Grenzen der Medizin? Referat von Dr. theol. Luzius Müller Ein heikles Unterfangen...
Ethik als Wahrnehmungswissenschaft und Vermittlungswissenschaft Angewandte Ethik fasst die bestehende gute Praxis in Begriffe und macht sie so verhandelbar und vermittelbar!
Übersicht 1. Grundfrage: Grenzen der Medizin? 2. Was bedeutet Sinn? 3. Objektiver Sinn: Welcher Nutzen? Welche Belastungen? 4. Subjektiver Sinn: ein theologischer Gesundheitsbegriff
1. Grenzen der Medizin Grenzen der medizinischen Machbarkeit: Kein ethisches Problem Grenzen der Finanzierbarkeit: Ein grosses ethisches Problem: Auf welchem Niveau leisten wir uns eine solidarisch finanzierte medizinische Versorgung? Grenzen des Sinns medizinischer Behandlungen? DAS ethische Problem - v.a. in der Altersmedizin...?
2. Was bedeutet Sinn? - Der Begriff Sinn (sinnvoll, sinnhaft) bezeichnet die Beziehung einer konkreten, kontingenten Situation zu einer grösseren, übergeordneten, absoluten Ordnungsvorstellung (Massstäbe, Referenzsysteme etc.) - Wir leben mit verschiedenen Vorstellungen von Sinn! Hans Muster 1921-2014 Peter Beispiel 1981-2014
3. Objektiver Sinn? - Als medizinisch sinnvoll (indiziert) gelten Behandlungen, die einen guten Nutzen erwarten lassen (Evidenz) bei geringer Belastungen (Risiken) - Güterabwägung - ethisch relevante Begriffe: Nutzen und Belastung gut und gering
3. Obj. Sinn: Welcher Nutzen bzw. Belastung? - Orientierung am idealen Menschen : Gesundheit? - Orientierung am gewohnten Partizipationsverhalten realer Personen: erstellen/erhalten der Fähigkeit zur selbstbestimmten Teilnahme an habitueller Kommunikation und Kooperation - Selbstbestimmte Teilnahme!
3. Obj. Sinn: Welcher Nutzen bzw. Belastung? Nutzen: Welche Möglichkeiten zur Befähigung der selbstbestimmten Teilnahme an Kommunikation und Kooperation können durch eine Behandlung wieder gewonnen werden? Belastung: Welche Möglichkeiten zur Befähigung der selbstbestimmten Teilnahme an Kommunikation und Kooperation gehen durch eine Behandlung für welchen Zeitraum verloren? Das chronologische Alter ist a priori nicht massgebend, wohl aber das biologische Alter ( Patientenalter ) und Habitus der Person Geringe Lebenserwartung: Belastungsumfang wesentlich, weil Dauer des Nutzens begrenzt: Therapieevaluation! Palliativ Medizin und Palliative care als Option
3. Obj. Sinn: Nutzen-Belastungsabschätzung Nutzen: hypothetisch, später faktisch 0 Mitteleinsatz Belastung: faktisch und hypothetisch
4. Subjektiver Sinn Karl Barth (1886 1968) Bedeutenster Theologe des 20. Jh. KD Bd. III Lehre von der Schöpfung (12. Das Gebot des Schöpfers 55 Freiheit zum Leben 1. Ehrfurcht vor dem Leben)
4. Subjektiver Sinn - nicht medizinischer Gesundheitsbegriff: Gesundheit ist die eigenste Kraft zum eigensten Menschsein (Zitat 1) Krankheit ist aber nicht (...) notwendig Unkraft zum eigenen Menschsein. - Ist Gesundheit die eigensten Kraft zum eigensten Menschsein - und also eine höchst subjektive Grösse so ergibt sich eine Skepsis gegen Medizin als objektive Wissenschaft! (Zitat 2) - Medizin leistet einen Beitrag zur Erhaltung der eigenen Kraft zum eigenen Menschsein indem sie physische und psychische Leiden bekämpft. - Gesundheit im Sinne der eigensten Kraft zum eigensten Menschsein finden Menschen jedoch auch jenseits der Medizin, denn sie können auch ohne Medizin Menschen sein.
4. Subjektiver Sinn Massgebend für die Grenzen der Medizin sind nebst objektiven Abwägungen auch der subjektive Patientenwille. Der Patientenwille wird sich u.a. aus subjektiven Vorstellungen zum eigenen biographische Alter ( Sinn der eigenen Biographie) ergeben. Relevant ist dabei die dem biographischen Alter entsprechende selbstbestimmten Teilnahme an habitueller Kooperation und Kommunikation (nicht objektiv antizipierbar!). Offensive Wünsche mittels objektiver Abwägung prüfen Defensive Wünsche respektieren (Bsp.) schwierige Gefühle nicht wegzubehandeln versuchen