Klassifizierung von Änderungen hinsichtlich ihrer Sicherheitsrelevanz

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Transkript:

Klassifizierung von Änderungen hinsichtlich ihrer Sicherheitsrelevanz H. P. Berg Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), Willy-Brandt-Str. 5, 38226 Salzgitter Kontakt: hberg@bfs.de Safety in Transportation 4 Security und Safety IfEV, TU Braunschweig, 29. 30. November 2010 1

Struktur des Vortrags Einleitung Grundsätzliche Anforderungen bei Änderungen in Kernkraftwerken Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren Beispiel für die Kategorisierung von Änderungen einschließlich eines Verfahrensablauf Beispiele von Änderungen Beispiele für die Einbeziehung probabilistischer Analysen Schlussbemerkungen 2

Einleitung (1) Jedes Kernkraftwerk in Deutschland benötigt eine Betriebsgenehmigung. In der Betriebsgenehmigung ist bestimmt, dass sämtliche Änderungen der Anlage und des Betriebs der zuständigen Behörde anzuzeigen und von ihr auf ihre sicherheitstechnische Relevanz zu untersuchen sind. Die Änderungen werden in Abhängigkeit der möglichen Auswirkungen auf das Sicherheitsniveau der Anlage kategorisiert und sicherheitstechnisch bewertet. Die zuständige Behörde ist die Aufsichtsbehörde des Bundeslandes, in dem das Kernkraftwerk betrieben wird. Es gibt keine bundeseinheitliche Festlegung zur Kategorisierung von Änderungen. Daher werden die Änderungen von den Landesbehörden kategorisiert. 3

Einleitung (2) Die Vorgehensweise bei der Kategorisierung und der entsprechende Verfahrensablauf werden im Folgenden am Beispiel von Baden-Württemberg konkreter beschrieben. Das zuständige Ministerium hat dazu ein landeseinheitliches Änderungsverfahren implementiert. Darüber hinaus bezieht diese Behörde die Ergebnisse probabilistischer Analysen in die Bewertung der beantragten Änderung ein. Anlass für diesen Vortrag war der Anhang der Verordnung Nr. 352/2009 der Kommission vom 24. April 2009 über die Festlegung einer gemeinsamen Sicherheitsmethode für die Evaluierung und Bewertung von Risiken gemäß der Richtlinie 2004/49/EG vom 24. April 2009 über Eisenbahnsicherheit, in dem das Risikomanagementverfahren und die unabhängige Bewertung beschrieben sind und in dem im Fall einer signifikanten Änderung ggf. eine explizite Risikoabschätzung durchzuführen ist. Dabei ist in der Verordnung nicht eindeutig definiert, was eine signifikante Änderung ist. 4

Unabhängige Bewertung Gefährdungsmanagement Einleitung (3) 5

Rechtliche Grundlagen Atomgesetz (AtG) vom 31. Juli 2011 (1) 7 Genehmigung von Anlagen Wer eine ortsfeste Anlage zur Erzeugung oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe errichtet, betreibt oder sonst innehat oder die Anlage oder ihren Betrieb wesentlich verändert, bedarf der Genehmigung. Für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität und von Anlagen zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe werden keine Genehmigungen erteilt. Dies gilt nicht für wesentliche Veränderungen von Anlagen oder ihres Betriebs. 6

Rechtliche Grundlagen Atomgesetz (AtG) vom 31. Juli 2011 (2) 19 Staatliche Aufsicht Die Aufsichtsbehörden haben insbesondere darüber zu wachen, dass nicht gegen die Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen, die hierauf beruhenden Anordnungen und Verfügungen der Aufsichtsbehörden und die Bestimmungen des Bescheides über die Genehmigung oder allgemeine Zulassung verstoßen wird und dass nachträgliche Auflagen eingehalten werden. 7

Ergänzende Richtlinie bzgl. Änderungsarbeiten in Kernkraftwerken Richtlinie für das Verfahren zur Vorbereitung und Durchführung von Instandhaltungs- und Änderungsarbeiten in Kernkraftwerken vom 1. Juni 1978 (GMBl. 1978, Nr. 22, S. 342) Als Beitrag zur Gewährleistung des sicheren Betriebes von Kernkraftwerken und zur Förderung der Arbeitssicherheit unter Berücksichtigung der Anlagensicherheit sind in dieser Richtlinie die bei der Vorbereitung und Durchführung von Instandhaltungs- und Änderungsarbeiten in Kernkraftwerken erforderliche Verfahrensschritte, organisatorischen Maßnahmen und Kontrollen, zu beachtenden fachlichen Gesichtspunkte und vorzunehmenden Festlegungen zusammengestellt. 8

Beteiligte am atomrechtlichen Genehmigungsverfahren Beratungsgremien RSK und SSK Sachverständige des Bundes (z. B. GRS) Öffentlichkeit Sachverständige und Sachverständigenorganisationen (z.b. TÜV) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) Genehmigungsbehörde oberste Landesbehörde Antragsteller weitere Bundesbehörden Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) weitere Landesund nachgeordnete Behörden Sachverständige für den nicht-nuklearen Teil 9

Genehmigung und Aufsicht von kerntechnischen Anlagen Zuständigkeiten Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) Aufsicht des Bundes über die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Handelns der Länder, im Einzelfall bundesaufsichtliche Weisung Zusammenarbeit von Bund und Ländern mit den Zielen, Regelwerke weiter zu entwickeln und einheitlich anzuwenden und bundeseinheitlich eine gleichwertige Vorsorge zu erreichen Länderausschuss für Atomkernenergie Landesministerium zuständig für Genehmigung und Aufsicht von Kernanlagen Nachgeordnete Landesbehörden 10

Genehmigung kerntechnischer Einrichtungen Jedes Kernkraftwerk in Deutschland benötigt eine Betriebsgenehmigung. Diese Genehmigungen enthalten üblicherweise eine Vielzahl von oft sehr spezifischen und detaillierten Auflagen, die zur Unterstützung des Aufsichtsprozesses gedacht sind. Eine Hauptaufgabe der Aufsicht ist die Prüfung, ob diese Genehmigungsauflagen eingehalten werden. 11

Änderungen der Anlage und der Betriebsführung In der Betriebsgenehmigung ist bestimmt, dass sämtliche Änderungen der Anlage und des Betriebs der zuständigen Behörde anzuzeigen und von ihm auf ihre sicherheitstechnische Relevanz zu untersuchen sind. Dies betrifft sowohl die technischen Einrichtungen als auch die Organisation, wie z. B. die Organisationsstruktur, Grenzwerte für den Betrieb und Betriebs- und Notfallschutzanweisungen. 12

Entwurf der Revision des kerntechnischen Regelwerks Stand April 2009 (1) Alle sicherheitstechnisch wichtigen Einrichtungen sind hinsichtlich ihrer sicherheitstechnischen Bedeutung klassifiziert. Die in den spezifizierten Klassen geltenden Kriterien für Qualität und Zuverlässigkeit sind definiert und enthalten insbesondere Angaben über die einzuhaltenden Vorgaben im Hinblick auf Auslegung, Fertigung, Umgebungs- und Wirksamkeitsbedingungen, Notstromversorgung und die dauerhafte Aufrechterhaltung der Qualität. Von höchster sicherheitstechnischer Bedeutung und entsprechend klassifiziert sind: a) Einrichtungen, deren Versagen zu nicht beherrschbaren Ereignisabläufen führt und b) Einrichtungen, die zur wirksamen und zuverlässigen Störfallbeherrschung erforderlich sind, einschließlich der hierfür notwendigen Hilfs- und Versorgungssysteme. 13

Entwurf der Revision des kerntechnischen Regelwerks Stand April 2009 (2) Von abgestufter sicherheitstechnischer Bedeutung und entsprechend klassifiziert sind: c) Einrichtungen, die zur wirksamen und zuverlässigen Störfallvermeidung erforderlich sind, einschließlich der hierfür notwendigen Hilfs- und Versorgungssysteme. d) Einrichtungen zur Einhaltung und Überwachung festgelegter radiologischer Werte, insbesondere durch Aufrechterhaltung der erforderlichen Wirksamkeit von Barrieren und Rückhaltefunktionen. e) Einrichtungen zur Durchführung von Aufgaben mit sicherheitstechnischer Bedeutung, die nicht den vorgenannten Klassen zugeordnet sind. 14

Beispiel Baden-Württemberg (1) In einem Kapitel Änderung von Anlage oder Betrieb des Aufsichtshandbuchs sind Anforderungen zum landeseinheitlichen Änderungsverfahren (LEÄV) dargestellt. Das LEÄV beschreibt die Einstufung von Anlagenänderungen in die Kategorie A bis C und wie ein Verfahren zur Anlagenänderung, je nach Einstufung, durchzuführen ist. Kategorie A erfasst die wesentlichen Änderungen mit den meisten Anforderungen und folgt den Vorschriften nach 7 AtG, d.h. es ist eine Änderungsgenehmigung erforderlich. 15

Beispiel Baden-Württemberg (2) Das Änderungsverfahren der Kategorie B ist ein Verfahren, bei dem geplante Änderungen durch den Betreiber von der Behörde nach 19 AtG überwacht werden. Dieses Aufsichtsverfahren umfasst Kontrollen und Prüfungen nach Bedarf, sowohl während als auch nach der Umsetzung der Änderung. Mit der Umsetzung der Änderung kann erst begonnen werden, nachdem die Aufsichtsbehörde erklärt hat, dass die beantragte Änderung ihrer Auffassung nach unbedenklich und/oder nicht genehmigungsbedürftig und somit akzeptiert ist, d.h. für Änderungen der Kategorie B ist eine aufsichtliche Billigung (Zustimmung) erforderlich. 16

Beispiel Baden-Württemberg (3) Das Verfahren für Kategorie C wird gleichbehandelt wie für Kategorie B, d.h. nach 19 AtG. Änderungen der Kategorie C werden von den beauftragten Sachverständigen nach 20 AtG geprüft. Die Umsetzung der beantragten Änderung kann erst beginnen, nachdem der zuständige Sachverständige seinen Bericht an die Aufsichtsbehörde fertig gestellt hat und die Behörde innerhalb der relevanten Fristen keine Einwände erhebt. Ursprünglich gab es noch eine Kategorie D; diese Kategorie umfasste Änderungen, die offensichtlich keine Auswirkungen auf das Sicherheitsniveau der Anlage haben können und die keine nukleare sicherheitstechnische Bedeutung haben. Daher kann der Betreiber des Kernkraftwerks diese Änderung ohne Genehmigung, Zustimmung oder Anzeige bei der Aufsichtsbehörde durchführen Das Erfordernis anderer behördlicher Beteiligungen und Genehmigungen ist davon unberührt. 17

Beispiel Baden-Württemberg (4) Die verwendeten Kategorien basieren wie in allen anderen Bundesländern auch - auf deterministischen Kriterien. Eine Besonderheit des LEÄV in Baden-Württemberg ist die Einbeziehung auch von probabilistischen Bewertungen (vergleichbar mit der expliziten Risikoabschätzung im Anhang der Verordnung Nr. 352/2009 der Kommission vom 24. April 2009 zur Eisenbahnsicherheit, aber nur in Ergänzung!). Im Falle von Änderungen der Kategorie A und B soll eine probabilistische Bewertung durchgeführt werden, die den Einfluss der Änderung auf die probabilistische Sicherheitsanalyse (PSA) der letzten Sicherheitsüberprüfung nach 19a AtG zeigt. Es muss erklärt werden, warum die geplante Änderung keine Auswirkung auf die PSA hat. Eine ähnliche Anforderung bezüglich Kategorie C besteht nicht. 18

Beispiele für Änderungen Kategorie A Antrag auf Änderungsgenehmigung gemäß 7 AtG zur Weiterentwicklung der Aufbauorganisation an verschiedenen KKW-Standorten Kategorie B Rückbau der Wandhydranten in einem Gebäude Im Rahmen dieser geplanten Änderung werden Wandhydranten außer Betrieb genommen und rückgebaut und tragbare Feuerlöscher installiert - Änderung technischer Einrichtungen und Unterlagenänderung. Überwachung der Außenluft- und Zuluftanlagen auf Raucheintrag in den Gebäuden 19

Beispiele für Änderungen Kategorie C Austausch einer Sonde incl. Auswertegerät Im Rahmen dieser geplanten Änderung wird eine Füllstandssonde samt Auswertegerät erneuert, das es für das vorhandene Gerät keine Ersatzteile mehr gibt - Ersatz einer technischen Einrichtung und Unterlagenänderung. Anbindung Wirbelschichttrockner vor der Rauchgaswaschstrecke Im Rahmen dieser geplanten Änderung wird eine zusätzliche Verbindungsleitung installiert - zusätzliche technische Einrichtung mit nur unerheblichen Auswirkungen auf das Sicherheitsniveau und Unterlagenänderung. 20

Beispiele für Änderungen Kategorie D (in der aktuellen Version des LEÄV, die zum 01.01.2012 in Kraft gesetzt wird, nicht mehr vorhanden, da sie ohnehin nur Änderungen betraf, die der Betreiber ohne Einbeziehung der Behörde durchführen durfte) Entwicklung von Betriebsführungssystemgestützten TouchScreens zur selbständigen Arbeitsscheinzubuchung für den Arbeitsschein der nächsten Begehung beim Zutritt zum Kontrollbereich 21

Rechtliche Grundlagen zur Verwendung der PSA bei Änderungen Verpflichtung der Behörden, Ergebnisse einer PSA in der Aufsicht zu berücksichtigen (üblich auf internationaler Ebene) Darüber hinaus aber aktuell keine klare gesetzliche Handhabe in Deutschland, bei Verfahren in Genehmigung ( 7 AtG) und Aufsicht ( 19 AtG) probabilistische Methoden einzufordern Im Entwurf des neues Regelwerk (Revision D vom April 2009) heißt es: In Ergänzung der deterministischen Nachweisführungen werden probabilistische Sicherheitsanalysen (PSA) angewendet, um die sicherheitstechnische Relevanz von Änderungen an Maßnahmen, Einrichtungen oder der Betriebsweise der Anlage sowie von neuen Erkenntnissen, bei denen ein nennenswerter Einfluss auf die Ergebnisse der PSA nicht offensichtlich auszuschließen ist, zu bewerten. 22

Beispiele zur Nutzung der PSA für die Entscheidungsfindung (1) 1. Der Betreiber hatte eine vorzeitige Freischaltung von 2 Monaten in einer Redundanz eines zweisträngigen Sicherheitssystems während des Leistungsbetriebs beantragt. Die erste Redundanz konnte erfolgreich innerhalb der Revision umgebaut werden. Aufgrund Platzmangels hätte der Umbau bei der zweiten Redundanz zu einer wesentlich längeren Revisionsdauer geführt. Mit Hilfe von probabilistischen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass die Erhöhung des Sicherheitsniveaus der Anlage aufgrund der bereits durchgeführten Verbesserungen in der ersten Redundanz signifikant größer war als die Verschlechterung im Sicherheitsniveau durch die zweimonatige Freischaltung der zweiten Redundanz. 23

Beispiele zur Nutzung der PSA für die Entscheidungsfindung (2) 2. Wegen einer Leckage an einer Zwischenkühlpumpe im Nachkühlsystem hatte der Betreiber einen vorsorglichen Austausch der Pumpe beantragt, obwohl sie ihre Funktion noch erfüllen konnte. Der Austausch führte zu einer dreitägigen Freischaltung eines Zwischenkühlwasserstranges. Der Gutachter hatte den Auftrag, dies sicherheitstechnisch zu überprüfen. Dafür musste der Gutachter zwei verschiedene Szenarien erstellen: a) sofortige Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme für die Zwischenkühlwasserpumpe mit einer definierten beantragten Freischaltung von drei Tagen, b) keine Durchführung der Instandsetzungsmaßnahme für die Zwischenkühlwasserpumpe mit einer daraus resultierenden, nicht auszuschließenden erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeit bis hin zu einem Totalausfall. 24

Beispiele zur Nutzung der PSA für die Entscheidungsfindung (2) Der Gutachter konnte feststellen, dass Szenario a) praktisch keinen Unterschied zu Szenario b) aufwies, falls man für die Ausfallrate der Zwischenkühlwasserpumpe eine Erhöhung der Ausfallrate um einen Faktor von etwa 10 unterstellt. 25

Beispiele zur Nutzung der PSA für die Entscheidungsfindung (3) 3. Eine probabilistische Untersuchung wurde wegen einer geplanten temporären Freischaltung der Nachkühlketten (insgesamt über einen Zeitraum von 56 Tagen) sowie der zugehörigen Notstrom- bzw. Notspeisediesel durchgeführt. Bei der Untersuchung wurden drei verschiedene Strategien a) Freischaltung direkt vor der Revision, b) Freischaltung direkt nach der Revision und c) Freischaltung in der Mitte eines Jahres untersucht. 26

Beispiele zur Nutzung der PSA für die Entscheidungsfindung (3) Durch Integration über die Zeit wurde die entsprechende mittlere Nichtverfügbarkeit der jeweiligen Systemkonfigurationen ermittelt und mit ungestörtem Leistungsbetrieb ohne Freischaltung verglichen. Als Ergebnis konnte festgestellt werden, dass die verschiedenen Strategien zu keinem signifikanten sicherheitstechnischen Unterschied in Vergleich zum ungestörten Leistungsbetrieb ohne Freischaltung führen würden. 27

Schlussbemerkungen (1) Im Atomgesetz und in Richtlinien ist das grundsätzliche Vorgehen hinsichtlich Genehmigungen von Änderungen in Kernkraftwerken (technischen und ggf. organisatorischen) vorgegeben. Eine bundeseinheitliche Festlegung zur Kategorisierung von Änderungen gibt es derzeit noch nicht. Daher haben die für die Aufsicht zuständigen Landesbehörden Änderungen kategorisiert (üblicherweise drei Kategorien, aber nicht in identischer Weise) und teilweise einen detaillierten Verfahrensablauf zur Prüfung der vorgelegten Änderungsanträge entwickelt. Die verwendeten Kategorien basieren grundsätzlich auf deterministischen Kriterien. 28

Schlussbemerkungen (2) Die verwendeten Kategorien basieren grundsätzlich auf deterministischen Kriterien. Im Fall von sicherheitstechnisch relevanten Änderungen (üblicherweise die beiden höchsten Kategorien) fordert die zuständige Landesbehörde in Baden- Württemberg, dass zusätzlich auch eine probabilistische Bewertung der Auswirkungen der geplanten Änderung durchgeführt wird. Im Vergleich zum Anhang der Verordnung Nr. 352/2009 der Kommission vom 24. April 2009 zur Eisenbahnsicherheit bedeutet dies, dass im kerntechnischen Bereich eine deterministische und ergänzend eine probabilistische Betrachtung durchzuführen ist und nicht ausschließlich eine deterministische oder eine Risikoanalyse. 29

Schlussbemerkungen (3) 30

Schlussbemerkungen (4) Die Kernkraftwerke haben in ihren Betriebhandbüchern Verfahrensregelungen zur Behandlung von Änderungen an der Anlage und ihrer Betriebweise festgelegt, die den Richtlinien und den von der zuständigen Genehmigungsund Aufsichtsbehörden aufgestellten Randbedingungen genügen. Die Kernkraftwerke in Baden-Württemberg z. B. haben in ihren Betriebhandbüchern eine Änderungsordnung aufgenommen, die der Sicherstellung des im landeseinheitlichen Änderungsverfahren beschriebenen Verfahrens bei Veränderungen der Anlage oder ihres Betriebes dient. Diese Änderungsordnung enthält auch genaue Angaben zur externen Abwicklung von Änderungen, d.h. welche Unterlagen sind für eine Änderungsanzeige in Abhängigkeit von der Kategorie vorzulegen. Dazu gehört auch eine Einstufung der Änderung aus Sicht des Betreibers anhand der Kriterien der Aufsichtsbehörde. 31