Procain zur Anwendung am äußeren Gehörgang Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 27. Juni 2017 Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 1
Antrag Antrag auf Unterstellung unter die Verschreibungspflicht von Procain zur Anwendung am äußeren Gehörgang durch Erweiterung der bisherigen Position zu Procain (Ergänzung unterstrichen): - ausgenommen Arzneimittel zur parenteralen Anwendung ohne Zusatz weiterer arzneilich wirksamer Bestandteile in Konzentrationen bis zu 2 % zur intrakutanen Anwendung an der gesunden Haut im Rahmen der Neuraltherapie - - ausgenommen Arzneimittel zum Aufbringen auf die Haut oder Schleimhaut, außer zur Anwendung am Auge und am äußeren Gehörgang - Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 2
Historie I Procainhaltige Ohrentropfen sind seit Jahrzehnten in Deutschland verfügbar ebenso lidocainhaltige Ohrentropfen. Präparate wurden im Rahmen von Nachzulassungsverfahren bewertet Einschränkung der Anwendungsgebiete und Festlegung, dass die Anwendung nur bei intaktem Trommelfell erfolgen darf. Anträge des BfArM in der Vergangenheit auf Unterstellung unter die Verschreibungspflicht von Lidocain und Procain zur Anwendung am äußeren Gehörgang Begründung: ärztliche Konsultation vor der Anwendung der Ohrentropfen zur Abklärung eines möglichen Trommelfelldefekts erforderlich. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 3
Historie II Antrag zu Lidocain wurde auf der 53. Sitzung des Sachverständigen- Ausschusses am 29. Juni 2004 beraten, dem Antrag wurde mehrheitlich zugestimmt. Lidocain zur Anwendung am äußeren Gehörgang ist seit dem 1. Mai 2005 verschreibungspflichtig. Antrag zu Procain wurde auf der 55. Sitzung des Sachverständigen- Ausschusses am 28. Juni 2005 beraten, dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Procain zur Anwendung am äußeren Gehörgang ist nicht verschreibungspflichtig. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 4
Zulassungsstatus und Indikation in Deutschland Derzeit nur zwei (identische) Arzneimittel zur Anwendung am Ohr mit dem Wirkstoff Procain zugelassen: Kombinationsarzneimittel mit den Wirkstoffen Procain (10 mg/g) und Phenazon (50 mg/g) Otalgan und Otolab Ohrentropfen, gleicher Zulassungsinhaber Indikation: "Zur örtlichen symptomatischen Behandlung von Schmerzen am äußeren Gehörgang, d. h. bei äußeren Ohrenentzündungen sowie bei akuter Mittelohrentzündung. Die Anwendung darf nur bei unverletztem Trommelfell erfolgen. Der Antragsteller hat derzeit keine Zulassung für ein Arzneimittel zur Anwendung am Ohr mit dem Wirkstoff Procain sondern hat ein solches in der Entwicklung. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 5
Wirkstoffe und pharmakologische Wirkungen Procain ist ein relativ kurz wirkendes Lokalanästhetikum, das zur Oberflächenanästhesie eingesetzt werden kann. Procain gehört zur Gruppe der Aminobenzoesäureester. Phenazon ist ein Pyrazolonderivat mit analgetischer, antipyretischer und geringer antiphlogistischer Wirkung. Die Kombinationsarzneimittel sind derzeit verschreibungsfrei, da weder Procain noch Phenazon zur Anwendung am Ohr verschreibungspflichtig sind. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 6
Nebenwirkungen und Risiken Nationale UAW-Datenbank: 11 Meldungen für die Wirkstoffkombination Procain/Phenazon zur Anwendung am Ohr: 10 Meldungen betreffen allergische Reaktionen oder lokale Irritationen, Keine Hinweise auf ototoxische Reaktionen. Risikofaktor nicht intaktes Trommelfell Möglichkeit einer Innenohrschädigung wurde wiederholt auch für zahlreiche Substanzen, die normalerweise nicht als ototoxisch eingestuft werden, diskutiert. Arzneimittel können auf aus dem Mittelohr in das Innenohr vordringen und dann in relativ hohen Konzentrationen direkt auf die Strukturen des Innenohrs einwirken. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 7
Diskussion I Antragsbegründung: die sichere Anwendung von procainhaltigen Ohrentropfen sei nur bei einer Verschreibungspflicht gewährleistet: die Ursache der Ohrenschmerzen könne falsch beurteilt werden und ein Therapieversuch gefährlich sein ABER: eine Reihe verschreibungsfreier Medikamente zur systemischen Anwendung bei akuten Schmerzuständen sind verfügbar dem Patienten wird hier zugestanden, dass er selbst die Situation beurteilen und unter Beachtung der Hinweise der Produktinformation (z. B. Beschränkung der Anwendungsdauer) verantwortlich diese Arzneimittel einsetzen kann. Ohrenschmerzen sind eher selten Symptom einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 8
Diskussion II Der derzeit einzige Zulassungsinhaber für procainhaltige Ohrentropfen in Deutschland hat eine Stellungnahme zum Antrag eingereicht: spricht sich gegen eine Unterstellung unter die Verschreibungspflicht aus sieht für Lidocain zur Anwendung am Ohr im Vergleich zu Procain sowohl ein ototoxisches als auch ein mutagenes und ein kanzerogenes Risiko - Risiken werden nicht mit Daten belegt - BfArM teilt Auffassung nicht Derzeit liegen keine Daten vor, die ein ototoxisches Potential belegen. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 9
Fazit In den mehr als zehn Jahren seit der Empfehlung des Sachverständigen- Ausschusses, Procain zur Anwendung am äußeren Gehörgang nicht der Verschreibungspflicht zu unterstellen, sind dem BfArM keine Daten bekannt geworden, die zeigen, dass die Selbstmedikation dieser Arzneimittel problematisch sei und gesundheitliche Risiken birgt. Die seit 2005 gemachten Erfahrungen lassen keine Risiken erkennen, die zum jetzigen Zeitpunkt eine Unterstellung unter die Verschreibungspflicht für notwendig erachten lassen. Nach Ansicht des BfArM kann die derzeit bestehende Positionsformulierung zu Procain unverändert bestehen bleiben. Sachverständigen-Ausschuss für Verschreibungspflicht 17. Juni 2017 Seite 10