Abstracts. Gastroenterologie und Hepatologie 2015 Aktuelle Standards und neue Entwicklungen Regensburg



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Transkript:

Abstracts Gastroenterologie und Hepatologie 2015 Aktuelle Standards und neue Entwicklungen Regensburg Samstag, 20. Juni 2015 9.00 15.30 Uhr Veranstaltungsort: Universitätsklinikum Regensburg Großer Hörsaal, Bauteil A Franz-Josef-Strauß-Allee 11 93053 Regensburg Wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. M. Müller-Schilling, Regensburg

Programm Seite 9.00 Uhr Begrüßung und Einführung Prof. Dr. M. Müller-Schilling, Regensburg Pankreas Vorsitz: Prof. Dr. M.M. Lerch, Greifswald Prof. Dr. O. Kölbl, Regensburg 9.10 Uhr Entzündliche Pankreaserkrankungen und seltene Pathomechanismen Prof. Dr. J. Mössner, Leipzig 9.35 Uhr Pankreaszysten, IPMN und Pankreaskarzinom Prof. Dr. M.M. Lerch, Greifswald 10.00 Uhr Endoskopische Interventionen am Gallen- und Pankreasgang Prof. Dr. P. Sauer, Heidelberg 3 5 6 8 9 11 10.25 10.45 Uhr Kaffeepause Leber/Galle Vorsitz: Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn N.N. 10.45 Uhr S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie von Gallensteinleiden (ohne Abstract) N.N. 11.10 Uhr HCV-Therapie 2015 PD Dr. K. Weigand, Regensburg 11.35 Uhr Hepatitis B Perspektiven Prof. Dr. R. Thimme, Freiburg 12 14 15 16 1

State of the Art Vorsitz: Prof. Dr. T. Seufferlein, Ulm Prof. Dr. F. Hartmann, Frankfurt 12.00 Uhr Leberzirrhose und Komplikationen Prof. Dr. T. Sauerbruch, Bonn 12.25 Uhr Qualität in der Gastroenterologie Prof. Dr. F. von Weizsäcker, Berlin 17 19 20 21 12.50 13.40 Uhr Mittagspause mit Imbiss Gastrointestinale Tumoren Vorsitz: Prof. Dr. Dr. A. Teufel, Regensburg Prof. Dr. C. Stroszczynski, Regensburg 13.40 Uhr Hepatozelluläres Karzinom Diagnostik und Therapie Prof. Dr. M. Müller-Schilling, Regensburg 14.05 Uhr Management neuroendokriner Tumoren Prof. Dr. B. Wiedenmann, Berlin 22 29 30 Darm Vorsitz: Prof. Dr. B. Wiedenmann, Berlin PD Dr. O. Pech, Regensburg 14.30 Uhr CED neue Therapieoptionen und -ziele Prof. Dr. F. Hartmann, Frankfurt 14.55 Uhr Metastasiertes Kolonkarzinom Standards und neue Strategien Prof. Dr. T. Seufferlein, Ulm 31 34 35 38 15.20 Uhr Zusammenfassung und Schlusswort Prof. Dr. M. Müller-Schilling, Regensburg Anschriften der Referenten und Vorsitzenden siehe Seite 39 2

Entzündliche Pankreaserkrankungen und seltene Pathomechanismen J. Mössner Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie und Rheumatologie, Universitätsklinikum Leipzig Der Pathomechanismus der akuten biliären Pankreatitis und der iatrogenen Post- ERCP-Pankreatitis soll hier nicht näher besprochen werden. Eine Druckerhöhung in den Pankreasgängen spielt zweifelsfrei eine wichtige Rolle. Auch die Regulation der inflammatorischen Reaktion bei vorausgegangener Pankreasschädigung ist entscheidend. Dies erklärt die Minderung des Pankreatitisrisikos nach ERCP durch Applikation eines NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika). Welche Mechanismen darüber entscheiden, ob eine akute Pankreatitis oder ein Schub einer chronischen Pankreatitis fulminant mit den Folgen SIRS (systemisches inflammatorisches Response-Syndrom) und Nekrotisierung verlaufen oder nur eine ödematöse Entzündung mit restitutio ad integrum sich entwickelt, ist unklar. Unklar ist auch der Pathomechanismus der seltenen medikamenteninduzierten Pankreatitis. Da sich bei Nagern mittels Überstimulation des Pankreas durch Cholecystokinin eine Pankreatitis erzeugen lässt, könnte postuliert werden, dass auch beim Menschen Überstimulation nach opulenten Gelagen eine Rolle spielt. Die wissenschaftliche Evidenz hierfür ist gering. Ätiologie und Pathogenese der chronischen Pankreatitis Es darf auf die jüngst erstellte S3-Leitlinie zur chronischen Pankreatitis verwiesen werden, die in Kurzform im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht wurde und in Originallänge in der Zeitschrift für Gastroenterologie. Die chronische Pankreatitis ist eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse, bei der durch rezidivierende Entzündungsschübe das Pankreasparenchym durch fibrotisches Bindegewebe ersetzt wird. Folge des bindegewebigen Umbaus der Bauchspeicheldrüse ist ein fortschreitender Verlust der exokrinen und endokrinen Pankreasfunktion. Daneben kommt es zu charakteristischen Komplikationen, wie z. B. Pseudozysten, Pankreasgangstenosen, Duodenalstenosen, Gefäßkomplikationen, die Kompression der Gallenwege, eine Mangelernährung sowie ein Schmerzsyndrom. Schmerzen sind das Hauptsymptom von Patienten mit chronischer Pankreatitis. Die chronische Pankreatitis stellt einen 3

Risikofaktor für ein Pankreaskarzinom dar und reduziert die Lebensqualität und die Lebenserwartung betroffener Patienten deutlich. Bei einer alkoholinduzierten Pankreatitis liegt oft der akute Schub einer bereits chronischen Pankreatitis vor. Alkohol kann als gesicherte Ursache für eine chronische Pankreatitis angesehen werden [Evidenzlevel 3b, starker Konsens]. Fallkontrollstudien schließen einen linearen Zusammenhang zwischen Menge und Dauer des Alkoholabusus und dem Auftreten einer chronischen Pankreatitis aus und legen einen logarithmischen Zusammenhang nahe. Patienten mit chronischer Pankreatitis, die rauchen, soll dringend empfohlen werden, sich einem Nikotinentwöhnungsprogramm zu unterziehen, da Nikotinabusus die Progression der Erkrankung beschleunigt [Evidenzlevel 3b, Empfehlungsgrad A, starker Konsens]. Mutationen im Trypsinogen-Gen führen mit einer Penetranz von bis zu 80% in einem autosomal dominanten Erbgang zu einer chronischen Pankreatitis [Evidenzlevel 1c, starker Konsens]. Eine Mutation im SPINK (Serin-Protease-Inhibitor Typ Kasal) 1-Gen prädisponiert für eine idiopathische (sporadische) chronische Pankreatitis [Evidenzlevel 1a, starker Konsens]. Patienten mit idiopathischer Pankreatitis tragen in 25 30% molekulare Veränderungen im CFTR (cystic fibrosis transmembrane conductance regulator)-gen, im Vergleich zu ca. 15% in der gesunden Bevölkerung. Somit stellen CFTR-Mutationen einen Risikofaktor für die chronische idiopathische Pankreatitis dar [Evidenzlevel 3b, starker Konsens]. Patienten mit einer Chymotrypsin-C-Mutation oder einer Mutation der Carboxypeptidase A1 haben ein erhöhtes Risiko an einer chronischen Pankreatitis zu erkranken [Evidenzlevel 3b, starker Konsens]. Die gefundenen genetischen Risikokonstellationen sprechen dafür, dass der vorzeitigen intrapankreatischen Aktivierung von Trypsinogen eine wesentliche Bedeutung zukommt. Es besteht offensichtlich ein Defekt, vorzeitig aktiviertes Trypsinogen zu inaktivieren. Die Hypothese, dass CFTR-Mutationen via gestörter Bikarbonatsekretion die Viskosität des Pankreassekrets erhöhen mit der Folge eines erhöhten Risikos der Proteinpräzipitatbildung in den Gängen ist nicht bewiesen. Wie Alkohol und Nikotin pathogenetisch das Risiko der Pankreatitis letztlich erhöhen, ist auch unklar. Diskutiert wird eine gestörte Enzymsekretion der Azinuszelle, u. a. via Autophagosombildung. Der Pathomechanismus, der zur Stimulation der pankreatischen Sternzellen, Folge Bindegewebsvermehrung, führt, ist auch unklar. 4

Es liegen keine populationsbasierten Daten zur Ätiologie der chronischen Pankreatitis aus Europa vor. Alkoholabusus ist die überwiegende Ursache mit je nach Studienlage 50 84% im Erwachsenenalter. Das Risiko bei Alkoholmissbrauch eine Pankreatitis zu entwickeln ist aber insgesamt gering und deutlich geringer als das Risiko einer Leberzirrhose. Die zweithäufigste Gruppe ist die idiopathische Pankreatitis mit bis zu 28%. Hierbei finden sich in bis zu 45% genetische Suszeptibilitätsfaktoren. Eine hereditäre Pankreatitis nach Definition von Comfort und Steinberg liegt bei bis zu 1 4% der Patienten vor. Anatomische Varianten führen nicht sicher zur chronischen Pankreatitis. Der primäre Hyperparathyreoidismus kann zu einer chronischen Pankreatitis führen. Die vorliegenden Zahlen zu Inzidenz und Prävalenz sind nicht belastbar [Evidenzlevel 4]. Autoimmunpankreatitis Neben den oben genannten Ätiologien wurde zuletzt die Autoimmunpankreatitis beschrieben. Hierbei handelt es sich um eine systemische fibrosierende, entzündliche Erkrankung, bei der das Pankreas eines der betroffenen Organe ist. Männer erkranken häufiger als Frauen (2:1). In Asien wird davon ausgegangen, dass die Prävalenz der Autoimmunpankreatitis 5 6% in einer Patientenkohorte mit chronischer Pankreatitis beträgt. Etwa 5% der Patienten, die bei V. a. ein Pankreaskarzinom operiert werden, leiden histologisch an einer Autoimmunpankreatitis. Klinische Symptome sind diskrete Abdominalschmerzen, Ikterus (50%) und wiederkehrende Episoden einer Pankreatitis. Radiologische Befunde sind eine diffuse oder segmentale Stenosierung des Pankreasgangs, häufig ohne prästenotische Dilatation, Wurstpankreas und selten Kalzifikationen. Erhöhte IgG-4-Spiegel finden sich nur in etwa 50% der Betroffenen mit Autoimmunpankreatitis in der europäischen Bevölkerung. Histologisch ist die Autoimmunpankreatitis durch eine dichte kragenartige lymphoplasmazytäre Infiltration mit obliterativer Phlebitis und periduktulärer Fibrose (Typ-1-Autoimmunpankreatitis) oder Granulocytic Epithelial Lesions (GELs) in ~ 45% der Patienten (Typ-2- Autoimmunpankreatitis, eher weiblich, CED-assoziiert, kein IgG4, seltener Rezidive) sowie gleichartigen Veränderungen in anderen Organen charakterisiert. Die Diagnosestellung der Autoimmunpankreatitis erfolgt nach den HISORT-Kriterien, einer Kombination von Kriterien, die die Histologie (H), Bildgebung (Imaging), Serologie (S), die Beteiligung anderer Organsysteme (O, other organ involvement) und das Ansprechen auf eine Steroidtherapie (RT, response to therapy) einschließen. Diagnostisch beweisend ist ein rasches Ansprechen auf Steroide. 5

Pankreaszysten, IPMN und Pankreaskarzinom M.M. Lerch Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A, Universitätsmedizin Greifswald Inzidenz und Ätiologie In 1% aller CT-Untersuchungen des Abdomens findet sich eine zystische Läsion des Pankreas als Zufallsbefund; in mindestens 2,4% der Fälle findet sich bei vermeintlich gesunden Probanden im MRT ein zystischer Pankreasbefund, Zufallsbefunde nehmen mit dem Alter zu. Dies allein belegt die Notwendigkeit einer rationellen Diagnostik sowie der Erstellung von diagnostischen und therapeutischen Algorithmen. Mehr als zwei Drittel dieser Läsionen entsprechen dysontogenetischen/kongentialen Zysten oder Pankreaspseudozysten. Pankreaspseudozysten entstehen als häufige Komplikation der akuten oder chronischen Pankreatitis. Die Prävalenz von Pankreaspseudozysten bei akuter Pankreatitis wird mit 6 18,5% angegeben. Die Prävalenz von Pankreaspseudozysten bei chronischer Pankreatitis liegt bei 20 40%. In der größten publizierten Serie aus Frankreich aus 73 Zentren (522 Patienten mit zystischen Läsionen) wurden in etwa 75% der operierten zystischen Läsionen Adenome diagnostiziert (32,6% seröse Zystadenome, 28,5% muzinöse Zystadenome, 10,6% intraduktal papillär-muzinöse Neoplasien, IPMN). 16,4% der Läsionen waren maligen transformiert (Zystadenokarzinom, mucinöses Zystadenokarzinom). 32% der serösen Zystadenome und 26% der muzinös zystischen Adenome waren asymptomatisch. 6% der muzinösen Tumoren hatte Ganganschluss im Sinne eines IPMN und 10% der malignen Läsionen hatte Gangschluss und entsprach somit einem aus einer IPMN entstandenen Karzinom. 24% der muzinösen Läsionen wurden präoperativ nach bildgebenden Kriterien als Pseudozyste eingestuft. Diagnostik Die Diagnose einer zystischen Pankreasläsion erfolgt meist bildgebend, wobei dem transabdominellen Ultraschall eine wesentliche Bedeutung für die Erstdiagnostik zukommt. Das CT ist häufig noch die Bildgebungsmethode der Wahl. Das CT hat eine Sensitivität von 82 100% bei einer Spezifität von 98%. Zur Diskriminierung zwischen einer akuten Flüssigkeitsansammlung, einem Pankreasabszess und einer akuten Pankreaspseudozyste hat die Endosonografie (EUS) die höchste Sensitivität (93 100%) und Spezifität (92 98%). Zur Differenzialdiagnose einer zystischen Läsion 6

mit oder ohne Ganganschluss sowie zur Detektion von solidem Material in der zystischen Läsion ist das MRT und die Magnetresonanz-Cholangiopankreatikografie (MRCP) geeignet. Die diagnostische Punktion einer Pseudozyste mittels EUS hilft bei der Unterscheidung zwischen zystischen Malignomen und Pseudozysten. Bei einem carcinoembryonalen Antigen (CEA) > 192 ng/ml ist ein Malignom wahrscheinlicher. Ebenso bei hoher Viskosität des Zysteninhalts. Abgrenzung (Pseudo-)Zyste und zystischer Tumor Oft ist es nicht einfach bei Vorliegen einer zystischen Läsion zwischen einem zystischen Adenom, einer IPMN oder einem zystisches Karzinom zu differenzieren. Kurz zusammengefasst: Ergibt die EUS-gestützte Punktion einer Zyste ein CEA > 400 ng/ml, eine variable erhöhte oder niedrige Amylase, eine hohe Viskosität, Muzin oder epitheliale Zellen im Zysteninhalt, so muss vom Vorliegen einer muzinösen Neoplasie ausgegangen werden. Es handelt sich dann meist um eine muzinös zystische Neoplasie (MCN), die gehäuft bei Frauen im Alter von 30 50 Jahren auftritt, meist im Pankreasschwanz lokalisiert ist und bildgebend wandständige Knoten aufweist. Typisch ist das sogenannte Eierschalenmuster. Bei nicht-invasivem Wachstum ist die Prognose nach einer Operation gut. Wird jedoch ein invasives Wachstum nachgewiesen so beträgt das mittlere Überleben 45 Monate. Bei einem CEA > 6000 ng/ml ist von einer malignen Läsion auszugehen. Das Zystenpunktat einer MCN unterscheidet sich wenig von dem einer IPMN. Die IMPN ist als präkanzeröse Läsion zu werten. Das maligne Potenzial hängt von der Lokalisation (Hauptgang oder Seitengang) und der Größe der Läsion sowie der soliden Anteile ab (s. Abb. 1). Die IPMN kann multifokal auftreten und verhält sich in diesem Fall aggressiver. Auch bei multifokalem Befall bei Läsionen die < 3 cm sind und keine wandständigen Knoten aufwiesen führte eine abwartende Haltung nicht zu einer Gefährdung des Patienten. Das Risiko für das synchrone Auftreten einer IPMN und eines duktalen Adenokarzinoms ist erhöht (Inzidenz: 2,7 5,4%), was bedeutet, dass auch Patienten nach Resektion eines IPMN weiter überwacht werden müssen. Eine IMPN, die von Hauptgang ausgeht, sollte wann immer möglich reseziert werden, da in 52 92% der Fälle sich in einem Zeitraum von 8 Jahren ein Karzinom aus dieser Läsion entwickelt. Für Läsionen des Seitengangs ist das Risiko wesentlich geringer. Auch bei optimaler präoperativer Diagnostik zur Einschätzung des malignen Potenzials einer IPMN muss davon ausgegangen werden, dass bei 7 operierten Patienten nur in nur 7

einem Resektat letztlich eine Neoplasie mit malignem Potenzial gefunden wird (Highgrade-Dysplasie oder Karzinom). Aus diesem Grund werden die aktuellen Leitlinien eher zurückhaltender bei der Empfehlung zur Resektion von kleinen zystischen Läsionen ohne solide Anteile. Abb. 1 Weiterführende Literatur: Mayerle J, Kraft M, Menges P, Simon P, Ringel J, et al. Intraduktal papillär muzinöse Neoplasie: Welche Befunde sprechen für Beobachtung? Chirurg. 2012;83(2):123 9. Hoffmeister A, Mayerle J, Beglinger C, Büchler MW, Bufler P, et al. S3-Leitlinie Chronische Pankreatitis: Definition, Ätiologie, Diagnostik, konservative, interventionell endoskopische und operative Therapie der chronischen Pankreatitis. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Z Gastroenterol. 2012;50(11):1176 224. Lerch MM, Stier A, Wahnschaffe U, Mayerle J. Pancreatic pseudocysts: observation, endoscopic drainage, or resection? Dtsch Ärztebl Int. 2009;106(38):614 21. Vege SS, Ziring B, Jain R, Moayyedi P. American gastroenterological association institute guideline on the diagnosis and management of asymptomatic neoplastic pancreatic cysts. Gastroenterology. 2015;148(4):819 22. 8

Endoskopische Interventionen am Gallen- und Pankreasgang P. Sauer Interdisziplinäres Endoskopie-Zentrum, Innere Medizin IV, Universitätsklinikum Heidelberg Pankreasgangkomplikationen nach Pankreasresektion Die Pankreaschirurgie bleibt trotz Standardisierung der operativen Vorgehensweise und der Verbesserungen der perioperativen Versorgung der Patienten mit einer hohen Morbidität behaftet. Nach Pankreasresektion sind die verzögerte Magenentleerung, postoperative Blutungen und Pankreasfisteln die schwerwiegendsten Komplikationen. Insbesondere nach Pankreaslinksresektion und nach Enukleation zentraler Prozesse ist die postoperative Pankreasfistel die häufigste Komplikation, die die Erholung der Patienten und das operative Ergebnis beeinträchtigen. In vielen Fällen gelingt es über einen endoskopischen Zugang den Defekt des Pankreasgangs zu überbrücken oder zumindest den Abflusswiderstand über die Papille zu reduzieren und somit den Heilungsprozess zu beschleunigen. In aktuellen prospektiven Studien wird darüber hinaus untersucht, ob es gelingt durch endoskopische Eingriffe vor der Operation das Risiko einer postoperativen Fistel zu reduzieren. Gallengangskomplikationen nach Cholezystektomie und Leberresektion Die Inzidenz von Gallengangskomplikationen nach laparoskopischer Cholezystektomie (CHE) liegt in der Größenordnung von 0,6 1%. Diese Komplikationen manifestieren sich als Leckage ohne relevante Gangverletzung, Leckage mit relevanter Gangverletzung oder als Stenose. Das Ziel der endoskopischen Therapie einer biliären Leckage ist die Reduktion des transpapillären Abflusswiderstands, sodass der Gallefluss eher über die Papille als über die Leckage erfolgt. Bei Leckagen ohne relevante Gangverletzung ist die Sphinkterotomie meist in der Kombination mit einer Endoprothese die endoskopische Therapie der Wahl und bei der Mehrzahl der Patienten erfolgreich. Bei Therapieversagen oder beim Vorliegen komplexer Gangverletzungen ist der temporäre Einsatz von komplett beschichteten Metallstents eine neue therapeutische Option (Abb. 1). Ein analoges Vorgehen ergibt sich auch für Leckagen, die nach Leberresektionen auftreten. Je nach Lokalisation der Leckage (rechter oder linker D. hepaticus bzw. Hilus oder periphere Resektionsfläche) ergibt sich die Option mittels einer 9

Endoprothese den Defekt zu überbrücken oder auch nur den Abflusswiderstand über die Papille zu reduzieren. Im Gegensatz zur biliären Leckage nach CHE, die meist innerhalb von Tagen symptomatisch wird, werden Patienten, die nach CHE eine biliäre Stenose entwickeln, eher nach Wochen bis Monaten klinisch auffällig. Diese Stenosen werden in den meisten Zentren mittels Ballondilatation und einer steigenden Anzahl von Endoprothesen behandelt. Die optimale Anzahl und Größe der Endoprothesen, Zeitintervalle der Wechsel und auch die Therapiedauer sind nicht generell etabliert und die jeweilige Zentrumserfahrung spielt eine erhebliche Rolle. Die primären Erfolgsraten liegen bei über 80%, allerdings werden in bis zu 40% der Patienten Rezidive beobachtet. Gallengangskomplikationen nach Lebertransplantation Biliäre Komplikationen nach Lebertransplantation sind eine wesentliche Ursache der Morbidität und des Transplantatversagens. Die verschiedenen Klassifizierungen dieser spezifischen Komplikationen basieren entweder auf dem Zeitpunkt des Auftretens, der Lokalisation oder der Ätiologie. Aus therapeutischer Sicht hat es sich als pragmatisch gezeigt, zwischen den Komplikationen der Anastomose selbst und den Komplikationen außerhalb der Anastomose zu unterscheiden. Die Inzidenz biliärer Leckagen liegt insgesamt bei 8% und ist nach Leberlebendspende etwas höher. Das therapeutische Vorgehen unterscheidet sich nicht wesentlich von den Konzepten der Leckageversorgung nach CHE, obwohl in den meisten Zentren Endoprothesen eingesetzt werden und eine alleinige EST selten Anwendung findet. Erfolgsraten der endoskopischen Therapie zwischen 85 100% werden berichtet und auch wenn Einzelfälle von Organverlusten beschrieben sind, so haben Leckagen keinen negativen Einfluss auf das Transplantatüberleben. In wenigen Fällen ist eine primäre chirurgische Revision notwendig, insbesondere dann wenn ein großer Gangdefekt bzw. eine Gallengangsnekrose vorliegt. Eine andere, schon erwähnte Möglichkeit könnte in dieser Situation die temporäre Implantation von komplett beschichteten Metallstents sein. Erste Erfahrungen mit diesem Vorgehen sind vielversprechend und mittelfristig könnte sich dieser Ansatz als Alternative zur komplexen und komplikationsträchtigen chirurgischen Revision etablieren. Eine der langfristigen Komplikationen, auch in Folge einer endoskopisch erfolgreich behandelten Leckage, ist die Entwicklung einer Anastomosenstenose. Die Inzidenzen liegen bei 13% für die konventionelle Transplantation und bei 19% für die 10

Leberlebendspende-Transplantation. Als Therapie der Wahl der Anastomosenstenose hat sich die ERCP mit Ballondilatation mit oder ohne zusätzliche Endoprothesen durchgesetzt. Für die Verwendung von Endoprothesen analog zum Vorgehen bei biliären Stenosen nach CHE spricht die höhere Erfolgsrate gegenüber der alleinigen Ballondilatation, wohingegen die alleinige Ballondilatation mit einem geringeren Risiko einer bakteriellen Cholangitis assoziiert ist. Die dauerhafte Erfolgsrate für die endoskopische Therapie der isolierten Anastomosenstenose liegt zwischen 60% und 90%. Für Therapieversager bzw. Patienten mit Rezidiven nach initial erfolgreicher Therapie blieb bisher nur die chirurgische Revision, aber auch in dieser Situation könnten zukünftig die temporär eingesetzten Metallstents eine wichtige Rolle spielen. Die non-anastomotic strictures (NAS) werden mit einer Inzidenz zwischen 5% und 25% angegeben. In den letzten Jahren scheint die Häufigkeit zuzunehmen, was durch die steigende Akzeptanz marginaler Organe und das Allokationsverfahren mit zunehmend kritischeren Patienten, die zur Transplantation kommen, erklärt werden kann. Für die noch lokalisierten Stenosen besteht ein endoskopischer Therapieansatz, die Erfolgsrate fällt aber deutlich hinter die Ergebnisse der Therapie der Anastomosenstenose zurück. Generell lässt sich festhalten, dass je ausgedehnter und komplexer die Manifestation der Stenosen ist, umso geringer ist der dauerhafte Behandlungserfolg. Insgesamt ist die Prognose der Patienten mit NAS erheblich eingeschränkt und in vielen Fällen ist eine Retransplantation unausweichlich. Abb. 1: Links: komplett beschichteter selbstexpandierender Metallstent aus der Papille ragend, der für den temporären Einsatz bei benignen Grunderkrankungen konzipiert ist. Rechts: teilbeschichteter Stent mit offenen Maschen am distalen und proximalen (im Gallengang liegenden) Ende für die dauerhafte Implantation bei malignen Prozessen. 11

HCV-Therapie 2015 K. Weigand Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg Für die Therapie der chronischen Hepatitis-C-Virus (HCV)-Infektion sind im letzten und in diesem Jahr insgesamt 7 direkt antiviral wirksame Substanzen (DAAs direct-acting antivirals) zugelassen worden. Diese verteilen sich auf 4 Gruppen: den nukleosidischen NS5B-Polymeraseinhibitor Sofosbuvir, die NS3A-Proteaseinhibitoren (Simeprevir, Paritaprevir), die NS5A-Inhibitoren (Daclatasvir, Ledipasvir, Ombitasvir) und den nicht-nukleosidischen NS5B-Polymeraseinhibitor Dasabuvir. Allen DAAs gemeinsam ist eine rein orale Applikationsweise, die sich auf 1 bis maximal 2 Dosen am Tag verteilen. Diese Substanzen hemmen die aktiven Zentren der oben genannten viralen Proteine und weisen eine sehr hohe antivirale Effektivität, aber auch Spezifität auf. Dadurch kommt es zu fast keinen Nebenwirkungen dieser Substanzen. Nur aufgrund der Verstoffwechselung über verschiedene Zytochrome kann es zu Interaktionen mit einigen wenigen anderen Medikamenten kommen. Diese gilt es vor einem Therapiebeginn immer zu überprüfen. Allerdings resultiert aus der hohen Spezifität der DAAs auch der Effekt, dass nicht alle DAAs bei allen Genotypen gleich effektiv sind. Insbesondere gegen den Genotyp 3 besteht nur bei den wenigsten eine gute Wirksamkeit. Bei Sofosbuvir handelt es sich wie oben erwähnt um einen nukleosidischen NS5B- Polymeraseinhibitor. Dieses DAA weist eine starke pangenotypische Wirksamkeit und daher eine gute Aktivität gegen alle Genotypen auf. Sofosbuvir hat zudem eine sehr hohe Resistenzbarriere. Sofosbuvir wird renal ausgeschieden und weist daher keinen Cyp3A/4-Metabolismus auf, wodurch nur wenige Medikamenteninteraktionen zu erwarten sind. Allerdings wurden in den letzten Monaten einige schwere Bradykardien in Kombination mit Amiodaron beschrieben, weswegen ein aktueller Rote-Hand-Brief vor der gemeinsamen Verwendung warnt. Amiodaron sollte daher vor einer antiviralen Therapie abgesetzt oder umgestellt werden, was aufgrund der überschaubaren Therapiezeiträume der Hepatitis C meist gut möglich sein sollte. 12

Bis Anfang 2015 stellte Sofosbuvir die Basis sämtlicher neuer Therapien für die chronische HCV-Infektion dar. Beim Genotyp 2 besteht die aktuelle Standardtherapie aus der Kombination von Sofosbuvir und Ribavirin über 12 Wochen. Aufgrund der exzellenten Heilungsraten bei diesem Genotyp gibt es keine anderen Therapieschemata für den Genotyp 2. Für die anderen Genotypen muss Sofosbuvir entweder mit Ledipasvir oder mit Daclatasvir kombiniert werden. Beim Genotyp 3 ist nur die letztere Kombination sinnvoll aufgrund der 1000-fach geringeren Effektivität von Ledipasvir beim Genotyp 3 gegenüber dem Genotyp 1. Für den Genotyp 1 steht neben diesen beiden gleich effektiven Therapien seit Anfang 2015 noch die Dreifachkombination aus Paritaprevir, Dasabuvir und Ombitasvir zur Verfügung. Diese ist ebenso effektiv und gut verträglich wie die oben genannten Schemata. Die Therapiedauer beträgt 8 24 Wochen und hängt von folgenden Faktoren ab: Bestehen einer Leberzirrhose, bereits durchgeführte Vortherapie, Geno(sub)typ, u. a. Für den bei uns selten vorkommenden Genotyp 4 haben sich die Kombinationen aus Sofosbuvir und Ledipasvir sowie Ombitasvir und Paritaprevir als sehr effektiv erwiesen. Auch für die Genotypen 5 und 6 gibt es seit der EASL erste Daten zu den DAAs mit gutem Effekt. Studien zu Patienten die unter einer Koinfektion aus HCV und HIV (humanem Immundefizienz-Virus) leiden, zeigen klar auf, dass diese Population nicht anders zu behandeln ist als HCV-monoinfizierte Patienten. Lediglich das Interaktionspotenzial der DAAs mit einigen Substanzen der antiretroviralen Therapien müssen beachtet werden. Insgesamt bestehen mit den zugelassenen DAAs derzeit bei Patienten, die unter einer HCV-Infektion leiden, sehr effektive und gut verträgliche Therapieoptionen. Problematisch ist sicherlich auch die Frage, wie mit Therapieversagern auf eine primäre Therapie mit DAAs umzugehen ist. Hierzu gibt es bislang keine Empfehlungen. Ob dies eine Domäne für pegyliertes Interferon sein wird, welches primär für die Therapie der Hepatitis C nicht mehr empfohlen ist, bleibt allerdings eher auch zu bezweifeln, insbesondere aufgrund der eingeschränkten Verwendbarkeit von Interferon bei Patienten mit einer Leberzirrhose. Hier ist auf aktuelle Entwicklungen zu setzten. 13

Als nächstes wird hier die Therapie mit Grazoprevir (NS3/4A-Proteaseinhibitor) und Elbasvir (NS5A-Inhibitor) zu erwarten sein. Des Weiteren sind der pangenotypisch wirksame NS5A-Inhibitor GS-5816, der pangenotypische nukleosidische Polymeraseinhibitor MK-3682 und der pangenotypische NS3/4A-Proteaseinhibitor GS-9857 in der Pipeline. Für alle wurden vielversprechende Daten auf der EASL 2015 gezeigt. 14

Hepatitis B Perspektiven R. Thimme Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum Freiburg Das Hepatitis B Virus (HBV) ist ein hepatotropes Virus, das über eine chronische Infektion bis zur Leberzirrhose und zum hepatozellulären Karzinom (HCC) führen kann. Zur Therapie der chronischen Hepatitis B sind derzeit folgende Substanzen zugelassen: das antivirale Zytokin Interferon-α (IFN-α) bzw. pegyliertes Interferon-α (PEG-IFN-α), die Nukleosidanaloga Lamivudin, Entecavir und Telbivudin sowie die Nukleotidanaloga Adefovir und Tenofovir. Die Wirkweise des bereits seit vielen Jahren eingesetzten IFN-α ist bisher noch weitgehend unklar. Neben einer direkten Hemmung der viralen Replikation werden unterschiedliche immunmodulatorische Mechanismen diskutiert. Nicht alle Patienten eignen sich für eine Therapie mit PEG-IFN-α, sodass eine strenge Auswahl getroffen werden muss. Die Vorteile einer Interferontherapie sind die begrenzte Therapiedauer von 48 Wochen, die höhere Rate an HBeAg- und HBsAg-Serokonversionen bei geeigneten Patienten sowie eine fehlende Resistenzentwicklung. Die neuen Nukleosid- und Nukleotidanaloga (Entecavir und Tenofovir) zeichnen sich zwar durch eine hohe Effektivität und eine im Vergleich zu den älteren Substanzen geringere Resistenzrate aus, die meisten Patienten müssen aber dauerhaft behandelt werden. Die Virusreplikation kann zwar in der deutlichen Mehrzahl der Patienten sehr effizient inhibiert werden, eine Elimination von HBsAg bzw. eine HBs-Serokonversion und somit ein dauerhaftes virologisches Ansprechen wird bei weniger als 10% der Patienten erreicht. Prinzipiell sollte bei jedem Patienten mit einer klaren Indikation für eine antivirale Therapie geprüft werden, ob er für eine Therapie mit PEG-IFN-α geeignet ist. Günstige Faktoren für ein Ansprechen auf PEG-IFN-α sind z. B. niedrige Viruslast, hohe Transaminasen, und das Vorliegen einer Genotyp-A- Infektion. Ein Abfall des HBsAg zu Woche 12 hilft dabei das Therapieansprechen vorherzusagen. Die Mehrzahl der Patienten mit einer chronischen HBV-Infektion wird mit Nukleosid- oder Nukleotidanaloga behandelt. Diese Substanzen weisen jedoch deutliche Unterschiede in ihrer antiviralen Aktivität und der Häufigkeit des Auftretens einer virologischen Resistenz auf. Basierend auf Daten zu Effektivität und Resistenzentwicklung empfehlen die Leitlinien der European Association for the Study of the Liver (EASL) primär eine Therapie mit Entecavir oder Tenofovir für Patienten, bei denen eine Therapie mit PEG-IFN-α nicht infrage kommt. Insgesamt liegt aber die 15

HBsAg-Serokonversionsrate bei beiden Therapiekonzepten bei weniger als 10%. Die Entwicklung von neuen antiviralen Therapien ist daher von großer klinischer Relevanz. Perspektive Ein Ziel der molekularen HBV-Forschung ist es, den Infektions- und Replikationszyklus des Virus besser zu verstehen und so neue Angriffspunkte für antivirale Therapien aufzudecken. In den letzten Jahren hat eine enorme Entwicklung auf dem Gebiet der molekularen Virologie stattgefunden, die über die Entwicklung sensitiver Methoden und Etablierung neuer Modelle zu einem besseren Verständnis der Immunbiologie von HBV geführt hat. Die Identifizierung von NTCP als HBV-Rezeptor und die somit ermöglichte Etablierung von effizienten Zellkulturmodellen verspricht neue wichtige Einblicke in den Replikationszyklus, wie z. B. den Eintrittsmechanismus, die Funktion von HBx und die Bildung und mögliche Eliminierung von cccdna. Es kann erwartet werden, dass über die Etablierung dieser neuen HBV-Zellkulturmodelle analog zur Hepatitis-C-Virus-Infektion innovative Therapieansätze, die gezielt in den HBV- Replikationszyklus eingreifen oder direkt die cccdna destabilisieren, entwickelt werden. Auch therapeutische Vakzine mit dem Ziel der Stimulation von HBVspezifischen Immunantworten befinden sich in präklinischer Testung und sollen diskutiert werden. 16

Leberzirrhose und Komplikationen Tilman Sauerbruch Bonn Chronische hepatotrope Entzündungsstimuli führen bei einem großen Anteil der Betroffenen nach einem Zeitraum, der meist über 2 3 Dekaden geht, zur Leberzirrhose. Abhängig vom Ausmaß der daraus resultierenden portalen Hypertension kommt es dann zur Dekompensation und zum Auftreten von Komplikationen wie Blutungen, Aszites und Enzephalopathie. Allerdings ist die Leberzirrhose eine Systemerkrankung, die nicht selten von einem chronisch inflammatorischen Syndrom und funktionellen kardiovaskulären Veränderungen begleitet wird. Zusätzliche akute Infektionen können dann bei einigen Menschen zu einer rasanten Verschlechterung des Krankheitsbildes bis hin zum Tod führen. Es gibt daher wichtige Ansatzpunkte, um die Prognose eines Menschen mit Leberzirrhose zu verbessern: Unterbrechung des ätiologischen Stimulus der intrahepatischen Entzündungsreaktion, Verhinderung einer signifikanten portalen Hypertension, Verhinderung von akuten Infektionen, primäre Prophylaxe von Komplikationen, Behandlung von akuten und chronischen Komplikationen, Verhinderung von Komplikationsrezidiven. Unterbrechung des ätiologischen Stimulus Hier sind in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht worden. Die wesentlichen Viruserkrankungen, die zur Leberzirrhose führen, können heute behandelt/unterbrochen werden. Dagegen ist die Verhinderung der zunehmenden ernährungs- oder alkoholbedingten Leberschäden mehr eine gesellschaftliche als eine individuelle ärztliche Aufgabe. Verhinderung einer signifikanten portalen Hypertension Diese gelingt am besten durch die Unterbrechung der Ätiologie. Allerdings gibt es weitere Ansätze, um die chronische Entzündungsreaktion zu modulieren, z. B. durch 17

die Gabe von Statinen oder Angiotensin-II-Rezeptorblockern. Keine dieser Maßnahmen hat jedoch bisher den Test einer großen klinischen Studie bestanden. Verhinderung der akuten Infektion Für die akute Varizenblutung und bestimmte andere Situationen der dekompensierten Zirrhose ist gesichert, dass die prophylaktische Antibiotikagabe das Leben verlängert. Primäre Prophylaxe von Komplikationen Hier ist nur die Verhinderung der ersten Varizenblutung durch nicht-selektive β-blocker oder Ligatur der Varizen gesichert, abgesehen von dem positiven Effekt einer Unterbrechung der Ätiologie auf die Reduktion aller wesentlichen Komplikationen der Leberzirrhose. Behandlung der akuten Komplikationen und Verhinderung der Rezidive Für die Therapie der akuten Varizenblutung, des Aszites und der hepatischen Enzephalopathie gibt es gute, durch kontrollierte klinische Studie abgesicherte Algorithmen. Auch die Therapien zur Verhinderung der Rezidive sind gut dokumentiert und standardisiert. Hierbei kommt es zusätzlich darauf an, Infektionen zu verhindern bzw. so früh wie möglich zu behandeln. Situationen und Medikamente, die zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion führen können, müssen vermieden werden. Zunehmend wird auch auf Komorbiditäten und individuelle Prädispositionen (z. B. für Infektionen) bei der Leberzirrhose geachtet. Literatur: Baveno VI Consensus Workshop, April 11 12, 2015 Gerbes AL, Gülberg V, Sauerbruch T, Wiest R, Appenrodt B, Bahr MJ, et al. S3-Leitlinie Aszites, spotan bakterielle Peritonitis, hepatorenales Syndrom. Z Gastroenterol. 2011;49(6):749 79. Arroyo V, Moreau R, Jalan R, Ginès P; EASL-CLIF Consortium CANONIC Study. Acute-on-chronic liver failure: A new syndrome that will re-classify cirrhosis. J Hepatol. 2015;62(1S):S131 43. Jalan R, Fernandez J, Wiest R, Schnabl B, Moreau R, Angeli P, et al. Bacterial infections in cirrhosis: a position statement based on the EASL Special Conference 2013. J Hepatol. 2014;60(6):1310 24. 18

Vilstrup H, Amodio P, Bajaj J, Cordoba J, Ferenci P, Mullen KD, et al. Hepatic encephalopathy in chronic liver disease: 2014 Practice Guideline by the American Association for the Study of Liver Diseases and the European Association for the Study of the Liver. Hepatology. 2014;60(2):715 35. Sauerbruch T, Mengel M, Dollinger M, Zipprich A, Rössle M, Panther E, et al. Prevention of rebleeding from esophageal varices in patients with cirrhosis receiving small-diameter stents vs hemodynamically controlled medical therapy. Gastroenterology. 2015 [Epub ahead of print]. Sauerbruch T, Appenrodt B, Schmitz V, Spengler U. The conservative and interventional treatment of the complications of liver cirrhosis: Part 2 of a series on liver cirrhosis. Dtsch Ärztebl Int. 2013;110(8):126 32. 19

Qualität in der Gastroenterologie F. von Weizsäcker Innere Medizin I, Schlosspark-Klinik, Berlin Gute Arbeit ist der selbstverständliche Anspruch von Ärzten und die Erwartung ihrer Patienten gleichermaßen. Qualitätsmanagement, ein ursprünglich aus der Industrie übernommener Begriff, soll diesen Anspruch nachvollziehbar und transparent umsetzen. Er ist zum festen Bestandteil medizinischer und pflegerischer Berufe geworden, sowohl im ambulanten, als auch im stationären Bereich. Es werden verschiedene Bereiche wie Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität unterschieden. Für jeden dieser Bereiche werden Standards definiert, die ein Maß für Qualität darstellen sollen. Die Erfüllung von Standards, etwa bei der Versorgung von Patienten mit kolorektalem Karzinom, kann von einem externen Gremium überprüft und bescheinigt werden ( Zertifiziertes Darmzentrum ). Dies erlaubt der entsprechenden Institution, ihre Kompetenz öffentlich auszuweisen. Darüber hinaus ist es das erklärte Ziel der Politik, Qualitätsdaten für regulatorische Maßnahmen zu nutzen. Konkret sollen in Häusern mit mangelnder Qualität Betten zugunsten zertifizierter Häuser abgebaut werden. Ferner können Qualitätsdaten von Krankenkassen für Empfehlungen an die Versicherten genutzt werden. Die Erhebung und Nutzung von Qualitätsdaten ist überall da Konsens, wo Qualitätskriterien leicht zu erheben sind. So ist es vergleichsweise unkompliziert, Standards für mechanische Prozeduren festzulegen, wie etwa die Koloskopie (Rückzugszeit, Polypdetektionsraten und Komplikationsraten). Weitere Parameter, die leicht erhoben werden können, betreffen z. B. Infektionsraten und Mortalitätsstatistiken. Außerhalb dieser und vergleichbarer Felder zeigen sich jedoch Grenzen der Messbarkeit von Qualität in der Medizin. So ist nicht nur die korrekte Durchführung einer Prozedur relevant, sondern naturgemäß auch die Indikationsstellung. Diese sollte insbesondere im Hinblick auf aktuelle finanzielle Fehlanreize im deutschen Gesundheitssystem kritisch überprüft werden. So führt im stationären Bereich das 20

DRG-System zu einer höheren Bewertung komplexer Prozeduren im Vergleich zu einfachen Prozeduren. Für abwartendes Verhalten fehlt hier jeglicher wirtschaftlicher Anreiz. Im ambulanten Bereich stellen IGel-Leistungen Anreize für diagnostische Maßnahmen dar, deren Indikation teilweise umstritten ist. Hier könnte die auf dem 121. Internistenkongress diskutierte und in den USA bereits praktizierte Initiative Gemeinsam Klug Entscheiden ( Choosing Wisely ) eine gewisse Abhilfe schaffen. Kontrovers ist auch das Thema Mindestmengen, da schwer festzulegen ist, ab welcher Zahl an Untersuchungen eine hinreichende manuelle Routine angenommen werden darf. Zudem garantiert eine besonders hohe Zahl an Untersuchungen keineswegs besondere Sorgfalt bei jeder einzelnen Untersuchung. Noch komplexer gestaltet sich die fach- und sektorübergreifende Qualitätssicherung bei der Versorgung von multimorbiden Patienten und Patienten mit seltenen Erkrankungen. Ferner entzieht sich das große Feld der Somatisierungsstörungen und deren Überlappung mit objektiven somatischen Befunden, etwa bei Patienten mit chronisch entzündlicher Darmerkrankung, weitgehend einer vereinfachenden Schematisierung. Zusammenfassend sollte nach Auffassung des Autors ein grundsätzlich begrüßenswertes System zur Qualitätssicherung und dessen Terminologie nicht kritiklos von der Industrie auf das Gesundheitssystem übertragen werden. Weniger als die cartesische Vorstellung, der Mensch sei eine Maschine und mithin der Arzt ein Mechaniker scheint insbesondere in den Bereichen Politik und Gesundheitsmanagement die Einsicht vonnöten, dass ein individueller Patient nicht beliebig standardisierbar ist. Um seinen individuellen Bedürfnissen aber gerecht werden zu können, sollten Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es dem Arzt nicht zuletzt auch wirtschaftlich erlauben, sich möglichst vollumfänglich auf seine genuin medizinischen Aufgaben zu konzentrieren. Hierzu zählen auch Zeit und Zuwendung. Den Begriff Qualität in diesem Sinne zu differenzieren und für das Gesundheitssystem besser nutzbar zu machen, ist ein wichtiges Aufgabenfeld medizinischer Meinungsbildner. 21

Hepatozelluläres Karzinom Diagnostik und Therapie M. Müller-Schilling Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I, Universitätsklinikum Regensburg Einleitung Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist weltweit der fünfthäufigste Krebs und die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache. Weltweit erkrankten im Jahre 2008 schätzungsweise 523.000 635.000 Menschen an einem HCC. Das HCC stellt bei Patienten mit Leberzirrhose die häufigste Todesursache dar [1 5]. Bis zu 80% der globalen Erkrankungsfälle betreffen Südostasien und Länder des afrikanischen Kontinents südlich der Sahara. Dies wird vor allem durch die dort hohe Inzidenz einer chronischen Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion bedingt. Die Inzidenz des HCC nimmt in Europa und den USA zu [1, 3 5]. Die Gründe für diesen Anstieg sind zahlreich: Die Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) vor Jahrzehnten führt zu einem Risiko für die Entwicklung eines HCC. Ein weiterer, neu charakterisierter Risikofaktor ist das metabolische Syndrom, dessen Häufigkeit in den USA und Europa epidemische Ausmaße erreicht hat. In den letzten 2 Jahrzehnten sind Fortschritte in Diagnostik und Therapie des HCC erzielt worden. Die Einführung von sonografischen Screeningprogrammen (Abb. 1) für Patienten mit Leberzirrhose führt zunehmend zur Diagnose von HCC im Frühstadium. Dies hat dazu geführt, dass bei über der Hälfte der Patienten ein potenziell kuratives Behandlungskonzept infrage kommt. Jede sonografisch neu diagnostizierte Raumforderung in der Leber bei bestehender Leberzirrhose sollte daher weiter abgeklärt werden. Abbildung 2 zeigt den diagnostischen Algorithmus der EASL (European Association for the Study of the Liver), der die Größe der Läsion und das Gefäßmuster in der Bildgebung berücksichtigt. Für die Entwicklung einer optimalen, individuellen Therapiestrategie bei HCC- Patienten ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit essenziell. Die therapeutischen Möglichkeiten reichen von der Resektion und orthotopen Lebertransplantation, den lokal-ablativen Verfahren und der Chemoembolisation bis hin zu neuen molekularen Therapien. Der Tyrosinkinase-Inhibitor Sorafenib hat sich als Standard in der palliativen Behandlung des fortgeschrittenen HCC etabliert (Abb. 3). Über die Inhibition der Tumorzellproliferation und -angiogenese führt Sorafenib zu einer Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens beim HCC. 22

Diagnostik Die arterielle Hypervaskularisation mit raschem Auswaschen des Kontrastmittels (KM) und relativer Kontrastumkehr zum umgebenden Leberparenchym in der portalvenösen Phase ist charakteristisch für ein HCC und kann sowohl mittels KM-Sonografie, KM-CT oder KM-MRT nachgewiesen werden. Die Größe einer Läsion und deren Kontrastmittelverhalten bestimmen den diagnostischen Algorithmus (s. Abb. 2). Bei malignitätsverdächtigen Leberrundherden 2 cm ohne charakteristisches Kontrastmittelverhalten in der initialen Schnittbildgebung sind Histologie und kontrastmittelverstärkte bildgebende Verfahren in ihrer Sensitivität und Spezifität bezüglich der Tumordiagnose vergleichbar; primär sollte eine zweite kontrastmittelverstärkte Bildgebung eingesetzt werden. Alternativ kann eine histologische Abklärung erfolgen. Bei malignitätsverdächtigen Leberrundherden < 2 cm ohne charakteristisches Kontrastmittelverhalten in der initialen Schnittbildgebung erreicht die Histologie die höchste Spezifität und sollte primär zur diagnostischen Abklärung eingesetzt werden. Bei Leberrundherden 1 cm kann eine zweite kontrastmittelverstärkte Bildgebung erfolgen. Bei Leberrundherden < 1 cm sollte der Leberrundherd nach 3 Monaten mittels des bestgeeigneten kontrastmittelverstärkten Verfahrens kontrolliert werden. Behandlung Staging und Klassifikation Die ptnm-klassifikation soll als morphologisches Staging eingesetzt werden. Um die Prognose eines HCC beurteilen zu können, sollte das Staging-System zusätzlich das Tumorstadium, die Leberfunktion und den körperlichen Leistungszustand des Patienten sowie den Effekt der Therapie auf die Lebenserwartung berücksichtigen. Die Einteilung gemäß der Barcelona-Clinic-Liver-Cancer (BCLC)-Klassifikation sollte daher als Staging in der Therapiestratifizierung des HCC [6] eingesetzt werden. Sie berücksichtigt sowohl Leberfunktion wie auch Tumorstadium und Allgemeinzustand (Performance Status, PST) des Patienten (Abb. 3 und 4). 23

Frühstadium Das Frühstadium umfasst Patienten mit einem HCC-Herd von maximal 5 cm Durchmesser oder bis zu 3 Herden von je maximal 3 cm Durchmesser in einer Leberzirrhose Child-Pugh A B und einem sehr guten Allgemeinzustand (PST 0). Patienten im Frühstadium können vollständig geheilt werden und sollten einer der kurativen Therapien zugeführt werden: einer chirurgischen Tumorresektion, Lebertransplantation oder einer lokal-ablativen Therapie. Eine intrahepatische Rezidivrate von 70% innerhalb von 5 Jahren stellt den entscheidenden Nachteil der Resektion gegenüber der Lebertransplantation dar [7, 8]. In 60 70% der Fälle sind dies intrahepatische Metastasen, welche zum Zeitpunkt der Resektion nicht detektiert wurden, in 30 40% De-novo-HCC. Die Lebertransplantation ist nicht nur eine kurative Behandlung des HCC, sondern auch der zugrunde liegenden Leberzirrhose als Präkanzerose. Für Patienten mit HCC innerhalb der von Mazzaferro publizierten sogenannten Mailand-Kriterien (singuläres HCC unter 5 cm oder bis zu 3 Tumoren unter 3 cm) konnten ein 5-Jahres-Überleben von ca. 75% sowie Rezidivraten von weniger als 15% erzielt werden [9, 10]. Das 5-Jahres-Überleben nach Lebertransplantation hat über Jahre unter Beachtung der Mailand-Kriterien stetig zugenommen. Limitierender Faktor ist der Mangel an Spenderorganen, der zu einem Tumorprogress bei bis zu 50% der Patienten auf der Warteliste führt. Die meisten Transplantationszentren wenden daher neoadjuvante Therapien an. Für das Bridging können Radiofrequenzablation (RFA), transarterielle Chemoembolisation (TACE) oder Resektion eingesetzt werden. In den letzten Jahren hat sich die Leberlebendspende als Alternative zur Expansion des Spenderpools zunehmend etabliert. Intermediäres Stadium Im Intermediärstadium werden Patienten mit Child-Pugh-Stadium A B zusammengefasst, die die Mailand-Kriterien nicht mehr erfüllen, aber keine tumorassoziierten Symptome, keine extrahepatische Ausbreitung (M0, N0) oder makrovaskuläre Invasion haben. Patienten mit HCC im Intermediärstadium sollten mit transarterieller Chemoembolisation (TACE) behandelt werden [11, 12]. Für die TACE konnte in einer Metaanalyse eine verbesserte Überlebensrate bei HCC-Patienten gezeigt werden [6, 7]. Bei der TACE nutzt man die Tatsache, dass HCC im Gegensatz zum umliegenden gesunden Lebergewebe nicht aus der Pfortader, sondern fast ausschließlich aus der Arteria hepatica versorgt werden. Bei der TACE wird die 24

tumorversorgende Arterie angiografisch identifiziert und Chemotherapeutika, meist Anthracycline wie Adriamycin und/oder Platinderivate wie Cisplatin gelöst im lipophilen Kontrastmittel Lipiodol, werden dann über diese Arterie in den Tumor injiziert. Zusätzlich wird im Anschluss die tumorversorgende Arterie embolisiert. Eine Überlebenszeitverlängerung durch TACE im Vergleich zur supportiven Therapie wurde für die Verwendung von Doxorubicin-Lipiodol-Emulsion oder Cisplatin-Lipiodol- Emulsion und nachfolgende Embolisation mit Gelfoam-Partikeln nachgewiesen [12]. Fortgeschrittenes Stadium Das fortgeschrittene Stadium (tumorassoziierte Symptome, extrahepatische Ausbreitung und/oder makrovaskuläre Invasion) umfasst Patienten, die eine 1-Jahres- Überlebensrate unter 50% haben. In der SHARP (Sorafenib Hepatocellular Carcinoma Assessment Randomised Protocol)-Studie wurden 602 Patienten in die beiden Arme der Studie (Sorafenib [n = 299] vs. Placebo [n = 303]) randomisiert. Der Tyrosinkinase- Inhibitor Sorafenib verbesserte das mediane Überleben (10,7 vs. 7,9 Monate) signifikant im Vergleich zu Placebo [13]. Die Ergebnisse der SHARP-Studie wurden in einer weiteren Phase-III-Studie mit 271 HCC-Patienten aus 23 Zentren in einem asiatisch-pazifischen Kollektiv bestätigt [14]. Die SHARP-Studie hat gezeigt, dass Patienten mit HCC von einer systemischen molekularen Therapie profitieren können. Eine Reihe von weiteren Substanzen, die während der Hepatokarzinogenese gezielt in deregulierte Signalwege eingreifen, ist derzeit in klinischer Erprobung. Fazit für die Praxis Patienten mit einer Leberzirrhose haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines HCC. HCC = Todesursache Nr. 1 bei Patienten mit Leberzirrhose. Die Surveillance von Patienten mit Leberzirrhose ermöglicht die Früherkennung des HCC. Screening ist kosteneffektiv und verlängert das Überleben. Allen Patienten mit einer Leberzirrhose, Patienten mit chronischer Hepatitis B und Fettleberhepatitis sollte eine Früherkennungsuntersuchung angeboten werden, sofern sie einer HCC-Therapie zugeführt werden können. 25

Bei diesen Patienten soll alle 6 Monate eine Sonografie der Leber durchgeführt werden. Eine neu aufgetretene Raumforderung in der Leber sollte weiter abgeklärt werden; der diagnostische Algorithmus berücksichtigt die Größe der Läsion und das Gefäßmuster in der Bildgebung. Die Prognose von Patienten mit HCC wird sowohl von der Leberfunktion als auch vom Tumorstadium beeinflusst. Die Behandlung wird bestimmt durch Tumorgröße, Tumorbefallsmuster, Leberfunktion und Allgemeinzustand des Patienten. Patienten mit einem hepatozellulären Karzinom sollen in einer interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt werden. Chirurgische Resektion, Lebertransplantation und lokal-ablative Verfahren sind kurative Therapieansätze für Patienten im Frühstadium. Die TACE (transarterielle Chemoembolisation) ist für ausgewählte Patienten mit nicht-resektablem, nicht zu großem HCC (Intermediärstadium), mit nicht wesentlich eingeschränkter Leberfunktion, lebensverlängernd. Die konventionelle perkutane Strahlentherapie kann bei Patienten mit einem HCC außerhalb von Studien nicht empfohlen werden. Eine adjuvante systemische Therapie, z. B. mit Sorafenib, nach Lebertransplantation, Resektion oder Ablation bei HCC kann derzeit nicht empfohlen werden. Für Patienten mit fortgeschrittenem HCC ist der Tyrosinkinase-Inhibitor Sorafenib die erste systemische Therapieoption, die zu einer Verlängerung des Gesamtüberlebens führt. Bei HCC-Patienten im Stadium Child-Pugh B oder C sollte keine Therapie mit Sorafenib durchgeführt werden. Neue zielgerichtete onkologische Therapien, die die molekulare Pathogenese des HCC berücksichtigen, werden zurzeit in Studien untersucht. 26

Abb. 1: HCC Surveillance Abb. 2: HCC diagnostischer Algorithmus 27