Modellvorhaben zur Versorgung psychisch kranker Menschen 64 b SGB V Dipl.Psych. Roman Ernst 19.09.2012 1 2012 MDK Hessen
Gliederung Vorgeschichte Thematische Sortierung der Vorgaben und Begründungen des Gesetzgebers Modell - Beispiel 2 2012 MDK Hessen
Vorgeschichte (1) Der Ordnungspolitische Rahmen des neuen Psych-Entgeltsystem hat drei Komponenten 1. Transparenz der Leistungen durch differenzierten, monetär bewerteten Leistungskatalog (bisher: tagesgleiche Pflegesätze für voll- und teilstationär) 2. Landesbezogene Preis-Gerechtigkeit (bisher: unterschiedliche, kliniksbezogene Pflegesätze für prinzipiell ähnliche Leistungen) (1) und (2) beziehen sich nur auf die stationäre Behandlung, sind als Preis-Mengensystem dargestellt mit entsprechenden Fehlanreizen (Erlöse maximieren durch Mengensteigerung und Bevorzugung teurer Leistungen) 3. Verbesserung des Versorgungssystems durch Erprobung von Modellen, die auch eine Änderung des Anreizsystems beinhalten (Leistungssektoren übergreifende Budgets unter Einbezug ambulanter Leistungen) (3) bedeutet auch, dass im Eigeninteresse der Leistungserbringer Ressourcen ökonomisch sinnvoll eingesetzt werden
Vorgeschichte (2) Resultate von Fehlanreizen 45% Anteil Tagesklinik Hessen 2008 Erwachsenenpsychiatrie 31 Kliniken und Abteilungen 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0%
Vorgeschichte (3) Resultate von Fehlanreizen 110.000 Kosten pro vereinbartem belegtem Bett/Platz Hessen 2007 Kliniken und Abteilungen mit Pflichtversorgung Erwachsenenpsychiatrie 100.000 90.000 80.000 70.000 60.000 50.000
Vorgeschichte (4) Aktivitäten der Gesundheitspolitik Konzept der Arbeitsgemeinschaft der Obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) zur Weiterentwicklung der Krankenhausversorgung vom 16. November 2007 verabschiedet von der GMK im Dezember 2007 Grundsätze: 8. Bei der Weiterentwicklung des Entgeltsystems soll im bisher nach der Bundespflegesatzverordnung vergüteten Bereich Psychiatrie die Vergütung auf der Grundlage des durch die Psychiatrie- Personalverordnung vorgegebenen Leistungsspektrums tagesbezogen pauschaliert erfolgen. Dabei soll die Möglichkeit einer sektorenübergreifenden Versorgung berücksichtigt werden.
Vorgeschichte (5) Aktivitäten der Gesundheitspolitik Stellungnahme Bundesrat PsychEntG 2.3.2012 Nach Auffassung des Bundesrates muss insbesondere der bisher bestehende finanzielle Fehlanreiz zu vorrangiger stationärer Unterbringung beseitigt und durch ein sektorübergreifendes, patientenzentriertes und schwerpunktmäßig ambulantes Versorgungsangebot ersetzt werden. Der Bundesrat bewertet es daher positiv, dass der Gesetzentwurf mit einem neuen 64b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch die Forderung der Länder nach verbesserten Möglichkeiten einer sektorübergreifenden Versorgung in Form konkreter Vorgaben zur Durchführung von sektorübergreifenden Modellprojekten berücksichtigt. Er hält die Berücksichtigung der Ergebnisse solcher Modellprojekte für die weitere Entwicklung des Entgeltsystems für unabdingbar.
Vorgeschichte (6) Aktivitäten der Gesundheitspolitik ackpa, APK, vdek, AOK-BV 24.05.2011 Eckpunktepapier Um den wachsenden Behandlungsbedarf bei psychischen Erkrankungen nicht primär durch zusätzliche Krankenhausbetten erfüllen zu müssen, sind neue stationsergänzende Versorgungsformen notwendig (z.b. Home-Treatment, Assertive Community Treatment). Verbindliche Qualitätsindikatoren gewährleisten dabei, dass die psychiatrische Versorgung bedarfsgerecht sichergestellt wird. Die große Herausforderung besteht darin, die Versorgung psychisch kranker Menschen unter Beachtung der gewonnenen Erkenntnisse aus den IV-Verträgen und Modellprojekten sektorenübergreifend, bedarfsgerecht und qualitativ hochwertig weiterzuentwickeln. Nur so kann eine optimale Versorgung sichergestellt werden.
Bisheriger Rahmen für Modellverträge Integrierte Versorgung 140 a-d SGB V - Leistungssektoren übergreifende Versorgung - häufig selektiv / - Einschreibung erforderlich Modellvorhaben nach 24 BPflV - zur Entwicklung pauschalierter Vergütungen - nur im Einvernehmen mit der Selbstverwaltung auf Bundesebene Modellvorhaben nach 63 65 SGB V - Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch Weiterentwicklung der Vergütungsformen der Leistungserbringung - Bedingungen der Ausgestaltung sind in Satzung der KK festzulegen
Beispiele bisheriger Modelle für anderes Anreizsystem IV-Verträge - Südwürttemberg. Zentren für Psych. / DAK / BarmerGEK Budget stationär + PIA / Kopfpauschalen - Klinikum Hanau / AOK-Hessen / TK Budget stationär + PIA / tagesbezogene Pauschalen PsychPV-Bereiche - UKE Hamburg / DAK / IKK / AOK / HEK 24 BPflV - RPB Itzehoe (Deister) Budget stationär + PIA / tagesgleiche PS bzw. PIA-Pauschale - RPB Geesthacht (Heißler) Budget stationär + PIA / Keine Verträge nach 63-65 bekannt
64b Ziele Verbesserung der Patientenversorgung Verbesserung der sektorenübergreifenden Leistungserbringung Komplexe psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld ermöglichen Unterschiedliche Konzepte zur Verbesserung der sektorübergreifenden Versorgung ermöglichen und fördern weil bei der Behandlung psychischer Erkrankungen oft eine lange Betreuungsdauer erforderlich ist wiederholte Kontakte notwendig sind viele Akteure einzubeziehen sind
64b Anzahl Modellvorhaben In jedem Bundesland mindestens ein Modellvorhaben Ein Modellvorhaben kann sich auf mehrere Länder erstrecken Kinder- und Jugendpsychiatrie soll besonders berücksichtigt werden
64b Bedingung zur Durchführung von Modellvorhaben Eine z.b. im Planbettenbescheid erteilte regionale Versorgungsverpflichtung muss bestehen bleiben ( 64b Abs. 1) Wenn alle an der Pflegesatzvereinbarung beteiligte Krankenkassen gemeinsam ein Modellvorhaben vereinbaren, dann sind die vereinbarten Entgelte für alle Patienten einheitlich zu berechnen. ( 64 Abs. 3)
64b Datenerhebung und Datenweitergabe Eigentlich sind Modellvorhaben nach 63-65 von bestimmten Verpflichtungen zur Datenerhebung befreit Bei 64b aber Vorschriften, von denen nicht abgewichen werden darf 295 SGB V (Abrechnungsdaten vertragsärztl. Leistungen) 300 SGB V (Abrechnungsdaten Arzneimittel) 301 SGB V (Abrechnungsdaten der Krankenhäuser) 302 SGB V (Abrechnungsdaten sonstiger Leistungserbringer) 17d Abs. 9 KHG bzw. 21 KHEntgG Abrechnungsdaten DRG je Fall
64b Verpflichtungen der Krankenkassen Eigentlich sind Ziele, Dauer, Art und allgemeine Vorgaben zur Ausgestaltung von Modellvorhaben sowie die Bedingungen für die Teilnahme von Versicherten in der Satzung festzulegen ( 63 Abs.5). Dies gilt nicht für Modellvorhaben nach 64b. Krankenkassen und ihre Verbände können sowohl gemeinsam als auch individuell Modellvorhaben vereinbaren ( 64 Abs. 1) Die Modelle können mit allen in der GKV zugelassenen Leistungserbringern vereinbart werden Auch der Einbezug der vertragsärztlichen Versorgung und PIA ist möglich PKV kann sich ebenfalls beteiligen ( 64b Abs. 4)
64b Budgetausgliederung von Modellprojekten Daran sind IV-Verträge häufiger gescheitert Ist notwendig, wenn nicht alle Kostenträger an dem Modellprojekt beteiligt sind Orientiert sich an der Zahl und Risikostruktur der am Modellprojekt teilnehmenden Versicherten sowie den vereinbarten Inhalten des Modells ( 64 Abs. 3) In der Neufassung des 64 Abs. 3 ist auch die Ausgliederung von nicht auf die einzelne Leistung bezogenen kollektiven Finanzierungsverpflichtungen geregelt. Diese sind in Höhe der ausgegliederten Belegungsanteile dem Modellprojekt zuzuordnen (z.b. periodenfremde Erlösausgleiche; Ausbildungsbudget) Im Streitfall kann die Schiedsstelle angerufen werden
64b Dauer von Modellvorhaben Längstens 8 Jahre Verlängerung kann bei der Aufsichtsbehörde beantragt werden, wenn ein Bericht über die Auswirkungen des Modellvorhabens ( 65) vorliegt
64b Datenlieferung an das InEK (Abs. 3) Ergebnisse der Modellprojekte sollen für die Weiterentwicklung des Entgeltsystems nutzbar gemacht werden Leistungs- und Kostenseite in den Modellvorhaben sollen transparent werden deshalb zusätzliche Daten an das InEK Daten nach 21 SGB V Informationen zu - Art und Anzahl der Patienten - Spezifische Leistungsinhalte - Zugrunde gelegte Kosten der vereinbarten Vergütungen - Strukturelle Merkmale des Modellvorhabens Selbstverwaltung auf Bundesebene soll dazu bis 31.12.12 eine Vereinbarung getroffen haben
64b Auswertung von Modellvorhaben In einem wissenschaftlichen Bericht unabhängiger Sachverständiger sollen Ergebnisse der Modellvorhaben evaluiert werden ( 65) Wurden die gesetzten Ziele, z.b. Verbesserung der Patientenversorgung, erreicht? Dann ist ggfs. eine Verlängerung der Dauer über 8 Jahre hinaus möglich Aufwand und Nutzen der Berichterstellung soll in einem vernünftigen Verhältnis stehen Der Bericht soll veröffentlicht werden
64b Relevanz von Modellvorhaben In 17d Abs. 4 KHG ist jetzt ein Bericht der Selbstverwaltung auf Bundesebene an das BMG und den Bundestag vorgesehen. Dieser soll auch die Anzahl und erste Erkenntnisse zu Modellvorhaben beinhalten. Stellungnahmen der Psych-Fachverbände sollen einbezogen werden. Der Bericht soll bis zum 30. Juni 2016 vorgelegt werden (also vor der Scharfstellung des Vergütungssystems und dem Beginn der Konvergenz zum 01.01.2017.
Beispiel OVP Hanau (Optimierte Versorgung Psychiatrie) Psychiatrische Abteilung an Allgemeinkrankenhaus 120 Betten/Plätze (100+20) 96% Auslastung 1.700 Fälle VD 20 Tage 1.150 Personen VD 30 Tage 5 Stationen 4 vs, je 25 Betten, 1 tk 20 Plätze IV-Vertrag Basis: neues Vergütungssystems nach 17d KHG AOK Hessen / TK / Klinikum Hanau / unter Mitwirkung des MDK Hessen Anteil 50% der Patienten (potentiell im Vertrag) Seit zweite Jahreshälfte 2011
Beispiel OVP Hanau - Konzept Zusammenfassung der vollstationären, teilstationären und ambulanten Budgets bzw. Erlöse Klinik kann über Art und Inhalt der Leistungserbringung selbst entscheiden Klassifikation der stationären Leistungen: ausgewählte Behandlungsbereiche der PsychPV Klassifikation der ambulanten Leistungen: orientiert an (teil-) stationären Behandlungsbereichen der PsychPV Kalkulation der Entgelte / Behandlungsbereiche auf der Basis transformierter Minutenwerte (tagesbezogen)
Beispiel OVP Hanau: Effekte Klinik konzentriert sich auf Vermeidung stationärer Behandlung mit intensivierter ambulanter Behandlung Um die personellen Ressourcen für diesen Konzeptwechsel darstellen zu können, wurde mittlerweile eine vollstationäre Station (also ein Viertel der vollstationären Kapazitäten) geschlossen Das ist ausgesprochen bemerkenswert in Zeiten, in denen sonst zusätzliche stationäre Kapazitäten gefordert und umgesetzt werden Dafür gibt es dann unter Umständen auch mal einen Preis
64b Ausblick Leistungssektoren übergreifende Versorgungs- und Vergütungsmodelle sind sinnvoll, weil sich perspektivisch eine win-win-win Situation der Beteiligten ergeben kann - Die Versicherten bzw. Patienten profitieren unmittelbar von einer besseren Versorgung in ihrem Lebensumfeld - Für Kliniken ergeben sich auch ökonomische Anreize bei der Umsetzung neuer Gestaltungsmöglichkeiten - Für Krankenkassen wird die Ausgabenseite kalkulierbarer Fraglich ist, wie die Krankenkassen in der näheren Zukunft hier mit dem Thema selektiver versus kollektiver Verträge umgehen Kliniken werden dauerhaft vermutlich kein Interesse daran haben, grundlegende Strukturen in der Leistungserbringung nur selektiv zu modifizieren
Vielen Dank! 26 2012 MDK Hessen
Modellvorhaben zur Versorgung psychisch kranker Menschen - 64b SGB V Die Einführung des beuen Vergütungssystems für Psychiatrische, Psychosomatische und Kinderpsychiatrische Kliniken in Deutschland Jahrestagung des Kompetenz-Centrums für Psychiatrie und Psychotherapie der MDK-Gemeinschaft und des GKV-Spitzenverbandes Rostock-Warnemünde, 19. September 2012 Kontakt: Dipl.Psych. Roman Ernst MDK Hessen Team Psychiatrie Consulting Telefon: 0171-6579569 E-Mail: roman.ernst@t-online.de 27 2012 MDK Hessen