Sächsische Demokratie: wehrhaft gegen Rechts und Linksextremisten

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Transkript:

Sächsische Demokratie: wehrhaft gegen Rechts und Linksextremisten Positionen der Jungen Union Sachsen & Niederschlesien zur Diskussion über das Versammlungsrecht im Freistaat Sachsen Aktuelle Herausforderungen an das sächsische Versammlungsrecht Im Herbst 1989 sind mutige Bürger Sachsens in Leipzig, Dresden, Plauen und anderswo auf die Straße gegangen, um gegen Unterdrückung, Unfreiheit und Bevormundung zu protestieren. Woche für Woche haben sie friedlich demonstriert und schließlich das SED Regime zum Einsturz gebracht. Diese Erfahrungen prägen bis heute die politische Kultur unseres Landes. Die Versammlungsfreiheit ist in Artikel 23 Absatz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen verankert. Ihre rege Inanspruchnahme gehört zu den Markenzeichen der sächsischen Demokratie. Das soll und wird auch in Zukunft so bleiben. Ungeachtet dessen sind wir entsetzt und betroffen über die Ereignisse des 13. und 19. Februars 2011 in Dresden. Wie bereits in den Vorjahren ist unsere Landeshauptstadt wieder zum Aufmarschfeld von Rechtsextremisten aus ganz Europa geworden. Mit ihrem Trauermarsch kompromittieren diese Ewiggestrigen das über Jahrzehnte hinweg würdig und im Geiste der Völkerverständigung gepflegte Andenken an die Toten der Luftangriffe auf Dresden. Gleichzeitig schaden sie massiv dem Ruf und dem Ansehen unserer Heimat in Deutschland und der Welt. Wir sind uns bewusst, dass der 13. Februar 1945 nicht ohne den 30. Januar 1933 und den 1. September 1939 denkbar ist. Daraus erwächst eine Verantwortung für die friedliche und demokratische Gestaltung der Zukunft, der wir uns mit unserer politischen Arbeit stellen. Wir weisen die Vereinnahmung und Instrumentalisierung menschlicher Trauer über die Opfer des 13. Februars und des Zweiten Weltkriegs insgesamt entschieden zurück und wissen uns darin mit der überwältigenden Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger Sachsens einig. Wir sind dankbar, dass über 17.000 Menschen am 13. Februar 2011 dem Aufruf der 1

Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz gefolgt sind und mit ihrer Teilnahme an einer friedlichen Menschenkette klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht haben, dass Neonazis bei uns nicht willkommen sind. Ebenso danken wir den Kirchen, die am 19. Februar 2011 mit ihren Mahnwachen Raum für gewaltlosen Protest gegen braunes Gedankengut geboten haben. Bedauerlicherweise sind die Proteste am 13. und vor allem am 19. Februar 2011 aber nicht nur friedlich verlaufen. Stattdessen wurde aus dem linken, linksextremistischen und autonomen Bereich des politischen Spektrums öffentlich dazu aufgerufen, die Versammlungen der Rechtsextremisten gezielt zu stören. Teils geschah dies durch Sitzblockaden, teils durch gewalttätige Ausschreitungen. Im Ergebnis des Tages waren 112 (z.t. schwer) verletzte Polizisten zu beklagen. Besonders skandalös ist es, dass sich hochrangige Vertreter des politischen Lebens, darunter Mitglieder des Deutschen Bundestags und des Sächsischen Landtags, an diesen rechtswidrigen Aktionen beteiligt und dadurch das Vertrauen der Öffentlichkeit in den freiheitlich demokratischen Rechtsstaat untergraben haben. Wir weisen den Vorwurf der SPD, die von einem Totalversagen der Polizei sprach, mit allem Nachdruck zurück und danken allen beteiligten Beamtinnen und Beamten für ihren besonnenen Einsatz. Der moderne Staat erhebt den Anspruch auf das Gewaltmonopol, um zu verhindern, dass allein das Recht des Stärkeren sich durchsetzt. Er steht dadurch allerdings in der Pflicht, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Sicherheit und Ordnung auf den Straßen tatsächlich zu gewährleisten. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht von der Politik, dass sie dieser Verpflichtung nachkommt. Dabei gilt es in einer freiheitlichen Gesellschaft, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Freiheitsrechten des Einzelnen und den Sicherheitsbedürfnissen der Allgemeinheit herzustellen. Dieses Verhältnis muss sich immer wieder aufs Neue bewähren, wenn die Akzeptanz und das Vertrauen in die demokratische Rechtsordnung nicht verloren gehen sollen. Wir begrüßen deshalb den Vorschlag von Innenminister Markus Ulbig, in eine sachliche Diskussion mit Wissenschaftlern und Praktikern über möglichen Änderungsbedarf im Versammlungsrecht und seiner Handhabung einzutreten. In diese Diskussion wird sich die Sächsische Union aktiv einbringen. Dabei halten wir folgende Gedanken für wichtig: Demonstrationen müssen friedlich bleiben Das Recht des Bürgers, durch Ausübung der Versammlungsfreiheit aktiv am politischen Meinungs und Willensbildungsprozess teilzunehmen, ist für eine Demokratie unentbehrlich. Der freiheitliche Rechtsstaat muss deshalb die Ausübung dieses Grundrechts ermöglichen und schützen. Dies gilt prinzipiell unabhängig von der politischen Einstellung, die mit der Versammlung zum Ausdruck gebracht wird. Demonstrationen dürfen grundsätzlich nicht 2

zum Zwecke des politischen Klimaschutzes verboten werden, denn eine inhaltliche Kontrolle droht die Versammlungsfreiheit sehr schnell zu entwerten. Die Geschichte kennt dafür negative Beispiele. Wenn der Staat seiner Verpflichtung zum Schutz von Versammlungen nachkommt, identifiziert er sich damit nicht mit der darin zum Ausdruck gebrachten politischen Botschaft. Diesen Spagat müssen Demokraten aushalten. Es ist deshalb unerträglich, dass Polizisten tätlich angegriffen werden, weil sie nichts anderes als ihre Pflicht tun. Diese Vorfälle zeigen, dass es am 19. Februar zahlreichen Gegendemonstranten nicht um den Schutz der Demokratie, sondern um den Kampf gegen den bürgerlichen Rechtsstaat ging. Das Grundgesetz und die Sächsische Verfassung gewährleisten das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Mit dem Gebot der Friedlichkeit wird klargestellt, dass die Versammlungsfreiheit als Mittel zur geistigen Auseinandersetzung und zur gemeinsamen Einflussnahme auf die politische Willensbildung zu verstehen ist. Randalierer können sich darauf nicht berufen. Unfriedlichen Versammlungen kann und muss zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entschlossen entgegengetreten werden. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu treffend ausgeführt: Ein Teilnehmer verhält sich jedenfalls dann unfriedlich, wenn er Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen begeht. Auf deren Vermeidung muss eine Rechtsordnung, die nach Überwindung des mittelalterlichen Faustrechts die Ausübung von Gewalt nicht zuletzt im Interesse schwächerer Minderheiten beim Staat monopolisiert hat, strikt bestehen. Das ist Vorbedingung für die Gewährleistung der Versammlungsfreiheit als Mittel zur aktiven Teilnahme am politischen Prozess und wie die Erfahrungen mit den Straßenkämpfen während der Weimarer Republik gezeigt haben für eine freiheitliche Demokratie auch deshalb unverzichtbar, weil die Abwehr von Gewalttätigkeiten freiheitsbegrenzende Maßnahmen auslöst. Von den Demonstranten kann ein friedliches Verhalten um so mehr erwartet werden, als sie dadurch nur gewinnen können, während sie bei gewalttätigen Konfrontationen am Ende stets der Staatsgewalt unterliegen werden und zugleich die von ihnen verfolgten Ziele verdunkeln. Dem Veranstalter und dem Leiter einer Versammlung kommt bei der Wahrung der Friedlichkeit der Veranstaltung eine besondere Verantwortung zu. Der Leiter ist gesetzlich verpflichtet, in der Versammlung für Ordnung zu sorgen. Zwar verliert eine Versammlung durch Ausschreitungen einzelner Teilnehmer noch nicht den Schutz der Versammlungsfreiheit. Anders ist es jedoch zu beurteilen, wenn der Veranstalter einen gewalttätigen Verlauf anstrebt oder billigt. 3

Sitzblockaden: weder legal noch legitim Die Versammlungsfreiheit findet ihre Grenzen in der Grundrechtsausübung Dritter. Solange eine Gegendemonstration auf eine geistige Auseinandersetzung gerichtet ist, steht ihren Veranstaltern selbstverständlich das Recht zu, Ort und Zeit der Veranstaltung selbst zu bestimmen und dadurch in Hör und Sichtweite gegen eine andere Demonstration zu protestieren. Jedoch darf die Gegendemonstration die Durchführung der anderen Versammlung nicht behindern. Dies gilt auch für Sitzblockaden. Wenn solche Behinderungen nach den Erfahrungen der Vorjahre zu erwarten sind, müssen die gegnerischen Versammlungen räumlich getrennt werden. Ein Recht auf Störung z.b. unter Berufung auf zivilen Ungehorsam lässt sich weder aus der Verfassung herleiten noch ist es in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat legitim. Wer Demonstrationen stört, offenbart seine fehlende Fähigkeit oder Bereitschaft, sich mit der Meinung des politischen Gegners argumentativ auseinanderzusetzen. Sitzblockaden sind deshalb kein akzeptables Mittel friedlichen Protests. Wehrhafte Demokratie Die Versammlungsfreiheit dient der demokratischen Willensbildung. Deshalb kann sich auf dieses Grundrecht keine Vereinigung berufen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet und deshalb verboten ist ( 1 Absatz 2 Nr. 4 Sächsisches Versammlungsgesetz, Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz). Dies ist Ausdruck des Konzepts der wehrhaften Demokratie. Beim Landesverband Sachsen/Niederschlesien der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland e.v. (JLO; ehemals: Junge Landsmannschaft Ostpreußen), die alljährlich am 13. Februar den Neonazi Umzug in Dresden veranstaltet, bestehen seit 1999 klare Anhaltspunkte für rechtsextremistische Bestrebungen. Nach Erkenntnissen des Landesamtes für Verfassungsschutz sind im tatsächlichen politischen Verhalten dieses Vereins mittlerweile ein bewusster Schulterschluss mit rechtsextremistischen Organisationen und Parteien sowie eine enge und mit deutlichen Übereinstimmungen verbundene Zusammenarbeit mit diesen erkennbar. Parolen der vergangenen Jahre wie Nie wieder Bomben Holocaust und Kein Vergeben, kein Vergessen alliierter Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit dem 13. Februar in Dresden legen aus unserer Sicht den Eindruck nahe, dass die Aktivitäten der JLO in Sachsen gegen die verfassungsmäßige Ordnung und die Versöhnung zwischen den ehemaligen Kriegsgegnern des Zweiten Weltkriegs gerichtet sind. Auch der Verfassungsschutz kam 2009 zu der Einschätzung: Nicht um Trauer, sondern um Feindschaft ging es. Wir halten es deshalb für notwendig, zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Vereinsgesetzes für eine Verbotsverfügung gegen den Landesverband Sachsen/Niederschlesien der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland e.v. gegeben sind. 4

Versammlungsrecht weiterentwickeln Das (Sächsische) Versammlungsgesetz hat sich grundsätzlich bewährt. In den letzten Jahren zeigten sich aber tatsächliche und rechtliche Entwicklungen, denen es mittlerweile nicht mehr in vollem Umfang Rechnung trägt. Die Ereignisse des 13./19. Februar 2011 lassen es geboten erscheinen, das Gesetz punktuell zu ändern, um unter Wahrung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten. Dabei gilt es, irrationale Erwartungshaltungen in der Bevölkerung zu vermeiden. Das Sächsische Versammlungsgesetz sollte das Friedlichkeitsgebot stärker betonen und klarstellen, dass nur friedliche Versammlungen den Schutz der Verfassung genießen. Der Veranstalter und der Leiter einer Versammlung sind für deren friedlichen Verlauf intensiver in die Pflicht zu nehmen. Ebenso müssen Regelungen getroffen werden, mit denen Störungen nicht verbotener Versammlungen effektiv unterbunden werden können. Im Einzelnen halten wir insbesondere folgende Änderungen für notwendig: Der Veranstalter ist zu verpflichten, bereits im Vorfeld geeignete Maßnahmen (z.b. Distanzierung von gewaltbereiten Anhängern) zu ergreifen, wenn die Gefahr eines unfriedlichen Verlaufs der Versammlung droht. Die Kooperation mit der Polizei ist als Obliegenheit des Veranstalters im Gesetz zu verankern. Die Rechtslage bei Gegendemonstrationen und die Voraussetzungen für die Annahme eines polizeilichen Notstands bei konkurrierenden Versammlungen müssen gesetzlich genauer geregelt werden. Sofern der Versammlungsleiter oder einzelne Ordner keine Gewähr für die Friedlichkeit der Versammlung bieten, muss es der Polizei ausdrücklich ermöglicht werden, sie abzulehnen. Für besonders schwere Fälle der Versammlungsstörung muss eine Strafzumessungsregel mit erhöhter Mindeststrafe geschaffen werden. Die jetzige Regelung wird dem Unrechtsgehalt der Tat derzeit nicht immer gerecht, z.b. wenn der Täter die Tat gemeinschaftlich mit anderen begeht oder eine Waffe bei sich führt. Es ist eine Regelung zu treffen, wonach demjenigen, der zur Störung einer Versammlung aufruft, die Kosten des Polizeieinsatzes auferlegt werden können. Ebenso muss für die Kosten der Gefahrenabwehr herangezogen werden, wer als Veranstalter oder Leiter dazu aufruft, eine Demonstration trotz Verbots oder entgegen Auflagen durchzuführen. Sogenannte Scheinanmeldungen, bei denen eine tatsächliche Durchführung der Versammlung gar nicht beabsichtigt ist und mit denen lediglich Polizeikräfte gebunden werden sollen, sind zu verbieten und als Ordnungswidrigkeit zu 5

behandeln. Außerdem sind dem Anmelder die durch diesen Rechtsmissbrauch verursachten Kosten aufzuerlegen. Die Teilnahme an einer verbotenen oder aufgelösten Versammlung soll wieder wie bis 1970 als Straftat und nicht lediglich als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Ein Wettlauf der Versammlungsanmeldungen, der ausschließlich die Verhinderung von Demonstrationen des politischen Gegners bezweckt, muss durch Einführung einer höchstzulässigen Vorlauffrist für die Anmeldung (z.b. zwei Jahre) vermieden werden. Die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen gegen Entscheidungen aufgrund des Versammlungsgesetzes ist gesetzlich auszuschließen. Wir bitten die CDU Fraktion im Sächsischen Landtag, die zur Änderung des Sächsischen Versammlungsgesetzes notwendigen Schritte einzuleiten. Vor dem Gesetz sind alle gleich Die erhebliche Störung einer nicht verbotenen Versammlung stellt einen Angriff auf einen hochrangigen Verfassungswert und deshalb strafwürdiges Unrecht dar. Dies gilt selbst dann, wenn der Tat im Einzelfall ehrenwerte Beweggründe zugrunde gelegen haben mögen. Deshalb ist es richtig und konsequent, dass bei Versammlungsstörungen in diesem Jahr wie auch in den Vorjahren von der Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren gegen die Störer eingeleitet wurden. Dabei gilt: Vor dem Gesetz sind alle gleich auch Bundestagsvizepräsidenten und Fraktionsvorsitzende des Sächsischen Landtags. In unserem Rechtsstaat entscheiden unabhängige Gerichte ohne Ansehen der Person über Schuld oder Unschuld. Die Forderung der SPD an die Staatsregierung, die Einstellung der anhängigen Ermittlungsverfahren anzuordnen, ist deshalb mit Blick auf das Legalitätsprinzip unerfüllbar und zielt außerdem auf die Begehung einer Straftat, nämlich Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt ( 339, 258a, 52 Strafgesetzbuch). Die Verwaltung ist an das Gesetz gebunden Gemäß Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Eine Versammlung darf demnach von den Behörden nur verboten oder mit Auflagen versehen werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. Die politische Tendenz einer Versammlung darf bei der behördlichen Entscheidung keine Rolle spielen. Es ist deshalb nicht hinzunehmen, wenn Versammlungsbehörden auf zweifelhafter Rechtsgrundlage Demonstrationen verbieten, um den Verwaltungsgerichten die Verantwortung für deren Durchführung zuzuschieben. 6

Auch Richter tragen Verantwortung Die Entscheidungen der Polizei über Versammlungsverbote und Auflagen unterliegen in einem Rechtsstaat richterlicher Kontrolle. Bei der Ausübung der rechtsprechenden Gewalt sind die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Das macht sie aber nicht unfehlbar. Ihre Tätigkeit bedarf demokratischer Legitimation durch das Volk, von dem alle Staatsgewalt ausgeht. Deshalb erwarten wir, dass sich Richter der sachlichen Kritik und Diskussion (auch) in versammlungsrechtlichen Fragen z.b. im Rahmen des von Staatsminister Ulbig organisierten Symposiums stellen. Nur so können kontroverse Fragen befriedigend geklärt und das notwendige Vertrauen der Bevölkerung in die Dritte Gewalt gesichert werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob von einer Versammlung aufgrund der in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht oder ob ein polizeilicher Notstand droht, verfügt die sächsische Polizei über eine reiche Erfahrung und eine hohe Fachkompetenz. Ihre Lageeinschätzung sollte daher von den Verwaltungsgerichten nicht ohne zwingende Gründe beiseite geschoben werden. Gewiss darf der Rechtsschutz des Bürgers nicht verkürzt werden. Aber nur selten verfügen Gerichte über qualifiziertere Kenntnisse des Konfliktmanagements als die Polizei. Diesen Grenzen ihrer eigenen Urteilsfähigkeit sollten sich Richter bewusst sein. Der Verlauf des 19. Februars 2011 in Dresden hat auf traurige Weise vor Augen geführt: Die Gefahrenprognose der Polizei war richtig, die des Verwaltungsgerichts offenbar falsch. Beschlossen in der Sitzung des Landesvorstands am 12. April 2011 in Dresden. 7