Das ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung - Hinweise zur Begutachtung



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Transkript:

Auszüge aus Das ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung - Hinweise zur Begutachtung 1. überarbeitete Fassung, September 2001 Herausgeber: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Landesversicherungsanstalten, Bundesknappschaft, Bahnversicherungsanstalt und Seekasse im Verband Deutscher Rentenversicherungsträger Sie finden diese Informationsschrift auf der Webseite der Deutschen Rentenversicherung (http://www.deutsche-rentenversicherung.de) wenn Sie oben rechts in das Suchkästchen die Stichworte Das ärztliche Gutachten eingeben. In der Ergebnisaufstellung klicken Sie Begutachtung an und danach Das ärztliche Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung Hinweise zur Begutachtung, 2001. Diese Hinweise zur Begutachtung sind, wie es der Name schon sagt, Hinweise, es handelt sich hierbei nicht um eine Richtlinie die der Gutachter gezwungenermaßen einhalten muss. Nichtsdestotrotz sind diese Hinweise sinnvoll und ein Gutachter, der sie nicht einhält muss sich fragen lassen, warum er die Hinweise nicht eingehalten hat. Diese Hinweise basieren zum Teil auch auf dem deutschen Grundgesetz und auf der Berufsordnung der Ärzte. Seite 22 Der Gutachter ist nicht behandelnder Arzt, der die Anliegen der Antragsteller unterstützt, vielmehr erfüllt er die Funktion des objektiven und neutralen Sachverständigen. Der Gutachter muss einfühlsam, ein guter Zuhörer, aber auch Beobachter sein. Er sollte auch in schwierigen Begutachtungssituationen den Versicherten das Gefühl vermitteln, dass sie auf eine vorurteilsfreie Beurteilung vertrauen können. Er muss vermeiden, dass die Versicherten durch sein persönliches Verhalten während der Gutachtenerstellung Anlass haben könnten, das Ergebnis der Begutachtung in Zweifel zu ziehen. Das Gesamtgutachten muss folgerichtig und schlüssig sein im Hinblick auf die Verknüpfung von Anamnese und Befund Anamnese, Befund und Diagnosen Anamnese, Befund, Diagnosen und Epikrise Anamnese, Befund, Diagnosen, Epikrise und sozialmedizinischer Leistungsbeurteijjjjlung. Das Gutachten muss übersichtlich aufgebaut, die Ausdrucksweise klar und auch für Nicht-Mediziner verständlich sein. Stereotype Formulierungen dienen nicht einer individuellen Gutachtengestaltung, dies gilt insbesondere bei unkritischer Verwendung von Textbausteinen. Klarheit in der Sprache, Schrift und Layout erhöhen zudem die Akzeptanz. 4.1.1 Anamnese Die Anamnese zählt zu den wichtigsten Bestandteilen des Gutachtens. Schon bei der Anamneseerhebung sollte die Fragestellung des Auftraggebers berücksichtigt werden. Bei sozialmedizinischen Gutachten bedeutet dies, dass auch eine Sozialund Arbeitsanamnese vorhanden sein muss. Der Gutachter hat Anspruch darauf, dass ihm medizinische Unterlagen, d.h. Ergebnisse ambulanter Behandlungen, Entlassungsberichte aus Rehabilitationskliniken und Krankenhäusern sowie Berichte anderer Sozialleistungsträger vor der Erstellung Das ärztliche Gutachten für... Auszüge, Seite 1 von 5

des Gutachtens übermittelt werden. In diese muss er vor der Gutachtenerstellung Einsicht nehmen. Einige Unterlagen wird der Arzt vom Versicherten erst am Tage der Begutachtung erhalten. Auch über deren Inhalt sollte er sich ausreichend informieren. Damit wird ihm ermöglicht, dem zu Begutachtenden nicht als Fremder zu begegnen eine Disposition über die gutachterlichen Ermittlungen zu treffen bereits vorliegende medizinische/sozialmedizinische Untersuchungsergebnisse in die Begutachtung einzubeziehen. Seite 23 4.1.1.1.3 Jetzige Beschwerden Die Beschwerdeschilderung des Patienten muss dokumentiert werden. Die Beschwerden sind ihren Symptomkomplexen zugeordnet, also strukturiert, aufzuzeichnen (z.b. retrosternales Druckgefühl bei gleichzeitigem Schmerz in den Kiefergelenken und im linken Arm). Wichtig sind der Beschwerdeverlauf und dessen Folgen für Beruf und Alltagsleben. Fragen durch den Gutachter sollten erfolgen nach typischen Symptomen im Hinblick auf spezielle Erkrankungen und differentialdiagnostische Erwägungen bei vermeintlichen Widersprüchen zwischen vorliegenden medizinischen Unterlagen und Angaben des Versicherten ggf. zum subjektiven Krankheitsverständnis. Seite 24 4.1.2 Untersuchungsbefunde Die klinische Untersuchung muss die Informationen aus der Anamneseerhebung und Auswertung früher erstellter Befunde und sonstiger Unterlagen berücksichtigen. Grundlage der gutachterlichen Beurteilung des Leistungsvermögens im Erwerbsleben ist die Beschreibung der Funktionen. Funktionseinschränkungen müssen präzise beschrieben werden, möglichst mit Maßangaben, zumal zwischen morphologischem Befund (z.b. Röntgenbild der Wirbelsäule) und Funktion nicht zwangsläufig eine Korrelation bestehen muss. Die medizinisch-technische Zusatzdiagnostik sollte der Objektivierung von Funktionseinbußen dienen. Der Versicherte muss vollständig untersucht und das Untersuchungsergebnis in seiner Gesamtheit dokumentiert und übersichtlich gegliedert werden. Eine Beschränkung lediglich auf einzelne Körperregionen ist unzureichend.... Dies ist besonders wichtig, wenn fachgebietsbezogene Symptome/Befunde (z.b. Sehstörungen oder Tinnitus) an einen Zusammenhang mit anderen Erkrankungen (z.b. arterielle Hypertonie) denken lassen. Außerdem sollten klinische Hinweise auf Erkrankungen, die außerhalb des jeweiligen Fachgebietes liegen, dokumentiert werden (z.b. äußerlich sichtbare Veränderungen wie Zyanose oder Ikterus). Das ärztliche Gutachten für... Auszüge, Seite 2 von 5 Seite 25 Die pauschale Zusammenfassung des Befundes in unauffällig oder o. B. ist nicht ausreichend. Normalbefunde sind aufzuführen, insbesondere wenn entsprechende Beschwerden vorgetragen werden pathologische Vorbefunde vorliegen das Krankheitsbild korrelierende pathologische Befunde erwarten lässt (z.b. Lymphogranulomatose, bei der Milzgröße und Lymphknotenstatus unauffällig sind)

die Untersuchung im symptomfreien Intervall einer typischerweise in Schüben bzw. klinisch sehr wechselhaft (mit Exazerbationen) verlaufenden Krankheit (z.b. Asthma bronchiale, chronische Polyarthritis) erfolgt. Eine orientierende Prüfung der Sinnesorgane ist erforderlich. Unabhängig vom jeweiligen Fachgebiet müssen psychische Auffälligkeiten beachtet und mitgeteilt werden. Vor allem bei einer Diskrepanz zwischen Befund und Befindlichkeit müssen mögliche Zusammenhänge mit psychosomatischen oder psychiatrischen Erkrankungen in die differentialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden. Das ärztliche Gutachten für... Auszüge, Seite 3 von 5 Seite 26 4.1.3 Diagnosen Diagnosen sind stets gesondert aufzulisten, möglichst als Funktionsdiagnosen. Dies geschieht im freien Text unter Punkt 3 der Gliederung und die ersten drei sozialmedizinisch relevanten Diagnosen sind zusätzlich im Formular anzugeben (Schlussblatt Teil 2). Sie sind nach dem Schweregrad (ggf. mit Klassifikation und/oder Stadieneinteilung) ihrer funktionellen Einschränkungen zu ordnen als Funktionsdiagnosen anzugeben (z.b. medikamentös eingestellter Diabetes mellitus Typ 2 ohne wesentliche Folgeschäden). Sozialmedizinisch relevante chronische Erkrankungen, die zur Zeit erscheinungsfrei sind, sollten so mit ihrer Diagnose beschrieben werden. Das Aufzeigen funktionell bedeutungsloser Diagnosen ist nicht erforderlich (z.b. Cholezystektomie 1988). Die Formulierung Zustand nach ist wenig aussagekräftig. Sie enthält keine Information über zwischenzeitliche Abheilung oder fortbestehende Funktionseinbußen. Die Diagnosen werden nach der jeweils gültigen ICD verschlüsselt. Seite 27 Es sind die Fähigkeiten zu beschreiben, über die der Versicherte unter Berücksichtigung der festgestellten Funktionseinbußen im Hinblick auf die noch zumutbare körperliche Arbeitsschwere, die Arbeitshaltung und die Arbeitsorganisation noch verfügt (positives Leistungsbild) und welche krankheitsbedingt nicht mehr bestehen (negatives Leistungsbild). Die positiven wie negativen Leistungsmerkmale müssen sich aus den in der Epikrise erörterten Gesundheitsstörungen herleiten lassen. Damit ergeben sich die qualitativen Leistungseinschränkungen aus dem Krankheitsbild anhand von funktionellen Einschränkungen. Diese Einschränkungen können sich beziehen z.b. auf die geistige/psychische Belastbarkeit, Sinnesorgane, Bewegungs- und Haltungsapparat oder Gefährdungs- und Belastungsfaktoren. Zusätzlich zur qualitativen Leistungsbeurteilung ist eine Aussage zum quantitativen Leistungsvermögen erforderlich. Qualitative Leistungseinschränkungen haben eine unterschiedliche Bedeutung für das quantitative Leistungsvermögen. Ein großer Teil der qualitativen Leistungseinschränkungen bleibt für das quantitative Leistungsvermögen ohne Bedeutung. Qualitative Leistungseinschränkungen können aber auch so gravierend sein, dass sie das quantitative Leistungsvermögen aufheben. Solange wesentliche Funktionseinschränkungen kompensiert werden können, muss keine relevante Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens vorliegen. Bei der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung kann nicht berücksichtigt werden die Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt

die bestehende Arbeitslosigkeit die Entwöhnung von einer beruflichen Tätigkeit das Lebensalter des Versicherten eine Doppelbelastung, z.b. die Pflege kranker Eltern oder eines behinderten Kindes die Anerkennung eines GdB (Versorgungsamt) oder eine MdE (Berufsgenossenschaft) diesen Begriffen liegen andere Rechtsgrundlagen und Beurteilungskriterien zugrunde. (Anmerkung: Die Schwerbehinderung soll allerdings auch nicht verschwiegen werden, insbesondere dann nicht, wenn durch eine Erhöhung des Behindertengrades eine Verschlechterung des Gesamtgesundheitszustandes nachgewiesen werden kann.) Die qualitative und quantitative Leistungsbeurteilung setzt eine abwägende Einschätzung voraus, welche sich aus dem klinischen Gesamtbild ergeben und nachvollziehbar begründet sein muss. Dies gilt vor allem für die Merkmale, die eine Rente wegen Erwerbsminderung zur Folge haben können (z.b. quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen, fehlende Wegefähigkeit, betriebsunüblicher Pausenbedarf). Seite 28 4.1.5.2 Letzte berufliche Tätigkeit Die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung ergibt ein Fähigkeitsbild des Versicherten, das mit den Anforderungen der letzten beruflichen Tätigkeit in Beziehung zu setzen ist. Maßgeblich ist die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit (siehe 4.1.2.3.1). Besondere Fragestellungen des Auftraggebers (DRV, Gericht usw.) sind zu beachten. 4.1.5.3 Leistungsfall Der Beginn einer leistungsrelevanten Einschränkung im Erwerbsleben soll möglichst exakt festgelegt werden, z.b. auf ein akutes Ereignis (Herzinfarkt, Apoplex, Unfall) auf eine akute Verschlechterung des Krankheitsbildes. Hilfsweise ist zurückzugreifen z.b. auf den Beginn der letzten Arbeitsunfähigkeit, wenn das Ausmaß der jetzigen Erkrankung bereits zu diesem Zeitpunkt vorgelegen hat auf das Datum der Berufs-/Arbeitsaufgabe aus Krankheitsgründen auf das Datum des Renten- oder Rehabilitationsantrages. 4.1.5.4 Zeitliche Befristung der Rente wegen Erwerbsminderung (Zeitrente, vgl. 102 Abs. 2 SGB VI) Renten wegen Erwerbsminderung basieren auf der gutachterlichen Begründung und werden befristet, also auf Zeit geleistet, es sei denn, eine rentenrelevante Besserung ist unwahrscheinlich. Dann wird die Rente unbefristet gezahlt. Eine rentenrelevante Besserung ist unwahrscheinlich, wenn aus ärztlicher Sicht bei Betrachtung des bisherigen Verlaufes nach medizinischen Erkenntnissen auch unter Berücksichtigung noch vorhandener therapeutischer Möglichkeiten eine Besserung auszuschließen ist, durch die sich eine rentenrelevante Steigerung der qualitativen und/oder quantitativen Leistungsfähigkeit ergeben würde. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn und kann wiederholt werden. Alle Anmerkungen des Rentenbüros sind kursiv geschrieben. In der letzten Konsequenz geht es im Erwerbsminderungsrentenverfahren praktisch Das ärztliche Gutachten für... Auszüge, Seite 4 von 5

allein um die quantitativen (z.b. zeitlichen) Einschränkungen die sich aus den gesundheitlichen Einschränkungen ergeben und sich dann auf die noch mögliche Restarbeitszeit eines Tages auswirken. Quantitative Einschränkungen sind auch z.b. wenn man nur noch 5 Kg heben kann, oder wenn der Arbeitsweg nicht mehr bewältigt werden kann, weil man nicht mehr 4 mal am Tag 500 Meter in längstens jeweils 20 Minuten zurücklegen kann. Soll nach einem Gutachtenstermin der Gutachter persönlich schriftlich befragt werden, weil er z.b. die Gutachtensrichtlinien verletzt hat, sollten Sie die gesamte Richtlinie durchgelesen haben, nicht nur die Auszüge. Anhand dieser Richtlinie können Sie dann Ihre Fragen formulieren. Die Befragung des Gutachters durch Sie sollte unterhalb 6 Wochen nach Eingang des schriftlichen Gutachtens erfolgen, dafür gibt es keine Frist, aber man soll es auch nicht ohne Grund hinauszögern. Es besteht auch die Möglichkeit bei groben Verstößen des Gutachters bei der zuständigen Ärztekammer Beschwerde zu erheben um ein Berufsgerichtsverfahren einzuleiten. Die Grundlage für eine solche Beschwerde bei der Ärztekammer ist ein Verstoß gegen die Berufsordnung der Ärzte (also hier dann nicht mehr ein Verstoß gegen die Gutachtensrichtlinien). Diese Berufsordnung der Ärzte kann man auf der Webseite der jeweiligen Ärztekammer finden. Die Berufsordnung der Ärzte enthält einen Eid: Bei meiner Aufnahme in den ärztlichen Berufsstand gelobe ich, mein Leben in den Dienst der Menschlichkeit zu stellen. Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben. Ich werde... selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden... Das soll zu diesem Thema zunächst genug sein. Es gibt viele Gutachter, die eine saubere Arbeit machen. Der zu Begutachtende weiß nur nicht vorher, an welchen Gutachter er gerät. Deshalb sollte der zu Begutachtende möglichst ein Grundgefühl davon haben, was der Gutachter leisten muss und was er z.b. nicht darf. Mitgeteilt von Rentenbüro Jockusch, Austr. 12, Ecke Paradiesstraße, 73230 Kirchheim, 07021-71795, Fax: 07021-71263 e-mail: rentenburo@aol.com, Webseite: www.rentenburo.de Nachsatz: Die DRV veröffentlicht ähnlichlautende Hinweise auch z.b. In ihrer DRV-Schrift, Band 68, Seite 13, Punkt 2.1, 5ter und 6ter Absatz, Zitat: Es ist die Aufgabe des Gutachters, mit Hilfe seines medizinischen Fachwissens und seiner Erfahrung die verschiedenen Dimensionen der Erkrankung und der gesundheitlichen Ressourcen zu erfassen, sie differenziert herauszuarbeiten und kritisch zu hinterfragen, um sie dann auf den Hintergrund der qualitativen und quantitativen Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben zu projizieren. Hierbei sollten die verschiedenen Dimensionen des bio-psycho-sozialen Modells der Komponenten von Gesundheit der WHO berücksichtigt werden, wie sie in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) konzeptualisiert worden sind. Und weiter dann auf Seite 28, 6ter Absatz: Dabei sind sowohl die oft unkritische Überschätzung des eigenen Leistungsniveaus bzw. die Dissimulation der kognitiven Einbußen als auch eine Unterschätzung der Rückbildungsfähigkeit durch die Betroffenen zu berücksichtigen... Das ärztliche Gutachten für... Auszüge, Seite 5 von 5