Im Spannungsfeld zwischen M&A und Kartellrecht Im Spannungsfeld zwischen M&A und Kartellrecht Ulrich Berscheid, BP Europa SE, 18.06.2013
BP Europa SE Die BP Europa SE mit Sitz in Hamburg gehört zur internationalen BP Gruppe mit der BP plc. als Konzernobergesellschaft. Unternehmensgegenstand ist das Mineralölgeschäft, dazu gehört u.a. der Betrieb von Raffinerien, der Mineralölgroßhandel, das Tankstellengeschäft und das Schmierstoffgeschäft. Die BP Europa SE ist in Belgien, Deutschland, Niederlande, Österreich, Polen, Schweiz und Ungarn tätig. Mit ca. 9.900 Mitarbeitern - davon in Deutschland ca. 4.900 - wurde 2012 ein Umsatz in Höhe von 68,9 Mrd. erwirtschaftet. BP ist in Deutschland mit drei Marken vertreten. 2
Zusammenschlusskontrolle Zusammenschlusskontrolle 35 ff. GWB, FKVO und ca. 90 weitere Fusionskontrollverordnungen weltweit Bestimmender Einfluss (Kontrollerwerb) nach 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB Wettbewerblich erheblicher Einfluss nach 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB ( ausüben können ) Frühzeitige Einbindung der Kartelljuristen ist ratsam Aufwand, Budget, Zeitplan Gestaltungsmöglichkeiten prüfen! REWE/Wasgau (2013) REWE beabsichtigte, an Wasgau eine Minderheitsbeteiligung (25,1 %) zu erwerben und zugleich die Gründung einer Einkaufskooperation. BKartA gab Beteiligungserwerb frei, sah jedoch die Kooperation kritisch ( 1 GWB). REWE erwarb daher eine Mehrheitsbeteiligung (51 %), die vom BKartA freigegeben wurde, obwohl es dadurch zu einer engeren Verbindung zwischen den Unternehmen kommt (so Presseerklärung BKartA vom 29.04.2013). Gründungsmodalitäten Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen / Teilfunktionsgemeinschaftsunternehmen 3
Vollzugsverbot Vollzug des Zusammenschlusses ist bis zur Freigabe durch die Kartellbehörden verboten. Verboten ist nicht nur die rechtliche, sondern auch die faktische Umsetzung ( 41 Abs. 1 GWB; 7 Abs. 1 FKVO). Verboten ist z.b. Vornahme der Erfüllungsgeschäfte Organisatorische Zusammenführung der Unternehmen. Aufnahme gemeinsamer Geschäftsaktivitäten Implementierung gemeinsamer Reporting- und Organisationsstrukturen Befolgung von Weisungen der künftigen Geschäftsführung Verboten ist auch ein sog. Frühstart ( Gun Jumping ) Besonderer Fall des Verstoßes gegen das Vollzugsverbot: Die Anmeldung ist ordnungsgemäß erfolgt und der Zusammenschluss wird freigegeben, jedoch wird der Zusammenschluss noch vor der formalen Freigabeerklärung vollzogen. Gun Jumping ist zwar nur ein formaler Verstoß, gleichwohl aber kein Kavaliersdelikt! Europäische Kommission (2007): Durchsuchung in Sachen Ineos/Kerling BKartA (2008): Bußgeld i.h.v. 4,5 Mio. gegen Mars beim Erwerb der Nutro 4
Kartellverbote Bis zum Vollzug des Zusammenschlussvorhabens gelten grundsätzlich die allgemeinen Kartellverbote des 1 GWB (Art. 101 AEUV). Die Unternehmen sind bis zum Vollzug unabhängige Unternehmen und müssen daher als eigenständige Wettbewerber im Markt agieren. Es gibt immanente Ausnahme vom Kartellverbot (teleologische Reduktion). Immanente Ausnahmen gelten auch im Rahmen der Vorbereitung und Umsetzung von Zusammenschlussvorhaben. Eine Orientierungshilfe bietet die Nebenabredenbekanntmachung der Kommission vom 05.03.2005. Bekanntmachung der Kommission über Einschränkungen des Wettbewerbs, die mit der Durchführung von Unternehmenszusammenschlüssen unmittelbar verbunden und für die notwendig sind vom 05.03.2005 (2005/C 56/03, Amtsblatt der Europäischen Union 2005). Die Nebenabredenbekanntmachung unterscheidet zwischen der Übernahme eines Unternehmens einerseits und Gemeinschaftsunternehmen andererseits. 5
Due Diligence Eine sorgfältige Unternehmensprüfung ist bei M&A-Projekten Standard. Umfassende rechtliche und wirtschaftliche Prüfung der Zielgesellschaft. Gegenstand der Prüfung sind u.a. Umsätze, Margen, Kosten, Gewinnspannen, Preise, Kundenlisten, Verträge, Marketingstrategien. Besteht zwischen Unternehmen ein Wettbewerbsverhältnis, ist der Austausch wettbewerbssensitiver Informationen verboten. z.b. Nestlé, Kraft u.a. 2013/2011 ( Konsumgüter ), Beiersdorf, Henkel u.a 2013/2011 ( Drogerieartikel ); Chanel, L Oréal u.a. 2008 ( Luxuskosmetik, sog. Schlossrunden-Fall) Austausch setzt keinen wechselseitigen Informationsfluss voraus; erfasst wird auch die einseitige Informationsübermittlung. 6
Due Diligence Privilegierung des Informationsaustauschs bei der Due Diligence? Das Informationsbedürfnis des potentiellen Erwerbers wird grundsätzlich gesehen. Vgl. Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen vom 22.10.2008 (2008/C 267/01) Rn. 116:, dass mögliche Erwerber eine Due-Diligence-Prüfung vornehmen können und je nach Stand des Verfahrens ausreichende Informationen über das zu veräußernde Geschäft erhalten, Gleichwohl keine grundsätzliche Rechtfertigung jeglichen Informationsaustauschs. Es sind alle zumutbaren Maßnahmen zu ergreifen, um die Nutzung wettbewerbssensitiver Informationen im Markt durch den potentiellen Erwerber zu verhindern. Vertraulichkeitsvereinbarungen mit klarer Definition des Verwendungszwecks Offenlegung nur der notwendigen Daten Abgestufte Informationsübergabe Verwendung historischer bzw. aggregierter Daten Einschaltung externer Berater Bildung sog. Clean Teams 7
Einflussnahme auf die Zielgesellschaft Ist die Einflussnahme auf die Zielgesellschaft zwischen Unterzeichnung des Kaufvertrages und dem Vollzug des Zusammenschlussvorhabens zulässig, z.b. durch Conduct of Business-Klauseln? Erwerber hat das Interesse, dass sich der Kaufgegenstand bis zum Vollzug des Zusammenschlusses nicht nachteilig entwickelt. Conduct of Business-Klauseln können als Verbots-, Zustimmungs-, Informations- oder Weisungsklauseln ausgestaltet sein. Rechtliche Rahmenbedingungen Auch nach Abschluss/Wirksamwerden des Kaufvertrages sind der Erwerber und die Zielgesellschaft formal getrennte Unternehmen und die allgemeinen Kartellverbote sind zu beachten. Weitere Grenzen für den Inhalt solcher Klauseln bilden das Vollzugsverbot des 41 Abs. 1 GWB und die Zusammenschlusstatbestände des 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB ( bestimmenden Einfluss ) und 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB ( wettbewerblich erheblichen Einfluss ). Immanente Ausnahmen vom Kartellverbot sind in einem bestimmten Rahmen anerkannt. 8
Einflussnahme auf die Zielgesellschaft Zulässig: Verpflichtung des Verkäufers, die Geschäfte des Zielunternehmen so wie bisher weiterzuführen (vgl. Nebenabredenbekanntmachung Rn. 14). Verpflichtung den Status Quo der Zielgesellschaft zu erhalten. Verbote, Zustimmungsvorbehalte oder Vetorechte bei Maßnahmen außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs. Nicht zulässig (u.a.): Weisungs-, Veto- und Zustimmungsklauseln bezgl. Geschäftsführungsmaßnahmen oder strategische Unternehmensentscheidungen Einflussnahme auf die Führung der Geschäfte Vetorecht bei der Bestellung von Geschäftsführern oder Vorständen Abstimmung über Preise, Angebote oder Produktionskapazitäten; Marktaufteilung Koordinierung von Marketingaktivitäten Gemeinsame Kundenbesuche oder Messeauftritte Informationsklauseln / Informationsaustausch 9
Wettbewerbsverbote Dem Veräußerer auferlegte Wettbewerbsverbote sind als immanente Schranken zulässig, wenn sie erforderlich sind um das Geschäft abzuwickeln. Käufer muss die Möglichkeit erhalten, dass erworbene Geschäft auch tatsächlich übernehmen zu können. Sie dürfen in ihrem zeitlichen, räumlichen und sachlichen Geltungsbereich nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Nach der Nebenabredenbekanntmachung darf das Wettbewerbsverbot bei einer Übernahme des Unternehmens nur für den betroffenen sachlichen und räumlichen Markt gelten und maximal drei Jahre betragen, wenn neben dem Geschäftswert auch Know-how übertragen wird. Wird kein Know-how übertragen, so gilt eine Frist von maximal 2 Jahren. Wettbewerbsverbote sind nicht erforderlich, wenn nur materielle Vermögenswerte wie Grundstücke oder gewerbliche Schutzrechte übertragen werden. 10
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