Überblick über den Gang des Asylverfahrens 6. Dezember 2016 Vorlesungseinheit im Rahmen der Ausbildung der Refugee Law Clinic, Humboldt Universität zu Berlin Dozentin Pauline Endres de Oliveira (Rechtsanwältin)
Überblick I. Schaubild: Rechtlicher Kontext II. Schaubild: Der Gang des Verfahrens III. Schaubild: Das Unterbringungsverfahren IV. Ist Deutschland zuständig? Das Dublin- Verfahren V. Deutschland ist zuständig: Die Anhörung zu den Fluchtgründen VI. Rechte und Pflichten während des Verfahrens VII. Die Entscheidung über den Asylantrag VIII. Quellen- und Materialempfehlung
Völkerrecht insb. Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) / Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) Europarecht z.b. Dublin- III- Verordnung, Qualifikationsrichtlinie Nationales Recht insb. Artikel 16a Grundgesetz (Verfassungsrecht) + AsylG, AsylbLG, AufenthG (einfaches Recht) à Siehe hierzu auch die Einheit vom 29.11.16
Überblick der Rechtsquellen in Deutschland: Grundgesetz (Art. 16a GG) Einfache Gesetze, v.a. Ø AufenthG regelt Aufenthalt von Asylantragstellern, Schutzberechtigten und sonstigen Drittstaatsangehörigen (zuständig: Ausländerbehörde) Ø AsylG regelt Asylverfahren (zuständig: BAMF) Ø AsylbLG regelt Sozialleistungen für Asylsuchende (zuständig: Sozialamt) Rechtsverordnungen Ø AufenthV Ø BeschV Allgemeine Verwaltungsvorschriften (AVV) Ø Zum AufenthG Ø Zum AsylVfG à Siehe hierzu auch die Einheit vom 29.11.16
Möglich an der Grenze / bei Polizei / ABH... Wenn Einreise erlaubt wurde, haben Behörden Pflicht zur Weiterleitung an Erstaufnahmeeinrichtung zur weiteren Verteilung Verteilung (EASY) Asylgesuch Asylantrag (Aufenthaltsgestattung) Erstaufnahmeeinrichtung (ED- Behandlung) Zuständig: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Dublin- Anhörung Umverteilung in Gemeinschaftsunterkunft Deutschland ist zuständig: Anhörung zu den Fluchtgründen Bei Hinweisen auf Zuständigkeit eines anderen Staates: Dublin- Verfahren! Flüchtlings- eigenschaft (GFK) Inhaltliche Prüfung des Asylantrags Asyl nach Art. 16a GG Subsidiärer Schutz (QRL) Nationale Abschiebungs- verbote Deutschland ist nicht zuständig: Asylantrag wird als unzulässig abgelehnt + Überstellung in zuständigen Staat wird angeordnet (aber: Rechtsschutz möglich!) Bei positiver Entscheidung: Aufenthaltstitel wird von ABH erteilt Bei Ablehnung: Androhung der Abschiebung in das Herkunftsland (aber: Rechtsschutz möglich!)
Überblick über das Unterbringungsverfahren In zuständiger EAE: Aufgriff odermeldung als Asylsuchende/r Pflicht zur Weiterleitung an à Asylgesuch Nächstgelegene EAE: Verteilung nach EASY auf zuständiges Bundesland Dokument: ggf. Anlaufbescheinigung Königsteiner Schlüssel Erkennungsdienstliche Behandlung (ggf. auch schon vorher) Erstuntersuchung (Röntgen, Impfen) Ausstellung Ankunftsnachweis wartenauf BAMF- Termin zur Asylantragstellung à à Hier relevant: 13, 14, 14a, 18, 19, 20 und 22 AsylG BAMF (Außenstelle): Formelle Asylantragstellung Ausstellung Aufenthaltsgestattung Asylantrag In der Regel nach bis zu 6 Monaten: Zuweisung in eine GU oder dezentrale Unterbringung (in Landkreisen und Kommunen) à Während dessen: warten auf Dublin- Verfahren à kein oder beendetes Dublin- Verfahren : Termin zuranhörung
IV. Ist Deutschland für den Asylantrag zuständig? à Das Dublin- Verfahren
Das Dublin- Verfahren Was ist das Dublin- Verfahren? = Verfahren zurbestimmung des Mitgliedstaates, der für die Asylantragsprüfungzuständigist Rechtsgrundlage: Dublin- Verordnung = Europäische Verordnung zur Regelung der Zuständigkeit für Asylanträge (= Anträge auf internationalen Schutz) Ziel: one state only ( no forum shopping ) no refugees in orbit Wer macht mit? Dublin- Staaten = 28 EU- Mitgliedstaaten + Schweiz, Norwegen, Liechtenstein und Island à Siehe hierzu auch die Einheit am 13.12.16
Das Dublin- Verfahren im deutschen Asylverfahren Asylantrag- stellung oder Aufgriff einer Person ohne Papiere BAMF prüft, ob Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist Dublin- Verfahren = bei Hinweisen auf Zuständigkeit eines anderen Staates wird dieser angefragt 1. Variante: Erst nach Beendigung des Dublin- Verfahrens und Feststellung der Zuständigkeit erfolgt die Anhörung zuden Fluchtgründen und die inhaltliche Prüfung des Asylantrags (= Übergang ins nationale Asylverfahren) 2. Variante: Bei Feststellung der Unzuständigkeit ergeht in der Regel ein ablehnender Bescheid (= Asylantrag unzulässig ) und eine Überstellung in den zuständigen MS wird eingeleitet à Siehe hierzu auch die Einheit am 13.12.16
V. Deutschland ist zuständig: Die Anhörung zu den Fluchtgründen
Die Anhörung Herzstück des Asylverfahrens Ist Deutschland für das Asylverfahren zuständig (= Dublin- Verfahren nicht eingeleitet oder beendet), erfolgt die Ladung zur persönlichen Anhörung zum Zwecke der inhaltlichen Antragsprüfung 24 Abs. 1 S. 3 und 25 AsylG Ausnahmen vom Grundsatz der persönlichen Anhörung möglich 24 Abs. 1 S. 4 6, 25 Abs. 5 AsylG
Ablauf der Anhörung Begrüßung, Frage nach Befinden und Verständigung mit Dolmetscher Fragen zur Identität, Herkunft, Abstammung. persönliche Verhältnisse Evlt. Fragen zum Reiseweg (Dublin?!) Frage nach den Fluchtgründen (offene Frage!) + zu Hinderungsgründen für eine Rückkehr ins Herkunftsland Abschließende Frage nach Verständigung mit Dolmetscher (Verzicht auf) Rückübersetzung? Unterschrift Wichtig: Detailliertes, schlüssiges u. vollständiges Vortragen aller Fluchtgründe sowie der Umstände, die ein Abschiebungsverbot begründen könnten!
Rechte während der Anhörung Recht auf Teilnahme/Begleitung geregelt in 25 Abs. 6 AsylG à Siehe hier die nächsten Folien sowie die Hinweise der RLC Berlin Okt. 2016! Recht auf Information Recht auf Vertraulichkeit der Anhörung Recht auf eine/n Dolmetscher/in, 17 AsylG Recht auf Rückübersetzung der Niederschrift (Protokoll) der Anhörung Recht Niederschrift nicht zu unterzeichnen
Anwesenheitsrechte während der Anhörung Die Anhörung ist nicht öffentlich ( 25 Abs. 6 S. 1 AsylG) Es gibt jedoch Anwesenheitsrechte. Dabei ist zwischen Vertretern bestimmter Behörden und Organisationen, Verfahrensbevollmächtigten, Beiständen und sog. anderen Personen zu unterscheidenà das steht nicht direkt in 25 Abs. 6 AsylG! Gem. 25 Abs. 6 S. 2 AsylG können an der Anhörung Vertreter von Bund oder Ländern sowie von UNHCR teilnehmen. Andere Personen müssen angemeldet und ihre Anwesenheit gesondert erlaubt werden (vgl. 25 Abs. 6 S. 3 AsylG). Mindestvoraussetzung ist hier, dass die asylsuchende Person der Anwesenheit zustimmt und die jeweilige Begleitperson sich ausweist. Zu diesem Personenkreis zählen insb. Gäste, wie zb Pressevertreter.
Anwesenheitsrechte während der Anhörung Verfahrensbevollmächtigte wie Rechtsanwälte bzw. Rechtsanwältinnen oder auch Vormünder bzw. Ergänzungspfleger sind nach allgemeinem Verfahrensrecht zuzulassen Beistände, also Vertrauenspersonen sind nach allgemeinem Verfahrensrecht ebenso zuzulassen (vgl. 14 Abs. 4 VwVfG), Das BAMF verlang hier, dass die Asylsuchenden eine entsprechende Erklärung zu Protokoll geben und die Beistandsperson sich ausweist (siehe DA Asyl) vorherige Anmeldung zwar nicht erforderlich, aber doch ratsam, um Komplikationen zu vermeiden! Nach 14 Abs. 5 VwVfG ist eine Zurückweisung nur zulässig, sofern ein Beistand entgegen 3 des RDG Rechtsdienstleistungen erbringt
Anwesenheitsrechte in der Anhörung Ehrenamtliche Verfahrensbegleiter = Beistände? Strittig! (+) sofern die Betroffenen sie als Vertrauenspersonen deklarieren So u.a. Flüchtlingsrat Nds am Mitteilung des BMI vom 18.10.2016 gegenüber Volker Beck MdB, wonach Ehrenamtliche und Sozialarbeiter andere Personen isv 25 Abs. 6 S. 3 AsylG sind aber bei Ausübung eines fehlerfreien Ermessens müsste die Anwesenheit der jeweiligen Person in der Regel erlaubt werden
Nachträgliches Vorbringen? kann der Glaubhaftigkeit schaden BAMF muss Informationen bei zeitlicher Verzögerung nicht berücksichtigen! Vor Entscheidung des BAMF alle Informationen unverzüglich mitteilen Hinderungsgründe mitteilen
VI. Rechte und Pflichten während des Verfahrens
Überblick: Rechte während des Asylverfahrens Aufenthalt Dokument ab Antragstellung Aufenthalts- gestattung à 55 AsylG Davor: Ankunftsnachweis (BÜMA) Räumliche Beschränkung, 56 Abs. 2 AsylG (während des Aufenthalts in einer Erstaufnahme- einrichtung, idr bis zu 6 Monate) Unterbringung EASY = Erstverteilung von Asylbegehrenden auf die Länder EAE: bis zu 6 Monate, 47 AsylG (für Asylsuchende aus sog. sicheren HKS für die gesamte Dauer ihres Verfahrens, 47 Abs. 1 a AsylG) Gemeinschafts- unterkunft, 53 AsylG Leistungen nach AsylbLG à Grundbedarf + Persönlicher Bedarf (Aus- )Bildung: à Recht auf auf Schulbildung à Ausbildung nach 3 Monaten möglich à Studium grds. möglich à Integrationskurs bei guter Bleibeperspektive, 44 AufenthG Erwerbstätigkeit à Bis zu 6 Monate Wartepflicht (während des Aufenthalts in einer EAE) à Ab 3. Monat Erlaubnis möglich à Danach Vorrangprüfung bis zum 15. Monat à Asylsuchende aus sicheren HKS dürfen grds. nicht arbeiten Medizinische Versorgung: Grundsätzlich nur für akute Erkrankungen + nur auf Antrag Familiennachzug (+/- ) Deutschland (+/- ) EU- Ausland (- ) Ausland Danach weiterhin Wohnsitzauflage
Erwerbstätigkeit à 61 AsylG Grds.: Arbeitsverbot für die Dauer der Verpflichtung in einer Erstaufnahmeeinrichtung zu wohnen (bis zu 6 Monate) Nach 3 Monaten Erlaubnis möglich (sofern keine Unterbringung in EAE), vgl. 61 Abs. 2 AsylG à Siehe hierzu auch die Einheit vom 15.11.16
Erwerbstätigkeit ABH muss Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (BA) einholen à 32 Abs. 1 S. 2 BeschV ivm 39 Abs. 2 AufenthG BA führt Vorrangprüfung durch ( 32 Abs. 5 BeschV): 1. Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt 2. Gibt es bevorrechtigte ArbeitnehmerInnen? 3. konkrete Arbeitsbedingungen à Ausnahmen von der Zustimmungspflicht für Hochqualifizierte oder Mangelberufe à Die Zustimmungspflicht entfällt nach 48 Monaten, wobei nach 15 Monaten des gestatteten Aufenthaltes die ersten beiden Kriterien der Vorrangprüfung entfallen! à Siehe hierzu auch die Einheit vom 15.11.16
Schul- und Ausbildung / Studium Schulbesuch: Grds.: Recht auf Schulbildung für alle Kinder in Deutschland à Aber: Bundesländer regeln Details; besondere Hürde: Mangel an Lehrkräften / Kapazitäten für SchülerInnen ohne Deutschkenntnisse + bürokratische Vorschriften Ausbildung: Nach 3 Monaten: Recht auf betriebliche Ausbildung à Wird der Asylantrag während der Ausbildung abgelehnt, wird eine Duldung erteilt (und jährlich bis zum Ausbildungsabschluss verlängert) Studium: Einschreibung an der Hochschule grds. möglich à Problem: formale Hürden à Siehe hierzu auch die Einheit vom 15.11.16!
Medizinische Versorgung à 4 AsylbLG Beschränkung der Gesundheitsversorgung auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände Nicht abgedeckt: Bedarfe von chronisch Kranken, Gehhilfen, Brillen oder zahnärztliche Leistungen Jeder Arztbesuch muss vorab beantragt werden (Ausnahme: In einigen Bundesländern (z.b. Bremen und Hamburg), dort kein Antragserfordernis + Abrechnung über Chipkarte möglich)
Familienzusammenführung (+) Familienzusammenführung zu Familienmitgliedern in Deutschland bei unbegleiteten Minderjährigen (UM) sowie bei Kernfamilie (= Eheatten sowie minderjährige Kinder und ihre Eltern) (+) Familienzusammenführung zu Familienmitgliedern in der EU i.r.d. Dublin- Verfahrens bei UM sowie bei Kernfamilie (- ) sonstige Familienzusammenführung während des laufenden Asylverfahrens (z.b. Nachzug der Eltern aus dem Herkunftsland) Nach positivem Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis richtet sich die Familienzusammenführung nach den 27 ff. AufenthG (Elternnachzug und Kindernachzug i.d.r. nur bis zum 18. Lebensjahr möglich) à Siehe hierzu auch die Einheit vom 8.11.16
Pflichten im Asylverfahren Pflichten der Behörde Informationspflicht: Unterrichtung über Ablauf des Verfahrens sowie Rechte und Pflichten als Asylantragsteller/in Amtsermittlungsgrundsatz: Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen und Beweiserhebung Pflicht zur persönlichen Anhörung und Aufklärung von Widersprüchen Pflichten der Antragstellenden Pflicht persönlich zur Anhörung erscheinen (sonst wird nach Aktenlage entschieden) Substantiierung des Antrags durch persönliche Angaben zu den Fluchtgründen Angabe aller Umstände, die einer Abschiebung entgegenstehen
VII. Die Entscheidung über den Asylantrag
Die Entscheidung über den Asylantrag Negativ Formelle Ablehnungals Unzulässig, 29 AsylG à z.b. bei Dublin! Inhaltliche Ablehnungals Einfach unbegründet Offensichtlich unbegründet, 29a und 30 AsylG à i.d.r. bei Personen aus sicheren Herkunftsstaaten Positiv 1. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, 3 ff. AsylG 2. Anerkennung nach Art. 16a GG 3. Zuerkennung von subsidiärem Schutz, 4 AsylG 4. Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten, 60 Abs. 5 und 7 AufenthG à Siehe hierzu die Einheit am 17.1.16
Informationsverbund Asyl und Migration: Ø Basisinformationen Nr. 1 und 2 Ø InformationenzurAnhörung im Asylverfahren VIII. Quellen- und Materialempfehlung Refugee Law Clinic Berlin: Ø Hinweise für die Beratung zurneuregelung des 33 AsylG Ø Die Anhörung im Asylverfahren - Checkliste für Beratende DAV: Mehrsprachige Hinweise zumasylverfahren à alle Dokumente abrufbar unter www.asyl.net/arbeitshilfen Frederik von Harbou, Der Zugang Asylsuchender und Geduldeter zuerwerbstätigkeit und Bildung, in: NVwZ 2016, S. 421-426 Frederik von Harbou, Einschluss und Ausschluss - Das neue Beschäftigungsrecht für Asylsuchende und Geduldete, in: Asylmagazin 1-2/2016, S. 9-17 ZurVorbereitung auf nächstedie Sitzung (ACHTUNG: BEGINN UM 18:00 s.t.!) Informationsverbund Asyl und Migration, Basisinformationen Nr. 2 zum Dublin- Verfahren, abufbarunter www.asyl.net/arbeitshilfen
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!