Mit wenigen Parametern die ovarielle Reserve sicher erheben



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FORTBILDUNG + KONGRESS ABSCHÄTZUNG DER FERTILITÄTSRESERVE Mit wenigen Parametern die ovarielle Reserve sicher erheben Michael Ludwig, Thomas Hahn Ist noch ausreichend Zeit für eine weitere Stufe auf der Karriereleiter, oder läuft die biologische Uhr für die Familienplanung langsam ab? Diese Frage stellen sich beruflich erfolgreiche Frauen spätestens ab Mitte dreißig zumindest unterbewusst. Der Frauenarzt kann diese Situation thematisieren und durch die Bestimmung der individuellen ovariellen Reserve eine Hilfestellung für die Entscheidung geben. Die Familienplanung wird zunehmend in ein höheres Alter verschoben. Der gesellschaftliche Trend zur späten Familienplanung paart sich dabei fatalerweise mit weit verbreiteten falschen Vorstellungen über die biologischen Grenzen der Fruchtbarkeit der Frau: Nach einer repräsentativen Umfrage des Allensbach-Instituts bei über 16-jährigen Bundesbürgern (1) schätzen 40%, dass schwanger werden ab einem Alter der Frau über 40 Ende der fruchtbaren Periode der Frau Einschätzungen in der Bevölkerung Jahren schwerer wird. Immerhin 14% gaben als Grenze sogar 45 Jahre an (s. Abb. 1). Als Konsequenz des späten Kinderwunsches bleiben zahlreichen Paaren nur noch wenige Jahre, in denen die Frau uneingeschränkt fertil ist. Durch das Aufschieben benötigen immer mehr Paare reproduktionsmedizinische Hilfe bei der Verwirklichung der Familiengründung, weil die ovarielle Reserve der Pool an Primordialfollikeln zur Neige geht. Die klassische vorzeitige Ovarialinsuffizienz ist mit einer Inzidenz von 1% weiterhin relativ selten. Die Zahl dieser Frauen steigt jedoch durch die Erfolge der Onkologie: Immer mehr Frauen sind Langzeitüberlebende eines Karzinoms im Kindes- und Erwachsenenalter. Der altersabhängige Rückgang der Fertilität ist in erster Linie die Folge der progressiven Abnahme von Quantität und Qualität der Follikel und damit der Eizellreserve (s. Abb. 2). Der in der Fetalzeit angelegte Pool von Eizellen leert sich bereits pränatal massiv. Nach der Geburt nimmt die Zahl der Primordialfollikel stetig Quantitativer und qualitativer Rückgang der Fertilität der Frau mit dem Alter Abb. 1: Antworten in einer repräsentativen Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie auf die Frage: Für Frauen wird es von der Fruchtbarkeit her schwieriger, schwanger zu werden, etwa ab einem Alter von. Basis: Bevölkerung ab 16 Jahre (Allensbacher Archiv). Abb. 2: Fertilität der Frau: Abnahme des Follikelpools (quantitativer Rückgang, durchgezogene Linie) und Abnahme der Zahl von Eizellen mit guter Qualität (qualitativer Rückgang, gestrichelte Linie) mit zunehmendem Alter der Frau (nach de Bruin und te Velde 2004). 400 FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 5

ab. In der reproduktiven Phase werden pro Zyklus mindestens 40, möglicherweise sogar über 100 Follikel verbraucht. Das Reservoir nimmt altersbedingt damit kontinuierlich ab vor der Erschöpfung individuell sogar mehr oder weniger akzeleriert. Das chronologische Alter entspricht aufgrund der unterschiedlich schnellen Leerung ab Mitte der dritten Lebensdekade im Einzelfall auch früher nicht immer dem biologischen Alter der Ovarien. Für eine Momentaufnahme zum Fertilitätsstatus eignen sich hormonelle und sonographische Parameter (systematischer Überblick bei 2): Prädiktoren der ovariellen Reserve Alter: chronologisches versus biologisches Alter Das chronologische Alter korreliert zwar bei IVF-Patientinnen mit der Erfolgsrate, ist jedoch als Prädiktor der ovariellen Reserve nicht exakt genug (3). Im Einzelfall nimmt der Eizell-Pool bereits früher stärker ab und ist deshalb schneller erschöpft (s. Abb. 3). Auch Frauen unter 35 Jahren können erhöhte Estradiolund FSH-Werte aufweisen. Dies geht bei der assistierten Reproduktion mit verminderten Erfolgsraten einher und dürfte deshalb auch eine spontane Konzeption deutlich erschweren. Zusätzlich zum Alter der Frau beeinträchtigen verschiedene Subfertilitätsfaktoren der Frau etwa eine Tubenpathologie oder des Mannes die Lebendgeburtenrate (4) (s. Abb. 4). Lifestyle-Faktoren Variationen der biologischen Uhr Abb. 3: Individuell bestehen substanzielle Variationen beim Abfall der reproduktiven Kapazität (nach te Velde und Pearson 2002). für das Ansprechen auf eine ovarielle Stimulation analysiert wurden: Der Einfluss war vergleichbar dem des basalen FSH und des antralen Follikelcounts (5). Zusätzlich erhöht Übergewicht auch das Risiko von Fehlgeburten um den Faktor 1,7 bei einem BMI über 25 kg/m² (6). Lebendgeburtenrate: Einfluss der Sterilitäts ursache Rauchen Bei Raucherinnen sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft um fast 30% (OR 0,72) (s. Abb. 5). Im Vergleich mit Nichtraucherinnen ist auch die Abortrate deutlich erhöht (21,4% vs. 16,4%). In IVF-Zyklen bei Frauen zwischen 20 Lebendgeburtenrate: Einfluss des Rauchens FORTBILDUNG + KONGRESS Übergewicht (BMI) Nach den Auswertungen des niederländischen Omega-Projektes sinkt bei einem BMI >27 kg/m 2 die Schwangerschafts-Wahrscheinlichkeit erheblich (OR 0,67) noch stärker als bei Raucherinnen. Das hat sich auch in einer Studie gezeigt, bei der Prädiktoren Abb. 4: Lebendgeburtenrate bei drei Altersgruppen von Frauen nach IVF-Behandlung in Abhängigkeit von der Ursache der Sterilität (nach Lintsen et al. 2005). Abb. 5: Lebendgeburtenrate von rauchenden und nicht rauchenden IVF-Patientinnen in Abhängigkeit von der Ursache der Subfertilität (nach Lintsen et al. 2005). FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 5 401

FORTBILDUNG + KONGRESS und 30 Jahren zeigte sich ein vergleichbarer Einfluss auf die Lebendgeburtenrate wie ein um zehn Jahre höheres Lebensalter. Prinzipiell lässt sich festhalten: Jedes Jahr Rauchen vermindert die Chance auf eine Schwangerschaft um 4%. Bei der assistierten Reproduk - tion finden sich 45% weniger Eizellen bei Raucherinnen (7). Übergewicht wirkt sich mindestens vergleichbar negativ aus und ist mit erhöhten Abortraten verknüpft. Hormonelle Parameter Alterskorrelierte Hormonveränderungen sind ein relativ spätes Phänomen. Sie treten erst auf, wenn der Follikelpool bereits relativ weit geleert ist. Alle Hormone bieten eine optimale Aussagekraft nur dann, wenn sie in der frühen Follikelphase (Tag 3 5 des Zyklus) bestimmt werden. Einzige Ausnahme: das Anti-Müller-Hormon. Es schwankt über den Zyklusverlauf in deutlich engeren Grenzen (8, 9), die klinisch kaum relevant sind, wenn es um eine Momentaufnahme der Fertilitätsreserve geht und diese nicht kurz vor Ende der reproduktiven Phase erhoben wird. Basales FSH Als alleiniger Wert ist der FSH-Wert nur dann ein guter Diskriminator, wenn der Spiegel stark erhöht ist. Das evidente Problem bei diesem Parameter sind die starken Schwankungen zwischen den einzelnen Zyklen: Nur in 60% der Fälle mit FSH-Erhöhung ist diese auch im Folgezyklus nachzuweisen. Als Obergrenze für eine spontane Konzeption werden Spiegel von 11,5 25 miu/ml angesehen, bei höheren Werten sind Schwangerschaften die Ausnahme. Andere Autoren setzen bereits Konzentrationen von >8 miu/ml mit geringeren Chancen auf eine Schwangerschaft gleich (10). Basales Estradiol Ebenso wie der basale FSH-Wert ist das basale Estradiol allein kein verlässlicher Prädiktor. Nach niederländischen Untersuchungen ist die Aussagekraft sehr niedrig sowohl hinsichtlich eines schlechten Ansprechens auf eine ovarielle Stimulation als auch eines Nichteintretens einer Schwangerschaft (1). Zusammengefasst: Die beiden Parameter einzeln lassen keine Aussage zu. Östradiol müsste man etwa 14- mal, FSH etwa 3-mal messen, um eine verlässliche Abschätzung gewinnen zu können (11). Eine gewisse Aus sagekraft ist nur bei der Kombination beider Werte gegeben. Als auffällig anzusehen ist die Kombination eines niedrigen Östradiolspiegels (<50 pg/ml) in Verbindung mit einem FSH-Wert im oberen Referenzbereich (>8 miu/ml) in der frühen Follikelphase. Als Hinweis auf eine verfrühte Rekrutierung der Follikel ist die Kombination von relativ hohem Ös - tradiol (>80 pg/ml) bei noch normalem FSH am Tag 5 des Zyklus zu werten; häufig sind diese Zyklen verkürzt. Inhibin B Das Hormon der Granulosazellen ist der stärkste Inhibitor der FSH-Sekretion. Die Konzentration variiert zyklusabhängig erheblich, eine Bestimmung ist wenn überhaupt nur in der frühen Follikelphase sinnvoll. Schwellenwerte für die ovarielle Reserve sind nicht etabliert, verschiedene Autoren attestieren dem basalen Hormonwert nur bescheidene Aussagekraft (1, 12). AMH Die Konzentration des Anti-Müller- Hormons (AMH) reflektiert die Größe der heranwachsenden Kohorte von kleinen Follikeln und reflektorisch damit den Pool an Primordialfollikeln. Das Hormon wird gebildet von den Granulosazellen der primären, sekundären und sehr frühen antralen Follikel. Die Serumkonzentration nimmt mit zunehmendem Alter der Frau ab; der nachweisbare Abfall beginnt jedoch zeitlich deutlich früher als der Anstieg von FSH und der Abfall von Inhibin B. Zudem sind die Spiegel weitestgehend unabhängig 402 FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 5

von Zyklustag, der Einnahme der Pille und einer Schwangerschaft. Auf den Punkt gebracht: Der AMH- Wert ist ein früher Marker der abnehmenden ovariellen Reserve und kann zyklusunabhängig bestimmt werden. Für die Laborbestimmung des AMH existieren unterschiedliche Assays. Ein guter Test muss eine Untergrenze von unter 0,5 ng/ml aufweisen. Bei einem Wert unter 1,0 ng/ml wird die Wahrscheinlichkeit einer Lebendgeburt deutlich geringer (1). Der mittlere Wert bei einer 35-Jährigen liegt bei etwa 2 ng/ml. Prädiktion durch Ultraschall Antraler Follikelcount (AFC) Zur Bestimmung des antralen Follikelcounts in der frühen Follikelphase werden derzeit alle Follikel beider Ovarien mit einem Durchmesser zwischen 2 und 10 mm addiert (s. Abb. 6). Bei gesunden, fertilen Frauen erklärt der basale AFC zwischen 46 und 90% der altersbedingten Varianz (14, 15). Eine italienische Studie hat gezeigt, dass Frauen mit einem AFC von 13 bei der ovariellen Stimulation als good responders einzustufen sind (16). Der Normalwert des basalen AFC ist abhängig von der Empfindlichkeit des Ultraschallgerätes. Er wird mit Einführung sensiblerer Schallköpfe in Zukunft wohl steigen, weil dann noch kleinere Follikel sichtbar werden. Nachteil dieser Methode: Sie ist nicht untersucherunabhängig. Dimensionen des Ovars Das Ovarvolumen ist als indirekter Marker nur grenzwertig signifikant (5), ähnlich sind Länge und Breite des Ovars einzustufen (s. Abb. 7 auf S. 404). Resümee: Als einzelner Faktor ist der sonographisch bestimmte antrale Follikelcount in der frühen Follikelphase der aussagekräftigste Prädiktor von 12 geprüften hormonellen (ohne AMH) und sonographischen Parametern (11) für die Vorhersage der ovariellen Antwort. Zusammenfassung und Diskussion Die Fruchtbarkeit einer Frau ist nicht sicher am chronologischen Alter abzuschätzen. Das biologische Alter im Sinne ihrer Fertilitätsreserve kann deutlich abweichen. Unter den hormonellen Parametern ist der AMH- Wert, bei den sonographischen der basale AFC der aussagekräftigste Prädiktor der ovariellen Reserve. Zur Abschätzung der ovariellen Reserve sind die basalen Serumwerte Antraler Follikelcount in Abhängigkeit vom Alter der Frau Abb. 6: Der antrale Follikelcount sinkt mit dem Alter, variiert aber interindividuell erheblich. Zu beachten ist auch der Einfluss, den die Empfindlichkeit des Ultraschallgeräts ausübt. Die Zahlen in dieser Abbildung beruhen auf Messungen mit einem 7,5-MHz- Schallkopf, alle Follikel in beiden Ovarien wurden gezählt, und zwar von innen nach außen (nach Scheffer et al. 2003). von FSH und Estradiol nur in Kombination und nicht als Einzelwerte bedingt aussagekräftig. Indiz für eine zur Neige gehende ovarielle Reserve ist die Kombination eines niedrigen Östradiolspiegels (<50 pg/ml) in Verbindung mit einem FSH-Wert im oberen Referenzbereich (>8 miu/ml) in der frühen Follikelphase. FORTBILDUNG + KONGRESS FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 5 403

FORTBILDUNG + KONGRESS Prädiktion einer schlechten Ovarantwort: Vergleich AFC und Ovarvolumen Abb. 7: ROC-Kurven (receiver operating characteristic) der Studien zu Ovarvolumen und AFC bei der Prädiktion einer schlechten ovariellen Antwort im Rahmen von IVF-Zyklen: Die Aussagekraft des AFC ist spezifischer (nach Hendriks et al. 2007). Bei den Hormonwerten ist der AMH- Wert ein robusterer Parameter mit einem höheren Prädiktionswert (s. Abb. 8). Die Serumwerte sind zudem über den Zyklusverlauf relativ stabil. Die Aussagekraft ist vergleichbar hoch wie die des antralen Follikelcounts. Werte unter 1,0 ng/ml sind für eine über 40-jährige Frau physiologisch und deuten bei jüngeren Frauen auf eine verminderte ovarielle Reserve hin (18). Die AMH-Bestimmung hat als Labormethode den Vorteil, dass die Werte unabhängig vom Untersucher sind. Das dürfte in der täglichen Praxis vorteilhaft sein, denn der vergleichbar treffsichere antrale Follikelcount (AFC) ist als sonographischer Parameter abhängig von der Empfindlichkeit des Schallkopfes und der gewissenhaften Auszählung durch den Untersucher (11). Bei Frauen zwischen 30 und 35 Jahren bestehen bei einem AFC von 13 und höher gute Fertilitätsreserven, bei über 35-Jährigen sind im Durchschnitt 9 Follikel auszuzählen. Im Rahmen von IVF-Zyklen sind beide Parameter bei niedrigen Werten vergleichbar prädiktiv hinsichtlich einer verminderten ovariellen Reserve, wie eine kontrollierte prospektive Untersuchung in Holland ergab (13): Es konnten nicht nur weniger Eizellen gewonnen werden, diese ließen sich auch schlechter fertilisieren. Da bei niedrigem AMH zusätzlich noch erhöhte Abortraten (33 versus 4,5%) dokumentiert wurden, könnte AMH auch ein Marker für die Qualität der Follikel sein (20). Fazit AMH-Wert und Stimulationsfähigkeit Abb. 8: Ovarielle Antwort nach Stimulation. Zahl der Follikel in Abhängigkeit vom Wert des Anti-Müller-Hormons (durchgezogene Linie = Regressionsgerade, gestrichelte Linien = 95%-Konfidenzintervall) (nach Kwee et al. 2007). Ein niedriges AMH (<1 ng/ml) oder auch ein niedriger AFC (<10 bei Frauen bis 34 Jahre, <8 bei Frauen zwischen 35 und 40) sind auch bei jungen Frauen ein eindeutiger Hinweis auf eine verminderte ovarielle Reserve. Die AMH-Werte sollten im Kontext mit dem Alter individuell interpretiert werden. Weniger aussagekräftig sind die übrigen Hormonwerte. Als Indiz für eine verminderte ova rielle Reserve ist die Kombination eines niedrigen Östradiolspiegels (<50 pg/ml) in Verbindung mit einem FSH-Wert im oberen Referenzbereich (>8 miu/ml) in der frühen Follikelphase zu werten. Literatur 1. Sütterlin S, Hoßmann I: Ungewollt kinderlos. 2007. http://www.berlin-institut.org/ studien/ungewollt_kinderlos.html. 2. Broekmans FJ et al.: A systematic review of tests predicting ovarian reserve and IVF outcome. Human Reprod 12 (2006) 685 718. 3. Frazier L et al.: Follicle-stimulating hormone and estradiol levels independently predict the success of assisted reproduc tive technology treatment. Fertil Steril 82 (2004). 4. Lintsen A et al.: Effects of subfertility cause, smoking and body weight on the success rate of IVF. Hum Reprod 20 (2005) 1867 1875. 5. Howles CM et al.: Predictive factors and a corresponding treatment algorithm for controlled ovarian stimulation in patients treated with recombinant human follicle stimulating hormone (follitropin alfa) during assisted reproduction technology (ART) procedures. An analysis of 1378 patients. Curr Med Res Opin 22 (2006) 907 918. 6. Metwally M et al: Does high body mass index increase the risk of miscarriage after spontaneous and assisted conception? A meta-analysis of the evidence. Fertil Steril (2007). 404 FRAUENARZT 49 (2008) Nr. 5

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