3 Stöchiometrie. Teil I: Chemische Formeln. 3.1 Moleküle und Ionen



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Transkript:

25 3 Stöchiometrie Teil I: Chemische Formeln Zusammenfassung Die Zusammensetzung einer Verbindung wird durch ihre chemische Formel zum Ausdruck gebracht. Wenn die Verbindung aus Molekülen besteht, so gibt die Molekularformel an, wie viele Atome jedes Elements im Molekül enthalten sind. Bei Verbindungen, die aus Ionen aufgebaut sind, gibt die Formel die relative Zahl der vorhandenen Ionen an. Ein Mol eines Elements enthält die Avogadro-Zahl an Atomen und hat eine Masse, die dem Zahlenwert der relativen Atommasse des Elements in Gramm entspricht. Ein Mol einer Verbindung enthält die Avogadro-Zahl an Formeleinheiten; bei Molekülverbindungen ist das die Avogadro-Zahl an Molekülen. Die Masse in Gramm eines Mols einer Verbindung ergibt sich durch Addition der relativen Atommassen der beteiligten Elemente entsprechend der Formel der Verbindung. Aus der Formel einer Verbindung kann ihre prozentuale Zusammensetzung (Massenanteil der Elemente in % ausgedrückt) berechnet werden. Aus der prozentualen Zusammensetzung kann die empirische Formel berechnet werden; das ist die Formel mit dem einfachsten Zahlenverhältnis der Atome zueinander. Übersicht 3.1 Moleküle und Ionen 25 3.2 Empirische Formeln 27 3.3 Das Mol 28 3.4 Prozentuale Zusammensetzung von Verbindungen 29 3.5 Ermittlung chemischer Formeln 31 Übungsaufgaben 33 Die moderne Chemie begann, als Lavoisier die Bedeutung sorgfältiger Messungen erkannte und sich quantitativ zu beantwortende Fragen stellte. Die Stöchiometrie (aus dem Griechischen stoicheion = Element und metron = messen) ist die Lehre der Mengenverhältnisse der Elemente in Verbindungen und der quantitativen Beziehungen zwischen Verbindungen oder Elementen, die an chemischen Reaktionen beteiligt sind. Die Atomtheorie der Materie ist die Grundlage dazu. 3.1 Moleküle und Ionen Nur die Edelgase, das sind die Elemente Helium, Neon, Argon, Krypton, Xenon und Radon, kommen in der Natur als Einzelatome vor. Alle anderen Elemente kommen in größeren Einheiten vor, in denen Atome miteinander verknüpft sind. Zu diesen größeren Einheiten gehören die Moleküle und die Ionen. Sie werden in späteren Kapiteln noch eingehend behandelt (Kapitel 7, 8 und 9; S. 89, 107, 121). Schlüsselworte (s. Glossar) Molekül Molekülformel (Molekularformel) Chemische Formel Strukturformel (Konstitutionsformel) Empirische Formel Anion Kation Einatomiges Ion Mehratomiges Ion Mol Avogadro-Zahl Molare Masse (Molmasse) Molekülmasse Relative Formelmasse, relative Molekülmasse Massenanteil

26 3 Stöchiometrie Teil I: Chemische Formeln Moleküle Ein Molekül ist ein Teilchen, in dem zwei oder mehr Atome fest miteinander verknüpft sind. Bei chemischen und physikalischen Prozessen verhalten sich Moleküle als Einheiten. Einige Elemente und eine große Zahl von Verbindungen bestehen aus Molekülen ( 3.1). Die Zusammensetzung eines reinen Stoffs wird mit seiner chemischen Formel angegeben. Jedes vorhandene Element wird durch sein Elementsymbol bezeichnet, gefolgt von einer tiefgestellten Zahl zur Angabe der relativen Anzahl der Atome. Bei Verbindungen, die aus Molekülen bestehen, wird die Zahl der Atome im Molekül angegeben ( 3.1). H 2 O ist zum Beispiel die Molekularformel für Wasser. Einige Elemente kommen als zweiatomige Moleküle vor, z. B.: H 2 N 2 O 2 CB 2 Wasserstoff Stickstoff Sauerstoff Chlor 3.1 Modelle für einfache Moleküle Strukturformel für Ammoniak Stöchiometrie ist ein Teilgebiet der Chemie; sie ist keine Eigenschaft von Molekülen oder Reaktionen. Deshalb:,,Ammoniak hat die Zusammensetzung NH 3 und nicht,,ammoniak hat die Stöchiometrie NH 3. Manche Elemente bilden größere Moleküle; Schwefel besteht zum Beispiel aus achtatomigen Molekülen S 8. Die Moleküle von Verbindungen sind aus Atomen von zwei oder mehr Elementen aufgebaut. Die Formel für ein Molekül wie zum Beispiel NH 3 (Ammoniak) gibt nur an, aus wie vielen Atomen der einzelnen Elemente das Molekül aufgebaut ist. Um zu zeigen, welche Atome miteinander verknüpft sind, benutzt man die Strukturformel oder Konstitutionsformel, in der Bindungsstriche die Art der Verknüpfung anzeigen. Die Strukturformel gibt in der Regel nicht die tatsächliche räumliche Anordnung der Atome wieder. Das Ammoniak-Molekül hat zum Beispiel einen pyramidalen Aufbau ( 3.1), was die nebenstehende Strukturformel nicht zum Ausdruck bringt. Die relative Molekülmasse M r ist gleich der Summe der relativen Atommassen aller Atome des Moleküls. Das einzelne Molekül hat eine Masse in u-einheiten, die dem Zahlenwert von M r entspricht. Ionen Ein Ion ist ein Atom oder Molekül, das eine elektrische Ladung trägt. Man unterscheidet: Ein Kation ist positiv geladen. Der Name rührt daher, dass ein Kation von einer Kathode, d. h. dem Minuspol einer elektrischen Spannung, angezogen wird. Kationen entstehen, wenn Atome oder Moleküle Elektronen abgeben. Ein Anion ist negativ geladen. Es wird von einer Anode (= Pluspol) angezogen und ist aus einem Atom oder Molekül durch Aufnahme von Elektronen entstanden. Einatomige Ionen bestehen aus einzelnen, geladenen Atomen. Metallische Elemente bilden in der Regel einatomige Kationen, zum Beispiel Calcium-Ionen Ca 2, während Nichtmetalle einatomige Anionen bilden, zum Beispiel Cl. Mehratomige Ionen, auch Molekülionen genannt, bestehen aus mehr als einem Atom, zum Beispiel: NH 4 SO 2 4 OH Ammonium-Ion Sulfat-Ion Hydroxid-Ion

3.2 Empirische Formeln 27 Auf Ionen werden wir im Kapitel 7 (S. 89) genauer eingehen. Ionische Verbindungen sind aus Kationen und Anionen aufgebaut. Im festen Zustand bilden sie Kristalle, in denen die Ionen in einem bestimmten geordneten, geometrischen Muster angeordnet sind. Natriumchlorid (Kochsalz) ist ein Beispiel, es ist aus Natrium-Kationen Na und Chlorid- Anionen Cl aufgebaut. Der Kristall besteht aus einer großen Anzahl solcher Ionen, die durch die plus-minus-anziehung zusammengehalten werden ( 3.2). Im Kristall kommt genau ein Na -Ion auf ein Cl -Ion. Die chemische Formel NaCl beschreibt in diesem Fall kein Molekül, sondern gibt nur summarisch die Zusammensetzung an, indem das relative Zahlenverhältnis der Ionen zueinander bezeichnet wird. Bariumchlorid besteht aus Barium-Ionen Ba 2 und Chlorid-Ionen Cl. Ein Bariumchlorid-Kristall ist elektrisch neutral, auf jedes Ba 2 -Ion kommen zwei Cl -Ionen; die Formel lautet BaCl 2. Beispiel 3.1 Eisenoxid ist aus Eisen-Ionen Fe 3 und Oxid-Ionen O 2 aufgebaut; wie lautet seine Formel? Damit es elektrisch neutral ist, müssen zwei Fe 3 -Ionen auf drei O 2 -Ionen kommen, die Formel lautet Fe 2 O 3. 3.2 Ausschnitt aus einem Natriumchlorid-Kristall Andere Atomaggregate Manche Elemente und Verbindungen sind weder aus Molekülen noch aus Ionen aufgebaut. Diamant besteht zum Beispiel nur aus Kohlenstoff-Atomen, die in einem Netzwerk miteinander verknüpft sind, mit Bindungen von der gleichen Art wie in Molekülen. Ein Diamantkristall kann als ein einziges Riesenmolekül betrachtet werden; die Zahl der Atome ist nicht festgelegt, sie hängt von der Größe des Kristalls ab. Ähnliche Verhältnisse gibt es auch bei Verbindungen, zum Beispiel bei Siliciumdioxid; die Formel SiO 2 gibt, wie bei ionischen Verbindungen, nur die relative Zahl der Atome zueinander an. 3.2 Empirische Formeln Die Molekularformel für Wasserstoffperoxid, H 2 O 2, zeigt einen Molekülaufbau aus zwei Wasserstoff- und zwei Sauerstoff-Atomen an. Das Zahlenverhältnis 2 : 2 der Atome ist nicht das einfachste Zahlenverhältnis, nämlich 1 : 1. Eine empirische Formel gibt nur das einfachste Zahlenverhältnis an; für Wasserstoffperoxid ist die empirische Formel HO. Durch eine chemische Analyse lässt sich nur die empirische Formel eines reinen Stoffes ermitteln. Um die Molekularformel zu bestimmen, sind zusätzliche Daten notwendig. Bei manchen Verbindungen sind empirische Formel und Molekularformel identisch, zum Beispiel bei H 2 O, CO 2, NH 3. Für andere Verbindungen gilt das nicht; für den Stoff mit der Molekularformel N 2 H 4 (Hydrazin) ist die empirische Formel NH 2 ; die beiden Verbindungen mit den Molekularformeln C 2 H 2 (Ethin) und C 6 H 6 (Benzol) haben die gleiche empirische Formel CH. Bei einfachen ionischen Verbindungen, deren Formeln wie NaCl oder CaCl 2 nur das Zahlenverhältnis der Ionen angeben, entspricht die Formel der empirischen Formel. Wenn Mo- Wasserstoffperoxid: Molekularformel: H 2 O 2 Empirische Formel: HO Strukturformel:

28 3 Stöchiometrie Teil I: Chemische Formeln lekülionen vorhanden sind, so soll aus der Formel die Zusammensetzung des Molekülions erkennbar sein. Natriumperoxid besteht zum Beispiel aus Na -Ionen und Peroxid-Ionen O 2 2 ; in diesem Fall wird nicht die empirische Formel NaO angegeben, sondern Na 2 O 2. 3.3 Das Mol Die Menge in Gramm eines Elementes, die dem Zahlenwert der relativen Atommasse entspricht, enthält stets die gleiche Zahl von Atomen, nämlich N A Atome Avogadro-Zahl: N A = 6,02214 10 23 mol 1 1mol = N A Teilchen = Stoffmenge aus so vielen Teilchen, wie die Zahl der Atome in 12 g 12 6C Berechnung der molaren Masse für H 2 O: 2 (relative Atommasse von H) = 2 A r (H) = 2 1,008 = 2,016 1 (relative Atommasse von O) = A r (O) = 15,999 relative Molekularmasse von H 2 O=M r (H 2 O) = 18,015 Molare Masse von H 2 O= M(H 2 O) = 18,015 g/mol Berechnung der molaren Formelmasse von BaCB 2 : 1 mol Ba 2 = 137,3 g Barium 2 mol CB = 2 35,45 g CB = 70,9 g Chlor 1 mol BaCB 2 = 208,2 g BaCB 2 M(BaCB 2 ) = 208,2 g/mol Die relative Atommasse von Fluor ist 19,0, die von Wasserstoff 1,0. Wenn wir eine beliebige Zahl von Fluor-Atomen und eine gleich große Zahl von Wasserstoff-Atomen nehmen, so wird die Gesamtmasse der Fluor-Atome immer 19-mal größer sein als die der Wasserstoff-Atome. Dieses Zahlenverhältnis ist erfüllt, wenn wir 19,0 g Fluor und 1,0 g Wasserstoff nehmen, d.h. wenn wir genau so viele Gramm nehmen, wie es dem numerischen Wert der relativen Atommassen entspricht. Da das Massenverhältnis von 19 : 1 erfüllt ist, müssen von beiden Elementen gleich viele Atome vorhanden sein. Diese Aussage gilt allgemein: die Menge in Gramm eines Elements, die dem Zahlenwert der relativen Atommasse entspricht, enthält immer die gleiche Zahl von Atomen. Die zugehörige Zahl wird die Avogadro-Zahl N A genannt. Die Avogadro- Zahl lässt sich experimentell bestimmen. Im deutschen Schrifttum wurde N A früher die Loschmidt-Zahl genannt. Nach einer neueren Definition versteht man unter der Loschmidt-Zahl N L die Anzahl der Teilchen in 1 cm 3 eines idealen Gases bei Normbedingungen (N L = 2,687 10 19 cm 3 ). Die Stoffmenge, die aus 6,02214 10 23 Teilchen besteht, nennt man ein Mol (SI-Symbol: mol). Das Mol gehört zu den SI-Basiseinheiten und ist als diejenige Stoffmenge definiert, die aus genau so vielen Teilchen besteht, wie Atome in 12 g von 12 6C enthalten sind. Teilchen in diesem Sinne können beliebige, als solche identifizierbare Teilchen sein, zum Beispiel Atome, Ionen, Moleküle oder Elektronen. Ein Mol einer molekularen Substanz besteht aus 6,02214 10 23 Molekülen und hat die Masse in Gramm, deren Zahlenwert der relativen Molekülmasse entspricht. Die relative Molekülmasse M r ergibt sich aus der Summe der relativen Atommassen aller Atome des Moleküls; sie wurde früher Molekulargewicht genannt. Die Masse eines Mols nennt man die molare Masse (oder Molmasse). Die relative Molekülmasse für Wasser beträgt M r (H 2 O) = 18,015. In 18,015 Gramm Wasser ist somit die Avogadro-Zahl an H 2 O-Molekülen enthalten. Das einzelne Wasser-Molekül hat die Masse m(h 2 O) = 18,015 u. Werden Mengenangaben in Mol gemacht, so muss spezifiziert werden, auf welche Teilchen man sich bezieht. Ein Mol H-Atome enthält 6,022 10 23 Wasserstoff-Atome und hat eine Masse von 1,008 g; ein Mol H 2 -Moleküle enthält 6,022 10 23 H 2 -Moleküle und hat eine Masse von 2,016 g. Wenn, wie bei ionischen Verbindungen, keine Moleküle vorhanden sind, so bezieht man sich auf die angegebene Formel. Man spricht dann von der molaren Formelmasse. Eine Stoffmengenangabe in Mol für einen Stoff mit der Formel X wird mit n(x) bezeichnet. Die Stoffmenge n(x) ergibt sich aus der Masse m(x) der Probe, geteilt durch die molare Masse M(X). Siehe Definitionsgleichungen in der Randspalte auf der nächsten Seite. Die Zahlenwerte für Atom- und Molekülmassen bzw. für molare Massen werden mit dreierlei Einheiten angegeben:

3.4 Prozentuale Zusammensetzung von Verbindungen 29 Die relative Atommasse A r und die relative Molekülmasse M r sind reine Zahlen, ohne Angabe einer Einheit. In dieser Art stehen sie in den Listen der Elemente. Die relative Atommasse ist eine Verhältniszahl, nämlich das Verhältnis der mittleren Atommasse eines Elements zu einem Zwölftel der Masse eines 12 6C-Atoms. Formulierung:,,Natrium hat die relative Atommasse 22,98977; kurz: A r (Na) = 22,98977. Wasser hat die relative Molekülmasse 18,015; M r (H 2 O) = 18,015. In Atommasseneinheiten u hat ein 12 6C-Atom definitionsgemäß die Masse 12 u. Die mittlere Masse eines Atoms eines Elements wird in Atommasseneinheiten u angegeben. Formulierung:,,Die Masse eines Natrium-Atoms beträgt 22,98977 u. Die Masse eines Wasser-Moleküls beträgt 18,015 u. Ein Mol eines Elements oder einer Verbindung hat die dem Zahlenwert der relativen Atommasse bzw. Molekülmasse entsprechende Masse M in Gramm pro Mol. Formulierung:,,Die molare Masse von Natrium beträgt 22,98977 g/mol; kurz: M(Na) = 22,98977 g/mol; die molare Masse von Wasser beträgt 18,015 g/mol; M(H 2 O) = 18,015 g/mol. n(x) = Stoffmenge des Stoffes mit Formel X Maßeinheit: Mol (mol) m(x) = Masse des Stoffes mit Formel X Maßeinheit: Gramm (g) M(X) = molare Masse des Stoffes mit Formel X Maßeinheit: Gramm pro Mol (g/mol) n(x) = m(x) M(X) Beispiel 3.2 Es werden 0,2500 mol Schwefelsäure benötigt. Wieviel Gramm müssen abgewogen werden? Da die angegebene Menge auf vier Stellen angegeben ist, soll das Ergebnis mit vier signifikanten Stellen angegeben werden. M(H 2 SO 4 ) = 98,08 g/mol m(h 2 SO 4 )=n(h 2 SO 4 ) M(H 2 SO 4 ) = 0,2500 mol 98,08 g/mol =24,52g 3.4 Prozentuale Zusammensetzung von Verbindungen Der prozentuale Massenanteil der Elemente in einer Verbindung kann leicht aus der Formel berechnet werden. Die Indexzahlen in der Formel geben die Anzahl der Mole jedes Elements in einem Mol der Verbindung an. Zusammen mit den molaren Massen der Elemente kann man die entsprechende Masse jedes Elements in Gramm berechnen. Nach Division durch die Molmasse der Verbindung erhält man den Massenanteil w des jeweiligen Elements; Multiplikation mit 100 ergibt dann den Prozentgehalt. %-Angaben beziehen sich, wenn nichts Gegenteiliges angegeben ist, immer auf Massenanteile. Weil dies nicht immer beachtet wird, kann man, um Fehler zu vermeiden, anstelle einer %-Angabe die eindeutige Bezeichnung Centigramm pro Gramm (cg/g) verwenden. Beispiel 3.3 Wie viel Prozent Eisen sind im Eisen(III)-oxid Fe 2 O 3 enthalten? Ein Mol Fe 2 O 3 enthält: n(fe) = 2 mol; n(o) = 3 mol m(fe) = n(fe) M(Fe) = 2 mol 55,8 g/mol = 111,6 g m(o) = n(o) M(O) = 3 mol 16,0 g/mol = 48,0 g m(fe 2 O 3 ) = 159,6g

30 3 Stöchiometrie Teil I: Chemische Formeln Massenanteil des Fe in Fe 2 O 3 : w(fe) = m(fe) m(fe 2 O 3 ) = 111,6 g 159,6 g = 0,6993 Prozentgehalt des Fe in Fe 2 O 3 : w(fe) 100% = 69,93% = 69,93 cg/g Bei der chemischen Analyse einer Verbindung erhält man deren prozentuale Zusammensetzung. Daraus kann die empirische Formel der Verbindung bestimmt werden. Das Beispiel 3.4 illustriert den üblichen Analysenweg für eine organische Verbindung. Der Prozentgehalt eines Elements in einer Probe lässt sich ähnlich auch bestimmen, wenn bekannte Mengen von Fremdstoffen anwesend sind: siehe Beispiel 3.5. Man beachte bei den Beispielen, dass die berechneten Werte immer auf so viele signifikante Stellen angegeben sind, wie es den vorgegebenen Werten entspricht. Beispiel 3.4 Nicotin enthält Kohlenstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Wenn 2,50 g Nicotin verbrannt werden, erhält man 6,78 g CO 2,1,94gH 2 O und 0,432 g N 2. Welche prozentuale Zusammensetzung hat Nicotin? Aller Kohlenstoff der Probe findet sich in den 6,78 g CO 2, aller Wasserstoff in den 1,94 g H 2 O. M r (CO 2 ) = 44,0; M r (H 2 O) = 18,0 Der Kohlenstoffanteil im CO 2 beträgt: w(c) = n(c) M r(c) M r (CO 2 ) = 1 12,0 44,0 = 0,273 Die Kohlenstoffmasse im CO 2 und damit in der Probe beträgt: m(c) = w(c) m(co 2 ) = 0,273 6,78 g = 1,85 g H-Anteil im H 2 O: w(h) = n(h) M r(h) = 2 1,01 M r (H 2 O) 18,0 =0,112 m(h) = w(h) m (H 2 O) = 0,112 1,94 g = 0,218 g Durch Division mit der ursprünglichen Probenmasse erhält man die Prozentgehalte der Elemente im Nicotin: m(c) m(nicotin) 100%=1,85 g 100% 2,50 g = 74,0%C m(h) m(nicotin) 100%=0,218 g 100% = 2,50 g 8,72%H m(n) m(nicotin) 100%=0,432 g 100%= 2,50 g 17,3%N 100,0%

3.5 Ermittlung chemischer Formeln 31 Beispiel 3.5 Wie groß ist der Eisengehalt in einem Erz, das zu 70,0% aus Fe 2 O 3 besteht? Zunächst wird der Massenanteil von Fe in Fe 2 O 3 berechnet (vgl. Beispiel 3.3), dann werden davon 70,0% genommen: w(fe) 70,0% = 0,699 70,0% = 48,9%Fe im Erz 3.5 Ermittlung chemischer Formeln Die Werte der chemischen Analyse einer Verbindung dienen zur Ermittlung ihrer empirischen Formel. Die Analyse ergibt die relativen Massenanteile der Elemente in der Verbindung. Da ein Mol eines Elements gleich viele Atome enthält wie ein Mol eines anderen Elements, ist das Verhältnis der Molzahlen zueinander das gleiche wie das Verhältnis der Atomzahlen zueinander. Die Zahl der Mole eines Elements in einer Probe lässt sich leicht aus der vorhandenen Masse dieses Elements berechnen. Das einfachste ganzzahlige Verhältnis der Zahl der Mole der verschiedenen Elemente in der Verbindung ergibt die empirische Formel. Man geht folgendermaßen vor: Der Prozentgehalt der Elemente einer Verbindung gibt an, wie viel Gramm des jeweiligen Elements in 100 g der Probe enthalten sind. Aus dieser Gramm-Zahl wird berechnet, wie viele Mol des betreffenden Elements in den 100 g enthalten sind; dies geschieht durch Division durch die jeweilige Molmasse des Elements. Alle erhaltenen Molzahlen werden durch die kleinste dieser Molzahlen dividiert; wenn dabei nicht für alle Elemente ganze Zahlen erhalten werden, multipliziert man alle Zahlen mit einem ganzzahligen Faktor, der für alle Elemente eine ganze Zahl ergibt. Die erhaltenen Werte entsprechen den Indexzahlen der empirischen Formel. Beispiel 3.6 Welche ist die empirische Formel einer Verbindung, die 43,6% P und 56,4% O enthält? In 100 g der Verbindung sind 43,6 g P und 56,4 g O enthalten. In mol sind das: n (P) = m (P) M (P) = n (O) = m (O) M (O) = 43,6 g 30,97 g/mol 56,4 g 16,00 g/mol =1,41mol =3,53mol Division beider Zahlen durch die kleinere von ihnen ergibt: 1,41 = 1,00 für P 1,41 3,53 =2,50 füro 1,41 Durch Multiplikation mit 2 erhält man die ganzen Zahlen 2 und 5. Die empirische Formel lautet P 2 O 5.

32 3 Stöchiometrie Teil I: Chemische Formeln Um die Molekularformel zu erhalten, muss die molare Masse der Verbindung bekannt sein. Sie kann nicht durch die chemische Analyse bestimmt werden, kann aber mit anderen Methoden herausgefunden werden. Beispiel 3.7 Die molare Masse für die Verbindung aus Beispiel 3.6 wurde experimentell zu M = 284 g/mol bestimmt. Welche ist die Molekularformel? Durch Addition der Molmassen von P und O entsprechend der empirischen Formel P 2 O 5 erhält man M (P 2 O 5 ) = 142 g/mol. Da die tatsächliche Molmasse doppelt so groß ist, müssen alle Atomzahlen verdoppelt werden. Die Molekularformel ist P 4 O 10.