Öffentliche Daseinsvorsorge durch Privatisierung: Eine mögliche Lösung?

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Transkript:

Öffentliche Daseinsvorsorge durch Privatisierung: Eine mögliche Lösung? 19. Oktober 2010 1

Übersicht 1. Vorbemerkung 2. Daseinsvorsorge 3. Wettbewerb 4. Kommunale Zielstruktur 5. Gesellschafterstrukturveränderungen 6. Fazit 2

1. Vorbemerkung: Zentrale Frage: Wie realisiert die Kommune ihren Daseinsvorsorge-Auftrag vor dem Hintergrund fiskalisch angespannter Haushaltslage? Verschuldung der Kommunen zentrales Problem für Gestaltungsmöglichkeit der Haushaltspolitik Kommunale Verschuldung verursacht weitere hohe Ausgaben (Kreditbeschaffungskosten, Zinsdienst, Opportunitätskosten) Begriff kommunale Verschuldung oft zu eng definiert (langfristige investive Kredite vs. Kassenkredite, ausgelagerte Aufgaben und Organisationseinheiten) 3

EU-Wettbewerbspostulat Z I E L E Originär: Wohlstand der Bürger wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt Konkret: offene Marktwirtschaft Art. 4 Abs. 2 EGV freier Wettbewerb binnenmarktzentriertes binnenmarktgetriebenes finalitätsoffenes Integrationsprojekt Politik Kultur Bürger 4

Binnenmarktlogik Mutation der Daseinsvorsorge E U - R E C H T Marktproduktion öffentlich relevanter Güter und Dienstleistungen im Gewährleistungsstaat Ungültigkeit des Modells vom produzierenden Staates Wettbewerb Wettbewerb = Element der Daseinsvorsorge zur Gewährleistung der Qualität und Quantität Wettbewerb zur Durchsetzung von Effizienz und niedrigen Preisen Abgabe der gesetzlich zugesicherten Monopolstellung Problem: Gefährdung der Ziele in der Außensteuerung Monokausale Verbindung von Effizienz & Wettbewerb interne Effizienz gegeben allokative Effizienz nicht per se gegeben 5

Übersicht 1. Vorbemerkung 2. Daseinsvorsorge 3. Wettbewerb 4. Kommunale Zielstruktur 5. Gesellschafterstrukturveränderungen 6. Fazit 6

Abbildung 1: Die Kommune als lokales Aktionsfeld Öffentliche wirtschaftliche Unternehmen Kooperationen mit anderen Gebietskörperschaften/öffentlichen Bereichen Zweckverbände u.ä. übriger Öffentlicher Bereich Land Bund rechtlich unselbständige (Eigenbetriebe) rechtlich selbständige Eigengesellschaften - Beteiligungsgesellschaften Gemischtwirtschaftliche Unternehmen öffentlich-private Partnerschaften möglich mit Private Unternehmer Kommune Gemeinden/ Gemeindeverbände Privatpersonen Vereine und Verbände Kernverwaltung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Lenk/Rottmann (2009), S. 10. 7

Zentrale Frage: In welcher gesellschaftsstrukturellen Form sollen im Gewährleistungsstaatsmodell Leistungen der Daseinsvorsorge erbracht werden? Entscheidung (kommunaler Eigenbetrieb vs. formelle Privatisierung/Eigengesellschaft) obliegt der Eignerkommune Anwendung der Privatisierung durch unterschiedliche Modellformen Organisatorisch & inhaltlich: Verlagerung der öffentlicher Leistungen/Vermögen in den privaten Sektor 8

Abbildung 2: Typologisierte Darstellung der Privatisierungen Materielle Privatisierung Formelle Privatisierung Durchführungsprivatisierung Finanzierungsprivatisierung Einstellung öffentlicher Tätigkeiten (ÖPP/PPP) Eigengesellschaften Treuhandfinanzierung Veräußerung an Private Beteiligungsgesellschaften Konzessionsmodell Betreibermodell Leasing Fondsfinanzierung Kooperationsmodell Kombinationsmodell Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Eickmeyer/Bissinger (2002), S. 70. 9

Übersicht 1. Vorbemerkung 2. Daseinsvorsorge 3. Wettbewerb 4. Kommunale Zielstruktur 5. Gesellschafterstrukturveränderungen 6. Fazit 10

Gründe für Privatisierungsentscheidungen Effiziensinduziert: Bedeutung der Innovationsdynamik im privatwirtschaftlichen Wirtschaftsbereich Finanzpolitisch: Fiskalischer bzw. polit-ökonomischer Hintergrund Verringerung des (strukturellen) Defizits des öffentlichen Haushalts Erreichen diverser Effizienz- und finanzpolitischer Ziele unter der Maßgabe individueller Absichten. 11

C H A N C E N R I S I K E N Effizienzsteigerung Einnahmengenerierung Wettbewerbsstimulanz Kostensenkung Mglw. allokative Effizienz Interessendivergenzen der Partner Strategische vs. Finanzinvestoren Oligopolstrukturen DSV-Gewährleistung in der Fläche Rückläufiger Steuerungseinfluss der Kommune 12

Vorüberlegungen zu Privatisierungsentscheidungen Zielkongruenz der Partner Sicherung des kommunalen Querverbundes als Außensteuerungselement Sicherung von Arbeitsplätzen Wechselseitiger Know-How-Transfer Minimierung von Transaktionskosten 13

Zielsetzung: Effizienz- oder (Verkaufs-) Erlösaspekte Umfang des kommunalen Einflusses auf die Leistungserstellung (einschl. Einnahmeerzielung) Trend zur flächendeckenden Rekommunalisierung? 14

Übersicht 1. Vorbemerkung 2. Daseinsvorsorge 3. Wettbewerb 4. Kommunale Zielstruktur 5. Gesellschafterstrukturveränderungen 6. Fazit 15

Fazit: Gewährleistungsstaatsmodell: Kommune entscheidet, in welcher Form Daseinsvorsorgeleistungen erbracht werden kritische Einzelfallprüfung Praxis: zumeist fiskalischer Hintergrund Daseinsvorsorge und Wettbewerb für kommunale Unternehmen oftmals kein Widerspruch Privatisierung derzeit wenig populär 16

FiWiund Public Management Öffentliche Daseinsvorsorge durch Privatisierung: Eine mögliche Lösung? Institut für Öffentliche Finanzen und Public Management Kompetenzzentrum für Öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge Städtisches Kaufhaus Universitätsstraße 16 04109 www.uni-leipzig.de/wifa/finanzen fiwi@wifa.uni-leipzig.de 17