Vom Schmerzfreien Krankenhaus zur Schmerzfreien Stadt - Schmerztherapie interdisziplinär - Düsseldorf, 18. November 2010 Dr. Andre Ewers, MScN Paracelsus Medizinische Privatuniversität Strubergasse 21, A-5020 Salzburg www.pmu.ac.at
Der Weg zum Aktionsbündnis Schmerzfreie Stadt Münster Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten oder tumorbedingten chronischen Schmerzen
Das Problem Krankenhaus» Jeder zweite Patient im Krankenhaus leidet unter Schmerzen, jeder dritte Patient beschreibt starke bis stärkste Schmerzen (Bardiau et al. 2003; Curtis 2001; DNQP 2005; Brennan et al. 2007; Pschowski & Motsch 2008)» Die schmerztherapeutische Versorgung von stationären Patienten mit postoperativen Schmerzen hat sich seit den 1980er Jahren bis heute nur graduell gebessert (Maier et al. 2010; Fletcher et al. 2008; Jage et al. 2005; DNQP 2005; Stamer et al. 2002; Brodner et al. 2000) Altenpflegeheim» Schmerzprävalenz: 25-69% (Boerlage et al. 2007)» 25% der Bewohner leiden an ständigen und rezidivierenden Schmerzen (Basler et al. 1998)» 40-80% der Bewohner haben ein großes Risiko unter Schmerzen zu leiden (Zwakhalen et al. 2006)» Menschen mit Demenz zeigen herausforderndes Verhalten, welches durch Schmerz ausgelöst wird (Zwakhalen et al. 2006)» Untersuchung der Schmerzsituation von Menschen mit mittelgradiger bis schwerer Demenz gestaltet sich schwierig (Lautenbacher et al. 2007)
Das Problem Ambulante Dienste» 30% - 40% der Patienten mit einer Tumorerkrankung leiden zu Beginn der Erkrankung an Schmerzen, in der letzten Lebensphase bis zu 95% (Svendsen et al. 2005)» Pflegende des ambulanten Dienstes werden erst im späten Stadium der Erkrankung einbezogen (Ferrell et al. 1993) Hospize» Umfassende Betreuung von terminal Erkrankten seit Beginn der 1960er Jahre (Brooksbank, 2009)» Schmerz ist ein Hauptgrund für die Unterbrechung der ambulanten Versorgung von Palliativpatienten (Perner et al. 2010)» Dies bedeutet: kurzfristige Anpassung der bis dahin i. d. Regel unzureichenden Schmerztherapie zur Besserung der Lebensqualität in der verbleibenden Lebenszeit.» Schmerztherapie ist jedoch auch in Hospizen noch zu bemängeln (Hakonsen et al. 2008)
Aktionsbündnis Schmerzfreie Stadt Münster Projektverantwortlich: Institut für Pflegewissenschaft, PMU Strubergasse 21 A-5020 Salzburg Lokale Koordinierungsstelle: Gesundheitsamt Münster Stühmerweg 8 48147 Münster Schirmherrschaft des Projekts: Förderer:
Demografische Daten - Münster Bundesland: Kreis: Stadtgliederung: Nordrhein-Westfalen Kreisfreie Stadt 6 Stadtbezirke Einwohnerzahl: 272.890 (Stand: 30.06.2008) Gesamtfläche: 302,92 km 2 Männer: ~ 47 % Frauen: ~ 53 % Migrationsanteil: ca. 7 % (Stand: Oktober 2010) Arbeitslosenquote: 5,7 % (Stand: Oktober 2010) Einwohner je km² : 901 Lebenserwartung: Haushalte gesamt: 146.489 Männer: 76,3 Jahre; Frauen 83,1 Jahre Quelle: www.muenster.de (2009)
Regionales Einzugsgebiet - Bezirk Münster
Bevölkerungsentwicklung Stand 31.12.2007 Jahr Einwohner 2003 269.579 2005 270.647 2010 272.318 2015 273.334 2020 272.122 Quellen: www.muenster.de; Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein-Westfahlen)
Übersicht Altersverteilung Münster Bevölkerung (Stand 31.12.2007) Altersgruppen Absolut In % Weiblich Ausländ. 0 bis 5 Jahre 14.098 5,0 6.934 851 6 bis 15 Jahre 24.437 8,7 11.948 1.940 16 bis 20 Jahre 16.146 5,8 8.646 1.290 21 bis 29 Jahre 47.998 17,1 25.888 5.532 30 bis 44 Jahre 63.499 22,7 31.443 6.754 45 bis 64 Jahre 65.195 23,3 33.349 3.819 65 Jahre und älter 48.826 17,4 29.582 1.009 Gesamt 280.199 100,0 147.790 21.195 Quelle: www.muenster.de (2009)
Warum Münster? Medizinisches Umfeld und Gesundheitseinrichtungen Gesundheits- und Pflegekonferenz Soziodemographische Rahmenbedingungen Bereitschaft der Akteure zur Durchführung des Projekts
Gesundheitseinrichtungen (Stand: 2008) 9 Krankenhäuser:» 3.696 aufgestellte Betten» 121.971 Patienten» 1.059.935 Belegungstage» 8,7 Tage Verweildauer» 78,6% Bettenauslastung 25 ambulante Pflegeeinrichtungen (1.605 von Pflegediensten betreute Pflegebedürftige, Stufe 1-3) 49 Alten- und Pflegeheime (2.633 Plätze für voll- und teilstationäre Pflege) 2 Hospize 1 Schmerztherapiezentrum Münster 1 Schmerzpraxis Münster Palliativstationen: Herz-Jesu-Krankenhaus Hiltrup, St. Franziskus-Hospital Palliativbetten: Fachklinik Hornheide Quellen: Jahresbericht der Stadt Münster 2008; www.muenster.de
Ziel des Projekts Untersuchung und ggf. Optimierung der Schmerztherapie in:» Krankenhäusern» Einrichtungen stationärer Altenhilfe» Ambulanten Pflegediensten» Hospizen» Schmerzpraxen
Kooperationspartner Apothekerkammer Westfalen-Lippe BARMER / GEK Bezirksregierung Münster Certkom e.v. DBfK Deutsche Schmerzliga e.v. DGP Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin e.v. DGSS
Kooperationspartner Facharzt Initiative Münster Hausärzteverbund Münster MEDICA MEDICA Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Medizin e.v. Palliativnetz Münster e.v. Praxis für ganzheitliche Schmerztherapie Schmerztherapiezentrum Münster Universitätsklinikum Münster
Das Aktionsbündnis Schmerzfreie Stadt Münster Wissenschaftliche Projektgruppe Zentrale Stelle Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg Haus-/ Fachärzte, Apotheker Weiterbildungsangebote Koordinierende Stelle Münster Teilnehmende Einrichtungen Informationsangebote Einwohner Münster Stationäre Altenhilfe Ambulante Pflegedienste Krankenhäuser Schmerzpraxen Hospize Untersuchungsschwerpunkte Postoperativer Akuter / Chronischer Schmerz chronischer Tumorschmerz Rückenschmerz Tumorschmerz Schmerz
Das Team Salzburg Univ.- Prof. Dr. Jürgen Osterbrink Institutsvorstand - Gesamtleitung Projekt - Cornelia Krüger, MScN Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Pflege - Dr. Andre Ewers, MScN Stellv. Institutsvorstand Lokale Projektleitung an der PMU - Pflege - Mag. Patrick Kutschar Wissenschaftlicher Mitarbeiter - Soziologie / Biometrie - Mag. Melina Mokry Assistentin des Institutsvorstandes - Kommunikation - Mag. Barbara Mitterlehner, MPH Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Soziologie / Public Health - Univ.-Prof. Mag. Dr. Martin Weichbold Leiter Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie, Universität Salzburg - Biometrie - MMag. Dr. Wolfgang Aschauer Wissenschaftlicher Mitarbeiter Fachbereich Politikwissenschaft und Soziologie Universität Salzburg - Biometrie -
Das Team Münster Nadja Nestler, Dipl. Pflegewiss. Koordinatorin Münster - Pflege - Erika Sirsch, MScN Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Pflege - Stephanie Hemling, M.A. Assistentin der Gesamtleitung Projekt - Kommunikation - Univ.- Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hugo van Aken Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, UKM Irmela Gnass, MScN Wissenschaftliche Mitarbeiterin - Pflege - Marco Hufnagel, M.A. Wissenschaftlicher Mitarbeiter - Pflege - Univ.- Prof Dr. med. Esther Miriam Pogatzki-Zahn Professorin für Schmerzforschung und Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin, UKM - Strang: Krankenhäuser - Dr. Claus Weth, MPH Geschäftsführer des Gesunde Städte- Netzwerkes der BRD, Gesundheitsplaner der Stadt Münster
Eingebundene Experten Prof. Dr. med. Matthias Augustin Direktor des Instituts für Versorgungsforschung, UK Hamburg-Eppendorf - Gesundheitsökonomie - Prof. Dr. Monika Hasenbrink Leiterin der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, RUB - Strang: Schmerzpraxen - Anna Kristina Heyer, MPH Mitarbeiterin am Institut für Versorgungsforschung, UK Hamburg-Eppendorf - Gesundheitsökonomie - Dr. Zsuzsa Bauer Biologin, Lektorin für Medizin - Kommunikation - Prof. Dr. med. Frank Elsner Leitender Oberarzt der Klinik für Palliativmedizin, Universitätsklinikum Aachen - Stränge: Ambulante Pflegedienste und Hospize - Daniel Zenz Dipl. Multimedia Producer - Informatik - Dr. med. Klaus Maria Perrar Oberarzt am Zentrum für Palliativmedizin der Universitätsklinik Köln - Strang: Stationäre Altenhilfe -
Projektablauf Kliniken Erst-Evaluation Analyse u. Empfehlung Intervention Re-Evaluation Zertifizierung (Krankenhaus)
Krankenhäuser / Kliniken Münster Clemenshospital GmbH Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin Leitung der Klinik Prof. Dr. med. Ralf Scherer Düesbergweg 124 48153 Münster Fachklinik Hornheide Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin & Schmerztherapie Leitender Arzt Prof. Dr. Dr. Gerhard Brodner Dorbaumstr. 300 48157 Münster Raphaelsklinik Münster GmbH Anästhesie, operative Intensivmedizin & Schmerztherapie Chefarzt Dr. med. Norbert Mertes Loerstraße 23 48143 Münster Evangelisches Krankenhaus Johannisstift Münster ggmbh Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Chefarzt Prof. Dr. Ulrich Hartenauer Wichernstr. 8 48147 Münster Herz-Jesu-Krankenhaus Münster-Hiltrup GmbH Klinik für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie Ärztlicher Leiter Prof. Dr. Stephan Klaus Westfalenstr. 109 48165 Münster St. Franziskus-Hospital GmbH Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin Chefarzt Prof. Dr. med. Michael Möllmann Hohenzollernring 72 48145 Münster
Erstevaluation Krankenhaus (Mai 2010 August 2010) Befragung zum Schmerzmanagement» Stations- und Oberärzte der operativen Abteilungen» Anästhesisten» Pflegende der operativen Abteilungen» Patienten der operativen Abteilungen Umsetzung der medizinischen Leitlinien und des Nationalen Expertenstandards zum Schmerzmanagement in der Pflege Folgende Bereiche werden dabei erfasst:» Schmerzerfassung und -Dokumentation» Medikamentöse Schmerztherapie» Schmerzmittelbedingte Nebenwirkungen» Nichtmedikamentöse Maßnahmen» Beratung und Schulung der Patienten
Patientenbefragung Netbook-gestütze Befragung von Patienten am ersten postoperativen Tag nach einem elektiven Eingriff Vollerhebung Befragungszeitraum: Dienstag - Samstag
Mitarbeiterbefragung Befragung von Stations- und Oberärzten, Anästhesisten sowie examinierten Pflegenden der operativen Abteilungen Online-Befragung mit Zugangscode Vollerhebung Befragungszeitraum: jederzeit innerhalb des festgelegten Erhebungszeitraums
Stichprobe Krankenhaus Münster Patienten: n = 708 Pflegende: n = 278 Stations- n = 73 und Oberärzte Anästhesisten n = 102
Bewertung der Schmerztherapie aus Sicht der Patienten und Mitarbeiter
Altersverteilung der Patienten (n=706)
Verteilung der Eingriffe (n=704)
Ruheschmerzen nach chirurgischen Eingriffen Schmerzfrei Schmerzstärke unter Cut-off (1-3) Schmerzstärke über Cut-Off (> 3) Gelenk - klein (n = 26) Gelenk - mittel (n = 28) Gelenk - groß (n = 109) Knochen (n = 47) Wirbelsäule (n = 43) Neurochirurgie (n = 12) Mammaeingriff (n = 22) Thorax (n = 28) Gefäß (n = 19) Urologie (n = 49) HNO/ZMK (n = 29) Viszeral - mittel (n = 81) Viszeral - groß (n = 11) Gynäkologie - mittel (n = 54) Abszeßspaltung u. ä. - klein (n = 25) Haut-OP (plast.) - klein (n = 16) Tumoreingriff (Haut) - klein (n = 78) 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Ruheschmerz nach Eingriffsgruppen (n = 680)
Belastungsschmerzen nach chirurgischen Eingriffen Schmerzfrei Schmerzstärke unter Cut-off (1-5) Schmerzstärke über Cut-Off (> 5) Gelenk - klein (n = 26) Gelenk - mittel (n = 28) Gelenk - groß (n = 108) Knochen (n = 44) Wirbelsäule (n = 40) Neurochirurgie (n = 12) Mammaeingriff (n = 22) Thorax (n = 28) Gefäß (n = 19) Urologie (n = 48) Viszeral - mittel (n = 82) Viszeral - groß (n = 11) Gynäkologie - mittel (n = 54) Abszeßspaltung u. ä. - klein (n = 24) Haut-OP (plast.) - klein (n = 15) Tumoreingriff (Haut) - klein (n = 77) 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100% Belastungsschmerz nach Eingriffsgruppen (n = 667)
Schmerzeinschätzung bei Patienten mit unzureichenden Deutschkenntnissen Pflegende (n=277) Stationsärzte (n=101) 23% nein 47% ja 38% 29% nein ja 30% weiß ich nicht 34% weiß ich nicht
Schmerzeinschätzung bei dementen, verwirrten oder wachkomatösen Patienten Pflegende (n=274) Stationsärzte (n=101) 23% nein 19% 58% ja weiß ich nicht 39% 30% 31% nein ja weiß ich nicht
Anlässe starker Schmerzen Sonstige Situation Physikalische Anwendungen Punktionen sonstige ärztliche Maßnahmen Legen von Wundschläuchen Stuhlgang Nahrungsaufnahme / Schlucken tief Durchatmen / Atemtherapie Spritzen, Blutentnahme Krankengymnastik körperliche Untersuchungen Wasserlassen Verbandwechsel Waschen / Körperpflege Entfernen von Wundschläuchen Niesen / Husten Sitzen Liegen Gehen / Laufen Lagewechsel Aufstehen Patienten (n=205) 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% Berechnungsbasis: Patienten mit Anlässen starker Schmerzen (n=205); Mehrfachantworten
Verbesserungsbedarf aus Sicht der Mitarbeiter im Liegen bei Spritzen, Blutentnahme beim Stuhlgang beim Wasserlassen Nahrungsaufnahme / beim Schlucken beim Waschen / Körperpflege beim tiefen Durchatmen beim Niesen / Husten im Sitzen bei physikalischen Anwendungen beim Gehen / Laufen beim Aufstehen beim Lagewechsel bei körperlichen Untersuchungen bei sonst. ärztlichen Maßnahmen beim Legen von Wundschläuchen bei Punktionen bei der Krankengymnastik beim Entfernen von Wundschläuchen beim Verbandwechsel keine Verbesserungen erforderlich Ober-/Stationsärzte (n=102) Pflegende (n=266) 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% Anmerkung: Mehrfachantworten möglich
Verabreichung und Wirkung der Medikamentengabe aus Sicht der Patienten Medikamentengabe vor möglichen schmerzauslösenden Maßnahmen (n=659) Medikamentengabe nach möglichen schmerzauslösenden Maßnahmen (n=648) 100% 100% 80% 74,80% 80% 75,60% 60% 60% 40% 40% 20% 12,70% 11,80% 20% 12,30% 11,40% 0% nein 0,60% ja, aber nicht ausreichend stark wirksam ja weiß ich nicht 0% nein 0,60% ja, aber nicht ausreichend stark wirksam ja weiß ich nicht
Öffentlichkeit
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit www.schmerzfreie-stadt.de