erstens. Aus Beweisgründen sollten mindestens zwei Personen des Arbeitgebers an dem Personalauswahlverfahren beteiligt sein. Damit gerät ein einzelner Verantwortlicher nicht in unnötigen Erklärungszwang, falls es mal Unklarheiten bezüglich der Entscheidung gibt. Zweitens. Definieren Sie die wichtigsten objektiven Anforderungen an die zu besetzende Stelle! Das Hauptaugenmerk liegt hier auf dem Wort objektiv. Formulieren Sie also am besten vor der Sichtung der Bewerbungen allgemeine Kriterien, die Stelleninhaber für ihre zukünftige Arbeit unbedingt mitbringen müssen. Dabei hilft Ihnen drittens ein standardisierter Fragebogen, der eine objektive Einschätzung der Bewerber ermöglicht. Und viertens. Auch wenn sich dies augenscheinlich diskriminierend anhört: Eine Vorauswahl aufgrund des Erscheinungsbilds der Bewerbung (also bezüglich Ordentlichkeit und Vollständigkeit) ist zulässig. Dies lässt Rückschlüsse darauf zu, mit welcher sorgfältiger Arbeit seitens des Bewerbers zu rechnen sein wird. Aber was sind denn nun objektive Kriterien bei der Wahl der richtigen Stellenbesetzung? Objektiv sind die Kriterien eigentlich dann, wenn sie nicht gegen die Grundsätze des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes verstoßen (Abb. 31). Dazu zählen harte Faktoren wie etwa Zeugnisnoten, der berufliche Werdegang und die Qualifikationen für eine fachliche Eignung, aber auch weiche Faktoren wie Ausstrahlung, Teamfähigkeit, Sozialkompetenz, Auftreten und Kommunikationsfähigkeit. 13

Abb. 31: Auswahlkriterien Die letztgenannten weichen Faktoren treten wohl in der Regel erst im Bewerbungsgespräch zutage. Somit werfen wir auch einen Blick auch auf diesen wichtigen Schritt im Personalauswahlverfahren. ein rein objektives Kriterium, das der Stelleninhaber möglicherweise bereits erfüllen muss. Mit Einschränkungen sind auch Fragen zur Religionszugehörigkeit zulässig. Die Frage Sind sie katholisch? stellt bei kirchlichen Trägern wie gezeigt eine Ausnahme zum AGG dar. Problematisch wird es hingegen, wenn Ihre Fragen konkret auf die geschützten Merkmale des AGG Bezug nehmen, z.b. Steht bei Ihnen eine Schwangerschaft bevor?, die direkt zu einer Benachteiligung nach dem Geschlecht führen würde. Die Zulässigkeit der Frage nach einer Behinderung ist von der jeweiligen Situation abhängig. So kann diese Frage durchaus erlaubt und sinnvoll sein, wenn es um die besondere Förderung dieses Personenkreises geht (siehe positive Maßnahmen) oder wenn eine Nicht-Behinderung eine zwingende Voraussetzung für den Job darstellt. Abb. 32: Bewerbungsgespräch Welche Fragen sind in einem Bewerbungsgespräch eigentlich erlaubt? Auch hier lautet die eigentlich ganz simple Antwort: alle Fragen, die nicht gegen die geschützten Merkmale des AGG verstoßen (Abb 32). Welche wären das denn konkret? Zulässig sind etwa Fragen zu erworbenen Fremdsprachen- oder EDV-Kenntnissen und zu Auslandsaufenthalten. Auch nach Erfahrungen bspw. zur Kundenkommunikation sind erlaubt, vor allem dann, wenn die angestrebte Arbeitsstelle einen starken Kundenbezug aufweist. Dann handelt es sich hierbei sogar um 14 Abb. 33: Organisationspflichten des Arbeitgebers Wir nähern uns nun allmählich dem Ende dieses Moduls und möchten abschließend noch die wichtigsten Aspekte aus Sicht des Arbeitgebers zusammenfassen. Welche organisatorischen Maßnahmen muss und sollte der Dienstgeber ergreifen, um Benachteiligungen möglichst wirksam zu verhindern oder zu bekämpfen? Und wie verhält sich der Arbeitgeber richtig bei Verstößen gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz? Fangen wir mit den Organisationspflichten an, von denen bereits zuvor zumindest ansatzweise die Rede war. So darf ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß des AGG ausgeschrieben

werden. Damit hatten wir uns soeben beschäftigt. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die erforderlichen (auch vorbeugenden) Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen zu treffen. Welche dies im Einzelfall sind, hängt auch von der Art und der Organisation des Unternehmens ab. Auf jeden Fall zählt dazu, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über die Unzulässigkeit von Benachteiligungen zu informieren und zu schulen. Dies kann durch einen Aushang am schwarzen Brett, durch den Versand entsprechender E-Mails oder durch eigene Unterweisungen geschehen. Bei Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot hat der Dienstgeber angemessene Maßnahmen zu ergreifen. Darauf kommen wir gleich zu sprechen. Und werden Beschäftigte durch Dritte (also z.b. Kunden, Besucher oder Lieferanten der Einrichtung) benachteiligt, so hat der Dienstgeber Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen. die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu egreifen. Welche Maßnahmen nun bei welchem Vergehen die richtigen sind, hängt ganz von der Schwere des Vorfalls und vom Grad der Benachteiligung ab (Abb. 34). Vor allem Benachteiligungen, die von Vorgesetzten ausgehen, sind besonders kritisch zu würdigen und nur in besonders leichten Fällen mit einer Ermahnung abgetan. Unabhängig von der Art und Höhe der zu ergreifenden Maßnahmen ist aber vor allem das aktive Handel ein ganz wichtiges Mittel, um künftig Ungleichbehandlungen vorzubeugen. Dies ist sowohl im Interesse der Beschäftigten als auch des Dienstgebers. Sie haben gesehen, dass Ungleichbehandlungen im Arbeitsleben weitreichende Formen einnehmen können und auch an Stellen auftauchen können, von denen man es am wenigsten vermuten würde. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz soll wesentlich dazu beitragen, Benachteilungen weitgehend vorzubeugen und eine rechtliche Grundlage für Maßnahmen zu schaffen. Abb. 34: Maßnahmen bei Verstößen Trotz aller prophylaktischen Maßnahmen ist eine Benachteiligung z.b. unter Kollegen nie ganz auszuschließen. Wie verhält sich der Arbeitgeber richtig im Umgang mit Beschwerden hinsichtlich Verletzungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes? Welche Möglichkeiten der Intervention und Bestrafung stehen im in welcher Situation überhaupt zur Verfügung? In 12 Abs.3 des AGG heißt es: Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, so hat der Arbeitgeber 15