Stellungnahme des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft ID-Nummer 6437280268-55 zum Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Wilhelmstraße 43 / 43 G, 10117 Berlin Postfach 08 02 64, 10002 Berlin Tel.: +49 30 2020-5450/-5451 Fax: +49 30 2020-6450/-6451 51, rue Montoyer B - 1000 Brüssel Tel.: +32 2 28247-30 Fax: +32 2 28247-39 Ansprechpartner: F. Chiachiarella / Dr. M. Lohmann BWIT E-Mail: f.chiachiarella@gdv.de m.lohmann@gdv.de www.gdv.de
1. Einleitung Die deutsche Versicherungswirtschaft begrüßt die vorliegende Gesetzesinitiative zur Verbesserung des Verbraucherschutzes in den Bereichen Inkassowesen, Telefonwerbung und Abmahnwesen ausdrücklich. Die Praktiken und Methoden unseriöser Unternehmen in diesen Bereichen schädigen nicht nur die betroffenen Verbraucher in eklatanter Weise, sondern erschüttern auch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Tätigkeit seriös arbeitender Inkassounternehmen und Rechtsanwälte bei der Beitreibung berechtigter Forderungen. Auch die deutschen Versicherungsunternehmen sind als Auftraggeber bzw. Gläubiger bei der Geltendmachung ihrer bestehenden Forderungen auf die Dienstleistungen seriös arbeitender Inkassounternehmen und Rechtsanwälte angewiesen. Viele Versicherer haben die mit dem Forderungsmanagement von Prämienforderungen zusammenhängenden Prozesse in die Hände vertrauenswürdiger Inkassopartner gelegt. Die in den neu vorgeschlagenen 11 a Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG-E) bzw. 43 d Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO-E) enthaltenen Darlegungs- und Informationspflichten gefährden jedoch die Zusammenarbeit der Versicherungswirtschaft mit Inkassodienstleistern in erheblichem Maße. Den geforderten Darlegungspflichten könnten die Versicherungsunternehmen als Auftraggeber von Inkassodienstleistungen derzeit aus rechtlichen wie tatsächlichen Gründen nicht entsprechen. 2. Einzelne Anmerkungen Die nachstehenden Anmerkungen der Versicherungswirtschaft beschränken sich auf die in 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 Nr. 2 RDG-E (bzw. inhaltsgleich in 43 d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 Nr. 2 BRAO-E) vorgeschlagenen Darlegungs- und Informationspflichten bei Inkassodienstleistungen. Der Inhalt dieser Regelungsvorschläge hat essentielle Auswirkungen auf die Frage, ob Versicherungsunternehmen auch künftig noch als Auftraggeber für Inkassounternehmen und Inkassodienstleistungen anbietende Rechtsanwälte in Frage kommen. Gemäß 11a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 RDG-E (bzw. inhaltsgleich gemäß 43 d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BRAO-E) hat der Inkassodienstleister bzw. der Rechtsanwalt bei erstmaliger Geltendmachung der Forderung gegenüber einer Privatperson Seite 2 / 5
den Forderungsgrund bei Verträgen unter konkreter Darlegung des Vertragsgegenstands und des Datums des Vertragsschlusses klar und verständlich zu übermitteln. Gemäß 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 RDG-E (bzw. inhaltsgleich gemäß 43 d Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BRAO-E) hat der Inkassodienstleister bzw. der Rechtsanwalt auf Anfrage der Privatperson ergänzend bei Verträgen die wesentlichen Umstände des Vertragsschlusses mitzuteilen. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll mit der Regelung das Ziel verfolgt werden, der Privatperson alle Angaben zur Verfügung zu stellen, die sie benötigt, um die Berechtigung einer gegen sie geltend gemachten Forderung überprüfen und sich gegebenenfalls gegen sie zur Wehr setzen zu können. Diese Anforderung erscheint im Falle der Eintreibung zweifelhafter Forderungen aus Internetgeschäften oder telefonisch geschlossenen Verträgen durchaus sinnvoll und notwendig. Im Hinblick auf Forderungen aus Versicherungsverträgen, bei denen es sich im Regelfall um auf Jahre und Jahrzehnte ausgerichtete Dauerschuldverhältnisse handelt, stellen sich hierbei jedoch folgende Probleme: 2.1 Datum des Vertragsschlusses Die Angabe eines regelmäßig bereits Jahre zurückliegenden Datums des Vertragsschlusses ist eine für den Versicherungsnehmer unerhebliche und für die Forderungsbeschreibung auch nicht ausreichende Information. Die aussagekräftigste Information für den Versicherungsnehmer ist vielmehr die Angabe des konkreten Versicherungszeitraums, für den die Forderung erhoben wird. Anhand dessen ist dem Kunden eine Überprüfung der Berechtigung der geltend gemachten Forderung am ehesten möglich. Diese Angabe wird dem Versicherungsnehmer heute bereits bei der Geltendmachung von Forderungen übermittelt. Überdies ist im Falle von Versicherungsverträgen auch unklar, welchen Zeitpunkt der Gesetzentwurf mit dem Begriff Datum des Vertragsschlus- Seite 3 / 5
ses meint. Der formell-juristische Zeitpunkt des Vertragsschlusses, der regelmäßig mit dem Zugang des Versicherungsscheins beim Versicherungsnehmer eintritt, lässt sich aufgrund der Vielschichtigkeit der Vertragsabschlusssituationen in der Praxis oftmals nur schwer feststellen (z.b. Zwischenschaltung von Maklern oder Vermittlern, postalische Übersendung von Policen). Das Datum des Zugangs des Versicherungsscheins wird von den Versicherern daher regelmäßig nicht gesondert erfasst. Dieses Datum ist aber eben für die weitere Vertragsführung und für die Forderungsprüfung bei Fälligkeit oder im Inkassofall auch wenig hilfreich. Versicherer arbeiten daher primär mit dem Datum des technischen Vertragsbeginns (Ausfertigung des Versicherungsscheins) und mit dem Datum des materiellen Vertragsbeginns (Beginn des Versicherungsschutzes, d.h. der Leistungspflicht). Es sollte daher im Gesetzestext zumindest für Dauerschuldverhältnisseeine Regelung getroffen werden, die statt auf das Datum des Vertragsschlusses vielmehr auf den Forderungszeitraum oder alternativ auf das Datum des materiellen Vertragsbeginns abstellt. 2.2 Unbestimmte Rechtsbegriffe Kritisch sehen wir zudem die Verwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe in den Regelungsvorschlägen. Unklar ist, was mit der Formulierung konkret im Zusammenhang mit der Darlegung des Vertragsgegenstandes bei Versicherungsverträgen gemeint ist. Gleiche Bedenken bestehen auch in Bezug auf die auf Anfrage der Privatperson ergänzend zu übermittelnden wesentlichen Umstände des Vertragsschlusses. Auch hier erscheint abgesehen von der Beispielnennung in der Gesetzesbegründung - unklar, was hiermit gemeint ist. Bei unveränderter Verabschiedung des Gesetzentwurfes wäre daher künftig eine vorsorgliche Erfassung und Speicherung verschiedenster Vertragsdaten und begleitumstände flächendeckend bei allen Kunden erforderlich, um den Anforderungen in jeder Auslegungsvariante nachkommen zu können, obwohl nur ein geringer Prozentsatz von ihnen jemals säumig wird. Insoweit bestehen datenschutzrechtliche Bedenken, insbesondere hinsichtlich des Grundsatzes der Datensparsamkeit. Wir schlagen daher vor, das Wort konkret in Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 sowie Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 vollständig zu streichen. Seite 4 / 5
2.3 Verstoß gegen 203 StGB Private Kranken-, Lebens- und Unfallversicherungsunternehmen müssen die Schweigepflicht nach 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB beachten. Der BGH hat in seiner Entscheidung VIII ZR 53/09 vom 10.02.2010 festgestellt, dass bereits die Tatsache des Bestehens eines Versicherungsvertrags unter den strafrechtlichen Geheimnisschutz fällt. Um nicht gegen 203 StGB zu verstoßen, werden heute häufig nur Angaben zu der Forderung an das Inkassounternehmen weitergeben, ohne zusätzliche Informationen zum Vertragstyp oder den Vertragsgegenstand. Wenn 11a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RDG-E nun vorsieht, dem Inkassounternehmen diese zusätzlichen Informationen zu übermitteln, muss klargestellt werden, dass damit nicht gegen 203 StGB verstoßen wird. Anderenfalls ist zu befürchten, dass Personenversicherern durch die neue Regelung die Einschaltung von Inkassounternehmen völlig verwehrt wäre. Dies gilt umso mehr, als der Entwurf die Zulässigkeit einer Einschaltung von Inkassounternehmen für den von 203 Abs. 1 StGB erfassten Personenkreis nicht ausdrücklich vorsieht, und damit nicht ohne weiteres als Befugnisnorm für die Datenübermittlung anzusehen ist. Wir regen daher an, eine entsprechende Befugnisnorm in 11a RDG-E bzw. 43d BRAO-E aufzunehmen. Für Rückfragen und ergänzende Informationen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung. Berlin, den 06.05.2013 Seite 5 / 5