Der Biokonsum in der Schweiz

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Transkript:

Einkommens- und Verbrauchserhebung Der Biokonsum in der Schweiz 4 Volkswirtschaft Economie nationale Economia Martina Schletti Eine empirische Analyse des Biokaufes auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchserhebung 1998 (EVE 98) Office fédéral de la statistique Bundesamt für Statistik Ufficio federale di statistica Uffizi federal da statistica Neuchâtel, 2001

Die vom Bundesamt für Statistik (BFS) herausgegebene Reihe «Statistik der Schweiz» gliedert sich in folgende Fachbereiche: 0 Statistische Grundlagen und Übersichten 1 Bevölkerung 2 Raum und Umwelt 3 Arbeit und Erwerb 4 Volkswirtschaft 5 Preise 6 Industrie und Dienstleistungen 7 Land- und Forstwirtschaft 8 Energie 9 Bau- und Wohnungswesen 11 Verkehr und Nachrichtenwesen 12 Geldpolitik, Finanzmärkte und -akteure 13 Soziale Sicherheit 14 Gesundheit 15 Bildung und Wissenschaft 16 Kultur, Medien, Zeitverwendung 17 Politik 18 Öffentliche Finanzen 19 Rechtspflege 20 Gesellschaft in Bewegung (Querschnittsthemen) 10 Tourismus

Statistik der Schweiz Einkommens- und Verbrauchserhebung Der Biokonsum in der Schweiz Eine empirische Analyse des Biokaufes auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchserhebung 1998 (EVE 98) Autorin Herausgeber Martina Schletti Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Bundesamt für Statistik Ufficio federale di statistica Uffizi federal da statistica Neuchâtel, 2001

Auskunft: Martina Schletti, Tel.: 032 713 63 80, Peter Bolliger, BFS, Tel.: 032 713 68 11 Bearbeitung: Martina Schletti, Tel.: 032 713 63 80. Im Auftrag des BFS Vertrieb: Bundesamt für Statistik CH-2010 Neuchâtel Tel. 032 713 60 60 / Fax 032 713 60 61 Bestellnummer: 014-9807 Preis: Fr. 9. Fachbereich: 4 Volkswirtschaft Originaltext: Deutsch Grafik/Layout: BFS Copyright: BFS, Neuchâtel 2001 Abdruck ausser für kommerzielle Nutzung unter Angabe der Quelle gestattet. ISBN: 3-303-05489-4

Inhaltsverzeichnis Tabellenverzeichnis......................................................... 4 Abbildungsverzeichnis...................................................... 5 0 Einleitung............................................................. 7 0 Introduction............................................................ 11 1 Einflussfaktoren........................................................ 13 1.1 Der Preis............................................................ 14 1.2 Das Einkommen..................................................... 14 1.2.1 Das Einkommen als Indikator der sozialen Schicht........................ 15 1.3 Kleine Kinder....................................................... 16 1.4 Die Gesundheitseinstellung............................................ 17 2 Der Biokauf als Teil des umweltbewussten Einkaufens.................... 19 3 Die Datenbasis für die Bioanalyse...................................... 21 3.1 Die Ziehung der Teilmenge............................................ 21 3.2 Erfassung der Biolebensmittel in der EVE 98............................ 22 3.3 Erfassung des Biokaufes............................................... 22 3.4 Äquivalenzskalen.................................................... 23 4 Die Ergebnisse und Interpretation...................................... 25 4.1 Die deskriptiven und bivariaten Ergebnisse.............................. 25 4.1.1 Die Stichprobe....................................................... 25 4.1.2 Die monatlichen Nahrungsmittelausgaben............................... 27 4.1.3 Die Nachfrage nach Bioprodukten...................................... 29 4.1.4 Das Einkaufsverhalten................................................ 32 4.2 Die multivariaten Ergebnisse.......................................... 34 4.2.1 Das Biokaufmodell: Die Pfadanalyse.................................... 34 4.2.1.1 Die Grundthese...................................................... 34 4.2.1.2 Verhaltensvariablen als Indikator für Einstellungen....................... 34 4.2.1.3 Die Hypothesen zur Pfadanalyse....................................... 35 4.2.1.4 Ergebnisse und Interpretation der Hypothesen........................... 37 4.2.1.4 Verbesserungsvorschläge für ein aussagekräftigeres Biokaufmodell.......... 43 4.2.2 Die Regressionsmodelle zu den Ausgaben für biologische und konventionelle Nahrungsmittel...................................................... 46 4.4 Übersicht zu den Auswertungen........................................ 47 5 Schlussfolgerungen................................................... 49 5.1 Überprüfung der Thesen.............................................. 49 5.2 Förderung des Biokonsums............................................ 50 Der Datensatz............................................................. 51 Literaturverzeichnis......................................................... 53 Anhang 1: Soziodemographische Variablen und Merkmale des Einkaufs........... 55 Anhang 2: Regressionen zum Pfadmodell...................................... 57 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 3

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Motive für den Kauf von Produkten aus ökologischem Anbau.......... 17 Tabelle 2: Ausgaben-Äquivalenzskalen....................................... 23 Tabelle 3: Ausgaben-Äquivalenzskalen und die Verteilung der Teilmenge......... der Stichprobe, N=2878........................................... 24 Tabelle 4: Verteilung der binären soziodemographischen Variablen in der Teilmenge, N=2878 und in der gesamten schweizerischen Wohnbevölkerung von 1998........................................................ 25 Tabelle 5: Verteilung der soziodemographischen und standardisierten haushaltsbezogenen Variablen der Teilmenge, N=2878......................... 26 Tabelle 6: Verteilung der monatlichen Konsumausgaben für Nahrungsmittel und nicht alkoholische Getränke....................................... 27 Tabelle 7: Prozentualer Bioanteil und Preisdifferenz bezüglich der konventionellen Lebensmittel..................................................... 28 Tabelle 8: Verteilung der Biokaufsquoten nach Anzahl Konsumenten in Prozenten. 30 Tabelle 9: Biokaufquote nach Altersgruppen N=2877, standardisierte Haushalteinkommensklassen N=2872, Bildungsabschlüssen N=2363 und Geschlecht N=2877............................................... 31 Tabelle 10: Einkaufsorte und Häufigkeit, N=2878............................... 32 Tabelle 11: Korrelationen zwischen den Einkaufsfrequenzen der Läden und der Biokaufquote, N=2875 und den standardisierten Nahrungsmittelaushaben, N=2875......................................................... 33 Tabelle 12: Bestimmungsfaktoren der Biokaufquote(mit standardisierten Haushaltsvariablen), OLS-Regressionen................................. 39 Tabelle 13: Korrelationen zwischen Biokaufquote und standardisiertem Nahrungskonsum in Kilo und Liter, N=2878.................................. 42 Tabelle 14: Korrelationen zwischen Biokaufquote, standardisiertem Nahrungskonsum in Kilo und Liter und soziodemographischen Variablen, N=2878. 42 Tabelle 15: Korrelationen zwischen Biokaufquote und subjektiven Gesundheitsvariablen........................................................ 44 Tabelle 16: Korrelationen zwischen Biokaufquote und Indikatoren für das Umweltverhalten........................................................ 44 Tabelle 17: Bestimmungsfaktoren für Bio- und konventionelle Lebensmittelausgaben in Franken (OLS-Regressionen, nichtstandardisierte Regressionskoeffizienten)............................................... 46 Tabelle 18: Bestimmungsfaktoren des standardisierten Einkaufs in Kilo, OLS- Regressionen.................................................... 57 Tabelle 19: Bestimmungsfaktoren des standardisierten Einkaufs in Liter, OLS- Regressionen.................................................... 57 Tabelle 20: Bestimmungsfaktoren der Haushaltsgrösse, OLS-Regressionen......... 58 Tabelle 21: Bestimmungsfaktoren des standardisierten monatlichen Einkommens, OLS-Regressionen............................................... 58 Tabelle 22: Bestimmungsfaktoren der standardisierten Anzahl Autos, OLS- Regressionen.................................................... 59 Tabelle 23: Bestimmungsfaktoren der standardisierten Anzahl Haushaltsgeräte, OLS-Regressionen............................................... 59 Tabelle 24: Bestimmungsfaktoren der Mitgliedschaft in Umweltgruppe, OLS- Regressionen.................................................... 60 4 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

Tabelle 25: Bestimmungsfaktoren der Biokaufquote, OLS-Regressionen mit unstandardisierten Variablen....................................... 60 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Der Schweizer Biomarkt von1997-2000 im Überblick................ 8 Abbildung 2: Einflussfaktoren auf das Kaufverhalten............................ 13 Abbildung 3: Pfaddiagramm zum Biokaufverhalten............................. 37 Abbildung 4: Ergebnisse der Pfadanalyse...................................... 38 Abbildung 5: Verteilung der Biokaufquote, N=2877............................. 45 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 5

6 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

0 Einleitung Die Konsumtätigkeit ist ein wichtiger Bestandteil unseres täglichen Lebens. Dabei kann zwischen dem Nahrungsmittelkonsum im Allgemeinen und dem Biokonsum im Speziellen unterschieden werden. Das Konzept des Biokaufs 1 ist in der Literatur nicht klar umrissen. Für die vorliegende Studie wird das Bioprodukt folgendermassen definiert: Alle Produkte, die umweltschonend erzeugt wurden und als solche deklariert sind. Ziel dieser Untersuchung ist es, die Faktoren zu bestimmen, welche den Biokauf fördern oder behindern können, bzw. keinen Einfluss haben. In dieser Studie wird ein Biokaufmodell gebildet, welches das Biokaufverhalten der Konsumenten erklären soll. Im Zentrum der Datenanalyse stehen die Zusammenhänge zwischen Biokonsum und sozialen Einflussfaktoren, wie z.b. Bildung, Familienstand, Einkommen und Gesundheitseinstellung. Begonnen hat die biologische Produktionsweise in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Der Begründer der Anthroposophie, Rudolf Steiner, hielt 1924 Vorträge zum biologisch-dynamischen Landbau und er war ein Vorreiter einer naturgerechten Anbauweise. Nach den zuerst ideologisch geprägten Phasen gewann der Markt für Bioprodukte zunehmend das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit (vgl. Zentralverband Schweizerischer Milchproduzenten, ZSM, 1995). Während der 90er Jahre hat im Lebensmittelmarkt ein Wandel eingesetzt. In den allgemein gesättigten Nahrungsmärkten wurde von Seiten des Handels ein Potential für qualitatives Wachstum erkannt. Anbieter, die bis dahin kaum Berührungspunkte zu ökologisch produzierten Nahrungsmitteln zeigten, bemühen sich seither darum, ein breiteres Biosortiment im Angebot zu haben. Ökologie ist damit zu einem wachsenden Wettbewerbsfaktor für die Nahrungsmittelindustrie geworden (vgl. Zentralverband Schweizerischer Milchproduzenten, ZSM, 1995). Der Umsatzanteil der Biolebensmittel am schweizerischen Lebensmittelhandelsumsatz (ca. 37 Milliarden Franken) lag im Jahr 2000 bei ca. 2.2% (Bio Suisse, Medienkonferenz, 23. März 2001). In der folgenden Abbildung wird der Umsatz für Bioprodukte der einzelnen Vertriebswege dargestellt. 1 Die Ausdrücke «Biokauf» und «Biokonsum» werden in der gesamten Studie synonym verwendet. Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 7

Abbildung 1: Der Schweizer Biomarkt von1997-2000 im Überblick 900 800 784 700 666 600 584 500 487 400 360 300 292 200 100 0 168 222 124132 84 179 150 150 150153 Coop Migros Reformund Bioläden 50 50 52 52 Direktvermarktung der Knospe 15 18 20 20 20 20 20 20 Bio Domaine Diverse Total Biomarkt Umsatz 1997 in Mio Umsatz 1998 in Mio Umsatz 1999 in Mio Umsatz 2000 in Mio Bundesamt für Statistik Quelle: Bio Suisse (2001): Medienunterlagen Der Biokonsum ist in den letzten vier Jahren kontinuierlich gestiegen. In dieser Periode ist der gesamte Bioumsatz um 62% gewachsen. Doch wie bereits weiter oben festgehalten, ist der Anteil der Biolebensmittel am gesamten Umsatz sehr klein. Die Verantwortlichen der Vereinigung «Bio Suisse» gehen davon aus, dass die Sättigungsgrenze für Bioprodukte noch lange nicht erreicht ist. Sie streben das Ziel an, den Umsatz bis 2005 zu verdoppeln. Der Marktanteil der Bioprodukte sollte 5-10% des gesamten Nahrungsmittelumsatzes betragen. Auf der Seite der Konsumenten wird seit einigen Jahren einer bewussten Ernährung zur Förderung der eigenen Gesundheit vermehrt Gewicht beigemessen. Folgende Umstände haben dies unterstützt: Verunsicherung der Konsumierenden über konventionelle Lebensmittel, wie z.b. über deren Zusammensetzung (Emulgatoren, Stabilisatoren etc.) und über neue Produktionsverfahren von Lebensmitteln, wie z.b. Genmanipulation Lebensmittelskandale, wie z.b. Rinderwahnsinn (BSE) Allgemein gestiegenes Gesundheits- und Umweltbewusstsein Der Biokauf ist eine Möglichkeit, sich umweltbewusst und gesund zu ernähren. 8 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

Konzept dieser Studie: Als Datengrundlage für die Sekundäranalyse über den Biolebensmitteleinkauf dient die Einkommens- und Verbrauchserhebung 1998 (EVE 98) vom Bundesamt für Statistik (BFS). Als Einstieg ins Thema werden die Einflussfaktoren des Kaufverhaltens vorgestellt. Dies sind: Preis Einkommen Anzahl Kinder im Haushalt Gesundheitseinstellung Anschliessend wird im zweiten Teil der Biokonsum als eine Verhaltensalternative des umweltgerechten Handelns dargestellt. Die Ergebnisse der empirischen Analyse des Datensatzes der EVE 98 werden im Hauptteil vorgestellt. Sie beinhalten die wichtigsten Ausprägungen des Biokaufs. Als Auswertungsmethode wird ein Pfadmodell verwendet. Im Pfadmodell können kausale Abhängigkeiten zwischen Variablen überprüft werden, wie z.b. zwischen dem Biokauf und den oben genannten Einflussfaktoren. Abschliessend werden die relevanten Ergebnisse der Einflussfaktoren nochmals zusammengefasst. Dies ermöglicht, Handlungsanweisungen für die Zukunft zu formulieren, damit die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu Gunsten einer Förderung des Biokonsums verändert werden können. Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 9

10 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

0. Introduction La consommation est une activité importante de notre vie quotidienne. On peut à cet égard faire une distinction entre la consommation de produits alimentaires en général et celle de produits biologiques. Le concept d achat de produits bio 1 n est pas véritablement délimité de manière précise. Dans la présente étude, nous avons utilisé la définition suivante: Tous les produits résultant d une production respectueuse de l environnement et déclarés comme tels. Cette expertise vise à déterminer les facteurs favorisant l achat de produits bio et ceux qui au contraire l entrave ou n ont aucune influence. Dans cette étude, on établit un modèle d achat de produits bio à même d expliquer le comportement «bio» des consommateurs. L analyse des données est largement basée sur les rapports entre la consommation bio et des facteurs sociaux tels que la formation, la situation familiale, le revenu et l attitude face à la santé. La production biologique a pris naissance dans les années 20 du siècle dernier. En 1924, le fondateur de l anthroposophie, Rudolf Steiner, a donné des conférences sur l agriculture biodynamique et il est considéré comme le précurseur d un mode de production naturel. Après avoir été marqué idéologiquement à ses débuts, le marché des produits bio a suscité un intérêt croissant auprès du grand public (cf. Union centrale des producteurs suisses de lait, UCPL, 1995). Un tournant s est amorcé dans les années 90 sur le marché des denrées alimentaires. Comme ce dernier tendait à être saturé, le commerce s est intéressé de manière accrue au potentiel que représentait la croissance qualitative. Les distributeurs, qui n avaient jusqu alors que peu d affinité avec les aliments produits de manière biologique, s efforcent depuis lors de proposer une large palette de produits bio dans leur assortiment. L écologie est donc devenue un facteur concurrentiel de plus en plus important pour l industrie alimentaire. (cf. Union centrale des producteurs suisses de lait, UCPL, 1995). La part du chiffre d affaires des aliments bio dans le chiffre d affaires global du commerce de denrées alimentaires en Suisse (env. 37 milliards de francs) a atteint 2,2% en l an 2000 (Bio Suisse, conférence de presse du 23 mars 2001). La figure ci-dessous présente le chiffre d affaires des produits bio des différents canaux de distribution. 1 Les expressions «achat de produits bio» et «consommation de produits bio»sont utilisés comme synonymes dans toute cette étude. Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 11

Figure 1: Le marché bio en Suisse de1997 à 2000, vue d ensemble 900 800 784 700 666 600 584 500 487 400 360 300 292 200 100 0 168 222 124132 84 179 150 150 150153 Coop Migros Magasins Bio 50 50 52 52 Vente directe du Gourgeon 15 18 20 20 20 20 20 20 Domaine Bio Divers Total marché Bio Chiffre d affaires 1997 en millions Chiffre d affaires 1998 en millions Chiffre d affaires 1999 en millions Chiffre d affaires 2000 en millions Office fédéral de la statistique Source: Bio Suisse (2001): documentation de presse La consommation de produits bio a progressé de manière continue ces quatre dernières années. Leur chiffre d affaires s est accru de 62% durant cette période. Comme nous l avons vu, il reste cependant très modeste par rapport au chiffre d affaires global réalisé dans l alimentation. Les responsables de l association «Bio Suisse» estiment que la limite de saturation n est de loin pas encore atteinte pour les produits bio. Ils tablent sur un doublement du chiffre d affaires d ici à 2005. La part de marché des produits bio dans le secteur alimentaire devrait se situer entre 5 et 10%. Depuis quelques années, les consommateurs optent toujours plus pour une alimentation qui favorise leur santé. Cette tendance est renforcée par les circonstances suivantes: insécurité des consommateurs face aux aliments conventionnels, par exemple quant à leur composition (agents émulsifiants, agents stabilisants, etc.) et quant aux nouveaux procédés de production, par ex. manipulation génétique scandales dans le secteur alimentaire, par ex. la maladie de la vache folle (ESB) conscience plus aiguë des questions liées à la santé et à l environnement. La consommation de produits bio représente une possibilité de se nourrir de manière saine et respectueuse de l environnement. 12 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

1 Einflussfaktoren Um Einflussfaktoren des Kaufverhaltens bestimmen zu können, verwendet die Kaufverhaltensforschung soziologische und psychologische Indikatoren. Folgende Abbildung gibt einen schematischen Überblick über die verschiedenen Einflussfaktoren, die auf den Käufer einwirken können. Abbildung 2: Einflussfaktoren auf das Kaufverhalten Kulturelle Faktoren Soziale Faktoren Kulturkreis Persönliche Faktoren Bezugsgruppen Alter Psychologische Faktoren Lebensabschnitt Beruf Subkultur Familie Wirt. Verhältnisse Motivation Lebensstil Wahrnehmung Käufer Persönlichkeit Lernen Soziale Schicht Rollen, Status Selbstbild Einstellungen Quelle: Kotler/Bliemel (1995), S.280 Das dargestellte Modell ist sehr vielschichtig. Kotler/Bliemel beschreiben die Kaufentscheidung als «Ergebnis komplexer Wechselwirkungen zwischen kulturellen, sozialen, persönlichen und psychologischen Faktoren» (ebd., S.303). In der vorliegenden empirischen Biokaufanalyse wird nur eine kleine Menge der in Abbildung 2 vorgestellten Einflussfaktoren untersucht. Um den Biokauf zu erklären, werden vier Einflussfaktoren des Kaufverhaltens vorgestellt. Dies sind: 1. der Preis, 2. wirtschaftliche Verhältnisse: Das Einkommen, 3. Familie: Anzahl Kinder im Haushalt und 4. Einstellungen: Gesundheitseinstellung. Die Variable «Preis» soll Aufschluss über die Frage geben, ob ein Preiseffekt besteht, bzw. ob der höhere Preis des Bioproduktes für den Konsumenten ein Kaufhindernis darstellt. Der Einfluss des Einkommens auf den Biokauf wird daraufhin untersucht, ob Bioprodukte superiore oder inferiore Güter sind, bzw. ob es bei Bioprodukten einen Einkommenseffekt gibt. Ergebnisse früherer Forschungen zum Biokauf (vgl. Fricke 1999, Schletti 2000) zeigen, dass die Variablen «Kinder im Haushalt zu haben» und der Biokaufgrund «besser für die Gesundheit» wichtige Einflussfaktoren des Biokonsums sind. Diese früheren Resultate und Thesen werden in der vorliegenden Studie anhand des Datensatzes der EVE 98 untersucht. Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 13

1.1 Der Preis In der Rational Choice Theorie wird das Kaufverhalten vom ökonomischen Standpunkt aus analysiert. Das Verhältnis vom Preis und Nutzen bestimmen während des Entscheidungsprozesses, ob ein Produkt gekauft wird oder nicht. Für den Konsumentscheid ergibt sich daraus folgendes Axiom: «Gewählt wird das Produkt mit der höchsten Qualität unter der Nebenbedingung, dass der Preis eine bestimmte Höhe (subjektiver Leit- und Schwellenpreis) nicht überschreitet» (Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S.376). Demzufolge wird der Entscheidungswert eines Gutes durch folgende mathematische Gleichung bestimmt: wahrgenommene Qualität (Nutzen) wahrgenommener Preis (Kosten) = Entscheidungswert (Nettonutzen) (Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S. 377) Die Gleichung kann erweitert werden, indem man weiter gefasste Begriffe der Kostenund Nutzenaspekte verwendet. Der gewonnene Nutzen durch den Erwerb kann zusätzlich zur Produktqualität, auch der Prestigegewinn, die Gesundheit, der Komfort und die Ökologie sein. Der Preis wird nicht als der einzige Kostenpunkt bei einer Kaufentscheidung aufgefasst, sondern auch der Zeitaufwand bis zum Kauf oder die Unbekanntheit eines Produktes können Kostenkriterien sein. Ein solcher Ansatz ist ein RC-Modell (Rational-Choice Modell) im weiteren Sinn 2 (vgl. Diekmann 1999). In den bisherigen Biokonsumforschungen wurden keine Lebensmittelpreise erhoben, daher gibt es keine Ergebnisse zu den Preiseffekten. Es wurde bis jetzt angenommen, dass der höhere Biopreis für viele Konsumenten ein Kaufhindernis darstellt (vgl. Fricke 1996, S.191). 1.2 Das Einkommen Wie schon erwähnt, liegt der Biopreis über dem Preisniveau der konventionell angebauten Lebensmittel. Daher liegt die Vermutung nahe, dass das Einkommen einen positiven Effekt auf den Biokauf hat. Über den Einkommenseffekt gibt es verschiedene Ansichten: Aus der Sicht der Ökonomie hat die Grösse des Einkommens eine Wirkung auf den Güterkonsum. Es werden bei steigendem Einkommen zwei Arten der Güternachfrage unterschieden: 1. Bioprodukte sind superiore Güter, wenn die Bionachfrage bei steigendem Einkommen wächst. 2. Trifft das Gegenteil zu, d.h. die Nachrage sinkt bei steigendem Einkommen, dann sind Bioprodukte inferiore Güter. 2 Im SEU-Modell (SEU= Subjective Expected Utility) wird z.b. diesen ausdifferenzierten Begriffen der Kosten- und Nutzenaspekte Rechnung getragen. Bei der Entscheidung zwischen Handlungs-alternativen wird die Maximierung des subjektiv erwarteten Nutzens als Axiom angenommen. Demnach hängt das Verhalten der Individuen von zwei Faktoren ab: Vom Nutzen der Handlungskonsequenzen und von der subjektiv eingeschätzten Wahrscheinlichkeit, mit der bestimmte Konsequenzen erwartet werden (vgl. Wiswede 2000, S.30). 14 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

In den soziologischen Modellen wird dem Einkommen eine Schichtungsfunktion zugeteilt, d.h. anhand der Einkommensklassen lassen sich Personen in obere, mittlere oder untere Klassen einteilen. Diese Einteilung wird vorgenommen, weil man annimmt, dass sich die Personen schichtspezifisch verhalten. 1.2.1 Das Einkommen als Indikator der sozialen Schicht Das gleiche Ziel wird mit der Konstruktion sozialer Schichten 3 verfolgt. Die soziale Schicht wird allgemein als Index anhand des Einkommens, der Bildung, des Berufs, der Wertorientierung etc. gebildet. Ein Beispiel zur Anwendung der Schichtungsmethode liefert Pierre Bourdieu. Er veröffentlichte 1979 eine Studie mit dem Titel: «La distinction. Critique sociale du jugement» (deutsch: «Die feinen Unterschiede» 1999 [1982]). Bourdieu setzte sich mit den Unterschieden sowie zwischen, als auch innerhalb der französischen Klassen auseinander. Dabei verwendete er den Begriff «Klasse» statt «Schicht» für die hierarchische Gliederung der Gesellschaft. Die Klassen differenzieren sich anhand ihres Geschmackes, ihrer Freizeitaktivitäten und ihrer Essgewohnheiten. Diese Unterschiede zwischen Klassen begründet Bourdieu mit den jeweils anders verteilten Ressourcen 4. Grobe Unterschiede im Nahrungsmittelkonsum zwischen den sozialen Klassen sind nach Bourdieu durch die Einkommensdifferenzen erklärbar. Die unteren Schichten geben Geld aus für schwer verdauliche und dick machende Nahrungsmittel, wie z.b. Nudeln, Kartoffeln, Bohnen, Speck und Schweinefleisch. Dies sind alles billigere Lebensmittel (vgl. Bourdieu 1999, S.288f). Die höheren Schichten geben mehr aus für nicht dick machende Kost wie Rinder-, Kalb-, Lammfleisch sowie Obst und Frischgemüse. Die herrschende Klasse legt Wert auf leichte, raffinierte Lebensmittel (vgl. ebd., S.289). 3 Es gibt zwei Schichtungsmethoden: Erstens die objektive Schichtungsmethode (Bildung, Beruf, Einkommen, etc.) und zweitens die subjektive Schätzmethode. Bei der subjektiven Schätzmethode teilen sich die Befragten selber einer Schicht zu. Bei der objektiven Schätzmethode werden für die Werte jedes Schichtungsindikators Punkte verteilt, die dann zu einem Gesamtmesswert aufaddiert werden. Die Gesamtpunktezahl (=Index) wird in Gruppen aufgeteilt. 4 Personen mit hoher Bildung, grosser Verantwortung bei der Arbeit und hohem Einkommen gehören der herrschenden Gesellschaftsklasse an und verfügen somit über grössere Ressourcen, als Personen mit tiefer Bildung und tiefen Löhnen. Aus diesem Grund gehören solche Leute den unteren Klassen an. Bildung und Einkommen benennt Bourdieu «ökonomisches» und «soziales» Kapital einer sozialen Lage. Diese beiden Kapitale setzen die Menschen in den verschiedenen Klassen jeweils so ein, dass sie sich von den jeweils unter ihnen liegenden Klassen differenzieren. Die zwei verhaltensbestimmenden Kapitale fasste Bourdieu im Konzept des «Habitus» zusammen. So hat jede soziale Gruppe einen anders gearteten «Habitus», der im Alltag sichtbar wird, wie z.b. bei der Wahl der Freizeitaktivitäten. Nach Bourdieu ist Golfspielen bei den reichen Leuten beliebt, da diese Freizeitaktivität den Ruf hat, ein exklusives Hobby zu sein. Die tieferen Klassen bevorzugen dagegen das Fussballspiel. Daraus folgt, dass eine soziale Klasse nicht nur geprägt ist durch die ökonomischen Verhältnisse, sondern auch durch Habitusformen. Die symbolischen Zeichen der Distinktionen drücken sich beim Konsum aus, vor allem beim ostentativen (sichtbaren) wie z.b. Freizeitaktivitäten, Essen, Kleidung. Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 15

Die feinen Unterschiede innerhalb der gleichen Klasse beziehen sich auf Gruppen mit vergleichbaren Einkommen, aber mit je anderem Bildungsweg. Hier unterscheidet Bourdieu zwischen Intellektuellen, die Milch- und Frischprodukte bevorzugen und wenig Wein konsumieren und Geschäftsleuten, welche schwere Speisen einnehmen. Bourdieu fügt einen weiteren Bestimmungsgrund für die schichtspezifische Nahrungswahl ein: das Körperbewusstsein. «Der Geschmack für bestimmte Speisen und Getränke hängt im Weiteren sowohl ab vom Körperbild, das innerhalb einer sozialen Klasse herrscht, und von der Vorstellung über die Folgen einer bestimmten Nahrung für den Körper, d.h. auf dessen Kraft, Gesundheit und Schönheit, als auch von den jeweiligen Kategorien zur Beurteilung dieser Wirkungen; da nicht alle sozialen Klassen auf die gleichen Kategorien zurückgreifen, lassen sich klassenspezifische Rangstufen der Folgen erstellen: so sind die unteren Klassen, denen mehr an der Kraft des (männlichen) Körpers gelegen ist als an dessen Gestalt und Aussehen, nach gleichermassen billigen wie nahrhaften Produkten aus, während die Angehörigen der freien Berufe den geschmackvollen Erzeugnissen, die gesundheitsfördernd und leicht sind und nicht dick machen, den Vorzug geben» (ebd., S.305f). Daraus kann man folgern, dass der Körper die Klassenzugehörigkeit ausdrücken kann. Der Nahrungsmittelkonsum stellt ein weiteres Unterscheidungsmerkmal innerhalb, sowie zwischen den Klassen dar. Die Lebensmittel haben für die Verbraucher einen realen und symbolischen Bezug zur sozialen Welt. In einer neueren soziologischen Studie zum Einkommenseffekt auf das Konsumverhalten wird festgestellt, «...dass das Einkommen die Höhe der Ausgaben bestimmt. Die Struktur der Ausgaben dagegen wird über verschiedene Gütergruppen eher von der biographischen Phase bestimmt und ist von der Höhe des Haushalteinkommens nahezu unabhängig» (Rosenkranz 2000, S.144). Folglich ist die Höhe des Einkommens für den Konsum relevant, wenn man die gesamten Ausgaben eines Haushaltes betrachtet. Die Verteilung auf die verschiedenen Produktgruppen, wird stärker durch die Familien- und Lebenssituation beeinflusst. Das bedeutet für die Bioausgaben, dass sie eher von den persönlichen Umständen einer Person abhängig sind als vom Einkommen. Das empirische Forschungsergebnis bezüglich des Einkommenseffektes bei Bioprodukten lautet, dass im Pfadmodell (vgl. Fricke 1996, S.178ff) das Einkommen keinen direkten Effekt auf den Biokonsum ausübt. Das Einkommen hat einen indirekten Effekt, indem die Zahlungsbereitschaft mit zunehmendem Einkommen steigt. Diese Einstellungsdimension wirkt sich positiv auf den Biokauf aus. 1.3 Kleine Kinder Die folgende zentrale Variable, «kleine Kinder zu haben», stellt ein Indikator der Familiensituation dar. Die Familie und das private Umfeld sind wichtige Einflussmerkmale des Konsums. Die Bedeutung der Familienmitglieder ist sowohl für individuelle als auch gemeinsame Kaufentscheidungen wichtig. «Man kann davon ausgehen, dass der Familienzyklus 5 ein besserer Prädikator für das Konsumentenverhalten ist als einfache soziodemographische Merkmale wie Alter und Einkommen»(Kroeber-Riel/Weinberg 1996, S.441). 5 Der Familienzyklus lässt sich in folgende Phasen einteilen: Erstens: Zeit vor der Heirat, zweitens: Verheiratet, mit jungen Kindern, drittens: Verheiratet, mit älteren Kindern, und viertens: Kinder verlassen das Elternhaus. 16 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

«Das Kaufverhalten während eines Familienzyklus» kann z.b. so aussehen: Die Geburt eines Kindes kann zur Folge haben, dass das Einkommen einer jungen Familie zurückgeht, weil ein Ehepartner (mindestens vorübergehend) die Berufstätigkeit aufgibt. Der Druck zum Geldausgeben wächst, weil man eine grössere Wohnung benötigt. Zusätzlich hat man mehr Ausgaben für Gesundheit und Nahrung. Die Wirkung der Kinder auf den Konsum wird bei Konsumforschungen unterstrichen. «Lebensformen mit Kindern weisen mehr Gemeinsamkeiten auf als kinderlose Lebensformen, die in sich wiederum relativ homogen sind. Dies gilt insbesondere für Ehepaare und nichteheliche Lebensgemeinschaften» (Rosenkranz 2000, S.144). Nicht die Heirat führt demnach zu einer Konsumdifferenz, sondern die Geburt der Kinder. Sind Kinder im Haushalt, so sehen sich die Konsummuster der Haushalte ähnlich. Auch bei einer Umfrage zur Ernährung stellte man fest, dass die wichtigste Motivation für eine bewusste bzw. gesunde Ernährung die Gesundheit der eigenen Kinder ist (vgl. Faltermaier 1994). Der Indikator der Familiensituation, «kleine Kinder haben» (bis und mit 3 Jahre alt), verzeichnet in einer Studie über die regelmässigen Biokonsumenten nur einen schwachen Effekt auf die Kaufwahl 6 (vgl. Schletti 2000, S.30ff). 1.4 Die Gesundheitseinstellung Die Gesundheitseinstellung ist das wichtigste Kaufmotiv für Bioprodukte in Deutschland und in der Schweiz. In der folgenden Tabelle wird die Häufigkeit der Kaufmotive für Bioprodukte in diesen beiden Ländern dargestellt. Der Gesundheitsaspekt ist bei beiden Studien der wichtigste Kaufgrund; bei den deutschen Konsumenten ist er 27 Prozentpunkte höher. Insofern die Umweltmotive betroffen sind, gibt es nur sehr kleine Länderunterschiede, so erwähnen die Schweizer «weniger Chemie» 10 Prozentpunkte häufiger und «Ökologie» 4 Prozentpunkte weniger oft. Die Differenz zwischen gesundheitlichen und umweltbezogenen Kaufkriterien fällt bei den Deutschen viel grösser aus. Tabelle 1: Motive für den Kauf von Produkten aus ökologischem Anbau Deutschland 1994 1 Schweiz 1998 2 Gesundheit 59% 32% Ökologie 14% 10% Weniger Chemie 10% 20% Zufall, Neugierde 9% - Besserer Geschmack 7% 11% Tiergerechte Haltung - 11% Biologischer Anbau - 8% 1 Anteil der Erstplatzierung (Fricke, 1996) 2 Anteil der eigenen Nennungen (Schletti, 2000) Quelle: Fricke(1996), S.165 und Schletti (2000), S.19 6 Im Logit Modell der regelmässigen Biokonsumenten verzeichnen die Odds der Variable «kleine Kinder» bei den Frauen eine Steigerung des Kaufs um den Faktor 3 (or=3.97). Bei den Männern konnte kein signifikanter Effekt festgestellt werden. Zu den Zahlen vgl. Schletti 2000, S.30ff Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 17

In den multivariaten Datenmodellen zum Biokonsum verzeichnen die Einstellungen «Gesundheit» «positives Qualitätsimage von Bioprodukten» und «Misstrauen in konventionelle Lebensmittel» die stärksten Effekte auf den Biokauf 7 (vgl. Fricke 1996, S.178ff). Als Biokaufgrund kommt demzufolge die Gesundheit vor der Ökologie. Die gesundheitlichen Wirkungen des Biokonsums betreffen die Konsumenten direkt, die ökologischen Folgen nehmen sie hingegen nicht unmittelbar wahr. 7 Die standardisierten Beta-Werte der Einstellungen auf den Biokonsum betragen: «Gesundheitsbewusstsein» =0.26, «positives Qualitätsimage von Bioprodukten» =0.22 und «Misstrauen in konventionelle Lebensmittel» =-0.18. Zu den Zahlen vgl. Fricke 1996, S.190 18 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

2 Der Biokauf als Teil des umweltbewussten Einkaufens Der umweltbewusste Einkauf ist ein Aspekt des Umweltverhaltens in alltäglichen Bereichen. Zum umweltbewussten Einkauf gehört z.b. auch, dass Aludosen separat entsorgt, PET-Flaschen zurückgebracht, umweltschonende Reinigungsmittel bevorzugt werden usw. Der umweltbewusste Einkauf geht demnach über den Kauf von biologisch erzeugten Lebensmitteln hinaus. In Studien zum umweltgerechten Einkauf wurde festgestellt, dass zwischen gemessenen Umwelteinstellungen und dem tatsächlichen umweltfreundlichen Handeln eine Diskrepanz besteht (vgl. Wimmer 1998, Kuckartz 1998, Diekmann/Preisendörfer 1992 und 1998). Dieser Unterschied zwischen Einstellungen und persönlichem Verhalten entsteht u.a. durch den höheren Aufwand, welcher dieses ökologische Verhalten mit sich bringt. Das umweltbewusste Handeln wird vor allem dort umgesetzt, wo dieses nicht mit erheblichem Mehraufwand verbunden ist und keine persönlichen Einschränkungen verlangt; dies ist etwa beim Einkaufen der Fall. Der Bereich Verkehr im Vergleich dazu, ist für die Verbraucher mit viel mehr Einschränkungen, z.b. Kosten und Zeit, verbunden (vgl. Diekmann/ Preisendörfer 1992 und 1998). Der Biokauf ist Teil des umweltbewussten Einkaufens und er stellt eine Möglichkeit dar, umweltverantwortlich zu handeln. Diese Umweltverantwortung wird beim Einkauf durch den höheren Preis erschwert, denn infolge höherer Produktionskosten liegt das Preisniveau von Bioprodukten generell über jenem der herkömmlichen Lebensmittel. Der Zentralverband Schweizerischer Milchproduzenten (ZSM 1995) hat in einer Untersuchung zum Biopreis festgestellt, dass die Bereitschaft, für Bioprodukte mehr zu bezahlen, stark von den generellen Einstellungen gegenüber Bionahrungsmitteln abhängt. So wird der Mehrpreis von den Biofans in sehr hohem Mass akzeptiert (96%). Auch bei den Ernährungsbewussten (82%) und den Indifferenten (88%) scheint ein höherer Preis grundsätzlich realisierbar. Nur die, die Bio ablehnen, sind mehrheitlich nicht bereit (53%) einen Mehrpreis zu bezahlen. Doch diese z.t. hohe angegebene Bereitschaft, für Bioprodukte mehr zu bezahlen, muss relativiert werden, da für alle Konsumenten das Einkaufskriterium «günstiger Preis» ein fast ebenso relevantes Einkaufskriterium darstellt wie «frische Produkte», «gesunde Ernährung», «ungespritzte Nahrungsmittel» usw. Demzufolge kann der höhere Biopreis für Konsumenten ein Kaufhindernis sein. Soziale Faktoren und persönliche Einstellungen, wie z.b. Umwelteinstellungen, Gesundheitsbewusstsein, «kleine Kinder haben» etc., werden in der folgenden empirischen Auswertung berücksichtigt. Die Konsumenten haben immer Präferenzen und Einstellungen. Solche Merkmale sind zusätzlich zu den ökonomischen Kaufkriterien wichtige Einflussfaktoren des Kaufverhaltens und dürfen in der Analyse nicht übergangen werden. Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 19

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3 Die Datenbasis für die Bioanalyse In diese Analyse wurden die Ausgaben weder für konventionell noch für biologisch angebauten Tabak oder Alkohol einbezogen. 3.1 Die Ziehung der Teilmenge Für die Analyse des Biokonsums wurde für die vorliegende Studie eine bestimmte Anzahl von Haushalten aus der EVE 98 gezogen. Diese Teilmenge wurde wie folgt bestimmt: Die Kontaktperson 8 des Haushalts muss identisch sein mit der Zielperson des Zusatzinterviews «Lebensbedingungen» von der EVE 98. Der Grund für diese Bedingung ist, dass die soziodemographischen Daten derjenigen Personen interessant sind, welche im Haushalt für den Lebensmitteleinkauf verantwortlich sind. Dies betrifft die Kontaktperson. Die Ausführung der Datenziehung wurde vom BFS vorgenommen. Die Teilmenge wurde aus den 4647 Haushalten gezogen, die das Zusatzinterview «Lebensbedingungen» durchgeführt haben. Als Bestimmungsfaktoren des persönlichen Konsumverhaltens werden Merkmale aus dem Interview zu den «Lebensbedingungen» benötigt. In dieser Befragung wurden personenbezogene Fragen gestellt, wie z.b. über das subjektive Wohlergehen, das soziale Netzwerk, die Transportmittel für die Arbeit etc. Die Zielperson des Interviews soll dieselbe sein, welche im Haushalt einkaufen geht, denn auf diese Weise kann man einen Zusammenhang zwischen Lebensbedingungen und Einkauf herstellen. Die gezogene Teilmenge der EVE 98 beträgt 2878 Haushalte, was 62% der ursprünglichen, zu den Lebensbedingungen befragten Haushalte entspricht. Diese Teilmenge bildet die Datengrundlage für die Analyse des Biokaufverhaltens. Diese Ziehung kann zur Folge haben, dass Single-Haushalte überproportional in der Teilmenge vertreten sind. Da bei ihnen die Bedingung, dass die Person, die zu den Lebensbedingungen befragt wurde, in der Regel auch den Lebensmitteleinkauf erledigt, immer zutrifft. 8 Zur Erfassung der Haushalts- und Personenmerkmale wurden den Haushaltsmitgliedern bestimmte Rollen zugeteilt: Referenzperson des Haushalts: diejenige Person, die am meisten zum Haushaltseinkommen beiträgt. Sie trägt massgeblich zu den Lebensbedingungen des gesamten Haushaltes bei. Diese Person muss mindestens 18 Jahre alt sein. Kontaktperson des Haushalts: diejenige Person, die in der Regel einkaufen geht. Sie beantwortet die Standardfragen über den gesamten Haushalt. Zielperson des Haushalts: diejenige Person, die zufällig aus den Haushaltsmitgliedern gewählt wurde, um das Zusatzinterview zu den «Lebensbedingungen» oder zum «Reiseverhalten» durchzuführen. Diese Person muss älter als 15 sein. Je nach Haushalt kann ein Mitglied mehrere der beschriebenen Rollen übernehmen Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 21

So können die Ergebnisse zum Biokonsum in der Repräsentativität für die schweizerische Wohnbevölkerung abgeschwächt sein. Die hier erhaltenen Ergebnisse kann man mit den Resultaten aus der Grundgesamtheit der EVE 98 nicht vergleichen. 3.2 Erfassung der Biolebensmittel in der EVE 98 Jeder Lebensmitteleinkauf muss von den Haushalten in einem Buch für Nahrungsausgaben vermerkt werden. Wenn Bioprodukte 9 gekauft werden, muss dieser Kauf in einem dafür extra gekennzeichnetem Feld angekreuzt werden. Für die Fälle «Nicht-Bioprodukte» oder «weiss nicht» gibt es keine Felder im Haushaltsbuch, was bedeutet, dass ein Teil der Informationen über den Biokauf verloren geht. Die erhobenen Angaben zum Biokauf aus der Teilmenge der EVE 98 sind deswegen eine Approximation zum tatsächlichen Biokonsum. Der reale Bioverbrauch kann nur geschätzt, aber nicht berechnet werden. Dabei stellt die hier verwendetet Approximation eine Möglichkeit dar, den Konsum zu erfassen. 3.3 Erfassung des Biokaufes Die Verhaltensvariable «Biokauf» wird auf zwei verschiedene Arten gemessen. Einerseits wird sie als Gesamtbetrag für Bioprodukte inklusive nicht-alkoholische Biogetränke absolut in Fr. berechnet. Andererseits wird der Biokauf als relativer Wert operationalisiert, d.h. der Biokauf wird als persönliche Biokaufquote definiert. Der Betrag für alle Bioprodukte inklusive nichtalkoholische Biogetränke wird geteilt durch den Gesamtbetrag für alle Lebensmittel (inklusive Bioprodukte). Dies ergibt folgende mathematische Formel für die relative Variable: Ausgaben für alle biologische Produkte in Fr. (inkl. Biogetränke) / Gesamtausgaben in Fr. für alle Nahrungsmittel (inkl. Bioprodukte und nicht-alkoholische Getränke) = Biokaufquote Die Biokaufquote steht immer in Relation zu den persönlichen gesamten Nahrungsmittelausgaben. Die Quote gibt an, wieviel jemand von seinen gesamten Lebensmittelausgaben für Bioprodukte verwendet 10. Somit stellt die Biokaufquote ein relativer Wert dar 11. 9 Das BFS gibt in seinen Unterlagen keine genaue Definition von Biolabels. Dazu wird bloss vermerkt, dass «Produkte mit einem anerkannten Biolabel extra aufgeführt werden sollen» (BFS, 2000, EVE 98). 10 Die Biokaufquote ist von 0-1 skaliert. 0=keine Bioausgaben, 1=man kauft ausschliesslich Bioprodukte 11 Ein Beispiel dazu: eine Person gibt 50 Franken für Bioprodukte und 700 Franken für alle Nahrungsmittel (inkl. Bioprodukte) aus. Das ergibt eine Biokaufquote von 0.07. Ein andere Person gibt auch 50 Franken pro Monat für Bioprodukte, aber 300 Franken für die gesamten Nahrungsmittel aus. Die Biokauquote fällt hier natürlich höher aus (0.16), denn diese Person gibt 16% der gesamten Nahrungsmittelausgaben für Bioprodukte aus. Somit stellt die Biokaufquote lediglich einen Indikator für Biokaufpräferenzen dar. 22 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

3.4 Äquivalenzskalen Um das Einkommen und die Ausgaben von Haushalten mit unterschiedlicher Zusammensetzung (Anzahl der Haushaltsmitglieder) miteinander vergleichen zu können, werden Äquivalenzskalen benötigt. Diese Skalen geben für je eine bestimmte Haushaltsgrösse einen Schätzer an. Die Äquivalenzskalen basieren auf der Annahme, dass die Haushaltsausgaben mit steigender Haushaltsgrösse unterproportional zunehmen. Auf der Grundlage dieser Schätzer können die Haushaltsdaten miteinander verglichen werden. Gerfin stellt in «Ausgaben-Äquivalenzskalen für die Schweiz» (2001) auf der Datengrundlage der EVE 98 Ausgaben-Äquivalenzskalen vor, welche in folgender Tabelle abgebildet sind. Tabelle 2: Ausgaben-Äquivalenzskalen Haushaltstypen Ausgabenskalen 1. 1 Person 1.00 2. 2 Personen 1.31 3. 3 Personen 1.57 4. 4 Personen 1.83 5. 5 Personen und mehr 1.95 Quelle: Gerfin, (2001), S.26 Aus diesen Ausgabenskalen lässt sich ablesen, dass z.b. Haushalte mit zwei Personen ihre Ausgaben um 30%, steigern müssen, wenn sie ein vergleichbares Versorgungsniveau (=Gesamtkonsum) wie Single-Haushalte erreichen möchten. Gerfin unterscheidet zwischen Erwachsenen und Kindern nicht, da keinen signifikanten Einfluss des Alters auf die geschätzten Skalen gefunden wurde. Für die Stichprobe zum Biokonsum wurden die Haushaltstypen und -schätzer von Gerfin verwendetet. Den Äquivalenzbetrag einer Variablen erhält man, indem man die Originalzahl durch den Schätzwert teilt. Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 23

Tabelle 3: Ausgaben-Äquivalenzskalen und die Verteilung der Teilmenge der Stichprobe, N=2878 Haushaltstypen Ausgabenskala Verteilung der Teilmenge n % 1. 1 Person 1.00 1198 41,60 2. 2 Personen 1.31 841 29,20 3. 3 Personen 1.57 299 10,40 4. 4 Personen 1.83 378 13,10 5. 5 Personen und mehr 1.95 162 5,60 Quelle: Gerfin, 2001 und eigene Berechnung Für alle haushaltsbezogenen Variablen und die Lebensmittelausgaben wurden immer die gleichen Ausgabenschätzer verwendet. Folgende Variablen wurden mit Hilfe der Äquivalenzskala 12 berechnet: Erstens das monatliche Haushaltseinkommen, zweitens die Anzahl Haushaltsgeräte, drittens die Anzahl Autos, viertens der Betrag für biologisch produzierte Nahrungsmittel und fünftens die Nahrungsmittelausgaben ohne Bioprodukte. Die Biokaufquote wird als Quotient der Bioausgaben zu den gesamten Nahrungsmittelausgaben berechnet und daher kann man die Standardisierung der zwei Ausgaben weglassen. Der Nahrungskonsum in Liter und Kilo wurde durch die Anzahl der Personen im Haushalt dividiert. Pro Kind wurde der Nahrungskonsum je durch 0.5 geteilt. 12 Diese Äquivalenzskala ist für die Standardisierung der haushaltsbezogenen Merkmale nicht sehr geeignet, jedoch fehlen Alternativen. Ob diese Standardisierung der haushaltsbezogenen Variablen einen Verzerrungseffekt auf die Datenauswertungen hat, wird im Kapitel «Pfadmodell» überprüft. 24 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica

4 Die Ergebnisse und Interpretation Im ersten Ergebnisteil werden soziodemographische Merkmale der gezogenen Teilmenge und Merkmale der Lebensmittelausgaben präsentiert. Die Pfadanalyse der Biokaufquote erfolgt im zweiten Teil der Ergebnisse. 4.1 Die deskriptiven und bivariaten Ergebnisse 4.1.1 Die Stichprobe Die vorliegende Stichprobe ist das Ergebnis der Ziehung aus der EVE 98. Das Auswahlkriterium für die Haushalte wurde so festgelegt, dass diejenigen Personen, welche zu den «Lebensbedingungen» befragt wurden, auch den Einkauf im Haushalt erledigen. Tabelle 4: Verteilung der binären soziodemographischen Variablen in der Teilmenge, N=2878 und in der gesamten schweizerischen Wohnbevölkerung von 1998 Stichprobe der EVE 98 Gesamte Wohnbevölkerung 98 n % % Geschlecht Frau 1191 41,38 51,20 Mann 1687 58,62 48,80 N=2878 Wohnsituation Allein wohnen 1179 40,97 1 32,41 Zu zweit wohnen 654 22,72 31,70 Familie 713 24,77 26,56 Allein Erziehende 89 3,09 2,93 N=2635 Kinder 2 Haushalte mit Kindern 761 26,44 Haushalte ohne Kinder 2117 73,66 N=2878 Kleine Kinder 3 Haushalte mit kl. Kindern 262 10,98 Haushalte ohne kl. Kinder 2616 89,01 N=2878 Zivilstand Ledig 912 31,69 42,00 Verheiratet 1310 45,52 46,60 Verwitwet 253 8,79 5,90 Geschieden 393 13,34 5,50 N=2868 Erwerbssituation Arbeit 1789 62,26 62,43 Arbeitslos 54 1,97 2,24 Ausbildung 73 12,74 7,76 Hausarbeit 178 6,23 7,60 Renten 531 18,57 18,92 N=2625 Sprachregion Deutsch 1964 68,24 77,16 Französisch 565 19,63 13,01 Italienisch 185 6,43 4,29 N=2714 Umweltschutzverein Mitglied 32 1,18 Nicht Mitglied 2846 98,88 N=2878 Transportmittel zur Arbeit Öffentlicher Verkehr 840 29,18 Private Transportmittel 1119 38,91 N=1959 Wohnort Stadt 1949 67,72 67,95 Land 779 27,83 32,21 N=2728 1 Schweizer Haushalte, N=2 841 850 2 Kinder bis und mit 14 Jahre 3 Kleine Kinder bis und mit 3 Jahre Quelle: eigene Berechnungen, die Zahlen in der letzten Spalte sind aus dem BFS, 1998 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica 25

In der vorangehenden Tabelle wird die Bevölkerungsverteilung der Stichprobe und diejenige der schweizerischen Gesamtbevölkerung von 1998 13 abgebildet. Erstaunlich ist, dass mehr Männer als Frauen in der Stichprobe vertreten sind, obwohl Männer weniger oft Lebensmittel einkaufen gehen als Frauen 14. Der Grund dafür liegt nicht darin, dass mehr Männer in Single-Haushalten wohnen (30% der Männer und 57% der Frauen wohnen allein). Eine Ursache könnte die Tatsache sein, dass Männer ihren Lebensmitteleinkauf überschätzen. Eine weitere mögliche Ursache kann auch die weit gefasste Definition der Kontaktperson sein: «Kontaktperson in einem Haushalt ist diejenige Person, die in der Regel einkaufen geht» (BFS 2000, EVE 98). Ausser dieser unerklärten Verteilung der Geschlechtsvariable sind die meisten Merkmalsverteilungen der Befragten repräsentativ. In der Stichprobe sind die Einpersonhaushalte 8 Prozentpunkte und die Zweipersonenhaushalte 10 Prozentpunkte häufiger vertreten als in der gesamten Bevölkerung. Somit sind die Single-Haushalte nicht so stark übervertreten, wie zuerst angenommen wurde. In der nächsten Tabelle werden alle metrischen sozioökonomischen Variablen der Befragten und ihrer Haushalte dargestellt. Tabelle 5: Verteilung der soziodemographischen und standardisierten haushaltsbezogenen Variablen der Teilmenge, N=2878 Minimum Maximum Mittelwert Standartabweichung Zentralwert Alter 18.00 94.00 46.17 16.15 42.00 N=2878 Bildung 1 9.75 2 17.50 3 12.02 2.25 11.50 N=2364 Anzahl Kinder 4 pro Haushalt 0.00 7.00 0.47 0.89 0.00 N=2878 Anzahl kleine Kinder 5 pro Haushalt 0.00 3.00 0.09 0.31 0.00 N=2878 Haushaltseinkommen pro Monat 6 10.00 95690.00 5897.30 4107.00 5174.60 N=2875 Haushaltsgrösse 1.00 9.00 2.14 1.29 2.00 N=2878 Anzahl Haushaltsgeräte pro Haushalt 0.00 20.00 3.51 1.55 3.05 N=2871 Anzahl Auto pro Haushalt 0.00 4.00 0.76 0.50 0.71 N=2871 1 Bildung in Jahren gemessen, siehe Anhang 1. 2 9.75 entspricht einer Anlehre. In der Frage zur Ausbildung ist der obligatorische Schulabschluss nicht enthalten. 3 17.5 entspricht einem Uniabschluss. 4 Kinder bis und mit 14 Jahre. 5 Kleine Kinder bis und mit 3 Jahre. 6 Das gesamte Einkommen aller Haushaltsmitglieder. Quelle: Eigene Berechnung 13 In der Hochrechnung auf die gesamte Wohnbevölkerung (N=7 123 537) sind alle Altersgruppen vertreten. Die untere Altersgrenze für die vorliegende Stichprobe liegt bei 18 Jahren, die älteste Person ist 94 Jahre alt. 14 77% der Frauen und 35% der Männer geben an, regelmässig einkaufen zu gehen (vgl. Schletti, 2000, S.15). 26 Bundesamt für Statistik Office fédéral de la statistique Ufficio federale di statistica