Sonderweg EU: Helfen GASP und ESVP zerfallen(d)en Staaten aus der Krise?



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Transkript:

Ellen Lindner/Ulrike Persch/Julia Amann Sonderweg EU: Helfen GASP und ESVP zerfallen(d)en Staaten aus der Krise? 1. Einleitung Seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes 1989/90 entwickelte sich eine neue Art von Kriegen auf der Bühne der internationalen Beziehungen (Lambach 2007). Innerstaatliche Konflikte zwischen ethnischen und religiösen Minderheiten, wie z.b. im Kosovo, nahmen zu Beginn der 1990er Jahre zu. Diese neuen Kriege (Herfried Münkler) sind nicht mehr nur Konflikte zwischen zwei staatlichen Akteuren, sondern Konflikte innerhalb der Staatsgrenzen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen. In vielen Fällen entstehen sie aus wirtschaftlichen Interessen privater Akteure (Lambach 2006). Vor allem, wenn ein funktionierender, schützender, kontrollierender Staatsapparat nur schwach oder vielleicht gar nicht mehr vorhanden ist, können sich warlords, Terrorgruppen, organisierte Kriminalität und Drogenmafien etablieren. Das Versagen und der Zerfall von Staaten stehen nicht zuletzt wegen der Terroranschläge des 11. Septembers 2001 auf der Agenda der internationalen Politik. Staatszerfall bedroht auch Sicherheit, Wohlfahrt und Freiheit westlicher Gesellschaften sei es durch den transnationalen Terrorismus, der fragile Staaten als Rückzugs- und Operationsräume nutzt, sei es durch grenzüberschreitende Kriminalität, humanitäre Katastrophen, massive Flüchtlingsströme oder die unkontrollierte Proliferation von Waffen aller Art. (Debiel/Klingebiel/Mehler/Schneckener 2005: 2) In Anbetracht der Entwicklungen seit Ende des 20. Jahrhunderts und der neuen Bedrohungen für die internationale Gemeinschaft setzt sich die Europäische Union (EU) in der Europäischen Sicherheitsstrategie neue Ziele und Aufgaben. In Zukunft will sie verstärkt auf zivile und militärische Krisenprävention setzen, aber auch Stabilisierungsmaßnahmen nach Gewaltkonflikten und die Sicherheit der regionalen Nachbarschaft unterstützen, den Multilateralismus innerhalb der EU und mit internationalen und regionalen Organisationen fördern und für mehr Kohärenz innerhalb der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) sorgen.

Dieser Beitrag behandelt die GASP der EU und die ESVP in Hinblick auf die Interventionstätigkeit der Europäischen Union in fragilen Staaten. Folgende Kriterien liegen diesen policies zugrunde: klar abgesteckte Aufgaben und Ziele (1); die langfristige Wirkung ziviler Maßnahmen, nur kurze militärische Interventionen (2); das an Konfliktursachen orientierte Handeln (3); der Einsatz von professionellem Personal und dessen Ausstattung (4); eine aktive Kommunikationspolitik der EU (5); Transparenz und Informationsaustausch mit den Interventionspartnern (6); eigenverantwortliches Handeln der Akteure mit gemeinsamen Strategien und Zielen (7); nicht-militärische Krisenprävention (8) und schließlich die absolute Unabhängigkeit der Interventionskräfte gegenüber den Konfliktparteien (9). Folgende Frage soll zum Ende beantwortet werden: Ist die Europäische Union in der Lage, adäquat auf die Krisen und Konflikte schwacher, zerfallender und zerfallener Staaten zu reagieren? Dazu werden folgende Punkte bearbeitet: (1) Was sind die Gemeinsame Außenund Sicherheitspolitik und die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik? Akteure und Instrumente. Ein Überblick über die GASP und ESVP sowie über aktuelle Entwicklungen sollen den Einstieg in die Thematik erleichtern. (2) Eine Intervention der EU in der Praxis am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo soll genauer daraufhin geprüft werden, wo Chancen und Risiken der EU-Mission liegen können. (3) Die Bewertung der EU- Interventionen in der Demokratischen Republik Kongo soll zeigen, ob die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren der internationalen Gemeinschaft erfolgreich war. Waren die EU- Missionen im Kongo wirkungsvoll? Ist überhaupt eine qualitative Erfolgsmessung möglich? (4) Abschließend wird versucht, eine Prognose über die Zukunft der Interventionen der EU in schwachen, zerfallenden und zerfallenen Staaten aufzustellen. 2. Was sind die GASP und die ESVP? Akteure und Instrumente Im Zusammenhang mit unserer Fragestellung, inwiefern die Europäische Union in der Lage ist, effizient auf Krisen und Konflikte zerfallener und zerfallender Staaten zu reagieren, wird im folgenden Abschnitt auf die Akteure und Instrumente der GASP und ESVP in Hinblick auf die Interventionsmöglichkeiten der Europäischen Union eingegangen. Die Neudefinition von Konflikten führte auch in der Europäischen Union zu einem Umdenken. Der Europäische Rat richtete mit dem Vertrag von Nizza 2000 entsprechende Instrumente zum militärischen und zivilen Krisenmanagement ein und schuf somit einen

Wandel vom reagierenden Handeln zum präventiven Agieren der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik ergänzt die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und fungiert mittlerweile als integraler Teil (Informationen für Politische Bildung 2006: 75). Seit der Europäischen Sicherheitsstrategie von 2003 unternimmt die Union zunehmend Schritte ihrer Etablierung als global player. Die Literatur spricht von einem sicherheitspolitischen Integrationsprozess in der EU, der sich dynamisch entwickelt (Algieri 2006: 424). 2.1 Akteure Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nimmt seit ihrer Einrichtung durch den Maastrichter Vertrag verstärkt an Akteursqualität zu. Zwar behindern die immer noch überwiegenden Einstimmigkeitsentscheidungen das schnelle Reagieren und Agieren der Union, aber die europäischen Mitgliedsstaaten sind laut Artikel 11 EUV (konsolidierte Fassung von Maastricht 1992) dazu angehalten die Außen- und Sicherheitspolitik der Union aktiv und vorbehaltlos im Geiste der Loyalität und der gegenseitigen Solidarität zu unterstützen [ ]. Sie enthalten sich jeder Handlung, die den Interessen der Union zuwiderläuft oder ihrer Wirksamkeit als kohärente Kraft in den internationalen Beziehungen schaden könnte. Artikel 17 Abs. 1 legt eine schrittweise Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik fest [ ] [,] falls der Europäische Rat dies beschließt. Aus der Erfahrung der Balkankriege heraus wurde mit dem Vertrag von Amsterdam 1997 die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) eingerichtet. Mit der Entwicklung von zivilen Fähigkeiten der Konfliktprävention und des Krisenmanagements erfolgte eine Umstellung vom reagierenden zum präventiven Handeln der Europäischen Union in Krisensituationen (Weiss 2007: 483f). Die ESVP ist die militärische Ergänzung der GASP und gilt als integraler Bestandteil. Der Impulsgeber der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ist der Europäische Rat. Nach Artikel 13 EU-Vertrag legen hier die Staats- und Regierungschefs der EU- Mitgliedstaaten die Grundsätze und die allgemeinen Leitlinien der GASP und ESVP fest und bestimmen die gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Strategien. Der Europäische Rat trifft seine Entscheidungen einstimmig (Schmalz 2004: 135; Regelsberger 2004: 268).

Der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen bildet die zweite Ebene der Entscheidungsfindung und gilt als zentrales Organ, in dem alle Informationsflüsse des Unterbaus der GASP/ESVP zusammenkommen. Der regelmäßig tagende Rat bestimmt Gemeinsame Standpunkte und Gemeinsame Aktionen (vgl. Kapitel 2.2) im Rahmen der vom Europäischen Rat bestimmten Leitlinien und Strategien. Generell wird auch unter den Außenbzw. Verteidigungsministern der EU-Mitgliedstaaten einstimmig abgestimmt, wovon bei Gemeinsamen Aktionen und Gemeinsamen Standpunkten abgewichen werden kann (Schmalz 2004: 135f). Mit dem Vertrag von Amsterdam 1997 schuf der Europäische Rat mit Einführung des Hohen Vertreters der GASP einen Repräsentanten der europäischen Außenpolitik. Der so genannte Mr. GASP unterstützt den Europäischen Rat bei allen außenpolitischen Fragen; er beobachtet die internationalen Entwicklungen und soll frühzeitig potenzielle Krisen bzw. Krisenregionen identifizieren sowie die Interessen der GASP ermitteln und vertreten (Artikel 26 EUV). Unterstützt wird er hierbei durch die Strategieplanungs- und Frühwarneinheit, auch policy unit genannt. Mit dem Hohen Vertreter erhält die GASP ein Gesicht sowie aufgrund der komplexen Struktur der GASP/ESVP nun auch eine Telefonnummer für andere Akteure (Schmalz 2004: 134ff). Den diplomatischen Unterbau der GASP/ESVP bilden das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK), der Militärausschuss (EUMC), der Militärstab (EUMS) mit einer zivil-militärischen Planungszelle und der Ausschuss für zivile Aspekte des Krisenmanagements (CIVCOM). Das PSK beschäftigt sich auf diplomatischer Ebene mit allen Aufgaben der ESVP und bereitet die Entscheidungen für den Rat vor. Es gilt als Scharnierfunktion zwischen politischer und administrativer Ebene (Regelsberger 2004: 270). Das PSK gilt als der Motor der GASP und ESVP (Stinnertz 2003) und nimmt eine zentrale Rolle bei der Beobachtung von Krisensituationen und bei der Entscheidungsvorbereitung für den Rat ein. Es fungiert außerdem als Schnittstelle für den Informationsaustausch zwischen den Institutionen (Stinnertz 2003). In den Gremien des diplomatischen Unterbaus der GASP/ESVP wird die Planung und Organisation des militärischen und zivilen Krisenmanagements bzw. militärischer und ziviler Missionen vorbereitet und bearbeitet.

Die Europäische Kommission wird [ ] in vollem Umfang an den Arbeiten im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik beteiligt (Art. 27 EUV) und erhält so auch in der GASP/ESVP ein Initiativrecht. Zur Verbesserung der Kohärenz und Effizienz der Krisenpräventionsmaßnahmen der EU kann die GASP/ESVP seit dem Vertrag von Nizza 2000 auf Politikfelder aus dem Gemeinschaftsbereich zurückgreifen, wie z.b. die Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfsmaßnahmen oder Kooperations- und Handelsabkommen. Hier hat die Kommission in ihrer Rolle als Initiatorin von europäischem Recht weiterreichende Handlungsfähigkeit. Als problematisch erweist sich aufgrund der unterschiedlichen Entscheidungsabläufe (Algieri 2006: 423) bei dem Instrument der Krisenprävention das Zusammenwirken zwischen den supranationalen Politikfeldern der Europäischen Gemeinschaft (EG) und der intergouvernementalen GASP/ESVP. Mit dem Reformvertrag könnte der institutionelle Rahmen der GASP/ESVP um einen Europäischen Außenminister, nunmehr Repräsentant, erweitert werden. Bei ihm würden alle Fäden der GASP und ESVP zusammenlaufen. Gemeinsam mit der Kommission und dem Rat soll er für die Kohärenz im außenpolitischen Handeln der EU sorgen (Algieri 2006: 427). Mit der zusätzlichen Funktion des stellvertretenden Präsidenten der Kommission erhielte der europäische Außenminister eine Doppelrolle (Schmalz 2004: 137). Zur Unterstützung des Repräsentanten solle ein Europäischer Auswärtiger Dienst (EAD) eingerichtet werden, welcher sich sowohl aus Beamten der Generalsekretariate des Rats und der Kommission zusammensetzen würde als auch aus Diplomaten der Mitgliedsstaaten. Diese Einrichtung wäre ein bedeutender Schritt in die Richtung einer differenzierten Integration, wobei Missionen auch an die Mitgliedsstaaten übertragen werden könnten (Brummer 2005: 114). 2.2 Instrumente In der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wollen sich die Akteure um eine gemeinsame Linie bemühen. Die Effizienz der Arbeitsweise der GASP/ESVP soll durch die Bestimmungen zur verstärkten Zusammenarbeit gefördert werden (Art. 43 EUV). Der Europäische Rat legt hierfür Gemeinsame Strategien fest und beschließt deren Ziele, Dauer und Finanzierung. Der Rat der Außenminister bzw. Verteidigungsminister kann im Zuge dessen Gemeinsame Aktionen und Gemeinsame Standpunkte beschließen, die seit dem

Vertrag von Nizza mit qualifizierter Mehrheit im Ministerrat abgestimmt werden (Giering 2006). Bei Gemeinsamen Aktionen handelt es sich um spezifische Situationen, bei denen ein operatives Handeln der Union notwendig ist. Ziele, Umfang, Finanzmittel und Zeitraum müssen festgelegt werden (Artikel 14 EUV). Bei einem Gemeinsamen Standpunkt der EU bestimmt der Rat ein bestimmtes Konzept z.b. gegenüber Drittstaaten. Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre nationale Politik mit dem Gemeinsamen Standpunkt zu vereinigen (Artikel 15 EUV). Mit der Aufnahme der Petersberger Aufgaben 1997 hat sich der Aufgabenbereich der GASP/ESVP um Aktivitäten im humanitären Bereich und Rettungseinsätze, friedenserhaltende Aufgaben und Kampfeinsätze bei der Krisenbewältigung einschließlich friedensschaffender Maßnahmen erweitert (Art. 17 Abs. 2 EUV). Hiermit konnte eine umfassende Handlungsfähigkeit im Krisenmanagement der GASP und ESVP erreicht werden (Schmalz 2004:125). Der Europäische Rat von Feira 2000 bestimmte die vier Kernbereiche des zivilen Krisenmanagements der EU: Polizei, Rechtsstaatlichkeit, Zivilverwaltung und Bevölkerungsschutz (Brummer 2005: 110). Beim zivilen Krisenmanagement handelt es sich in erster Linie um Krisenprävention. Hier entsendet die Europäische Union beispielsweise europäische Polizei- und Justizbeamte zur Sicherung oder Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit und der öffentlichen Ordnung in einen krisengefährdeten Staat (Weiss 2007: 485). Probleme entstehen vor allem bei den qualitativ unterschiedlichen Voraussetzungen der Funktionsträger, beispielsweise hinsichtlich der unterschiedlichen Ausbildung von Richtern in den europäischen Mitgliedsstaaten und der Ausrichtung des zu bildenden Justizsystems. Hierfür führte der Europäische Rat von Brüssel 2004 einen zivilen Aktionsplan ein, der gemeinsame Interventionsstandards einrichtete (Weiss 2007: 485). Ebenso zum zivilen Krisenmanagement gehört das monitoring, welches vor Ort in den fragilen Staaten eingesetzt wird, denn systematic, reliable and focused information is the starting point for a clear understanding of the nature, extent and location of the problems which exist and for the identification of possible solutions (Arloth/Seidensticker 2007: 31). Jeder Staat bzw. jeder Konflikt benötigt eine andere Strategie und eine andere Expertise (Brummer 2005: 111). Weiterhin zählen zum zivilen Krisenmanagement Stabilisierungsmaßnahmen nach Ende der Gewalthandlungen. Insgesamt absolvierte die ESVP bis heute 17 zivile bzw. militärische Missionen; davon sind sieben bereits beendet, zehn werden zurzeit noch durchgeführt (Kuprian 2007).

Abbildung 1: Zivile und militärische Missionen der EU zivile und militärische Mission der EU militärische Missionen 2003 CONCORDIA: Mazedonien (12/03) zivile Missionen 2002 EUPM: Bosnien und Herzegowina (12/07) 2003 ARTEMIS: Demokratische Republik Kongo (09/03) 2003 EUPOL PROXIMA: Mazedonien (12/05) 2004 EUFOR Althea: Bosnien und Herzegowina (11/07) 2004 EUJUST THEMIS: Georgien (12/05) 2006 EUFOR RD Congo: Demokratische Republik Kongo (11/06) 2004 EUPOL Kinshasa: Demokratische Republik Kongo (06/07) 2005 EUPAT: Mazedonien (06/06) 2005 EUBAM: Moldawien und Ukraine (12/07) 2005 EUSEC DR Congo: Demokratische Republik Kongo (06/07) 2005 AMM: Indonesien (12/06) 2005 AMIS II: Mission zur Unterstützung der AU in Darfur (2008) 2006 EUPOL COPPS: Palästinensische Autonomisgebiete (12/08) 2006 EUJUST LEX: Irak (12/07) 2007 EUPOL Afghanistan: Afghanistan (2010) (Monat/Jahr) = noch nicht abgeschlossen (Monat/Jahr) = abgeschlossen EUPT Kosovo: Kosovo (noch nicht begonnen) Quelle: Eigene Darstellung auf der Grundlage von Kuprian 2007 sowie Rat der Europäischen Union 2007 Um die militärischen Fähigkeiten der GASP/ESVP auszubauen, beschloss der Europäische Rat von Helsinki 1999 das so genannte European Headline Goal. So solle bei einer notwendigen Krisenreaktion der EU innerhalb von 60 Tagen ein Kontingent von 50.000 bis 60.000 Soldaten zur Verfügung stehen und für mindestens zwölf Monate einsatzbereit sein. Diese so genannte Schnelle Eingreiftruppe (European Rapid Reaction Force (ERRF)) deckt das Spektrum der Petersberger Aufgaben ab (Auswärtiges Amt 2006a). Im Jahr 2003 erklärte der Rat der Verteidigungsminister die ERRF für einsatzbereit mit Einschränkungen und Zwänge[n] durch anerkannte Defizite (Brummer 2005: 110). Mit dem Headline Goal 2010 sollen 13 so genannte battle groups, jeweils 1.500 Mann umfassend, innerhalb von zehn Tagen einsatzbereit sein. Diese sollen mit einem Mandat der Vereinten Nationen (UN) agieren, kurze eigenständige Missionen durchführen oder UN-Missionen vorbereiten

(Brummer 2005: 110). Allerdings erweist es sich als problematisch, dass die North Atlantic Treaty Organization (NATO) ähnliche Verbände wie die battle groups unterhält und es daraufhin zu einer Doppelhütigkeit der EU-Mitgliedsstaaten und daraus folgenden Überschneidungen und Missverständnissen kommen kann (Brummer 2005: 112). Dieses Dilemma sollte mit dem Berlin-Plus-Abkommen von 2003 gelöst werden. Hier wird geklärt, wann und wie die ESVP auf Mittel und Fähigkeiten sowie Planungskapazitäten der NATO zugreifen kann. Brummer fragt umgekehrt, inwiefern die NATO auf EU-Mittel und Fähigkeiten zurückgreifen kann (ebda.). Der Reformvertrag sähe für die Durchführung der Instrumente der GASP/ESVP in erster Linie eine Ausdehnung der qualifizierten Mehrheitsentscheidungen in vier Fällen vor: 1. Beschlüsse des Ministerrats bei Gemeinsamen Aktionen und Gemeinsamen Standpunkten; 2. Beschluss des Ministerrats über Gemeinsame Aktionen und Standpunkte, die auf Vorschlag des EU-Repräsentanten zur Debatte stehen; 3. Beschluss des Ministerrats zur Durchführung einer Aktion oder eines Standpunktes und 4. Beschluss des Ministerrats zur Ernennung eines Sonderbeauftragten (Alieri 2006: 427ff). Dennoch würde die Beschlussfassung in der GASP, trotz der geplanten schrittweisen Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik (Art. 17 EUV) weiterhin auf Einstimmigkeit beruhen und somit die Mitgliedsstaaten die Hauptakteure in der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik bleiben. Im Rahmen des Krisenmanagements ist eine Ausweitung und Spezifizierung der Petersberger Aufgaben geplant, welche die Handlungsfähigkeit der Union erweitern würden (Brummer 2005: 114). 2.3 Die Europäische Sicherheitsstrategie Der Irak-Krieg im Jahr 2003 spiegelte die Handlungsunfähigkeit der Europäischen Union in der GASP und der ESVP wider. Divergierende nationale Einstellungen zum Irak-Krieg hinderten die Europäische Union an einem geschlossenen Auftreten. Im Dezember 2003 verabschiedete daraufhin der Europäische Rat die vom Hohen Vertreter der GASP, Javier Solana, ausgearbeitete Europäische Sicherheitsstrategie. Darin stellt er neue globale Herausforderungen wie neue Kriegsformen, AIDS und die Globalisierung heraus und definiert die fünf größten Hauptbedrohungen der internationalen Sicherheit: Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte, Scheitern von Staaten und organisierte Kriminalität (Europäische Sicherheitsstrategie 2003: 3-5). Die strategischen Ziele

umfassen die Abwehr von Bedrohungen, die Stärkung der Sicherheit der Nachbarschaftsregionen und die Umsetzung einer multilateralen Weltordnung (Algieri 2006: 431). Solana fordert eine aktivere Politik der EU, um neuen, ständig wechselnden Bedrohungen entgegenzuwirken (Rat der Europäischen Union 2003: 11). Weiterhin fordert er mehr Handlungsfähigkeit der europäischen Politik in den Bereichen des militärischen und zivilen Krisenmanagements, Effizienz, Kohärenz, verstärkte diplomatische Fähigkeiten und gemeinsame Bedrohungsanalysen. In dieser Hinsicht sollen eine verstärkte Kooperation und Austausch zwischen den Mitgliedsstaaten sowie ein breiteres Spektrum der Missionen (d.h. Entwaffnung von Konfliktparteien, institution building, peacebuilding und peacekeeping) erreicht werden. Zu guter Letzt sollen entsprechende Dauervereinbarungen zwischen EU und NATO die Einsatzfähigkeit der EU im Rahmen der strategischen Partnerschaften verbessern (Europäische Sicherheitsstrategie 2003: 12f). Mit der Erfüllung der Forderungen der Europäischen Sicherheitsstrategie könnte sich die Europäische Union durchaus als global player etablieren. 3. Die Demokratische Republik Kongo als Einsatzgebiet der Europäische Union Die Europäische Union bemüht sich seit den 1990er Jahren in der Demokratischen Republik Kongo (im folgenden DR Kongo), den zu dieser Zeit beginnenden Demokratisierungsprozess zu fördern. Auch Javier Solana erklärte in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung am 12.07.2006: Die Stabilisierung der Republik Kongo nimmt bei den Bemühungen der EU einen besonderen Platz ein. Die Demokratische Republik Kongo ist zweifelsohne das Herz des afrikanischen Kontinents. Ihre zentrale Lage, ihre Größe und ihre Schätze machen aus ihr ein Land von maßgeblicher Bedeutung (Solana 2006: 1) Die DR Kongo gehört zu den zerfallenen Staaten und nimmt dem Failed States Index (2007) zufolge den siebten Platz unter den instabilen Staaten ein. 1 In der Fallstudie zur DR Kongo 2 wurde das Land bereits als Victim of its Wealth mit seinen Schattenseiten aus Korruption, Menschenrechtsverletzungen und der stetigen Behinderung der Demokratieentwicklungen vorgestellt. Seit seiner Unabhängigkeit 1960 ist das Land von den Machthabern Mobutu Sese 1 Der Failed States Index 2007 ist abrufbar unter http://www.foreignpolicy.com/story/cms.php?story_id=3865, zuletzt abgerufen 06.08.2007. 2 Siehe dazu Beitrag von Kopp/von Kleinsorgen in diesem Band.

Seko, Laurent Désiré Kabila und Joseph Kabila, von immer wiederkehrenden Krisen und Kriegen geprägt. 3.1 Die Politik der EU Anfangs setzte die EU im Kongo auf ziviles Engagement und den Grundsatz, dass afrikanische Kriege und Konflikte zuerst durch eigene Initiativen beendet werden sollten (Ferdowsi 2004: 273). Die EU-Mitgliedsstaaten legten zur Umsetzung der Kongopolitik einen Zielkatalog vor, der die Wahrung der Integrität der Länder in der Region der Großen Seen, die freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen und die Fortsetzung des Demokratisierungsprozesses beinhaltete. Die praktische Politik war jedoch nicht deckungsgleich mit diesem Zielkatalog. In den ersten Jahren der EU-Kongo-Beziehungen wurde die Behinderung der Demokratisierungsversuche durch Mobutu Sese Seko mittels der Einstellung von Entwicklungszusammenarbeit 1992 und des Verhängens eines Waffenembargos 1993 bestraft (Krause 2002: 27). Der Ausbruch des ersten afrikanischen Weltkrieges 1998 führte dazu, dass die EU neben der Formulierung von Stellungnahmen und gemeinsamen Standpunkten auch einen Sonderbeauftragten für die Region der Großen Seen einsetzte. Mit der Gemeinsamen Aktion vom 20. Februar 2006 wurde das Mandat des Sonderbeauftragten Aldo Ajello verlängert. Dies weist daraufhin, dass die EU bei dieser Position auf Kontinuität setzt (Amtsblatt der Europäischen Union 29.04.2006: 1). Die Sanktionspolitik wurde auch an das 1999 geschlossene Friedensabkommen von Lusaka und an eine Beteiligung bei der Entspannung in der Region geknüpft. Das Friedensabkommen wurde nicht umgesetzt und die EU stellte in Folge die Entwicklungsarbeit zwischen 1998 und 2000 mit der DR Kongo ein; andere Staaten wurden allerdings nicht sanktioniert (Krause 2002: 28). Der Tod von drei Millionen Menschen, die direkt oder indirekt durch den ersten afrikanischen Weltkrieg ums Leben kamen, führte zu einer Abkehr der auf ziviles Engagement fokussierten Politik der EU (Ferdowsi 2004: 273). Seitdem Joseph Kabila die Macht übernommen hat, fanden seit 2003 vier Operationen und Missionen statt. Es zeigt sich, dass die EU durch die politische Neuorientierung, den Machtwechsel und die angekündigten Wahlen die Möglichkeit sah, die Demokratisierungsbemühungen des zerfallenen Staates DR Kongo zu unterstützen.

3.2 Operationen und Missionen der EU in der DR Kongo Die folgende Tabelle stellt einen tabellarischen Überblick über die Operationen und Missionen der EU in der DR Kongo dar. Abbildung 2: Überblick über die Operationen und Missionen Art Name Zeit Dauer Personal Aufgaben Militäroperationen Artemis 1.6.-30.9.2003 4 Monate 1800 Soldaten Stabilisierung der Sicherheit und der humanitären Lage in Zivile Missionen EUFOR Congo EUPOL Kinshasa EUSEC Congo RD DR Bunia 30.07.-30.11.2006 4 Monate 2400 Soldaten Unterstützung UN- Monuc für den Zeitraum der Wahlen 30.04.2005-30.06.2007 29 Polizisten und Zivilisten, 2006: Aufstockung um 40 Personen 08.05.2005-20.06.2007 2 Jahre, 2 Monate 2 Jahre, 1 Monat Quelle: eigene Darstellung nach Kuprian 2007: 4-15 Höchstens 10 Experten (Stand 05/07: 8 Zivilisten) Unterstützung beim Aufbau einer Integrated Police Unit (IPU) Unterstützung bei Reform Sicherheitssektors Anhand der Abbildung 2 ist zu erkennen, dass die militärischen Operationen Artemis und EUFOR RD Congo auf vier Monate begrenzt waren. Die beiden zivilen Missionen laufen seit April und Mai 2005 und endeten im Juni 2007, nachdem sie durch die Verzögerung der kongolesischen Wahlen teilweise mehrmals verlängert wurden. der des Die Militäroperation Artemis entsandte 1.800 Soldaten nach Bunia im Osten der DR Kongo, um dort zur Stabilisierung der Sicherheit und der humanitären Lage beizutragen. Aufgaben waren der Schutz des Flughafens, der Zivilbevölkerung, des UN-Personals und der humanitären Hilfskräfte vor Ort. Die Operation fand unter französischer Führung statt, die 1.400 der 1.800 Soldaten stellten. Die 350 beteiligten deutschen Bundeswehrsoldaten (Sanitätskräfte) waren in Uganda stationiert (Ferdowsi 2004: 274). Der Militärexperte Rolf Clement urteilt, dass Aufwand und Ertrag nicht in einem vertretbaren Verhältnis standen. Er beurteilt den Einsatz als zu kurz, zu begrenzt und ohne einen dauerhaften Erfolg (Clement 2004: 45). Bei der Polizei- und Polizeiberatungsmission EUPOL Kinshasa arbeitet die EU eng mit den Vereinten Nationen zusammen. Der Europäische Rat verlängerte die Mission insgesamt dreimal das letzte Mal bis zum 30. Juni 2007. Die Mission, bestehend aus 29 Personen, darunter zwölf Franzosen, sechs Portugiesen, vier Italiener, zwei Niederländer, zwei Belgier, ein Schwede, ein Kanadier und ein Türke (Pressedokument EUPOL Kinshasa 2006: 1), sollte die Entwicklung der Integrierten Polizeieinheit (IPU) begleiten und unterstützend bei der Integration der IPU in die bestehende Polizei (PNC) tätig

werden. Eine weitere Maßnahme ist die Hilfe für die kongolesische Polizei bei der praktischen Umsetzung der Sicherheitssektorreform, die im nächsten Abschnitt behandelt wird. Seit der Wahl 2006 wurde die Mission um ca. 40 Personen aufgestockt (Europäische Kommission 2006). Die Sicherheitssektorreform-Mission EUSEC DR Congo hat zur Aufgabe, die kongolesischen Behörden bei der Reform und der Integration der kongolesischen Armee zu unterstützen (Kuprian 2007: 13). Sie ergänzt so die Mission EUPOL Kinshasa, die Hilfe bei der praktischen Umsetzung leisten soll. Seit der Wahl 2006 hat die Mission zusätzlich die Aufgabe, die neu gewählte Regierung bei der Sicherheitssektorreform zu beraten und zu unterstützen. Die Mission wurde durch eine Gemeinsame Aktion des Rates am 25. April 2006 bis zum 20. Juni 2007 verlängert. 3.3 Mission EUFOR RD Congo Im weiteren Teil wird besonderes Augenmerk auf die Militäroperation EUFOR RD Congo gelegt. In der DR Kongo fanden im Juli 2006 die ersten freien Parlaments- und Präsidentschaftswahlen seit 45 Jahren statt. Die politische Situation führte zur mehrfachen Verschiebung der Wahlen. Diese Lage war sicherlich ein Grund, warum Jean-Marie Guehenno, Untergeneralsekretär für Friedenssicherung der Vereinten Nationen, die EU für den Zeitraum der Wahlen in der DR Kongo um einen europäischen Einsatzverband als Abschreckungsverbände und Reservekräfte (Henken 2006: 9) bat. Dieser sollte die 17.000 Blauhelme der UN-MONUC-Truppe (MONUC) unterstützen. Bei MONUC handelt es sich um eine UN-Mission, die seit dem Jahr 2000 und, nach Aufstockungen u.a. im Jahr 2003, mit mittlerweile bis zu 17.000 Blauhelmen in der DR Kongo versucht, die Kampfhandlungen im Land unter Kontrolle zu bringen, die das Waffenembargo und den Demokratisierungsprozess überwacht. Am 25. April 2006 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat einstimmig die Resolution 1671, mit der die EU ein Mandat für die Operation EUFOR RD Congo erhielt. Die Resolution umfasst folgende Punkte (Sicherheitsrat der Vereinten Nationen 2006: 1-3): - Unterstützung von MONUC zur Stabilisierung in case MONUC faces serious difficulties in fulfilling its mandates,

- Schutz der Zivilbevölkerung, without prejudice to the responsibility of the Government of the Democratic Republic of Congo, - Schutz des Flughafens von Kinshasa, - zeitliche Begrenzung auf vier Monate. Der Rat einigte sich am 27. April 2006 auf einen EU-Militäreinsatz in der DR Kongo. Die autonome EU-Operation, die aber in enger Verzahnung mit MONUC durchgeführt wurde, fand im Rahmen der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik statt. Die EU kann zur Durchführung von Operationen entweder auf die NATO-Kapazitäten zurückgreifen oder nicht. Im ersten Teil wurde bereits erwähnt, dass die EU keine mit der NATO vergleichbare integrierte Militärstruktur zur Planung und Leitung militärischer Operationen hat. Die EUFOR-Mission ist eine stand-alone-operation der EU, die ohne Rückgriff auf die NATO durchgeführt wurde. In einem solchen Fall kann die EU auf die Hauptquartiere der Mitgliedstaaten zurückgreifen (Brummer 2005: 112). Im Fall der EUFOR-Mission wurde das Hauptquartier beim Einsatzführungskomitee der Bundeswehr in Potsdam angesiedelt und der deutsche Generalleutnant Karlheinz Viereck, der die Operation von dort aus leitete, wurde zum Befehlshaber der EU-Operation ernannt (Amtsblatt der Europäischen Union 29.04.2006: 2). Im Kongo wurde ein Force Headquarter (FHQ) unter Führung des französischen Generalmajors Christian Damay initialisiert, welches für die Durchführung der Operation im Einsatzgebiet zuständig war. Das deutsche Kontingent in der DR Kongo wurde durch den stellvertretenden Befehlshaber Flottillenadmiral Henning Bess geführt (Glowik 2006). Die EUFOR-Operation wurde durch eine multinationale Eingreiftruppe durchgeführt, an der sich 21 EU-Mitglieder und die Türkei als Nicht-EU-Mitgliedstaat beteiligen (Rat der Europäischen Union 2005). Deutschland und Frankreich stellten dabei die Hauptteile der EUFOR-Truppe, die zu großen Teilen im benachbarten Gabun stationiert wurde (over the horizon force). Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schrieb dazu, dass es diesmal für Deutschland um die Führungsrolle, nicht nur ums Mitmachen gegangen sei (Bacia 2006). Die angegebenen Truppenzahlen variierten von 1.700 bis 2.500 Soldaten. Das Auswärtige Amt sprach von insgesamt 2.400 Soldaten, die in Kinshasa und Gabun im Rahmen der EUFOR- Mission stationiert wurden. Die deutsche Beteiligung betrug bis zu 780 Soldaten, davon 500 Einsatzkräfte und 280 Unterstützungskräfte für Logistik und Sanitätseinheiten (Auswärtiges Amt 2006).

Die politische Kontrolle und strategische Leitung der EUFOR-Mission übernahm das PSK, das durch den Rat zur Beschlussfassung ermächtigt wurde. Die Entscheidungsbefugnis über die Zielsetzung und die Beendigung blieb weiterhin beim Rat, den der Hohe Vertreter Javier Solana unterstützte. Die militärische Leitung übernahm der Militärausschuss der EU (EUMC). Bei militärischen Operationen gilt prinzipiell, dass die teilnehmenden Staaten auch die Kosten tragen müssen (Weiss 2007: 488-489). Die finanziellen Belastungen für Unterkünfte, Kasernen und Transporte der Soldaten wurden nicht als gemeinsame Kosten gerechnet, sondern auf die einzelnen Mitgliedstaaten verteilt. So ist auch der relativ niedrige EU-Finanzrahmen von 16,7 Millionen Euro zu erklären (Amtsblatt der Europäischen Union 29.04.2006: 2). Allein die deutschen Kosten (Bacia 2006) der Mission beliefen sich auf 56 Millionen Euro. 3 3.4 Die Diskussion über die Entsendung der deutschen Bundeswehr Die EUFOR-Mission basiert auf der Grundlage der UN-Resolution 1671 und der Gemeinsamen Aktion der Europäischen Union. Diese kann jedoch nur durch deutsche Soldaten ausgeführt werden, wenn der Bundestag ihr zustimmt. Die Entscheidungsfindung und Diskussion, die dadurch in der Öffentlichkeit ausgelöst wurde, sollen im folgenden Abschnitt näher dargestellt werden. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages informierte die Abgeordneten vorab, dass diese bevorstehenden ersten freien Wahlen [ ] für die DRK das Ende der mehr als 40 Jahre währenden, immer wieder aufflammenden Kampfhandlungen bedeuten, denen Millionen von Menschen zum Opfer fielen (Nitsche 2006: 2). Die Durchführung von Wahlen als wichtiges Element der Demokratisierung galt vielen Befürwortern als Argument für den Bundeswehreinsatz. Die Diskussion um einen möglichen Einsatz der Bundeswehr im Kongo wurde jedoch aufgeheizt durch die Aussage des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe, dass die Vorbereitungen unzureichend seien (FAZ 2006). Eine weitere Wortmeldung (Deutschlandradio 2006) kam von dem Verteidigungsexperten Rolf Clement, der argumentierte, dass der Einsatz nicht überzeugend begründet wurde und in der geplanten Form auch keinen Sinn mache. Er wiederholte seine Einschätzung der Artemis-Mission 2003 3 Die Gesamtkosten für die Organisation der Wahlen betrugen 428 Millionen US-$. Die Wahlen in der DR Kongo sind somit die größten und teuersten jemals mit Hilfe der UN organisierten Wahlen (Auswärtiges Amt 2006).

auch bezüglich der EUFOR RD Congo-Mission. Für ihn müsse die EU deutlich machen, dass sie in der Lage sei, eine durch die EU geführte Mission zu übernehmen. Das Interesse der EU sei legitim, aber aus dem falschen Anlass heraus. Der außenpolitische Sprecher der Freien Demokratischen Partei Deutschland (FDP), Werner Hoyer, stellte die nachhaltige Wirkung einer solchen Mission in Frage (Deutschlandradio 2006a). Die Frage, die sich Politiker und Bürger stellten, war, ob es eine Aufgabe der Bundeswehr sei, die Wahlen in der DR Kongo zu begleiten, um einen friedlichen Verlauf zu gewährleisten (Bundestag 2006). Die Beantwortung dieser Frage fiel im Bundestag mit 440 Ja-Stimmen positiv für die Beteiligung der Bundeswehr am EUFOR-Einsatz aus. 135 Abgeordnete stimmten dagegen und sechs enthielten sich. Durch die namentliche Abstimmung ist genau nachvollziehbar, welcher Abgeordnete wie abstimmte. Die Friedensforschung der Universität Kassel hat eine website mit verschiedenen Einzel- oder Gruppenerklärungen von Abgeordneten bezüglich ihrer Entscheidung über die Entsendung zusammengestellt (AG Friedensforschung an der Universität Kassel 2006). Zu erkennen ist bei vielen Nein-Stimmen, dass die Langfristigkeit, aber auch die Effizienz eines Einsatzes von 2.400 Soldaten bezweifelt wird. Zudem wurde die schlechte Organisation und Absicherung der Bundeswehrsoldaten kritisiert. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Kritikpunkte stellt sich die Frage nach den Kriterien, die dem Einsatz zugrunde lagen. Wenn auf diese Weise bei der Demokratisierung eines zerfallenen Staates Hilfe geleistet werden sollte, dann ist die Truppenstärke, die Stationierung der over the horizon force und die Dauer des Einsatzes auf ihre Effizienz und Effektivität besonders mit dem Fokus auf die hohen Kosten zu bewerten. Um die Operationen und Missionen, aber auch die Akteursqualität der EU zu bewerten, müssen eigenständige Kriterien angelegt bzw. erarbeitet werden. Die Erarbeitung von Bewertungskriterien soll im nächsten Punkt vorgestellt werden. 3.5 Bewertung der Effizienz und Effektivität der Strategien Das folgende Kapitel versucht die von der Europäischen Union verwandten Instrumente und Strategien zu bewerten. Es beschränkt sich auf die EUFOR RD Congo-Mission im Jahr 2006. Deren Ziel war es, einen friedlichen Verlauf der Wahlen in der DR Kongo zu sichern. Eine demokratisch gewählte Regierung sollte daraufhin die Ressourcenausbeutung im Kongo

reformieren, um der kongolesischen Bevölkerung Zugang zu deren Nutzung zu verschaffen. Kriminelle Ausbeuter sollten durch die Einsetzung einer gewählten, demokratischen Regierung verschwinden und eine gerechte Wirtschaftsordnung das Ziel der Wahl sein (Schadomsky 2006). Dass dieses Konzept nicht ganz aufging, sollte sich noch zeigen. In der EUFOR-Mission unterstützten 2.400 Soldaten die UN-Blauhelm-Truppe MONUC. Ein Großteil der EU-Soldaten wurde im etwa 800 km entfernten Gabun stationiert. Es sollte dort für Notevakuierungen der europäischen Wahlbeobachter im Raum Kinshasa bereitstehen. Doch genau dies erscheint unnötig: MONUC hatte sich seit dem Jahr 2000 ein flächendeckendes Luftverkehrsnetz in der DR Kongo geschaffen, da das Land über keine befestigten Fernstraßen verfügt. Zu ihrer Ausstattung zählen über 24 Flugzeuge, darunter zwei Boeing 727, drei Iljushin-76 und 62 Hubschrauber (MONUC 2006). Mit diesen Mitteln hätte MONUC die zeitnahe Evakuierung von bis zu 200 Wahlbeobachtern garantieren können. Die dafür vorgesehenen EU-Truppen [ ] sind dafür überflüssig. (Henken 2006). Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der geringen Anzahl der europäischen Helfer. Diese sollten abschreckend auf die Privatarmeen des damaligen Präsidenten Kabila und seines Gegners Bemba wirken. Schätzungen über deren Truppenstärken reichten von 300 bis 6.000 Soldaten auf Bembas Seite,. Kabilas Truppen wurden auf 7.000 bis 15.000 Elitesoldaten (Denis M.Tull 2006: 2) geschätzt. Im schlimmsten Fall hätten also 500-700 EU-Soldaten zusammen mit einer 1.500 Mann starken EU-battle-group und der aus Gabun herbeigeorderten Reserve von 1.100 Mann einer Übermacht von bis zu 21.000 Bewaffneten gegenübergestanden. An Abschreckung war also nicht zu denken. Auch der Eigenschutz der EU-Soldaten wäre in diesem Fall nicht mehr gewährleistet gewesen. Der Einsatz erwiese sich als unsinnig (Henken 2006). Hätten jedoch die niedrigen Schätzungen über die verfeindeten Truppenstärken zugetroffen, so wäre von ihnen keine tatsächliche Gefahr ausgegangen. Die Bundestags-Drucksache vom Mai 2006 berichtet dazu: Beobachter gehen mehrheitlich davon aus, dass diese Wahlen friedlich verlaufen werden. [ ] Es liegen zurzeit keine konkreten Erkenntnisse darüber vor, dass es im Umfeld der Wahlen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen kommen wird, die von den kongolesischen Ordnungskräften nicht bewältigt werden können. (Bundestag 2006a).

Denis M. Tull von der Stiftung Wissenschaft und Politik erwähnt in seiner Studie Denkbare Szenarien (2006) zur Wahl im Kongo Jean Pierre Bembas Miliz überhaupt nicht. Tull sah also keine wirkliche Gefahr durch gewalttätige Übergriffe Bembas. Auch in diesem Fall wären EU-Abschreckungskräfte überflüssig gewesen (Tull 2006: 2). Ziel und Aufgaben dieser EU-Mission scheinen sich also bei näherer Betrachtung zu relativieren. Denn MONUC und die kongolesischen Sicherheitskräfte wären den sich stellenden Problemen durchaus alleine gewachsen gewesen (Henken 2006). Ein weiterer Kritikpunkt der EU-Wahl-Mission ist im Missverhältnis des militärischen Etats zu dem der humanitären Hilfe zu sehen. Den Kosten von 56 Mio. Euro für den Bundeswehreinsatz stehen nur 2,2 Mio. US-$ für den UN-Aktionsplan für Nahrungs- und Gesundheitsvorsorge im Kongo gegenüber. Diese Diskrepanz zeigt die unterschiedliche Wertung der im Land vorherrschenden Probleme. Trotz der deutschen Führungsspitze waren an der EUFOR-Mission hauptsächlich französische Soldaten beteiligt. Aus Frankreichs Nähe zu Präsident Kabila ergab sich ein entscheidendes Loyalitätsproblem der kongolesischen Bevölkerung zur EU-Truppe: Die Soldaten wurden als Unterstützer und Garant für Kabilas Wahlsieg angesehen, anstatt als neutrale und unabhängige Mittler (Gegout: 427f.). Interessant ist auch, dass die EU-Mission zwar von den UN, aber nicht von der kongolesischen Bevölkerung oder ihrer Übergangsregierung gewünscht wurde. Dazu berichtete Der Spiegel am 30.01.2006: Die Regierung in Kinshasa, meldete der Diplomat [der deutsche Botschafter Reinhard Buchholz, Anm. d. Verf.] kürzlich nach Berlin, sehe für die Europa-Truppe keinen Bedarf. Welche Bilanz ist zum EU-Einsatz und den Wahlen in der DRK zu ziehen? Wie geplant, endete der Einsatz fristgerecht zum 30. November 2006. Trotz der kongolesischen Sicherheitsbeamten und ausländischen Truppen wurden ca. elf Wahllokale zerstört. Wahlzettel verschwanden und konnten nur mit Hilfe von MONUC rechtzeitig nachgeliefert werden. Teilweise erhoben korrupte Beamte Zölle für diejenigen, die sich zum Wählen registrieren lassen wollten. In einigen Wahlkreisen tauchten gefälschte Wählerlisten auf und Jugendlichte versuchten, sich Stimmrecht mit Gewalt zu erkämpfen. Dennoch verlief in 90 Prozent der 1.086 Wahllokale, die von der EU überwacht wurden, der Wahlprozess gut bis sehr gut. Der einzige die Wahl gefährdende Zwischenfall war ein Angriff auf das Anwesen

von Vizepräsident Bemba am Tag der Veröffentlichung der Wahlergebnisse, dem 21. August 2006. Die EUFOR-Truppen konnten jedoch die Ausbreitung der Gewalt in Zusammenarbeit mit MONUC verhindern (Kuprian 2007). Im Anschluss an die Wahl kam es zu einigen Problemen bei der Auszählung der Stimmen: Wahlzettel wurden weggeworfen und verbrannt. In einigen Fällen stimmten die Zahlen der Auszählungen nicht mit den registrierten Wählern überein. EU-Beobachter in der Region Ituri klagten über eine starke Behinderung ihrer Arbeit. Auch wurden LKW mit Wahlmaterial geplündert (Human Rights Watch 2007). Insgesamt verlief die Wahl am 30. Oktober weitgehend friedlich. Nur in der Provinz Equateur wurden zwei Anhänger Bembas erschossen, als sie ein Wahllokal, dessen Urnen schon vor seiner Öffnung mit Kabila-Stimmen gefüllt waren, stürmen wollten (Schwabe 2006). Am 15. November wurde der offizielle Wahlsieg Kabilas verkündet. Aus Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen flohen einige Bemba-Anhänger in die Republik Kongo. Insgesamt sechs Einsprüche gegen Unregelmäßigkeiten der Wahl wurden abgewiesen und Kabila übernahm erneut das Amt des Präsidenten. In seiner Antrittsrede skizzierte er seine Vorhaben für die kommende Regierungszeit: Kampf gegen Korruption und die bisher vorherrschende Straflosigkeit. Er betonte die Prinzipien der verantwortlichen Regierungsführung, Demokratie und Rechtstaatlichkeit (Ostheimer 2006). Eine neue, demokratisch legitimierte Regierung war gewählt. 3.6 Kriterien zur Intervention An welchen Kriterien sollen EU-Missionen nun gemessen werden? Was sollten Ziel und Leitbild aller europäischen Einsätze sowohl im Zivilen als auch im Militärischen sein? Folgende Zielsetzungen lassen sich aus dem Einsatz in der DR Kongo im Jahr 2006 ableiten: 1. Die Aufgaben einer Mission müssen klar abgesteckt und Ziele eindeutig formuliert sein. Dies war bei EUFOR mit Ziel (Absicherung demokratischer Wahlen) und Zeitraum (Juli bis November 2006) gegeben. 2. Alle zivilen Maßnahmen sollten langfristig wirken, um eine dauerhafte Stabilisierung der betroffenen Region zu gewährleisten. Militärische Maßnahmen sollten nach dem Prinzip

Schnell rein, schnell wieder raus erfolgen. 4 Bei EUFOR ging es jedoch um die kurzfristige Sicherung eines unsicheren und gefährlichen Zustands. Nicht die Demokratisierung eines Landes, sondern lediglich eine Wahl war das sicherheitspolitische Ziel der EU. 3. Jede Maßnahme sollte an den Konfliktursachen orientiert sein (Aktionsplan der Bundesregierung 2004). An Symptomen orientiertes Handeln wirkt nur kurzfristig und ist deshalb wenig effizient. So konterkarierte beispielsweise Großbritannien das Ziel der Friedenssicherung im Kongo, denn noch im Jahr 1999 lieferten die Briten Waffen an Bembas Armee (Krause: 28). 4. Professionelles Personal und dessen Ausstattung sind Grundlage einer erfolgreichen Mission. Die verwendeten Ressourcen müssen den Problemen im Konfliktgebiet angemessen sein. Jede Strategie muss auf das jeweilige Eingriffsland, die spezifischen Ursachen und die Dauer des Einsatzes abgestimmt werden. Schlecht ausgebildete Soldaten oder ein Mangel an Waffen und Fahrzeugen führen zur Bedeutungslosigkeit so manches Einsatzes. In der DR Kongo zeigte sich 2006 ein eklatanter Mangel an Soldaten. Sie wären im Ernstfall den verfeindeten Truppen ausgeliefert gewesen und hätten sich selbst mit der Mission mehr geschadet als sie dem Land hätten helfen können. 5. Eine aktive Kommunikationspolitik zwischen der EU und der betroffenen Bevölkerung sowie den Schlüsselpersonen des Konflikts und anderen internationalen Akteuren ist unablässig für ein Gelingen der Mission. In der DR Kongo zeigt sich der Mangel an Kommunikation in der Ablehnung der Mission durch die Bevölkerung und das Übergangsparlament. Die EU-Truppen wurden als Befürworter Kabilas und damit als nicht unabhängig angesehen (Gegout: 427f.; Henken 2006). 6. Transparenz und ständiger Informationsaustausch mit den Interventionspartnern erleichtern die Arbeit. Dazu ist eine gemeinsame Sprache nötig, denn oftmals gab es in der Vergangenheit Verständigungsschwierigkeiten zwischen französisch- und englischsprachigen Beteiligten. Auch die Erhöhung der Frequenz regelmäßiger Arbeitstreffen ist im Zweifel hilfreich, um eine gemeinsame Linie zu schaffen. 4 Eigenes Gespräch mit Roland Zinzius, Stellvertretender Leiter der zivil-militärischen Zelle in Brüssel, am 05.06.2007 im Rahmen der Exkursion nach Brüssel des Instituts für Politische Wissenschaft der Friedrich- Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg vom 04.06-07.06.2007.

7. Die beteiligten Akteure müssen trotz eigener Verantwortungsbereiche mit einer gemeinsamen Strategie und gemeinsamen Zielen zusammenarbeiten. Erleichtert würde dies durch eine gemeinsame Planungszentrale, wie sie zum Beispiel bei der ARTEMIS-Mission Kongo in Frankreich eingerichtet wurde (Brummer 2005: 112, 224,226). 8. Krisenprävention sollte stets nicht-militärischer Natur sein und möglichst lange vor dem Ausbruch von Gewalt ansetzen. Eine bewaffnete Intervention kann zivile Konfliktbewältigungsmaßnahmen und die Bekämpfung struktureller Krisenursachen nicht ersetzen (Aktionsplan 2004: 5-6). Nach jahrzehntelangen Bürgerkriegen in der DR Kongo ist eine Prävention nicht mehr möglich. Den Schwerpunkt der Intervention auf den zivilen Bereich zu legen, wie es auch bei der Wahlbeobachtung der Fall war, war sicherlich ein richtiger Schritt. 9. Letzter und wichtigster Punkt: Von außen eingreifende Akteure müssen auf unbedingte Unabhängigkeit gegenüber den Konfliktparteien achten. 5 Nur so schaffen sie es, eine Vertrauensbasis in der Bevölkerung zu gewinnen und glaubwürdig im Sinne der angestrebten Ziele zu sein. Auch kulturelle Sensibilität ist ein entscheidender Faktor für die Akzeptanz einer fremden Macht im Land. 3.6 Fazit Die Wahlbeobachter-Mission EUFOR RD Congo bot der Europäischen Union die Gelegenheit, sich als globaler Akteur mit militärischer Macht zu erproben. Die Union demonstrierte Einheit unter ihren Mitgliedstaaten und bewältigte die gegebenen Aufgaben innerhalb der Rahmenbedingungen einigermaßen erfolgreich. Ex-General Klaus Naumann, früherer Generalinspekteur der Bundeswehr und Chef des NATO-Militärausschusses, sieht dies ebenso. Er findet den einzigen und entscheidenden Grund [für den Kongo-Einsatz] darin, zu zeigen, dass Europas Sicherheitspolitik beginnt, handlungsfähig zu werden. (Neue Osnabrücker Zeitung, 03.04.2006). Eine Symbolpolitik also, die sowohl nach innen als auch nach außen ihre Wirkung hatte: Die Bevölkerung der Europäischen Union sollte an die Militarisierung der EU gewöhnt werden, 5 Vergleiche hierzu den Beitrag von Mujic/Schmalz in diesem Band.

globale Akteure wie NATO und UN das Erstarken des EU-Einflusses in der Welt zur Kenntnis nehmen (Henken 2006).

4. Prognose zur Außenpolitik der EU Ist nun also die Europäische Union in der Lage, adäquat auf die Krisen und Konflikte zerfallener und zerfallender Staaten zu reagieren? Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik befindet sich noch im Aufbau. Für Javier Solana entwickelt sie sich mit Lichtgeschwindigkeit (Solana in Neue Züricher Zeitung, 12.07.2006), Gisela Müller- Brandeck-Bocquet sieht die ESVP dagegen noch im Stadium eines Embryos (Vortrag am 24.04.2007 im EU-Café, Zentralinstitut für Regionalforschung und Volkshochschule der Stadt Erlangen). Deshalb fehlt den Instrumenten der ESVP eine umfassende Erprobung in der Praxis. Bisher führte die EU 17 Einsätze dieser Art durch davon vier militärische und dreizehn zivile Operationen und Missionen. Ihre Bewertung fällt schwer, denn die EU kommuniziert die Erfolge ihrer Einsätze umfassend und verschweigt weitestgehend Schwierigkeiten (Kuprian 2007: 18). Eine objektive und kritische Betrachtung der Materie ist deshalb zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich. Man kann jedoch festhalten, dass die EU den Schwerpunkt auf zivile Interventions-Instrumente legt. Mit dem Mittel des monitorings versucht sie, Krisen schon im Entstehen zu verhindern. Prävention statt Intervention ist das Credo der EU. Die Staatengemeinschaft verfolgt laut Müller-Brandeck-Bocquet (2007) einen so genannten dualen Ansatz. Militärische und zivile Kapazitäten werden verzahnt, um im Einsatzland ein optimales Ergebnis zu erzielen. Der duale Ansatz stellt für die EU ein Alleinstellungsmerkmal dar. Die Referentin sieht für die Zukunft so genannte hybride Einsätze als angemessene Lösung im Krisenfall zerfallender Staaten. Militärische und zivile Operationen laufen nacheinander und miteinander verzahnt ab. Besonders wichtig sind hierbei die zivilen Maßnahmen. Sie festigen die Strukturen des betroffenen Landes, um ein weiteres militärisches Eingreifen zu verhindern. Mit der Ausbildung von Polizisten, der Entsendung von Rechtsexperten und Kata-strophenschützern schafft die EU eine Grundlage zur Bildung eines funktionierenden Staates. Dies war zum Beispiel mit den EUPOL- und EUSEC- Missionen von 2005 bis 2007 in der DR Kongo der Fall. Ist dies nun also das neue Leitbild Europas? Das Paradigma der softpower Europas scheint überholt. Die Einbeziehung militärischer Kapazitäten verändert die Interventionsstrategien hin zu einer Zivilmacht mit Zähnen (Auswärtiges Amt 2006). Doch ob die bestehenden Strukturen den Herausforderungen globaler Krisen gewachsen sind, ist fraglich. So besteht

zum Beispiel die Polizeimission der EU EUPOL aus nur 77 Personen (Europäische Kommission 2006). Auch die Aufstockung der europäischen Kriseninterventionskräfte auf 60.000 Mann hat Folgen (Brummer: 112): Die organisatorischen Kapazitäten der EU könnten damit an ihre Grenzen stoßen. Schon heute herrscht ein eklatantes Transportproblem. So müssen russische Transportflugzeuge angemietet werden, um EU-Truppen ins Einsatzland zu verlegen. Die aktuelle und kontrovers geführte Diskussion um den Fortgang des Reformvertrags ist entscheidend für GASP und ESVP. Gerade für die GASP hätte ein neuer Vertrag grundlegende Änderungen zur Folge: Ein europäischer Außenminister unter dem Namen Repräsentant könnte seine Arbeit aufnehmen. Die Entscheidungen in der GASP und ESVP könnte durch die so genannte Passerelle-Klausel schneller und leichter gefunden werden. Die Klausel ermöglicht eine Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im Rat der Europäischen Union, soweit der Europäische Rat dies einstimmig beschließt; zudem wäre diese Änderung nicht einem Ratifizierungsprozess unterworfen (Europa-digital o.j.). Die internationalen Gemeinschaft, allen voran die Vereinigten Staaten, wünschen sich eine selbstbewusste EU, die als eigenständiger Akteur in schwachen und zerfallenden Staaten kraft eigener Mittel und eigener Strategie interveniert. Die EU zögert hier verständlicherweise in Ermangelung einer eigenen Infrastruktur und aufgrund der Befürchtung, die Aufräumarbeiten nach amerikanischen Interventionen übernehmen zu müssen.