ZENTRUM FÜR. Wenn ein geliebter Mensch stirbt Betreuung am Lebensende Informationen für Angehörige und Bezugspersonen

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ZENTRUM FÜR Wenn ein geliebter Mensch stirbt Betreuung am Lebensende Informationen für Angehörige und Bezugspersonen

Liebe Angehörige, liebe Bezugsperson Die Zeit des Sterbens eines geliebten Menschen kann für Angehörige und Freunde oft geprägt sein von einer Krise, die mit Unsicherheit, Angst, Trauer, Ohnmacht und teilweise neuen, bisher unbekannten Gefühlen einhergehen kann. Viele Fragen stehen unbeantwortet im Raum, wie etwa: Was geschieht beim Sterben? Ist es normal, dass der sterbende Mensch nichts mehr isst und trinkt? Sind die Atemgeräusche normal? Wie kann ich diese Situation aushalten? Wie kann ich helfen, was kann ich tun? Das interprofessionelle Team des Palliativzentrums ist für Sie da, um all Ihre Fragen in dieser Situation des Abschiednehmens und Sterbens zu besprechen. Wir werden Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie das Leiden des sterbenden Menschen gelindert werden kann. Auch zeigen wir Wege auf, wie Sie selbst in Ihrem Prozess unterstützt werden können. Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen die Möglichkeit geben, die wichtigsten Informationen in Ruhe nachzulesen. Falls Sie weitere Fragen haben, sind wir gerne für Sie da kommen Sie jederzeit auf uns zu. Das interprofessionelle Team des Universitären Zentrums für Palliative Care (PZI) In dieser Broschure wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer mit eingeschlossen.

Veränderungen am Ende des Lebens Körperliche Veränderungen Der Weg des Sterbens ist für jeden Menschen anders. Es gibt jedoch spezifische Zeichen oder Veränderungen, die auf den bevorstehenden Tod hinweisen. Es kann sein, dass mehrere dieser Veränderungen bei Ihrem Angehörigen auftreten, vielleicht sind aber auch nur wenige oder gar keine zu beobachten. In den folgenden drei Teilen werden wir Ihnen Anzeichen vorstellen, die auf das nahende Lebensende hindeuten: Körperliche Veränderungen Verändertes Bewusstsein Veränderungen im zwischenmenschlichen Kontakt Vermindertes Bedürfnis nach Essen und Trinken Oft haben sterbende Menschen keinen Appetit mehr, mögen nichts mehr essen und trinken, ihnen schmeckt einfach nichts mehr. Als Angehöriger kann es für Sie schwer sein, dies zu respektieren. Das Gefühl und die damit verbundene Angst, den geliebten Menschen «verhungern» oder «verdursten» zu lassen, kann belastend sein. Wir verbinden Essen häufig mit Fürsorge und Pflege und spüren eine grosse Hilflosigkeit, wenn der Sterbende die Energie, die wir durch Nahrung bekommen, nun nicht mehr braucht. In der Phase des Sterbens ist es jedoch ganz natürlich, nichts mehr zu essen und nur noch wenig zu trinken. Der Körper kann zum Beispiel grössere Mengen von Flüssigkeit nicht mehr verarbeiten. Hände und Füsse können anschwellen und Flüssigkeit in der Lunge kann das Atmen erschweren. Nahrung und Flüssigkeit wäre in dieser Zeit zusätzlich belastend. Mundtrockenheit und Durstgefühl werden durch regelmässiges Befeuchten des Mundes mit einem Lieblingsgetränk gelindert. Es genügt manchmal, wenn Sie ihrem Angehörigen mit dem Teelöffel oder einem Spray kleine Mengen von Flüssigkeit in den Mund geben. Kleine Eisstäbchen können den Durst lindern. Falls er nicht mehr schlucken kann, können Sie ihm mit einem feuchten Waschlappen oder weichem Tuch die Lippen und den Mund immer wieder befeuchten. 4 5

Schmerzen in der Sterbephase Die Schmerzen können sich in der Sterbephase aufgrund verschiedener Veränderungen im Körper oder durch Angst vor dem Tod/Sterben nochmals verändern. Sie können sich verstärken oder weniger werden. Schmerzen können sich auch bei eingeschränktem Bewusstsein oder starker Erschöpfung äussern. Hinweise darauf sind eine angespannte Mimik, schnelle Atmung oder eine veränderte Körperhaltung. Manchmal werden auch Zeichen des Unwohlseins oder Missbehagens als Schmerzen gedeutet. Diese Zeichen können bei Ihnen Unsicherheit auslösen oder neue Fragen auf tauchen lassen. Die palliative Therapie umfasst eine bedarfsgerechte Anpassung der Schmerztherapie in jeder Situation, auch in der Sterbephase. Die Schmerztherapie wird deswegen frühzeitig angepasst und kann sich auch in der Sterbephase nochmals verändern. Wenn Sie möchten, können Sie jederzeit über Ihre Beobachtungen mit den Fachpersonen sprechen. Die Anwesenheit von Ihnen oder anderen vertrauten Menschen kann beruhigend und ablenkend und dadurch schmerzlindernd wirken. Medikamentenverabreichung Wenn sterbende Menschen nicht mehr oder nur noch mit Mühe essen und trinken können, die Medikamente jedoch weiterhin verabreicht werden sollen, besteht auch die Möglichkeit, diese über die Haut zu verabreichen. Mittels einer kleinen Kunststoffnadel wird ein sogenannter Zugang unter die Haut gelegt, welcher bis zum Tod belassen werden kann. Darüber können Fachpersonen oder auch geschulte Angehörige Medikamente verabreichen und so die lindernde Therapie gegen belastende Symptome fortführen. Veränderte Atmung Während der Erkrankung und in den letzten Lebenstagen leiden viele Menschen unter Atemnot und fürchten sich davor, zu ersticken. Diese Angst kann die 6 7

Atemnot zusätzlich verstärken. Die Körperfunktionen sind jedoch am Lebensende so eingeschränkt, dass nur noch sehr wenig Sauerstoff benötigt wird. Es kann sein, dass Menschen in der Zeit des Sterbens das Atmen sogar leichter fällt als in der Zeit davor. Während der letzten Stunden des Lebens kann ein rasselndes oder gurgelndes Geräusch auftreten. Dies entsteht durch Schleimabsonderungen, die der sterbende Mensch nicht mehr schlucken oder abhusten kann, da der Hustenreflex erlischt. Die Erfahrungen zeigen, dass diese Rasselatmung für den sterbenden Menschen weniger belastend ist als für die Angehörigen. Während den letzten Stunden des Lebens können Atempausen auftreten. Das bedeutet, dass die Atmung einen Moment aussetzt. Dies ist ein natürlicher Vorgang vor dem letzten Atemzug. Zusammen mit dem Pflegeteam können Sie den Menschen dabei unterstützen, die Kräfte nach seinen Bedürfnissen einzusetzen. Zum Beispiel können lange Ruhepausen eingelegt werden, um Kraft für ein wichtiges Gespräch zu schöpfen. Auch kleinste Lageveränderungen können wohltuend sein gerne können Sie dabei helfen oder unterstützen. Veränderte Ausscheidung Im Laufe der Erkrankung bis zu den letzten Lebenstagen kann sich die Ausscheidung verändern. In der Betreuung wird versucht, dass der Sterbende dies so lange wie möglich selbstständig machen kann. Durch geeignete Medikamente kann der Schleim vermindert werden. Auch ein Lagewechsel, z. B. auf die Seite drehen, kann Erleichterung verschaffen und das Rasselgeräusch vermindern. Atemnot kann durch Ängste verstärkt werden. Es werden frühzeitig pflegerische Massnahmen und spezifische Medikamente eingesetzt, um Angst und Atemnot zu lindern. Damit soll möglichst verhindert werden, dass der sterbende Mensch Erstickungsängste erleidet. Das Gefühl, jemanden in der Nähe zu haben, kann für den sterbenden Menschen beruhigend sein und helfen, die Atemnot zu mildern. Schwere Erschöpfung (Fatigue) und Kraftlosigkeit Während der Erkrankung und insbesondere in den letzten Lebenstagen leiden viele schwerkranke Menschen unter einer unvorstellbaren Müdigkeit und Erschöpfung, in der Fachsprache «Fatigue» genannt. Sie brauchen immer mehr Ruhe und Schlaf und können nur mühsam aus dem Schlaf geweckt werden. Kleine Anstrengungen, wie Zähne putzen oder trinken, bedeuten für diese Menschen Höchstleistungen. Dem sterbenden Menschen fehlt oft die Kraft, sich selber zu bewegen und seine Körperhaltung zu verändern. Darum ist es wichtig, die Vorlieben des Menschen zu kennen und ihn entsprechend regelmässig vorsichtig zu bewegen. 8 Ist eine normale Ausscheidung durch zunehmende Schwäche oder andere Einschränkungen nicht mehr möglich, können Sie den Sterbenden bei der Urin- und Stuhlausscheidung unterstützen. Um Schmerzen und Unruhe vorzubeugen, gibt es medizinische und pflegerische Möglichkeiten, die die Ausscheidung auch in dieser Situation erleichtern können. Weitere mögliche Veränderungen Die Körpertemperatur verändert sich, Arme, Finger, Füsse und Beine können durch die geringe Durchblutung kälter, blass und bläulich werden. Der Puls kann schwach und unregelmässig sein, oft kaum mehr spürbar. Die Temperatur des Körpers sinkt ab. Vielleicht leidet der sterbende Mensch aber auch unter Fieber und schwitzt stark. Kühlende Waschungen, die auch von Ihnen durchführt werden können, bringen möglicherweise Linderung. 9

Verändertes Bewusstsein Der Weg des Sterbens wird von jedem Menschen anders beschritten. Er wird sehr unterschiedlich erlebt und wahrgenommen. Fehlende Orientierung, Verwirrtheit Der sterbende Mensch ist manchmal sehr müde und kann nur mühsam aus dem Schlaf geweckt werden. Er verliert jedes Zeitgefühl. Möglicherweise erkennt er Sie oder andere anwesende Personen nicht mehr, was für Sie sehr schmerzlich sein kann. Hierbei handelt es sich nicht um eine Ablehnung Ihrer Person. Der sterbende Mensch verliert immer mehr den Bezug zu unserer Realität und befindet sich mehr und mehr in seiner eigenen Welt. Es kann auch sein, dass der sterbende Mensch von ungewohnten Vorstellungen, von Ereignissen und Menschen spricht, die für Sie unbekannt sind. Er sieht und spricht vielleicht auch zu Menschen, die schon verstorben sind. Unruhe Angst vor der Ungewissheit, dem «Nachher» oder das Zurücklassen der Liebsten können grosse Unruhe auslösen. Es kann sein, dass der sterbende Mensch an der Bettwäsche zupft, ziellose Arm- und Beinbewegungen macht oder immer wieder versucht, aufzustehen und wegzugehen. Manchmal erkennen sie die nächsten Angehörigen nicht mehr. Diese Veränderungen werden als Delir oder als terminale Unruhe bezeichnet. Typischerweise wechseln sich dabei klare und entspannte Phasen mit Zeiten starker Verwirrtheit ab. Dabei können Desorientierung (das heisst nicht wissen, wie spät es ist, wo ich bin, was ich machen soll), Unruhe durch ständiges Aufsitzen und Abliegen, Halluzinationen (zum Beispiel ein Tier oder einen Menschen sehen, den wir nicht sehen können) oder Wahnvorstellungen (ein Beispiel ist «die Ärzte wollen mich vergiften»), Persönlichkeitsveränderungen und andere Symptome auftreten. Dies zu erleben, kann für Sie sehr belastend und beängstigend sein. Das Betreuungsteam setzt alles daran, diese Symptome zu lindern und Sie zu unterstützen. Wir versuchen, die Unruhe durch medizinische und pflegerische Massnahmen (zum Beispiel Kontinuität in der Betreuung, ruhiger Umgang, angemessene Umgebung) zu lindern. Wenn Sie durch das veränderte Verhalten des sterben 10 11

den Menschen beunruhigt sind oder nicht sicher, wie Sie sich am besten verhalten sollen, sprechen Sie mit dem Betreuungsteam und lassen sich Ihre Fragen beantworten. Die Gleichzeitigkeit von Traum und Wirklichkeit ist in dieser Phase normal. Es ist wichtig, nicht zu versuchen, dem sterbenden Menschen seine Realität auszureden oder sie als Störung oder Halluzination abzutun. Es ist hilfreicher, dass wir Anteil daran nehmen, indem wir ihm zuhören und vielleicht nach der Bedeutung fragen. Die Anwesenheit einer vertrauten Person kann beruhigend auf ihn wirken und gibt ihm das Gefühl, nicht alleine zu sein. Eventuell hilft es, Besuchszeiten festzulegen oder zu vereinbaren, wer wann kommt, um ihn nicht mit zu vielen sozialen Kontakten zu überfordern. Dies hilft auch, dass die Angehörigen nicht überfordert werden. «Tunnelerlebnis» Im Sterben fühlen sich manche Menschen wie durch einen Tunnel oder Gang gezogen. Von Menschen mit einer Nahtod-Erfahrung wird meist betont, dass sie dabei überhaupt keine Angst verspürt haben. Am Ende des Tunnels sei ein wunderbares Licht von einer Intensität, wie wir es aus dem Alltag nicht kennen. Dieses Licht sei verbunden mit einem Gefühl von Geborgenheit, Angenommenund Willkommensein. Die Deutung dieses Lichts kann vom religiösen oder seelischen Hintergrund der erlebenden Person abhängen. Veränderungen im zwischenmenschlichen Kontakt Der Weg des Sterbens wird von jedem Menschen anders beschritten und sehr unterschiedlich erlebt und wahrgenommen. Viele Menschen ziehen sich in dieser Zeit mehr und mehr von der Aussenwelt zurück und wenden sich nach innen. Das Bedürfnis zu sprechen nimmt oft ab, Worte verlieren ihre Wichtigkeit. Symbolische Worte oder Handlungen werden wichtiger. Sterbende Menschen möchten vielleicht nur noch wenige, ihnen vertraute Menschen um sich haben oder auch ganz alleine sein. Manchmal umgibt eine Stille den 12 sterbenden Menschen und sie finden zu einer inneren Ruhe. Für Angehörige ist es oft schwierig, wenn der sterbende Mensch verschlüsselt und in einer Art Symbolsprache spricht, zum Beispiel: «Ich muss die Koffer packen und zum Bahnhof gehen...», «Die Strasse führt ins Licht...». Die Aussagen scheinen nicht logisch, sondern sind Folge einer inneren Erlebniswelt. In diesen Bildern drückt sich etwas von dem aus, was der sterbende Mensch verarbeitet. Für die sterbenden Menschen und die Angehörigen kann es stimmig sein, einfach nur noch zusammen zu sein. In solchen Stunden kann sich der Blick auf das gelebte Leben noch einmal verändern und Zusammenhänge werden klarer als bisher wahrgenommen. Mit Veränderungen umgehen Es ist verständlich, wenn Sie nicht von der Seite der geliebten Person weichen möchten. Sterbende Menschen haben aber oft das Bedürfnis, alleine zu sein. Auch Ihnen als Angehörige kann eine Auszeit gut tun. Es ist allerdings möglich, dass das Leben Ihres geliebten Menschen gerade in einem solchen Moment zu Ende geht. Manche Hinterbliebene quälen sich mit Schuldgefühlen, wenn sie im Augenblick des Todes nicht beim sterbenden Menschen waren. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Menschen häufig sterben, wenn sie allein sind vielleicht ist es so für sie leichter, sich endgültig zu lösen? So wie der Weg des Sterbens, ist auch das Sterben selbst etwas sehr Persönliches. Die Zeit der Begleitung kann für Sie als Angehörige eine grosse Herausforderung bedeuten. Auch wenn Sie merken, dass Sie mehr Kraft haben, als Sie sich je vorgestellt haben, kommen Sie vielleicht doch immer wieder an die Grenzen der Belastbarkeit. Sorgen Sie auch für sich auch dafür, dass Sie Essen, Trinken und Ausruhen nicht vergessen. Scheuen Sie sich nicht, nach psychologischer, spiritueller oder seelsorgerlicher Begleitung zu fragen für den sterbenden Menschen, für Sie selber oder jemanden in Ihrer Familie. Das interprofessionelle Team des Palliativzentrums unterstützt Sie gerne, die für Sie passende Unterstützung zu finden. 13

Manche Menschen reagieren in den letzten Tagen nicht mehr auf Ansprache. Erfahrungen zeigen, dass sie trotzdem noch vieles hören und verstehen können. Reden Sie also in der Gegenwart des sterbenden Menschen so, wie Sie mit ihm reden würden, wenn er noch antworten könnte. Wenn Sie noch etwas Wichtiges mitteilen möchten, sagen Sie es ruhig einige Beispiele sind «Es tut mir leid...» oder «ich liebe dich...». Besuche von Kindern beim sterbenden Menschen Oft stellen sich Angehörige die Frage, ob Kinder und Jugendliche den sterbenden Menschen noch besuchen können oder sollen. Aus psychologischer und sozialer Sicht wird das sehr befürwortet, muss aber je nach Situation des sterbenden Menschen und den Bedürfnissen des Kindes oder des Jugendlichen entschieden werden. Besprechen Sie dies bei Bedarf mit dem betreuenden Arzt oder mit den Pflegefachpersonen. Sprechen Sie wenn möglich vor allem mit dem sterbenden Menschen und den Kindern und Jugendlichen selbst und fragen sie nach ihren Gedanken, Befürchtungen und Wünschen. Kinder und Jugendliche gehen mit dieser Situation oft viel natürlicher um als Erwachsene. Wenn Sie unsicher sind, berät das Betreuungsteam Sie gerne. In der Broschüre «Gedanken zum Umgang mit trauernden Kindern und Jugendlichen» erhalten Sie mehr Informationen zum Umgang mit Kindern und Jugendlichen in der Trauerphase. Für weitere Informationen Links: www.palliativzentrum.insel.ch www.palliative.ch www.palliativebern.ch Diese Informationen basieren auf der Broschüre «Coping with Dying?», Liverpool, UK Quellen: Palliativzentrum Kantonsspital St. Gallen, 2008; Überarbeitung und Adaption der «Guidelines for use of the LCP for Professional», Liverpool, UK, 2003 Überarbeitung: Universitäres Zentrum für Palliative Care, Inselspital, 2016 14 15

Inselspital Universitätsspital Bern Universitäres Zentrum für Palliative Care SWAN Haus Freiburgstrasse 28/38 3010 Bern www.palliativzentrum.insel.ch www.insel.ch 170005_2017_06_13_KFG/mm