Katharina Schlender rosige Zeiten 1
henschel SCHAUSPIEL Theaterverlag Berlin GmbH 2005 Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Alle Rechte am Text, auch einzelner Abschnitte, vorbehalten, insbesondere die der Aufführung durch Berufs- und Laienbühnen, des öffentlichen Vortrags, der Buchpublikation und Übersetzung, der Übertragung, Verfilmung oder Aufzeichnung durch Rundfunk, Fernsehen oder andere audiovisuelle Medien. Das Vervielfältigen, Ausschreiben der Rollen sowie die Weitergabe der Bücher ist untersagt. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen verstößt gegen das Urheberrecht und zieht zivil- und strafrechtliche Folgen nach sich. Die Werknutzungsrechte können vertraglich erworben werden von: henschel SCHAUSPIEL Marienburger Straße 28 10405 Berlin Wird das Stück nicht zur Aufführung oder Sendung angenommen, so ist dieses Ansichtsexemplar unverzüglich an den Verlag zurückzusenden. F1 2
MILA MITTENZWEI BUTTERBROT ESSIG HENRY HEISER EINE STIMME Ich sehe vier Wohnzimmerboxen vor mir. Mit entsprechenden Wohnzimmerlampen. Indem man diese Boxen herumdreht, ergeben die Rückwände die Fläche für die Plakatwand und werden somit zur Straße. 3
vorschlag: bereits vor dem theater auf der straße im eingang im foyer fotografiert HENRY verschiedenste gesichter aus dem publikum 4
ein nackter männerkörper wird von einem laserpunkt abgetastet das gesicht im dunkel auf einem drehbaren sockel grelles licht von allen seiten das gesicht im dunkel hörtest verschiedene töne von verschiedenen seiten laut oder leise lang oder kurz die nackten arme heben sich jeweils in die richtung aus der sie den ton vermuten mal rechts mal links nach oben und unten oder beide arme gleichzeitig mal zögernd mal schnell das licht wird schwächer die töne immer mehr und laut lärm Wohnzimmerlampen HENRY und eine vase rosa tulpen er prüft fotos von verschiedensten gesichtern dazwischen auch die von und MILA projiziert sie auf eine fläche mißt und berechnet MILA mit rosa lippen und wangen und stirn und nase und hals und arm und finger hat sie ebenfalls mit dem lippenstift bemalt an LAURAS kinderbett MILA Laura. Laura schau was die Mama gemacht hat. Ja schau mich an. 5
Da staunst du was? Die Mama ist rosa. Ganz rosa ist die. Bin ein Mamaschwein. Bist mein Ferkelkind. Mein Runzelmädchen. grunzt MILA Deinen Opa hab ich heut vielleicht gesehn. Entweder war er es oder er wars nicht. Das wär dann schrecklich für den. Der hätt ja dann gar kein Gesicht. Der würd mit dem von meinem Vater herumlaufen. Soll Schweinemama dich anmaln? Deine Nase? Na zeig die Schnauze her. Zeig. sie malt mit rosa lippenstift Die Laura mal ich rosa an damits die ganze Welt sehn kann. Die Laura wird die Schönste sein. Schöner noch als Porzellan und auch mehr als Elfenbein. Rosa das heißt Glücklichsein. Die Laura wird ein rosa Schwan. Und die ganze Welt sieht dann daß du glücklich mit mir bist. und essen pellkartoffeln gießt gläser voll Man darf sich nicht mit sich selbst langweiln. Muß sich für sich intressiern. Kein andrer tut das. Intressier dich für dich dann ist was geschafft für dein Glück. Ist nicht viel aber mehr davon gibts nicht. trinkt sein glas und spuckt es sofort wieder aus 6
Ist ja. Scheußlich. Wieso? trinkt sein glas und gießt beide gläser wieder voll Ich trink das nicht. Ich kümmer mich um mich damit ich nicht auch noch einerlei werd. Das einzige was ich will ist diesen Job weiter haben. Es geht nicht um mehr als ums Geld besitzen und ausgeben müssen und wieder neues ranschaffen. So was Trauriges hab ich lang nicht gehört. Trink. Ich sauf das nicht. Hält alles zusamm. Öl. Damit das Rädchen im Getriebe funktioniert. Ich muß das. Muß in einem Zusammenhang sein. Das ist groß. Das um ein herum. Ich schau da nicht mehr hin. Ist mir gleichgültig. Mir egal geworden. Überall ist alles los aber es intressiert kein. Ringsum kann man alles machen aber wen entbrennts? Mich auch nicht mehr. Man hat nicht mit allem was zu tun was um ein herum vor sich geht. Wirklich nicht. Ich muß nur gebraucht werden. Weiter nichts. Nicht versagen. Und das ist gut für den eigenen Schwung. Öl. Ich hab mir gedacht 7
daß du nicht trinkst. Bei mir läufts wie geschmiert und bei dir? Mir wird das nicht helfen. starrt aus S fenster die rosa bemalte MILA gibt LAURA eine puppe mit nur einem arm MILA Laura. Schau was ich mitgebracht hab. Ein Unikat hat der vom Markt erzählt. Du hast jetzt eine Einmaligkeit weil du eine werden sollst. HENRY starrt auf die vase mit rosa tulpen hebt herabgefallene blütenblätter in seine hand wartet bis ein nächstes fällt um es aufzuheben an S fenster Es liegt nicht an den Kartoffeln nicht wahr. Das sitzt in mir. Ich hab gehofft. Ich wußte es ist Unsinn. Aber. Als wenn ich auf der Stelle tret. Die ist zur Kuhle geworden. Da komm ich nicht mehr raus. Man macht sich zuviel Qual mit dem Atmen. Mit dem Denken darüber. Ob man lebt und wie man denn überhaupt richtig lebt. 8
Ob es da eine Methode gibt. Einen Plan dem man folgen kann. Das mit dem Denken darüber das bringt mir nichts mehr und du solltest auch aufhörn damit. Mein Beweis von Leben ist daß ich älter werd. Daß ich ja doch irgendwie gewesen bin und immer noch beweist mir das. Wenn ich mich anschau weiß ich nichts. Nur daß ich verreck. Abkratz. Eingeh. Siebzig. Achtzig. Neunzig. Wieviel Jahre bleiben noch? Faß an. Fest. spannt seine armmuskeln Ist doch was dran. Wie lange noch. Wie lang? Irgendwann geht alles ein. Ich wär gern ein wenig wie du. Du kriegst das hin. Das mit dem Wohlfühln das. Mich macht alles fertig. Ich stink danach. Nach dieser Angst. Die frißt. Da kann man einen Schnitt machen. Längslang. Ratsch. Da ist nichts andres drin verborgen. Nichts als diese Angst steckt da. Ich trag mein alles was ich noch hergeben kann nach außen. Ohne Füllung. Kannst mich anschaun und denken der da 9