Oleg Jochim (Autor) Design und Synthese funktionaler Bausteine für die gezielte Modifikation von Oligonukleotiden und Peptid_Nukleinsäuren https://cuvillier.de/de/shop/publications/6974 Copyright: Cuvillier Verlag, Inhaberin Annette Jentzsch-Cuvillier, Nonnenstieg 8, 37075 Göttingen, Germany Telefon: +49 (0)551 54724-0, E-Mail: info@cuvillier.de, Website: https://cuvillier.de
Einleitung 1 Einleitung AllelebensnotwendigenProzesseeinesjedenLebewesensbasierenaufInteraktionen vonmakromolekülen,diedurchihrechemischebeschaffenheitundstrukturdiepro zessesteuernundmöglichmachen.nukleinsäurenundproteinesindzweiderwich tigstenmakromoleküle, dieeinezentralerollealsbausteinedeslebensspielen. [1] Die StrukturaufklärungdieserOligomereindenfrühen50erJahrenführtezuvielenrevolu tionärenerkenntnissen,diebiszumheutigentagefürdieforschungundentwicklung indenfeldernderphysik,biologieundchemiegrundlegendundbestimmendsind. [2 5] DerengeZusammenhangzwischenFunktion,StrukturundchemischemAufbauermög lichtdurchmodifikationenaufmolekularerebeneeingezieltesdesignvonfunktiona lenoligomeren,dienichtnureinunerschöpflichesrepertoireananwendungenbie ten,sondernauchinterdisziplinäreinsetzbarsind.diedarausresultierendeunaufhalt sameentwicklungdringtdabeiinfeldervor,dieweitabvondernatürlichenbiologi schen Bestimmung der Makromoleküle liegen und schafft neue Disziplinen und An wendungen. DieDNA(deoxyribonucleicacid),diealsTrägerundSpeicherderErbinformationenbe kanntistunddereneigenschaftenfürdiegenexpressionunerlässlichsind,kannabseits ihrer biologischen Funktion als ein supramolekulares Gerüst in der Nanotechnologie und den Materialwissenschaften verwendet werden. [6 8] Ihre klar definierte starre DuplexStruktur,mitderFähigkeitdermolekularenErkennungundSelbstaggregation bietetzudemeingroßespotenzialfürbottomupverfahrenzurgenerierungvonhoch strukturierte Materialien mit spezifischen Eigenschaften im Nanobereich. [6] Die An wendungsbereichederdnasindjedochnichtnuraufihrenatürlicheduplexstruktur beschränkt,sondernsinddurchgezieltemodifikationderoligonukleotideumeinviel facheserweiterbar. [9,10] MitderrasantenEntwicklungderOligonukleotidSynthesean fester Phase ist es heutzutage möglich, aufbauend auf modifizierten Nukleosid Bausteinen und artifiziellen Nukleobasen, funktionale Oligonukleotide mit beliebiger 1
Einleitung Sequenz, Funktion und Eigenschaften zu synthetisieren. Auf diese Weise können Aptamere entwickelt werden, die eine komplexe dreidimensionale Struktur einneh menundselektivanzielverbindungen binden.dieseeigenschaftensindnichtnurbei der Entwicklung von neuen Arzneimitteln und Therapeutika von großer Bedeutung, sondernermöglichenauchdieverwendungvonaptamerenalskatalysatorenfüreine Vielzahl chemischer Reaktionen. [11 13] Unter Erhalt ihrer Integrität wird die DNA auf grund der wachsenden Vielfalt an Modifikationen und Anwendungen zu einem der vielseitigstenmakromoleküle,diegezieltmodelliertwerdenkönnen. JedederbeschriebenenAnwendungenderOligonukleotidebasiertaufderMöglichkeit mithilfekleinermodifizierterbausteinekomplexeoligomerestrukturenmiteinerde finierten Funktion zu designen. Der Ansatz der hier präsentierten Untersuchungen baut auf der Synthese eines neuen azyklischen Bausteins auf, der als Thioltragende Rückgratmodifikation von Oligonukleotiden verwendet werden soll. Mit Hilfe dieser ModifikationsollunterVerwendungderdynamischenkombinatorischenChemieeine TemplatgesteuertereversibleFunktionalisierungdesOligonukleotidsuntersuchtwer den. Im Vordergrund der Untersuchungen stehen die Synthese und Anpassung des BausteinsandieOligonukleotidSyntheseanfesterPhasesowiedieEntwicklungeines aufdemthiolthioesteraustauschbasierendendynamischenassays.diedarausresul tierenden Erkenntnisse sollen unter anderem zur Generierung neuer funktionaler selbstorganisierenderoligonukleotidegenutztwerden. DieAnwendungenundFunktionendernatürlichenDNAsindaufdieVariationinder AbfolgedervierkanonischenNukleobasenlimitiertundsindindergeringenAnzahlan möglichen Sekundärstrukturen begründet. Proteine dagegen können aufgrund der zwanzig proteinogenen Aminosäuren eine wesentlich größere Vielfalt an Sekundär strukturelementen ausbilden, die zu komplexen Tertiär und Quartärstrukturen füh ren. [1] DiesichdarausergebendeVariationanStrukturenermöglichtesdenProteinen, sehr spezielle und vielfältige Funktionen im Organismus auszuführen (Enzyme, Anti körper,toxine,kollageneetc.). [14] DochnichtnurdieFunktionderProteineiststark vonihrerstrukturabhängig,auchvieleerkrankungenwiealzheimersindauffehlerhaft gefalteteproteinezurückzuführen. [15] DieVeränderungder dreidimensionalenstruk tur eines Proteins ist ein essentieller Vorgang, der auch bei der Proteinerkennung durchkleinemolekülesowiebeiproteinproteinundproteindnawechselwirkungen 2
Einleitung einewichtigerollespielt.einekontrollierbareänderungderkonformationwürdeein wichtigeswerkzeugzursteuerungderproteinfunktionunddereneigenschaftdarstel len.einweitereszieldieserarbeitistes,modifiziertekleinepeptidhexameremiter kennungseinheitendarzustellen,welchemitkomplementärenmoleküleninwechsel wirkungtretenundsomiteinekonformationsänderunginnerhalbeinesproteinsindu zieren können. Im gepaarten Zustand liegt das Rückgrat des Hexamers in einer FaltblattKonformationvor,währendderEinzelstrangeinezufälligausgebildeteAn ordnungaufweist.durchpaarenbzw.entpaarenkannaufdieseweiseein Schalten zwischen den Konformationen ermöglicht werden. Als molekulare Schalter für FaltblattSekundärstrukturen sollen AlanylPeptidnukleinsäuren (AlanylPNAs) die nen.dazuwerdenaufderaminosäureserinaufbauendenmethyliertebausteinesyn thetisiert,dienukleobasenalserkennungseinheitentragenundabwechselndmitnicht methyliertenbausteinenzumalanylpnahexamerverknüpftwerden.dabeiliegtder FokusaufderSynthesevonDipeptiden,welcheüberdieNmethylierteAminverknüpft sindundinderpeptidsyntheseanfestephaseüberdasnichtmethylierteaminge kuppeltwerdenkönnen.dereinsatzvonnmethyliertenbausteinendientdervermei dungvoneventuellauftretendenrückgrataggregationen.desweiterensollenaufdiese WeiseNMRspektroskopischeUntersuchungeneinessolchenAlanylPNADoppelstran gesundseinespaarungsverhaltensermöglichtwerden. [16] Die in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen sollen deutlich machen, dass komplexemakromoleküle wie die Oligonukleotide und Peptide in ihrer Struktur und FunktiondurchkleinereUntereinheiten(Nukleoside,Aminosäuren)bestimmtwerden. DurchgezieltessynthetischesDesigndieserBausteinekönnengrößereübergeordnete Strukturen modifiziert, funktionalisiert und gesteuert werden. Unter Ausnutzung der Synthese an fester Phase und Anpassung der Synthesebedingungen ist das Potential kleinerbausteinegrößeralsjezuvor. 3
DynamischeModifikationvonOligomeren 2 DynamischeModifikationvonOligomeren AufderSuchenachneuenbioaktivenundfunktionalenMoleküleneröffnetdiedyna mischekombinatorischechemienochniedagewesenemöglichkeitenzurgenerierung voninhibitorenunddynamischenwerkstoffen. [17,18] DiedynamischeChemienutztda beireversiblewechselwirkungen,dieeinenkontinuierlichenaustauschunddiedaraus resultierendeselektionsgesteuertereorganisationderkomponentenermöglichen.die selektive,reversiblefunktionalisierungvonoligomerenistsomitfundamentalfürein adaptivesundreaktivesdesignvonmakromolekülenundmaterialienmithoheman spruchsverhalten. [19] Auf diese Weise wird eine Änderung der klassischen Ansätze möglich, die weg von riesigen vorgefertigten Substanzbibliotheken hin zu kleineren selbstorganisierten dynamischen Bibliotheken führt. Somit wird ein Umschalten von FabrikationzurSelbstFabrikationvollzogen. [20,21] 2.1 KombinatorischeChemie Der Grundgedanke der kombinatorischen Chemie basiert auf der gleichzeitigen Dar stellungeinervielzahlvonchemischähnlichenverbindungen,dieeinesubstanzbiblio thek bilden. [22] Die Substanzbibliotheken können dabei aus Verbindungsgemischen oder einer Ansammlung von Einzelverbindungen bestehen. Durch die Fähigkeit der Generierung einer Vielzahl chemischer Komponenten innerhalb kürzester Zeit be schreibtdiekombinatorischechemieeineneueherangehensweiseandietraditionelle Chemie,beiderzweiKomponentenAundBzueinemklardefiniertenProduktABrea gieren(abb.1). [23] Abb.1:DarstellungderUnterschiedezwischentraditionellerSynthesechemie(links)undkombi natorischerchemie(rechts). 5
DynamischeModifikationvonOligomeren ImKontrastdazuistdieKombinatorischeChemiedurchdieReaktionmehrererSynthe sebausteinea 1 bisa n mitmehrerenbausteinendestypsb 1 bisb n gekennzeichnet und erfasst alle Produktmöglichkeiten. [24] Die Reichweite an kombinatorischen Techniken ist sehr divers und die Produkte können parallel in getrennten Gefäßen, simultan in einermischunganfesterphaseoderinlösunghergestelltwerden.derwichtigstefak tor dabei ist die Produktivitätssteigerung, die durch Anwendung kombinatorischer ChemieerzieltwirdunddiebisherbekanntenRoutinemethodenbeiweitemübertrifft. SpätestensseitdervonR.B.Merrifield1963vorgestelltenPeptidFestphasensynthese verbreitetensichdiedaraufaufbauendenmethodenrasantinfastjedemfeldderor ganischen Synthesechemie. [25] Auch wenn die Automatisierung und die Verwendung vonhochdurchsatzmethodendiesyntheseund CharakterisierunggroßerMengenan Komponenten stark beschleunigt haben, stellen die Nachweis und Trennmethoden immernochdenlimitierendenfaktorderkombinatorischenchemiedar.beiderkom binatorischensynthesevonsubstanzbibliothekenistnichtdieüberausgroßeanzahlan Verbindungen wichtig, sondern vielmehr die Qualität der Bibliothek. Dabei steht die Diversität im Vordergrund, die sich in der Heterogenität der Verbindungen nieder schlägtunddiedurchdieräumlicheanordnungderfunktionellengruppenbestimmt wird.diesevoraussetzungenermöglicheneinevielfaltandesignansätzen,dieriesige Substanzbibliothekengenerierenkönnen.SomithatsichdiekombinatorischeChemie inverbindungmitdemhochdurchsatzscreeningalseinunverzichtbareswerkzeugbei derwirkstoffentwicklungetabliert. [26] DergrößtelimitierendeFaktorbleibtjedochdie Tatsache, dass jede Komponente der Bibliothek in jeglicher Diversität synthetisiert werden muss und eine zielgesteuerte Reorganisation der Bibliothek sehr aufwendig wird. 2.2 DynamischekombinatorischeChemie(DCC) Die dynamische kombinatorischechemie (dynamic combinatorial chemistry, DCC) ist als kombinatorische Chemie unter thermodynamischer Kontrolle definiert. [27] Sie be ruht auf der Selektion des thermodynamisch stabilsten Produktes aus einer sich im Gleichgewicht befindlichen Mischung von potenziellen Produkten. Die Mischung be schreibt ein dynamisches System mit hoher Diversität und Komplexität, die aus den 6
DynamischeModifikationvonOligomeren einzelnen strategisch designten Reaktanden (Bausteine) besteht. Im Gleichgewicht bilden diese eine dynamische Bibliothek von reversiblen Verbindungen (dynamic combinatoriallibrary,dcl).dergrundsatzderdccbeschreibteineselektiveadaption derdcl,wenneinselektionsdruckaufdassichimgleichgewichtbefindlichesystem ausgeübtwird.dieswirddurcheineumwandlungdereinzelnenbibliotheksbestandtei leineinanderermöglicht.dieumwandlungwirddurcheinenchemischreversiblenpro zessbeschrieben,deraufnichtkovalentenundkovalentenbindungensowieaufme tallligandinteraktionenaufgebautseinkann. Abb.2:GenerierungeinerdynamischenkombinatorischenBibliothek(DCL).ImGleichgewichtbesteht die dynamische Bibliothek aus eine bestimmten Anzahl an diversen Molekülen, die sich durch einen reversiblenreaktionsprozessaneinenselektionsdruckanpassenkönnen. Da sich das System unter thermodynamischer Kontrolle befindet, bedeutet jedoch auch,dassjeglicheveränderungderreaktionsbedingungen(temperatur,ph,konzent ration)eineveränderunginnerhalbderbibliothekhervorrufenkann.diesensiblere aktionderdclaufexterneeinflüsseisteinewichtigebesonderheitderdynamischen kombinatorischenchemie,denndiekompositionderbibliothekwirddurchdiether modynamische Stabilität jeder einzelnen Komponente der Bibliothek unter den ent sprechenden Reaktionsbedingungen bestimmt. Diese selbstadaptiven Eigenschaften machendiedynamischekombinatorischebibliothekzueinemeffektivenwerkzeugzur BestimmungthermodynamischerMinima. [28,29] 2.2.1 GrundlagenderDCC DasGrundprinzipderDynamikinderkombinatorischenChemiebasiert,wiezuvorer wähnt,aufdergeeignetenreversiblenreaktion,diedenaustauschderbausteinezwi schendeneinzelnenbestandteilenderbibliothekmöglichmachtunddieadaptionder 7
DynamischeModifikationvonOligomeren BibliothekandenSelektionsdruckermöglicht. [30,31] DabeimüssenfolgendeBedingun generfülltwerden,umeinegeeignetereaktionzubestimmen: [32] 1. DasGleichgewichtsolltesichineinerfürdieReaktionsbedingungenannehmba renzeiteinstellenundbestmöglichschnellerablaufenalsdieauftretendenne benreaktionen,diediesubstratedemgleichgewichtentziehen. 2. DieReaktionsollteuntermildenReaktionsbedingungenablaufen,umnichtmit denempfindlichen,nichtkovalentenwechselwirkungenzuinterferieren,diefür diemolekulareerkennungnotwendigsind. 3. DieReaktionsolltegegenübermöglichstvielenfunktionellenGruppentolerant sein und chemoselektiv ablaufen. So kann gezielt eine dynamische Bibliothek designtunddiekomplexitäteingeschränktwerden. 4. DieGleichgewichtsreaktionsolltekontrolliertbeendetwerdenkönnen,umso mitdiekinetikeinzufrierenunddieselektiertenbibliotheksbestandteileisolie renundnachweisenzukönnen. 5. ImIdealfallsolltenalleBestandteilederBibliothekisoenergetischsein,umei nerseits den Energieaufwand für die kontinuierliche Adaption zu minimieren undumandererseitseinflüsseaufdasgleichgewichtmöglichstgeringzuhal ten. BisheutewurdeeineVielzahlvonreversiblenReaktionen,dieeinegroßeBandbreite anreaktionstypenabdecken,untersuchtundpubliziert(abb.3). [30,32] Dabeiisteswich tig, dass die zuvor beschriebenen Bedingungen bestmöglich erfüllt werden. Gerade wennbiologischrelevantesystemeuntersuchtwerdensollen,mussgewährleistetsein, dassdiesereaktionenimwässrigenmediumablaufenkönnen. Abbildung3zeigtdieBandbreitederReaktionen,dievielederAnforderungenerfüllen und eine Vielfalt an Reaktionstypen abdecken. Die drei häufigsten Bindungsarten (nichtkovalente, kovalenteundkoordinativebindungen),diefürreversiblereaktionen in dynamischer kombinatorischer Chemie verwendet werden, haben ihre Vor und NachteileundmüssenselektivandenAnwendungsbereichangepasstwerden.Beiden meistschwachenundlabilennichtkovalentenbindungenstelltsichdasgleichgewicht zwarsehrschnellein,jedochsinddiegebildetenthermodynamischenproduktenicht sehrstabil. [32] 8
DynamischeModifikationvonOligomeren Abb.3:Beispielefürreversible,kovalenteundnichtkovalenteReaktionen,diebereitsuntersuchtwor densindundverwendunginderdccfinden.alleaufgeführtenreaktionenlaufenuntermildenbedin gungenab.(ewg=elektronenziehendegruppe) Dadurchwirdessehrschwerdiesezuisolierenundzucharakterisieren.ImGegensatz dazusinddiekinetikenfürdasausbildenundlösenderkovalentenbindungenlang samundhabenlangereaktionszeitenzufolge.andererseitssinddiesebindungensehr stabilundkönnenohneweiteresisoliert,charakterisiertundfürweitereanwendungen verwendet werden. Die resultierenden selbstadaptiven Eigenschaften der dynami 9
DynamischeModifikationvonOligomeren schenkombinatorischenchemie,dieunteranderemdurchdieverwendungreversibler undkovalenterbindungenerzieltwerden,unterstreichendievorzügediesermethode gegenüberderkonventionellenkombinatorischenchemie.mithilfedergezieltense lektion kann sich somit die Zusammensetzung der gesamten Bibliothek selbstorgani siertandieerforderlichengegebenheitenanpassen. 2.2.2 Selektion Das adaptive Verhalten der dynamischen Bibliotheken ist das Resultat eines Selekti onsprozesses.dieserwirddurchdiepräsenzeinesartifiziellenodernatürlichenrezep tors (Templat), der die Selektion steuert, bestimmt. Das sogenannte templating be schreibt einen weiteren Eckpfeiler der dynamischen kombinatorischen Chemie. Die ZugabeeinesTemplats(Enzym,RezeptoroderSubstrat),welchesmiteinemBestand teil der Bibliothek wechselwirkt, verschiebt gemäß dem Prinzip von LeChatelier die ZusammensetzungderBibliothekimIdealfallzugunstenderVerbindungmitderbesten Wechselwirkung(Abb.4). Abb.4:SchematischeDarstellungdesdynamischenkombinatorischenProzesses.DasdynamischeSystem bildet durch die gewählten Bausteine und die reversible Reaktion eine dynamische Bibliothek, die sich durchdievorgabedestemplatesdemselektionsdruckanpasstunddurchthermodynamischeselektion verstärktdaspräferierteproduktbildet. DurchdasTemplatwirdalsoeinSelektionsdruckaufdasdynamischeSystemausgeübt, dersichineinerverstärktengenerierungdesbevorzugtenproduktesäußert. [24] Indie sem Fall wird durch thermodynamische Selektion das dynamische System reorgani siert, um bevorzugt das Substrat mit der stärksten Wechselwirkung zum Templat zu bilden.somitwirdnichtnureinemolekulareerkennungdesbestensubstratesmög lich,sonderauchdieverstärkteanreicherungdessen.dieselektionunddiekoordina 10
DynamischeModifikationvonOligomeren tionderdynamischenkombinatorischenchemiekannaberauchdazugenutztwerden, eintemplatfüreinenrezeptorzugenerieren.nachj.m.lehnwirddiestrategiezur IdentifizierungeinesSubstratesmitHilfederdynamischenkombinatorischenChemie alscasting(gießen) und die komplementäre Identifizierung eines Rezeptors als moulding(formen)bezeichnet. [26,30,33] Auf dieseweisekanndiedynamischekombina torischechemiedurchtemplatgesteuerteselektiondirigiertundkontrolliertwerden. DieseEigenschaftenermöglicheneineVielzahlanbiologischundchemischrelevanten Anwendungsbereichen,indenendurcheingezieltesTemplatDesigndasgewünschte ProduktdurchSelbstorganisationerhaltenwerdenkann. 2.2.3 AnsätzederdynamischenkombinatorischenChemie AufbauendaufdenverschiedenenReaktionstypen,dieinderdynamischenkombinato rischen Chemie Verwendung finden und den Arten diese selektiv zu kontrollieren, wurdenunterschiedlichekonzeptederdccentwickelt.diesebeinhalteneinevielfalt anansätzen,dieeserlauben,andassystemangepasstvorzugehen.dasvorgehenwird durchdenadaptivenansatz,denansatzdesvoreingestellten Gleichgewichts,denwie derholendenunddenpseudodynamischenansatzbestimmt.alledieseansätzehaben die reversible Generierung der dynamischen Bibliothek gemein, unterscheiden sich jedochinihremselektionsschritt. DeradaptiveAnsatzistderamweitestenverbreiteteAnsatzunterdenzuvorgenann ten. Die Generierung der Bestandteile der Bibliothek wird in Gegenwart des Target (Rezeptor)Molekülsdurchgeführt. [34,35] DasführtzueinerverstärktenBildungderam bestengebundenenspezies,sodassdasscreeningimselbenkompartimentstattfin denkann.hierbeiwerdenallecharakteristikaderdynamischenadaptivenbibliothek genutzt. Durch die dynamische Adaption kommt es zu einer verstärkten gerichteten SelektiondesbestenBinders. DerAnsatzdesvoreingestelltenGleichgewichtesbeziehtsichaufReaktionen,dienicht imwässrigenmediumablaufenkönnen. [36,37] DieGenerierungderdynamischenBiblio thekfindetunterreversiblenbedingungenanalogzumadaptivenansatzimgeeigneten Lösungsmittel statt und erst wenn sich das Gleichgewicht eingestellt hat, wird das Screening separat in einem wässrigen Puffersystem durchgeführt. Aufgrund des 11
DynamischeModifikationvonOligomeren Mediumwechsels kann keine adaptive Reorganisation stattfinden, die eine Verschie bungdesgleichgewichteszurfolgehätteundsomitistauchkeineverstärktebildung desbestenbindersmöglich.dieseransatzwirdmeistbeiempfindlichenbiologischen Proben oder bei nicht kompatiblen Reaktionsbedingungen mit dem TargetMolekül verwendet. Auch wenn das Screening traditionell kombinatorisch verläuft, wird die BibliothekimmernochnachdemschnellablaufendendynamischenProzessgeneriert. DerwiederholendeAnsatzbasiertaufeinermehrfachenAnwendungdesAnsatzesmit demvoreingestelltengleichgewicht. [38] DieBibliothekwirdineinemseparatenKom partimentunterdefiniertenbedingungengeneriertunderstimanschlusswirddiein teraktion mit dem TargetMolekül im selben oder in einem anderen Kompartiment herbeigeführt.indiesemfallwirddieungebundenespeziesderkammerentnommen undreorganisiert.nacheinigenwiederholungenstelltsicheineakkumulationdesbes tenbindersein,deranalysiertwerdenkann. Der pseudo dynamische Ansatz macht Gebrauch von zwei Reaktionskammern, die durch eine semipermeable Membran getrennt sind. [39] Die eine Kammer enthält das TargetMolekül,dieandereeinEnzym.DieambestenbindendeSpezieszeigteinege ringere Hydrolyse und macht den besten Binder zum letzten verbleibenden ReaktandeninnerhalbderBibliothek,daderRestderBibliothekvomEnzymzerstört wird. Mit den Erkenntnissen und dem Wissen über die erforderlichen Reaktionsbedingun gen,diebenötigtereversiblereaktion,dieselektivesteuerungdurchdastemplatund die möglichen Ansätze kann eine Vielzahl an dynamischen Systemen entwickelt und angepasstwerden.dasgezieltedesigndynamischersystemeermöglichteineffizientes selfscreeningvongroßenbibliothekenunddasgezielteselektierenvonkomponenten mithohemdurchsatz. 2.2.4 Analysemethoden DieTrennungundderNachweisvonBibliothekenundderenBestandteilenstellendie limitierendenschrittederkonventionellenkombinatorischenchemiedar.eineeffizi ente Analyse ist aufgrund der schieren Größe der Bibliotheken sehr schwierig. Den nochsindfürdieanalyseunddasscreeningvondynamischenbibliothekeneinigeana 12
DynamischeModifikationvonOligomeren lytische Methoden denkbar und anwendbar. Für kleine Bibliotheken können Metho den wie die eindimensionale Kernspinresonanzspektroskopie (NMRSpektroskopie, nuclear magnetic resonance), die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC, highperformance liquid chromatographie), die Hochleistungskapillarelektrophorese (HPCE,highperformancecapillaryelectrophoresis)unddieGaschromatographie(GC) zurquantitativenbestimmungderbibliotheksbestandteileherangezogenwerden.bei Bestandteilen mit einer konkreten Masse kann zum Screening auch die Massen spektrometrie(ms)effektivgenutztwerden.beigroßenbibliothekenistzwardiedif ferenzierungundidentifizierungzunehmenderschwert,dieselektiveverstärkungund Anreicherung des besten Binders innerhalb der dynamischen Bibliothek führt jedoch zueinemanstiegderkonzentrationdessenundhilftsomitdiesespezieszuidentifizie ren.umeineeffizienteanalysedesdynamischenprozesseszugewährleisten,hatsich diekombinationaushplcundmassenspektrometriebewährt.aufdieseweiseistes möglich,durchgezielteprobeentnahmezueinembeliebigenzeitpunktdiezusammen setzungderdynamischenbibliothekaufzulösenundnachzuweisen. 2.3 DynamischeSchwefelchemie Nebenden zuvorinkapitel2.2.1(abb.3)aufgeführtenreversiblenreaktionensindvor allemschwefelverbindungenaufgrundihrerreaktivitätunddervielfaltanmöglichen reversiblenreaktionenvongroßeminteresseundgrundlegendfürdashiervorgestell te Design eines dynamischen Systems. Die dynamische Schwefelchemie stellt eine wichtige Unterkategorie der dynamischen kombinatorischen Chemie dar. Der große Vorteil an Verbindungen, die Schwefelatome beinhalten, ist ihre Kompatibilität und StabilitätgegenüberanderenfunktionellenGruppensowievielenbiologischenSyste men. [40] SeitdenAnfängenderdynamischenkombinatorischenChemieMitteder90er JahrewurdediedynamischeSchwefelchemieimmerbedeutenderfürdieGenerierung dynamischersystemeuntermildenbiologischenbedingungen. [41] DerGrundhierfürist nebendemvorkommendesschwefelsinproteinenundderbeteiligunganwichtigen biochemischenprozessenimmetabolismusdiegroßebandbreiteanreversiblenreak tionen,dieschwefelzurausbildungvondynamischensystemenzurverfügungstellt (Abb. 5). Die Vielfalt der Reaktionen reicht von dem ThiolDisulfidAustausch, der 13
DynamischeModifikationvonOligomeren Disulfidmetathese, dem ThiolThioesterAustausch, dem ThioacetalAustausch bis hin zu dem HemithioacetalAustausch und den konjugierten Additionsreaktionen. [42 44] DieseReaktionenwurdenbiszumheutigen TageerfolgreichanunterschiedlichenSys temengetestetunddeckeneinegroßebandbreiteananwendungenab. [45] Abb. 5: Darstellung der auf Schwefel basierenden, reversiblen Reaktionen, die bis heute untersucht wordensind. 2.3.1 ThiolThioesterAustausch DieAllgegenwärtigkeitdesThiolsinbiologischenSystemenunterstreichtdieWichtig keitundbedeutungdieserspeziesfürdenursprungallenlebens.eswirddavonaus gegangen,dassdieseverbindungsklasseeinewichtigerolleimfrühenmetabolismus alschemischesenergiereservoirgespielthat. [46] EinBeispielfürdensynthetischenNut zen des ThiolThioesterAustausches ist ihre Rolle in dem ersten Schritt der Native ChemicalLigation(NCL). [47] BeiderNCLwirdeinPeptidauseinemkleinerenFragment mit einem Cterminalen Thioester und einem weiteren Fragment mit einem N terminalencysteinrestgeknüpftunddurchdiedarauffolgendesnacylumlagerung dasnatürlichepeptidrückgratgeneriert.dankdesthiolthioesteraustauscheskönnen 14
DynamischeModifikationvonOligomeren aufdieseweiseunterschiedlichepeptidfragmenteeffektivligiertwerden.alseinere aktion,diereversibelinwasserunterbiologischrelevantenphbedingungenablaufen kann,hatderthiolthioesteraustauschaußerdemdasgroßepotenzialunterbeteili gungvonbiooligomereninselbstorganisierendenprozesseneingesetztzuwerden. [48 51] DerThiolThioesterAustauschbeziehtsichaufdieReaktionderUmesterungundweist gute reversible Eigenschaften auf, die es zulassen, schnelle und ausreichend stabile DCLs zu generieren. Im Kontrast zu der StandardUmesterung, die meist unter sehr harschenbedingungenimorganischenmediumabläuft,verlaufendiereaktionendes SchwefelAnalogons unter milden, leicht basischen Bedingungen in wässrigem Medi um. Dieser Reaktionstyp ist auch relativ kompatibel mit vielen üblichen Target Proteinen,daauftretendeNebenreaktionenwesentlichlangsamerverlaufenundsomit diethioesterdclsmiteinfachenmittelnrapidezugrößerenbibliothekenausgeweitet werdenkönnen. [52] SomitistderThiolThioesterAustauschgeradefürbiologischeSys temesehrgutgeeignetundwurdebereitseffizientunderfolgreichinvielendynami schensystemenintegriert. [53] DesWeiterenbietetdiesereineguteAlternativezuder weitverbreiteten dynamischen Disulfidchemie, deren Umsetzung für die OligonukleotidSyntheseanfesterPhasewesentlichumständlicherist.Mechanistisch beschreibtderthiolthioesteraustauscheinebasenkatalysiertereaktioneinesthiol NukleophilsmiteinemThioesterDerivat. [54] VerläuftderreversibleAustauschimwäss rigenmedium,istdiehydrolysedesthioesterseinestörendenebenreaktion,dieun vermeidbaristundeineweiterreaktiondesthioestersverhindert(abb.6).dabeiist dasmaßdesthiolthioesteraustauschesundderhydrolysevonreaktionsbedingun genwietemperatur,phwertunddempk a WertdesThiolsabhängig. [49,54] Beiange passten und gut gewählten Bedingungen kann die ThiolThioesterAustauschrate die der Hydrolyse um mehrere Größenordnungen übertreffen und dadurch kontrolliert minimiertwerden. 15