Geschlecht als sozialer Platzanweiser? Gender Gaps in Bildung und Arbeitsmarkt

Ähnliche Dokumente
Wirtschaft trifft Gleichstellung - Frauen in der Arbeitswelt am 6. Dezember 2012

Frauen auf dem Sprung! Sie wollen alles Kind, Karriere, Unabhängigkeit Ergebnisse der Brigitte-Studie zu Lebensentwürfen junger Frauen

Chancen und Risiken im Übergang von der Schule in den Beruf

Frauen und Männer am Arbeits- und Ausbildungsmarkt


Inhaltsverzeichnis. 1 Frauen verdienen weniger als Männer 2. 2 Verdienstunterschiede zwischen Frauen und Männern in Mecklenburg- Vorpommern 5

Arbeitsmarktsituation und berufliche Perspektiven von Frauen und Männern im Land Brandenburg

BÄKO Workshop Zahlen, Daten, Fakten zum Fachkräftemangel

Pressekonferenz. Ausbildungsmarktbilanz im Bergischen Städtedreieck Berichtsjahr 2013/2014 ( bis )

SACHSEN-ANHALT. Ministerium der Finanzen

Mit zweierlei Maß Studium zahlt sich für Frauen weniger aus

Frauen und Männer in Sachsen-Anhalt

Demographischer Wandel und Arbeitsmarkt in Hessen

Führungsfrauen und Führungsmänner - wie Führungskräfte leben und arbeiten

Lebenslagen von Mädchen am Übergang von Schule und Beruf:

Überblick über Datenquellen und Ursachendimensionen

Den Übergang gestalten ein Gewinn für Schulen und Unternehmen.

Aus der Rolle wachsen! Zum Einfluss von Rollenbildern auf Lebenschancen

Positionspapier Versand

Frauen mit Ziel Führungsposition

Herausforderungen eines geschlechtergerechten Arbeits- und Gesundheitsschutzes

Übersicht über die beschulten Ausbildungsberufe an den berufsbildenden Schulen in Alfeld und Hildesheim

Frauen in Führungspositionen Gemeinsame Erklärung der DAX 30-Unternehmen

Die Armut ist weiblich

dargestellt am Beispiel eines von Frauen dominierten Berufes

Berufswahlorientierung

PROF. BARBARA SCHWARZE

Elektroniker(in) für Betriebstechnik Energieelektroniker(in) - Betriebstechnik - Elektroniker(in) - Energie- und Gebäudetechnik -

Die Überbewertung der Kinderlosigkeit und die Bedeutung von Präferenzen, Beruf und Partnerschaft

Projekt Ausbildung in Teilzeit. sowie

Schule. Schulabgänger nach Abschlussart

Die soziale Situation in Deutschland

Wege in die Rente: Erwerbsminderung und ihre charakteristischen Erwerbsverläufe

Statistisches Bundesamt

Armut Die Lage der Kinder in Deutschland. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Demographie vom 3-5 März in Rostock Dr.

Berufsausbildung in den Freien Berufen: Ausbildungssituation, Besonderheiten und Herausforderungen

auf dem weg zur gleichstellung?

Solo-Selbstständige. Inzidenz und sozialpolitische Implikationen

Prekäre Beschäftigung in Bremerhaven

JOBSTARTER Monitoring

Arbeitszeittrends und Gestaltungsanforderungen

Die Entwicklung des Arbeitsmarktes für Akademiker/innen

auf dem weg zur gleichstellung?

Werkstattbericht Nr. 7/2001. Werkstattbericht. Werkstattbericht

Geschlechterdifferenzierende regionale Arbeitsmarktanalyse: Stärken/Schwächen Karlsruhe - Baden-Württemberg

Bildungsungleichheit bei familienbedingten Erwerbsunterbrechungen von Frauen

Ratgeber Entwicklungsperspektiven. Berufliche Entwicklungsperspektiven

Solo-Selbständige allein unter vielen

tekom Gehaltsspiegel 2013

1/5. Frauen erlernen oft andere Berufe als Männer

Elternumfrage 2013 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Diversity Umfrage. Dokumentation / Januar 2015

Ausgabe Dezember 2009 für Wetzlar und den Lahn-Dill-Kreis

Weiterbildung. G1 Weiterbildungsangebote und -teilnahme. Schulische Weiterbildung

Workshop 4: Erwerbsarbeit unter dem Druck der Krise

Fragebogen zur Übung: Praktische Datenerhebung

Nürnberg, 5. November 2012 Dr. Christian Kerst

Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen?!

Frauen und Männer in verschiedenen Lebensphasen. Statistisches Bundesamt

INNOFACT AG. Nutzung von Musik-Streaming-Diensten. Düsseldorf, im Januar 2013

SchuldnerAtlas Deutschland 2013

Können Alleinerziehende ihre Existenz durch Erwerbsarbeit sichern? Entkoppelung von Erwerbstätigkeit und materieller Sicherheit

14.1 EINGETRAGENE AUSBILDUNGSVERHÄLTNISSE (HANDELSKAMMER HAMBURG)

Deutschlands Zukunft Wie wir morgen leben und arbeiten werden

Familienarbeitszeit: Nicht weniger, sondern mehr Arbeitsvolumen. Michael Neumann DIW Berlin

Anhang zum Altersübergangs-Report

Gender Datenreport Berlin Bildung und Ausbildung. II. Bildung und Ausbildung 2. Hochschulbildung. Tabellen. Seite. Kurzgefasst 2.

Der demografische Wandel und seine Folgen für den Arbeitsmarkt in NRW

Rente und Lebensarbeitszeit

Belastung durch chronischen Stress

Die Rolle der Führungskraft bei der Karriereentwicklung Interaktionseffekte zwischen Geschlecht, Arbeitszeit und aufstiegsförderlicher Führung

In der amtlichen Schulstatistik werden neben den Angaben

Väter in Familienunternehmen Die Ursachenstiftung Oktober 2012

Statistisch betrachtet

Statistische Berichte

BERUFSBILDENDE SCHULEN

Tabelle III.12 A-1 Übersicht über wichtige Datenquellen zur Internetnutzung

Eingangsfragebogen. Stand:

Beruf und Familie unter einen Hut bekommen?

Mitgliederversammlung der Landesseniorenvertretung RLP e.v.

Thomas Claus, G/I/S/A, Gender-Institut Sachsen-Anhalt Workshop - Gender-Datenquellen

JOBFIT fürs Office. Kurzfassung des Verwendungsnachweises 2014 Berichtszeitraum bis

Analyse des Arbeitsmarktes für Alleinerziehende in Deutschland 2010

Dr. Tilly Lex (DJI) Wege ins Ausbildungs- und. Direkteinstiege, Umwege und. AID:A-Befunde. Aufwachsen in Deutschland

Tabelle 1: Kennzahlen der Stichprobe (n=127) (in Prozent) Geschlecht Männer 15 Frauen 85 Universität Bern 54 Zürich 46

Herzlich willkommen im Institut der deutschen Wirtschaft Köln! EXIST-ING Auftaktveranstaltung Köln,

JUNGE FRAUEN UND MÄNNER IM ÜBERGANG VON DER SCHULE IN DEN BERUF

Wie Frauen gründen und was sie unternehmen

Orte des Selbststudiums: Wo Studierende lernen

JUNGE FRAUEN UND MÄNNER IM ÜBERGANG VON DER SCHULE IN DEN BERUF

5. Bilanz Chancengleichheit. Chancengleichheit auf einem guten Weg

Ergebnisse der Studie "Altersvorsorge in Deutschland 2005 (AVID 2005) Sabine Ohsmann und Dina Frommert

in gewerblich-technischen Berufen

Regionale und qualifikationsspezifische Auswirkungen des Mindestlohns Folgenabschätzung und Korrekturbedarf

Die Weiterbildungsverlierer Weniger Weiterbildung für immer mehr atypisch Beschäftigte

Was verdienen Großhandelskaufleute?

Transkript:

Geschlecht als sozialer Platzanweiser? Gender Gaps in Bildung und Arbeitsmarkt Fachtagung Aus der Rolle wachsen! Zum Einfluss von Rollenbildern auf Lebenschancen Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie (MASF) Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) des Landes Brandenburg Dr. Corinna Kleinert Potsdam, 2. Dezember 2013

Geschlecht als sozialer Platzanweiser?! Geschlecht als soziale Kategorie: Mächtigkeit von Rollenbildern! Diese steuern und beeinflussen Berufswahlprozesse, die familiäre Arbeitsteilung, Verfügbarkeitsnormen von Betrieben, Verhaltenszuschreibungen im Arbeitsalltag, informelle Netzwerke! Prozesse selbst lassen sich nur mithilfe qualitativer Forschung nachzeichnen, nicht aber in Form statistischer Analysen! In der Arbeitsmarktforschung können wir nur die Resultate dieser Prozesse und deren Veränderung beschreiben: Rollenbilder sind zwar mächtig, aber nicht unveränderlich 2

Die Bildungsexpansion ist weiblich (Frauenanteile bei Schulabgängern nach Abschlussart 1970 2006, in %) 60 55 Realschulabschluss (Fach-)Hochschulreife Frauenanteil 50 45 40 35 ohne Abschluss Hauptschulabschluss 30 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Jahr Quelle: Statistisches Bundesamt, Schulstatistik 3

Aber die Berufswahl bleibt segregiert (10 häufigste Ausbildungsberufe von Frauen und Männern 2012, in %) Männer Frauen Kfz-Mechatroniker 19.320 Verkäuferin 16.209 Industriemechaniker 13.488 Einzelhandelskauffrau 14.925 Einzelhandelskaufmann 12.363 Bürokauffrau 14.604 Elektroniker 11.418 Mediz. Fachangestellte 14.163 Anlagenmechaniker 10.281 Zahnmed. Fachangestellte 12.309 Verkäufer 10.272 Industriekauffrau 12.090 Fachinformatiker 9.756 Friseurin 10.443 Groß-/Außenh-kaufm. 9.237 Kauffrau für Bürokomm. 9.390 Fachkraft für Lagerlogistik 9.195 Lebensmittelverkäuferin 8.448 Koch 8.682 Hotelfachfrau 7.521 Quelle: BIBB-Erhebung Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30.09., 2012 4

Verteilung von Frauen und Männer auf Berufe, West (in % sozialversicherungspflichtig Beschäftigte) 10 9 8 7 Frauen Frauenberufe 10 9 8 7 Männer Frauenberufe Gemischte Berufe 5 5 3 Gemischte Berufe 3 Männerberufe 1 Männerberufe 1 Quelle: SIAB, eigene Analysen 5

Verteilung von Frauen und Männer auf Berufe, Ost (in % sozialversicherungspflichtig Beschäftigte) 10 9 8 7 5 3 1 Frauen Frauenberufe Gemischte Berufe Männerberufe 10 9 8 7 5 3 1 Männer Frauenberufe Gemischte Berufe Männerberufe Quelle: SIAB, eigene Analysen 6

Erwerbsbiographien in Deutschland (in % Personen) 10 9 8 7 5 3 1 Ausbildung Schule Männer Frauen mit Kindern 10 Rente 9 Nichterwerbstätig Vollzeiterwerbstätig 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 56 60 Alter 8 7 5 3 1 Erziehungs -zeit 16 20 24 28 32 36 40 44 48 52 56 60 Alter Teilzeiterwerbstätig Arbeitslos Quelle: NEPS Startkohorte 6 Welle 1, eigene Analysen 7

Erwerbsbiographien von Müttern (in % Personen) 10 9 Nichterwerbstätig 8 Arbeitslos 7 5 Vollzeiterwerbstätig Erziehungs -zeit Teilzeiterwerbstätig 3 Ausbildung 1 Schule -10-8 -6-4 -2 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 Jahre vor / nach Geburt des 1. Kindes Quelle: NEPS Startkohorte 6 Welle 1, eigene Analysen 8

Frauenerwerbsverläufe nach der Familiengründung in West und Ost (Geburtskohorten 1965-75, in % Personen) Alte Bundesländer Neue Bundesländer 10 9 Nichterwerbstätig 10 9 8 7 Erziehungszeit 8 7 Arbeitslos 5 Teilzeit 5 3 3 Vollzeit 1 Vollzeit 1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Jahre nach Geburt des 1. Kindes Jahre nach Geburt des 1. Kindes Quelle: NEPS Startkohorte 6 Welle 1, eigene Analysen 9

Die geschlechtliche Lohnlücke (in % Differenz der Brutto-Stundenverdienste) 30 % Differenz Männer- Frauen 2522,3 alte Bundesländer 22,4 20 15 10 8,2 neue Bundesländer 5,6 5 0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Quelle: Statistisches Bundesamt, Verdienststrukturerhebung 2006, 2010, fortgeschrieben mit der Vierteljährlichen Verdiensterhebung 10

Einkommensverteilung von Paaren mit Kleinkindern (Anteile am Haushaltsnettoeinkommen, in % Paare mit Kindern von 3-6 Jahren) 10 8 22 20 16 19 13 18 32 32 65 62 52 49 HH-Transfers Frauen Männer 1998 2008 1998 2008 Alte Bundesländer Neue Bundesländer 11

Ältere Frauen schaffen es seltener nach oben (Frauenanteile nach Altersgruppen, 2007, in %) Alte Bundesländer Sonstige Beschäftigte 5 Neue Bundesländer Sonstige Beschäftigte Führungskräfte 3 1 Führungskräfte Quelle: Mikrozensus 2000 und 2007, eigene Berechnungen 12

Einstellungen zur Müttererwerbstätigkeit (Mittelwerte) stimme überhaupt nicht zu 4,0 Ein Kleinkind wird darunter leiden, wenn seine Mutter berufstätig ist 4,0 Es ist für ein Kind sogar gut, wenn seine Mutter berufstätig ist 3,5 3,5 3,0 Ost 3,0 West 2,5 2,0 West 2,5 2,0 Ost 1,5 1,5 stimme voll und ganz zu 1,0 1,0 Quelle: ALLBUS 1991-2008, eigene Analysen 13

Fazit: Geschlecht als sozialer Platzanweiser! Gender Gaps in der Berufs- und Fächerwahl, in der Selektion in Berufe und Betriebe, in punkto Entlohnung und Karriere sind sehr hartnäckig! Ein wesentlicher Grund für diese Persistenz liegt in geschlechtlichen Rollenbildern und -erwartungen! Wie können diese Zuschreibungen aufgebrochen werden?! Veränderung der Anreizstrukturen! Vorbilder und Rollenmodelle 14

Vielen Dank! corinna.kleinert@iab.de Mehr Informationen unter: www.iab.de

Getrennte Studienfachwahl (Frauenanteile bei Studienanfänger/innen nach Fächergruppe, in %) Rechts-/Wirtschafts-/Sozialwiss. 52 55 Sprach-/Kulturwissenschaften 74 75 Mathematik, Naturwissenschaften Ingenieurswissenschaften 22 22 37 40 2000 2010 Humanmedizin, Gesundheitswiss. Sonstige Fächer 62 66 60 58 Quelle: Statistisches Bundesamt, Hochschulstatistik 16

Berufliche Segregation in West und Ost (Duncan-Index und standardisierter Duncan-Index) 7 66% 62% 58% DI West SDI West DI Ost 54% 5 SDI Ost Duncan-Index: Anteil von Frauen (oder Männern), die ihren Beruf wechseln müssten, um eine geschlechterausgewogene Berufsstruktur zu erreichen Standardisierter Duncan-Index: trifft die Annahme, dass alle Berufe von der gleichen Anzahl der Beschäftigten ausgeübt werden Quelle: SIAB, eigene Analysen 17

Erwerbsbeteiligung und Arbeitszeit von Frauen (Frauenanteile in West und Ost 1991-2010, in %) Frauenanteile in % 50 49 48 47 46 45 44 43 42 41 40 Beschäftigte Ost Beschäftigte West Jahresarbeitszeit Ost Jahresarbeitszeit West Quelle: Arbeitszeitrechnung des IAB 18

Erwerbsformen von Frauen im europäischen Vergleich (in % 25-59jährige Frauen 2012) SE 54 28 18 AT 41 36 23 DE 41 36 23 NL FR UK EU-27 19 52 44 48 58 22 29 21 23 26 27 31 Vollzeit Teilzeit Nicht erwerbstätig PL 61 9 30 IT 40 18 42 8 10 Quelle: Eurostat, Analysen von Sulak (2013) 19

Einkommensverteilung von Paaren (Durchschnittliche Anteile am Haushaltsnettoeinkommen, in %) 10 8 18 17 27 28 36 36 18 21 46 47 55 51 HH-Transfers Frauen Männer 1998 2008 1998 2008 Unverheiratete Paare Verheiratete Paare 20

Frauenanteile in Führungspositionen der Privatwirtschaft (Mittelwerte in %) Alte Länder Neue Länder 41 41 32 34 23 23 2004 2008 42 44 43 37 27 30 Beschäftigte gesamt 2. Führungsebene 1. Führungsebene Beschäftigte gesamt 2. Führungsebene 1. Führungsebene Quelle: IAB-Betriebspanel 2004, 2008 21

Förderung der Chancengleichheit in der Privatwirtschaft (nur Betriebe mit mehr als 10 Beschäftigten) 23 23 21 10 10 10 2002 2004 2008 2002 2004 2008 % Betriebe % Beschäftigte Quelle: IAB-Betriebspanel 2002, 2004 22

Gründe für Teilzeitarbeit (teilzeitbeschäftigte Frauen, in %) 10 Alte Bundesländer Neue Bundesländer 10 9 Andere Gründe 9 Andere Gründe 8 8 7 7 Familie/Kinder/Pflege 5 Familie/Kinder/Pflege 5 3 3 Vollzeitbeschäftigung nicht zu finden 1 1 Quelle: Mikrozensus 1996-2010, eigene Analysen 23