Aus der. Helios ENDO-Klinik Hamburg. Ärztlicher Direktor: Herr Prof. Dr. med. T. Gehrke DISSERTATION. Effektivität

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Aus der Helios ENDO-Klinik Hamburg Ärztlicher Direktor: Herr Prof. Dr. med. T. Gehrke DISSERTATION Effektivität der maschinellen Autotransfusion bei elektiven primären Hüft- und Knieendoprothesenimplantationen Eine retrospektive Analyse Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover vorgelegt von Carola Heßling aus Ahrensburg Hannover 2012

Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am: 18.06.2013 Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover Präsident: Prof. Dr. med. Christopher Baum Betreuer der Arbeit: PD Dr. med. Daniel O. Kendoff Referent: PD Dr. med. Rupert Meller Korreferent: PD Dr. med. Fritz Thorey Tag der mündlichen Prüfung: 18.06.2913 Prüfungsausschussmitglieder: Prof. Dr. Henning Windhagen Prof. Dr. Claus Petersen Prof. Dr. Michael Winkler 2

1. Inhaltsverzeichnis 3 2. Einleitung 5 2.1. Inzidenz endoprothetischer Operationen...5 2.2. Risiken allogener Bluttransfusionen.... 5 2.3. Fremdblutsparende Verfahren...6 2.3.1. Präoperative Eigenblutspende...7 2.3.2. Eisen oral / i.v...9 2.3.3. Plasmapherese... 10 2.3.4. Normovolämische Hämodilution...10 2.3.5. Erythropoetin...11 2.4. Maschinelle Autotransfusion (MAT)...12 2.4.1. Historischer Rückblick...12 2.4.2. Potentielle Vorteile...13 2.4.3. Kontraindikationen...14 2.4.4. Risiken...14 2.4.5. Kosteneffizienz...15 2.5. Zielsetzung und Fragestellung...17 3. Methodik 18 3.1. Studiendesign...18 3.2. ASA-Klassifikation...19 3.3. Operationsdiagnosen...20 3.4. Operationstechniken...20 3.5. Berechnung des Body-Mass-Index...23 3.6. Maschinelle Autotransfusion...23 3.6.1. Kontinuierliches Verfahren...23 3.6.2. Intraoperativer Ablauf...27 3.6.3. Diskontinuierliches Verfahren...28 3.7. Berechnung des effektiven Blutverlustes...28 3.8. Statistische Analyse...31 3

4. Ergebnisse 32 4.1. Alters- und Geschlechtsverteilung...32 4.2. Ergebnisse Knie-TEP-Gruppe...33 4.2.1. Effektiver Blutverlust...33 4.2.2. Hämoglobindifferenz...36 4.2.3. Geschlechtsspezifische Unterschiede...38 4.2.4. Retransfundiertes autologes Wundblut per MAT...41 4.2.5. Anzahl transfundierter Konserven...45 4.3. Ergebnisse Hüft-TEP-Gruppe...46 4.3.1. Effektiver Blutverlust...46 4.3.2. Geschlechtsspezifische Unterschiede...48 4.3.3. Hämoglobindifferenz (Hb-Differenz)...51 4.3.4. Retransfundiertes autologes Wundblut per MAT...52 4.3.5. Anzahl transfundierter Konserven...54 4.3.6. Blutverlust in MAT-Gruppe im Vergleich zur Gruppe ohne MAT 55 5. Diskussion 57 5.1. Rechtliche Aspekte...65 5.2. Limitationen der Studie...66 6. Zusammenfassung 69 7. Literaturverzeichnis 72 8. Anhang 85 8.1. Abkürzungsverzeichnis...85 8.2. Lebenslauf...87 8.3. Erklärung nach 2 der Promotionsordnung...89 8.4. Danksagung...90 4

2. Einleitung 2.1. Inzidenz endoprothetischer Operationen Die Zahl der implantierten Hüft- und Kniegelenksendoprothesen in Deutschland steigt von Jahr zu Jahr. 2002 erhielten 150.000 Patienten einen primären Hüftgelenksersatz, 2009 waren es bereits 209.000 Patienten mit implantierten Hüftgelenksendoprothesen. Bei den Kniegelenksendoprothesen war im selben Zeitraum sogar ein Anstieg von 90.000 auf 175.000 Implantationen zu verzeichnen. Aufgrund der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung und der damit einhergehenden zunehmenden Häufigkeit degenerativer Erkrankungen steigt die Inzidenz in den nächsten Jahren und Jahrzehnten weiter (1, 2). Auch Adipositas und Fehlbelastungen führen zu Veränderungen des Bewegungsapparates und begünstigen diese Entwicklung. Da auch primär endoprothetische Operationen mit teilweise relativ hohen Blutverlusten einhergehen können und im Trend der verkürzten postoperativen Liegezeiten auch das moderne Blutmanagement einen immer höheren Stellenwert erreicht, sind Alternativen zur eventuellen Fremdbluttransfusion mittlerweile sehr gefragt. Dazu gehören neben der Eigenblutspende, Erythropoetin (EPO) oder Eisen (i.v. prä- bzw. postoperativ) vielerorts auch die maschinelle Autotransfusion (MAT). 2.2. Risiken allogener Bluttransfusionen Die Hüft- und Knieendoprothetik ist aufgrund des häufig erhöhten peri- und postoperativen Blutverlustes nicht selten mit einer postoperativen allogenen Bluttransfusion assoziiert. Trotz der hohen Qualitätsanforderungen an die Herstellung von Blutprodukten sind die Risiken einer Fremdbluttransfusion für den Patienten nicht unerheblich. So erkrankten weltweit 2-17% der Patienten an einer transfusionsbedingten viralen Hepatitis (3). Die Häufigkeit der Hepatitis bei Blutempfängern in Deutschland wird mit vier Prozent angegeben (4). Auch das Auftreten anderer Viruserkrankungen (z.b. Cytomegalievirus) wird nach allogenen Bluttransfusionen beschrieben (5, 6). Das Risiko einer HIV-Infektion wird von Glück et al. mit nur 1:500 000 bis 1:3 Millionen angegeben (7). Durch Alloimmunisierung, 5

d.h. die Bildung von Antikörpern gegen fremde Antigendeterminanten (z.b. auf Leukozyten) ist das Auftreten nicht-hämolytischer febriler Transfusionsreaktionen möglich. Zudem können kontaminierte Fremdleukozyten in homologen Blutprodukten durch Immunsuppression des Empfängers erhöhte postoperative Infektionen verursachen (8, 9). Triulizi et al. evaluierte eine fünffach erhöhte Rate an postoperativen bakteriellen Hospitalinfektionen bei Patienten mit allogenen Bluttransfusionen. Bordin und Blajchman konnten nachweisen, dass sich die Wahrscheinlichkeit eines Tumorrezidivs durch allogene Bluttransfusionen erhöht und sich die Prognose der Patienten deutlich verschlechtert. Auch hämolytische Reaktionen durch Blutgruppeninkompatibilität, allergische Transfusionsreaktionen und metabolische Störungen durch Lagerungsschäden des Blutes stellen bekannte Risiken dar (10). In Anbetracht oben genannter Risiken und aufgrund der aktuellen Richtlinien zur Gewinnung von Blut- und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) - muß der Patient bei Elektiveingriffen mit einer Transfusionswahrscheinlichkeit von 10% - über die Risiken allogener Bluttransfusionen und über die Möglichkeit der Anwendung autologer Hämotherapieverfahren aufgeklärt werden (11). Zunehmend äußern Patienten aus unterschiedlichen Gründen (Religion, Sensibilisierung durch die Medien, Angst) selbst den Wunsch nach autologen Bluttransfusionen. 2.3. Fremdblutsparende Verfahren Als Alternativen zu allogenen Bluttransfusionen kommen in Betracht: Präoperative Eigenblutspende Eisen oral / i.v. Plasmapherese (präoperativ, direkt präoperativ) Normovolämische Hämodilution (intraoperativ) Erythropoetin (präoperativ) Maschinelle Autotransfusion (intra- und postoperativ) 6

2.3.1. Präoperative Eigenblutspende Nach sorgfältiger Erhebung der Anamnese, gründlicher Untersuchung und Aufklärung wird die Eigenblutspende ein- bis maximal zweimal pro Woche durchgeführt. Diese erfolgt nach den Maßgaben der Richtlinien zur Gewinnung von Blut- und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) der Bundesärztekammer (11). Das Prinzip dieses autologen Verfahrens beruht auf der daraus resultierenden natürlichen Stimulation der Erythropoese, die Erythropoetinspiegel steigen nachweislich an (12). Eine periorale Eisensubstitution (100 mg) begünstigt diesen Prozeß nachweislich (13). 450 bis 550 ml autologes Blut kann pro Spendetermin in ein Beutelsystem entnommen werden. Eine Möglichkeit der Eigenblutspende ist die Abnahme autologen Vollblutes. Es stellt eine kostengünstige und einfache Methode dar, kann aber nur maximal 21 Tage nach Entnahme bereitgestellt werden und ist durch den lagerungsbedingten Aktivitätsverlust der Gerinnungsfaktoren qualitativ minderwertig. In Deutschland werden Vollblutkonserven nicht mehr transfundiert, da es eine risikoärmere und effektivere Methode gibt. Diese sieht die Auftrennung des Vollblutes in Plasma (circa 230 ml) und Erythrozytenkonzentrat (circa 230 ml) vor. Das autologe Erythrozytenkonzentrat wird bei 4 C gelagert und ist begrenzt haltbar (Halbwertzeit 42-49 Tage je nach Stabilisatorzusatz). Deshalb sollte die erste Eigenblutspende circa 35 Tage und die letzte spätestens circa 72 Stunden vor dem Elektiveingriff stattfinden (14). Das autologe Fresh-frozen-Plasma (AFFP) wird innerhalb von 4 Stunden nach Separation bei 70 C schockgefroren und kann maximal ein Jahr bei 40 C aufbewahrt werden. Der Erhalt funktionsfähiger Gerinnungsfaktoren stellt einen wesentlichen Vorteil im Vergleich zur Vollblutspende dar. Die Eigenblutspende ist nach den Leitlinien der Bundesärztekammer bei jungen Patienten (<65-70 Jahren) ohne Begleiterkrankungen (keine koronaren, pulmonalen oder vaskulären Einschränkungen) mit einen Hb-Wert von mindestens 11,5 g/dl indiziert. Absolute Kontraindikationen stellen unter anderem schwere kardiozirkulatorische Störungen, instabile Angina pectoris, schwere respiratorische Insuffizienz, schlecht einstellbarer Hypertonus, Hypovolämie und Gerinnungsstörungen dar (9). 7

Grundsätzlich werden Entnahmen im wöchentlichen Abstand empfohlen. Die letzte Entnahme sollte zehn Tage vor der geplanten Operation stattfinden, um eine Regeneration des Organismus bezüglich der Erythropoese zu ermöglichen. Dem Patienten werden pro Eigenblutspende ungefähr 250 mg Eisen entzogen. Deshalb wird eine orale Eisensubstitution von 200-300 mg pro Tag empfohlen, obwohl die Spender ohne Eisenmangel keinen signifikanten Vorteil durch eine Eisensubstitution (oral oder i.v.) erlangen (15). Eine Eisentherapie ist bei Patienten sinnvoll und empfehlenswert, bei denen mindestens drei Vollblutkonserven entnommen wurden, bei Spendern mit Eisenmangelanämie und bei Patienten, die Erythropoetin erhalten (16). Während die endogene Erythropoese unabhängig von den Eisenspeichern abläuft, ist die Wirksamkeit des exogen zugeführten Erythropoetins eisenspeicherabhängig (17). Bei gastrointestinalen Nebenwirkungen der oralen Eisentherapie ist alternativ eine i.v. Applikation mit 100 200 mg zweiwertigen Eisens ein- bis zweimal wöchentlich möglich. Diese wird in aktuellen Publikationen als sicher bewertet (18). Weisbach et al. verglichen die Wirksamkeit der oralen mit der parenteralen Eisentherapie und konnten eine Überlegenheit der oralen Applikation zeigen. Andere Studien beweisen das Gegenteil (19-23). Im Durchschnitt können zwei bis vier Eigenblutkonserven gespendet werden. Der präoperative Hämoglobinwert reduziert sich dabei um durchschnittlich 1,23 g/dl. Meta-Analysen konnten zeigen, dass die Häufigkeit allogener Bluttransfusionen durch die präoperative Eigenblutspende um 63% gesenkt werden konnte. Allerdings wurde auch deutlich, dass die Ergebnisse unter Einhaltung der strengen Transfusionsrichtlinien mit 43,8% wesentlich schlechter ausfielen (24, 25). Um das Risiko der Verwechslung (1:20000 1:30000 Seyfert (26)) zu minimieren, müssen autologe Konserven ordnungsgemäß beschriftet und von homologen Konserven getrennt aufbewahrt werden. Da es sich bei präoperativ gespendetem Eigenblut definitionsgemäß um ein Arzneimittel handelt, ist dieses Hämotherapieverfahren mit großem logistischen, administrativen und kostenintensivem Aufwand verbunden. Deshalb ist die Eigenblutspende in den letzten Jahren zunehmend in den Hintergrund geraten und wurde von risikoärmeren Verfahren wie zum Beispiel der maschinellen Autotransfusion abgelöst. Auch weil Patienten, die präoperativ Eigenblut gespendet haben, durchschnittlich 30% häufiger intraoperativ transfundiert werden müssen, ist 8

laut dem Arbeitskreis Blut 2005 eine Neubewertung der Eigenblutspende notwendig (27). 2.3.2. Eisen oral / i.v. Viele Patienten, die hüft- oder knieendoprothetisch versorgt werden, weisen eine präoperative Anämie auf. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von Mangelernährung (Eisen (20%), Folsäure (8%), Vitamin B12 (6%)) über chronischentzündliche Erkrankungen (32%) bis zu unklaren Ursachen (34%) (28). Saleh et al. konstatierten bei 23% der anämischen Patienten, die sich einer elektiven Hüft- oder Knieendoprothesenoperation unterzogen einen Eisenmangel (29). Nicht nur die stationäre Verweildauer (bis zu 5 Tagen länger) der präoperativ anämischen Patienten sondern auch die Transfusionsrate (bis 3-fach erhöht) nimmt zu (30). Deshalb muß der Behandlung der Anämie als fremdblutsparendes Verfahren eine besondere Bedeutung zukommen. Bei anämischen Patienten ohne bösartige Erkrankung kann eine orale Eisentherapie erfolgen. Die i.v. Eisentherapie sollte bei anämischen Patienten mit Resorptionsstörungen zum Einsatz kommen. Nach neueren Erkenntnissen ist die orale Eisentherapie (200 mg Eisen(II)-Sulfat über 4 Wochen 2 bis 3-mal täglich) zwar kostengünstig, jedoch zeigt sich unter der Therapie kein signifikanter Anstieg des Hb-Wertes (19, 20, 22). Die Transfusionsrate konnte hingegen mit einer i.v.-eisentherapie (200-600 mg Eisensaccharat) signifikant gesenkt werden (23). Jedoch zeigte bei normalen Ferritinwerten (keine Eisenmangelanämie) weder die orale noch die i.v.-eisentherpie Wirkung auf den Hb- Wert (31). Die Eisentherapie wird im Allgemeinen gut vertragen. Mögliche Nebenwirkungen der intravenösen Eisentherapie sind u.a. gastrointestinale Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen, Hypotonie, Muskelschmerzen, metallischer Geschmack und anaphylaktoide Reaktionen (27). 9

2.3.3. Plasmapherese Durch ein Plasmapheresegerät erfolgt die Auftrennung des entnommenen Blutes in Plasma und Erythrozytenkonzentrat. Während das Blutplasma sofort gewonnen wird, wird dem Spender das Erythrozytenkonzentrat unmittelbar zurückgeführt. In wöchentlichen Abständen können pro Spende 600 bis 750 Milliliter Plasma entnommen werden. Der verursachte Volumenverlust wird durch Gabe kolloidaler Plasmaexpander ausgeglichen. In der Literatur werden als Kontraindikationen akute Allgemeininfekte, Gerinnungsstörungen und Immunmangelsyndrom angegeben. Dieses Verfahren wird in der Orthopädie jedoch selten angewendet. 2.3.4. Normovolämische Hämodilution Durch die präoperative Entnahme von Eigenblut (Vollblut) nach eingeleiteter Anästhesie bei gleichzeitiger Gabe eines Plasmaexpanders verringert sich durch die Isovolämie bei gleichzeitigem Verlust korpuskulärer Blutbestandteile der Hämatokritwert. Bei gesunden Patienten kann ohne Bedenken bis auf einen Hämatokrit von 25-20% diluiert werden. Durch die verbesserte Mikrozirkulation verringert sich das Risiko thrombembolischer Ereignisse bei gleichzeitig erniedrigtem Gerinnungsstatus. Bei diesem kostengünstigen Verfahren können bis zu vier Blutkonserven entnommen werden, diese werden dem Patienten intra- oder postoperativ in umgekehrter Entnahmereihenfolge retransfundiert. Da das präoperativ entnommene Blut innerhalb von sechs Stunden retransfundiert werden muß, besitzt es eine optimale Sauerstofftransportkapazität. Die Patienten verlieren intraoperativ durch die Dilution nur erythrozytenarmes Blut und erhalten vollwertiges autologes Frischblut mit Erhalt des Hämostasepotentials. Als Kontraindikationen sind Anämie, Hypovolämie, schwere kardiovaskuläre und schwere respiratorische Störungen zu erwähnen. Die akute normovolämische Hämodilution (ANH) wird bei Patienten mit einem Hämatokrit über 34% und einem zu erwartenden Blutverlust von circa 1000 ml angewandt und ist einfach und kosteneffektiv durchzuführen, aber durch fehlenden Stabilisatorenzusatz nicht lagerungsfähig. 10

Sie kann besonders in Kombination mit anderen fremdblutsparenden Methoden, insbesondere der maschinellen Autotransfusion, zu einer signifikanten Einsparung allogenen Blutes führen (32). Die ANH bildet die Grundlage aller fremdbluteinsparenden Methoden (33, 34). 2.3.5. Erythropoetin Erythropoetin ist ein in der menschlichen Niere produziertes Hormon, das seit circa 30 Jahren gentechnologisch (rekombinant) hergestellt werden kann und als Medikament eingesetzt wird. Ausgelöst durch eine Hypoxie - stimuliert es die Erythropoese im Knochenmark und führt zu einem Anstieg der Retikulo- und Erythrozyten im Blut. In Deutschland ist es in der Medizin als fremdblutsparendes Verfahren bei anämischen Patienten indiziert. Das Vorhandensein gefüllter Eisenspeicher ist eine wichtige Voraussetzung für die Wirkung des exogen zugeführten Erythropoetins (17). In zahlreichen Studien konnte der Hb-Wert durch präoperative Applikation von rekombinantem humanem Erythropoetin (rhuepo) bei anämischen Patienten gesteigert werden (35-37). Stowell et al. (38) konstatierten eine Überlegenheit der Therapie mit rhuepo bezüglich der fremdblutsparenden Effekte gegenüber der Eigenblutspende. Es sind verschiedenen Applikationsschemata bekannt (z.b. dreimal wöchentlich 35 E Erythropoetin/kg Körpergewicht i.v., entspricht 3x1 Ampulle zu 2.000 E/Woche) (39, 40). Eine Dosierung von 600 I.E./kg KG s.c. (einmal wöchentlich über drei Wochen präoperativ und unmittelbar vor der Operation) wird von den Herstellerfirmen empfohlen (Fachinformation ERYPO, Firma Janssen-Cilag GmbH). Durch additiven Einsatz des Erythropoetins zur Eigenblutspende konnten höhere prä- und postoperative Hämoglobinwerte erreicht werden, sodass keine Fremdbluttransfusionen notwendig wurden (39, 41). Präoperativ anämische Patienten profitieren von der Therapie mit Erythropoetin, da ihnen auch die Möglichkeit der Eigenblutspende nicht verwehrt bleibt. Die Therapie ist jedoch sehr kostenintensiv, obwohl die Zahlen durch die Einsparung von Transfusionen, durch kürzere stationäre Verweildauer und kleinerer Komplikationsrate relativiert werden müssen (31). Die Nebenwirkungen des Erythropoetins sind jedoch nicht unerheblich. Einige Karzinomzellen besitzen unter anderem Rezeptoren für Erythropoetin. 11

Charles Bennett und Michael Henke konnten durch Meta-Analysen eine direkt stimulierende Wirkung von Erythropoetin auf das Wachstum von Tumoren nachweisen. Zudem evaluierten sie ein erhöhtes Risiko für venöse Thrombembolien und eine erhöhte Mortalität bei Tumorpatienten (42). Neuere Studien konnten jedoch weder in vivo noch in vitro eine Stimulation der Tumorproliferation bei verschiedenen rezeptorpositiven Tumorzellen durch rhuepo feststellen (43). Andere Studienergebnisse zeigten ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle, Bluthochduck und Shuntthrombosen bei chronisch Nierenerkrankten (44). Als Kontraindikationen einer Therapie mit rhuepo werden schwere koronare Herzkrankheit, periphere arterielle Verschlusskrankheit, vaskuläre Erkrankung der Karotiden, zerebrovaskuläre Erkrankungen, Zustand nach Myokardinfarkt oder Zustand nach zerebralem Insult angegeben (31). 2.4.Maschinelle Autotransfusion 2.4.1. Historischer Rückblick Erst Anfang des 20. Jahrhunderts, nach Entdeckung der ABO-Blutgruppen (1901 durch Karl Landsteiner), hielten Bluttransfusionen Einzug in die Medizin. Für die Erforschung der ABO-Klassifikation wurde Landsteiner erst 1930 mit dem Nobelpreis der Medizin ausgezeichnet (45). Die wahrscheinlich erste autologe Bluttransfusion von Mensch zu Mensch über eine speziell entwickelte Kanüle wurde 1818 von dem englischen Geburtshelfer James Blundell beschrieben (46). Durch postpartale autologe Retransfusion konnten fünf von zehn Frauen nach starken postpartalen Blutverlusten überleben. Auch Volkmann beschrieb 1868 die Autotransfusion bei der Exartikulation des Femurs im Hüftgelenk (47). 1914 wurde von Thies erstmals in Deutschland die intraoperative Autotransfusion bei einer rupturierten Extrauteringravidität beschrieben (48). Das in der Bauchhöhle gesammelte Blut wurde der Patientin durch eine spezielle Technik retransfundiert. Davis und Cushing führten 1925 in der Neurochirurgie (intrakranielle Eingriffe) eine neue Absaugeinheit ein, die einen weiteren Fortschritt in der Entwicklung der intraoperativen Autotransfusion darstellte (49). Das aus der Wunde 12

abgesaugte Blut wurde mit einer Natrium-Citrat-Lösung vermischt und nach Filterung durch eine sterile Gaze in eine periphere Vene appliziert. Die Retransfusion von Wundblut stellt historisch gesehen die Anfänge der Transfusionsmedizin dar. Die Lagerung des Blutes in Form von Blutkonserven entwickelte sich erst später. So wurde 1937 in Chicago die erste Blutbank eröffnet. Die gute Lagerungsfähigkeit und bessere Haltbarkeit der Blutkonserven führten dazu, dass Eigenblut vorerst in den Hintergrund trat und allogenes Blut favorisiert wurde. Mit Einführung der normovolämischen Hämodilution Anfang der fünfziger Jahre sowie durch aufkommende Diskussionen bezüglich der Übertragung von Infektionen wurde zunehmend autogenes Blut bevorzugt. Die maschinelle Autotransfusion konnte Ende der sechziger Jahre technisch verwirklicht werden. Das vermutlich erste und sehr einfache Gerät zur intraoperativen Autotransfusion wurde im Jahre 1966 von Dyer entwickelt (50). Nur zwei Jahre später stellte Klebanoff sein erstes Bentley-ATS-Gerät vor (51). Hiermit gelang eine schnelle Retransfusion ohne Zellseparation. Dieser Prototyp wurde im Laufe der Zeit weiterentwickelt. So kombinierten Gilcher und Orr 1976 es mit einer Haemonetics-Waschzentrifuge und konnten wesentliche Verbesserungen erzielen (52). 1994 erschien das erste kontinuierliche Autotransfusionssystem der Firma Fresenius. 2.4.2. Potentielle Vorteile In der Literatur und von den Herstellerfirmen werden folgende Vorteile der MAT prononciert: Kurzfristige Bereitstellung von retransfusionsbereitem Blut Erythrozyten ohne Lagerungs- und Membranschäden Anwendung auch bei Angehörigen der Religionsgemeinschaft Zeugen Jehovas Einsparung von Fremdblut Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz 13

2.4.3. Kontraindikationen Anwendung der MAT bei infizierten Wunden (Gefahr der hämatogenen Streuung) Tumoroperationen stellen eine relative Kontraindikation der MAT dar, da das Blut nach Bestrahlung mit 50 Gy retransfundiert werden kann (16, 53). 2.4.4. Risiken Das früher häufig beschriebene Risiko einer Luftembolie durch maschinelle Autotransfusion ist in Deutschland durch die Verwendung moderner Luftdetektoren seit über zwanzig Jahren nicht mehr aufgetreten, obgleich die Drucktransfusion kritisch betrachtet werden muß (54). Es sollte sorgsam auf die Entlüftung des Transfusionsbeutels geachtet werden. Besser sollte auf die Drucktransfusion gänzlich verzichtet werden, da das Risiko einer Luftembolie hoch ist (55). Die Risiken eines Lungenversagens (ARDS) sowie einer disseminierten intravasalen Gerinnung sind mit einer Inzidenz von 0,05 % sehr gering (56). Nur in der älteren Literatur werden diese Nebenwirkungen erwähnt (57). Die Gefahr einer Verwechslung des Wundbluts besteht nur bei einer Diskonnektion des MAT-Systems vom Patienten (z.b. bei Wundblutbestrahlung in der Tumorchirurgie vor Retransfusion). Die Hämotherapie-Richtlinien 4.6.5. sehen auch für diesen Fall einen ABO-Bedside-Test vor, so dass das Risiko einer akuten Transfusionsreaktion vermindert werden kann. Wundblut ist zwar nicht keimfrei, aber durch das kurze Zeitintervall von sechs Stunden bis zur Retransfusion ist eine gefährliche Keimvermehrung nicht gegeben. Ein Risiko für den Patienten besteht nicht (58). Bei infizierten Wunden (z.b. septischen Eingriffen) dagegen ist die MAT wegen der Gefahr der hämatogenen Streuung relativ kontraindiziert. Besonders bei endoprothetischen Operationen in der Orthopädie besteht die Gefahr eines Fettemboliesyndroms, das mit schweren pulmonalen Störungen einhergeht. Viele Geräte können das aus den Röhrenknochen freigesetzte entemulgierte Fett 14

nicht vollständig entfernen. Das Continuous Autotransfusions System (C.A.T.S.) der Firma Fresenius (Abb. 1-3) gewährleistet nachweislich eine vollständige Elimination der Fettpartikel (59). Somit stellt die maschinelle Autotransfusion im Vergleich mit anderen Transfusionsalternativen besonders in der Orthopädie ein sehr sicheres Verfahren dar. 2.4.5. Kosteneffizienz Die maschinelle Autotransfusion (MAT) stellt in Deutschland das wichtigste autologe Hämotherapieverfahren dar (nach Hansen circa 160.000 MAT-Anwendungen pro Jahr) und mindert den Bedarf an allogenen Bluttransfusionen signifikant (60-62). Besonders in der Herzchirurgie und bei großen gefäßchirurgischen Operationen sowie Organtransplantationen ergab sich der größte fremdblutsparende Effekt. Auch in der Orthopädie besonders bei der Implantation von Hüft- und Knieendoprothesen kommt der MAT eine besondere Bedeutung zu. So konnte die Inzidenz und Menge des transfundierten Fremdblutes deutlich gesenkt werden (63). Die MAT ist bei Operationen mit einem Blutverlust von mehr als 20% des Blutvolumens oder bei Eingriffen mit einer zehnprozentigen Transfusionswahrscheinlichkeit von mindestens zwei Erythrozytenkonzentaten bzw. bei einem Blutverlust von mindestens 1000 ml indiziert. Einige Autoren wie Hansen und Seyfried sehen die strenge Indikationsstellung zur MAT kritisch und halten sie für antiquiert (55), da sie die Wirtschaftlichkeit der MAT für das Gesundheitssystem schon bei geringeren Blutverlusten als bewiesen ansehen. Desweiteren halten sie diese Vorgabe für wenig sinnvoll, da die Gesamtmenge der retransfundierten autologen Erythrozyten zusätzlich starken Schwankungen unterworfen ist (64). Laut Hansen et al. entsprechen die Kosten des bei Autotransfusionssystemen benötigten Einmalmaterials etwa den Kosten einer Fremdblutkonserve. Auch diese Tatsache spricht gegen die Empfehlung, die MAT erst ab einer Aufbereitung von zwei Transfusionseinheiten einzusetzen. Einige Autoren sehen einen betriebswirtschaflichen Nutzen der MAT bei einer Einsparung von zwei bis drei Einheiten homologen Blutes (65-67). Waters et al. konnten im Rahmen einer Studie 15

nachweisen, dass die maschinelle Autotransfusion signifikant weniger Kosten verursacht als homologe Bluttransfusionen (68). Eine aktuelle Studie des Pittsburgh Medical Centers belegt ebenfalls die Kosteneffizienz des MAT-Progammes (69). Hierzu erfolgte eine Gegenüberstellung der Kosten des MAT-Programmes (4,3 Mio. US$) und der Kosten für eingesparte Blutkonserven (6,7 Mio. US$) in zwölf ausgewählten Krankenhäusern. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung ergab eine Kosteneffizienz der MAT von 2,4 Mio. US$ in fünf Jahren. Tatsächlich ist die Ersparnis durch den Einsatz des MAT- Programmes wesentlich höher, da die Zusatzkosten wie z.b. Transport-, Lagerungskosten, Labor- und Verwaltungskosten nicht berücksichtigt wurden, aber einen erheblichen Kostenfaktor darstellen. Andere Studien halten die Kosteneffizienz der MAT jedoch für fraglich oder konnten sie gänzlich falsifizieren. Rizzi et al. kamen in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass bei primären hüft- und knieendoprothetischen Operationen die MAT eine teure und aufwendige Methode sei, die zu keiner Einsparung von Fremdblut führt (70). Demnach variieren die Ergebnisse stark und erlauben im eigentlichen keinen relevanten Rückschluß auf die Kosteneffizienz der MAT. 16

2.5. Zielsetzung und Fragestellung Der Einsatz der MAT wird in der Helios ENDO-Klinik Hamburg innerhalb der primären und Revisionsendoprothetik in größerem Umfang betrieben. Die potentiellen Vorteile wurden bereits erörtert, es bleibt aber offen, inwieweit die maschinelle Autotransfusion überhaupt in der Lage ist, den wohl klinisch relevantesten Endpunkt, nämlich die Gabe von Fremdblut, postoperativ zu vermindern oder sogar zu verhindern vermag. Im Sinne eines modernen Blutmangementsystems ist die Zahl der Eigenblutspenden innerhalb der letzten Jahre kontinuierlich gesunken. Alleine in der Helios ENDO- Klinik Hamburg wurde ein Rückgang der Eigenblutspenden von circa 15% verzeichnet. Durch den hohen technischen und personellen Aufwand und andere Nachteile wie z.b. das Vorhandensein inaktiver Thrombozyten und immunologisch wirksamer, aber funktionsloser Leukozyten sowie das Fehlen gerinnungsaktiven Plasmas (71) tritt die Eigenblutspende zunehmend in den Hintergrund. Zu berücksichtigen sind auch die hohe Inzidenz der Nebenwirkungen bei Frauen, jungen Patienten, Erstspendern und Patienten mit einem niedrigen Body-Mass- Index (72) sowie die Verwechselungsgefahr der Blutkonserven. Zudem ist der Gehalt an 2,3-Diphoshoglycerat im Vergleich zu gewaschenem MAT-Blut bei gelagerten, alten Erythrozyten niedriger, so dass eine Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve mit schlechterer Sauerstoffabgabe resultiert (73). Alternative Ansätze zur Behandlung der präoperativen Anämie wurden bereits ausführlich erläutert. Im Rahmen dieser Dissertation zur Evaluation der klinischen Effektivität der MAT in unserer Klinik wurden für die vorliegende retrospektive Studie folgende Hypothesen aufgestellt: Durch den Einsatz der MAT kann die postoperative Gabe von Fremdblut in der elektiven Hüft- und Knieendoprothetik vermindert oder sogar verhindert werden Demografische und geschlechtsspezifische Faktoren haben Einfluß auf die Effektivität und den Einsatz der MAT sowie auf den assoziierten Blutverlust 17

3. Methodik 3.1. Studiendesign Die vorliegende retrospektive Datenanalyse einer nicht randomisierten, kontrollierten, konsekutiven Patientenkohorte schließt 389 Patienten, bei denen im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.12.2011 in der Endo-Klinik Hamburg eine elektive primäre Hüft- oder Kniegelenksendoprothese implantiert wurde, ein. Anhand der Akten des stationären Aufenthaltes wurden folgende Angaben ermittelt: Alter (in Jahren) Geschlecht (weiblich/männlich) Gewicht (in kg) Größe (in cm) Body-Mass-Index (BMI=kg/m2) Operationsdiagnose ASA-Klassifikation Ausgangs-Hb (prä-op, in g/dl) Entlassungs-Hb (in g/dl) Hb vor MAT (in g/dl) Hb nach MAT (in g/dl) Perioperativer Blutverlust (in ml) Menge an Fremdblut oder Eigenblut vor oder nach MAT (Anzahl) Patienten mit septischen Verläufen wurden gemäß der Kontraindikationen aus der Kohortenstudie ausgeschlossen, da durch die Aufbereitung (Waschprozesse) zwar die Keimzahl reduziert wird, jedoch keine vollständige Elimination der Keime erfolgt, sodass ein erhöhtes Risiko der hämatogenen Streuung nach Retransfusion besteht (74, 75). Weitere Ausschlusskriterien waren u.a. Wechseloperationen, größere 18

Operationen in den letzten 6 Monaten, Tumorerkrankungen, Erkrankungen des Blutsystems sowie des Herz-Kreislauf-Systems, septische Operationen und Revisionseingriffe. 3.2. ASA-Klassifikation Um den Gesundheitszustand eines Patienten präoperativ einschätzen zu können und somit eine Aussage über sein perioperatives Risiko zu erhalten, wird in Deutschland der ASA-Score verwendet. Saklad publizierte 1941 eine einfache Sechs-Punkte-Klassifikation, die sich ausschließlich auf den physischen Zustand des Patienten beschränkte. Die heutigen ersten 4 ASA-Klassen stimmen mit den damaligen überein, jedoch wurde 1963 aus den ASA-Klassen 5 und 6 eine neue ASA 5 für moribunde Patienten definiert. Die heutige ASA 6 wird für hirntote Organspender verwendet (76). Entsprechend vorbestehender Erkrankungen wurden die Patienten gemäß dem oben genannten Patientenscore der American Society of Anaesthesiology (ASA) in die entsprechenden ASA-Klassen eingestuft (in Anlehnung an die von der ASA herausgegebene ASA Physical Status Classification) (77) ASA-Score ASA I Klassifikation gesunder Patient ASA II Patient mit leichter Begleiterkrankung ohne Leistungseinschränkung ASA III Patient mit schwerer Begleiterkrankung mit Leistungseinschränkung ASA IV Patient mit schwerer Begleiterkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung darstellt ASA V moribund: Tod innerhalb von 24 Stunden mit und ohne Operation ASA VI hirntoter Patient, dessen Organe zur Organspende entnommen werden 19

3.3. Operationsdiagnosen Folgende Operationsindikationen wurden in der orthopädischen Ambulanz der Helios ENDO-Klinik zuvor bestimmt und führten zur elektiven Hüft- bzw. Knieendoprothesenimplantation: Primäre Gonarthrose Posttraumatische Gonarthrose Valgusgonarthrose Varusgonarthrose Pangonarthrose Primäre Coxarthrose Sekundäre Coxarthrose Hüftdysplasie Hüftkopfnekrose Posttraumatische Coxarthrose 3.4. Operationstechniken Es wurden nur Patienten zur primären elektiven Hüft- oder Knieendoprothesenimplantationen in die Studie eingeschlossen und nur Patienten der Klassifikation ASA I bis ASA IV erfasst. In der Helios ENDO-Klinik Hamburg gilt der dorsale Zugang als Standard. Folgende Implantate kamen zum Einsatz: Zementfreie Kurzschaftprothese Typ CFP (Collum Femoris Preserving) mit Press Fit Pfanne : 20

Diese Titanprothese kommt besonders bei Patienten mit guter Knochenqualität zur Anwendung und hat das Ziel, möglichst viel Knochensubstanz zu erhalten. Nach dorsalem Zugang zum Hüftgelenk und Luxieren des Hüftkopfes aus der Pfanne, erfolgt zunächst das Entfernen eventueller Osteophyten am Schenkelhals. Anatomische Landmarke zur Resektion sollte dabei der Isthmus zwischen Femurkopf und Schenkelhals sein. Bei adäquater Planung und eventueller Beinlängendifferenz kann dies aber variieren. Prinzipiell sollte die Resektion ca. 15 bis 20 mm entfernt vom Trochanter minor sein. Nach Resektion des Femurkopfes wird das Acetabulum zur Pfannenimplantation vorbereitet. Nun wird der Metallträger pressfit eingeschlagen und das Polyethyleninlay eingesetzt. Nach Darstellen der Schafteingangsebene wird der Markraum zunächst mit einem Pfriem eröffnet. Weiterführend wird dann der eröffnete Kanal mit einer gekrümmten Knochenkürette im Schenkelhalsverlauf weiter ausgetastet. Die Bestimmung der Schaftgröße erfolgt dann über olivartig gekrümmte Sonden in ansteigender Größe bis in den diaphysären Schaftteil. Zur definitiven Schaftvorbereitung werden Spongiosa verdrängende Kompressoren ebenfalls in aufsteigender Größe eingeschlagen, diese dann bereits seitenspezifisch und in der zuvor geplanten Krümmung. Zu achten ist dabei darauf, dass die scharfen Kanten der Kompressoren nicht den kortikalen Knochen des Adamschen Bogen verletzen. Der Kompressor wird leicht unterhalb des Resektionslevels im Schenkelhals geschlagen, um eine möglichst ebene Auflagefläche der Prothesenschulter zu erhalten. Dies kann ggf. noch mit einer Schenkelhalsfräse optimiert werden. Nach Entfernung des Kompressors sollte eine adäquate Kompression des Trabekelsystems sichtbar werden. Nach Probereposition und Luxationstestung erfolgt die Implantation des Originalschaftes. Abschließend wird eine Fixierungsschraube der Prothesenschulter im Gegenuhrzeigersinn angezogen. Folgend dem Aufschlagen des Originalkopfes, in unserem Fall eine Deltakeramik, und abschließender Reposition, empfehlen wir die Platzierung einer tiefen Drainage in das Gelenk. Aufgrund des dorsalen Hüftzuganges empfiehlt sich in einigen Fällen die Refixation der dorsalen Kapsel bzw. des sehnigen M. piriformis Anteils. 21

Zementfreie Gradschaftprothese (CLS - Cementless Spotorno) mit Press Fit Pfanne: Diese Titanprothese wird bei Patienten mit guter Knochenqualität und entsprechenden anatomischen Gegebenheiten (verjüngende Markräume) verwendet. Die Präparation des Acetabulums sowie das Einschlagen der Pfanne erfolgt in gleiche Weise wie bei der oben genannten Kurzschaftprothese. Nach Einstellen des Schafteinganges wird ein spongiöser Span mit einem Kastenmeißel entnommen. Danach erfolgt die Erweiterung des Markraumes mit einer Reibahle. Nach Einschlagen der Knochenkompressoren, erfolgt das Einsetzen des Originalschaftes. Vollzementierte Hüfttotalendoprothese Typ SP II-Schaft mit zementierter Pfanne Diese Prothese wird bei Patienten mit verminderter Knochenqualität und bei Notwendigkeit postoperativer Vollbelastung gewählt. Nach Auffräsung des Acetabulums wird der Knochenzement eingebracht und komprimiert. Die Polyethylenpfanne wird in korrekter Position ins Zementbett gedrückt. Nach der Aushärtung wird mit Hilfe von Formraspeln der femorale Markraum erweitert und durch Jetlavage gespült. Das retrograde Einbringen des Knochenzementes mit der Zementspritze erfolgt nach Positionierung des Zementstoppers. Die Schaftprothese wird nach Zementverpressung eingesetzt. Oberflächenersetzende Knieendoprothese, Typ `NexGen`(OFE) Voraussetzung zur Verwendung dieser Prothese ist ein suffizienter Bandapparat und eine maximale Abweichung der physiologischen Beinachse von weniger als 20. Der größte Teil der Operation wird in Flexionsstellung des Kniegelenkes durchgeführt. Die Durchführung der femoralen und tibialen Sägeschnitte erfolgt mit Hilfe von Zielinstrumentarien und Sägeschablonen. Nach Mobilisation des Gelenkes mit Probekomponenten, kann die Originalprothese im einzeitigen Verfahren einzementiert werden. 22

3.5. Berechnung und Klassifikation des Body-Mass-Index Der Bodymaßindex wird durch die Division von Körpergewichtes (kg) und Körpergröße zum Quadrat (m2) berechnet. Die unterschiedlichen Gewichtsklassifikationen lassen sich nach der World Health Organization (78) (WHO BMI classification, 2008) in folgende Kategorien einteilen: Einteilung BMI (kg/m2) starkes Untergewicht <16 mäßiges Untergewicht 16 16,99 leichtes Untergewicht 17 18,49 Normalgewicht 18,5 24,99 Übergewicht >25 Präadipositas 25 29,99 Adipositas >30 Adipositas Grad I 30 34,99 Adipositas Grad II 35 39,99 Adipositas Grad III >40 3.6. Maschinelle Autotransfusion MAT 3.6.1. Kontinuierliches Verfahren In der Helios ENDO-Klinik Hamburg kommt das Verfahren der maschinellen Autotransfusion durch das Autotransfusionsgerät C.A.T.S. (Continuous Auto Transfusion System C.A.T.S.) der Firma Fresenius zur Anwendung (Abb. 1-3). Das kontinuierliche Aufbereitungsprinzip ermöglicht laut Herstellerinformationen die Aufbereitung kleinster Mengen autolog gewaschener Erythrozytenkonzentrate bis zu einem Hämatokrit von circa 65% und ermöglicht eine Kontinuität zwischen 23

Entnahmestelle und Retransfusionsort. Das Wund- und Drainageblut wird intraoperativ sowie bis zu sechs Stunden postoperativ gesammelt. Wegen der Gefahr der Keimvermehrung wurde die zeitliche Begrenzung auf sechs Stunden festgelegt (79), obgleich in der Studie von Bauermann et al. keine Korrelation von Reservoirstandzeit und Kontaminationsrate konstatiert wurde (80). Es ergibt sich folgendes Funktionsprinzip: Die Blutaufbereitung erfolgt in drei aufeinanderfolgenden Phasen. In der ersten Phase (erste Separationsphase) wird das perioperativ gewonnene Wundblut des Patienten am Blutanschluß in das spiralförmige System eingeleitet. Von hier durchströmt es auf einer Kreisbahn mit größer werdendem Radius kontinuierlich das System. Die schweren korpuskulären Bestandteile werden gemäß der physikalischen Gesetzmäßigkeiten F = m x a (Kraft= Masse x Beschleunigung) durch die Zentrifugalkräfte nach außen gedrängt (äußere Kreisbahn). Das Blut wird so auf einen Hämatokrit von circa 80 % aufkonzentriert. Abfallstoffe wie zum Beispiel aktivierte Leukozyten, Thrombozyten, Eiweiße, emulgierte Fette und Zelltrümmer werden dabei abgetrennt und fließen zum Abfallanschluß (innen gelegen). Im Anschluß erfolgt die zweite Phase (Waschphase), in der die konzentrierten Erythrozyten mit heparinisierter physiologischer Kochsalzlösung gewaschen werden. Zwischen dem Blut- und Konzentratanschluß befindet sich der Waschlösungsanschluß. Hierüber wird dem System die Waschlösung zugeführt. Die Erythrozyten werden jetzt resuspendiert. In der dritten Phase (zweite Separationsstufe) wird die verbrauchte Waschlösung wieder entfernt. Das Wundblut erreicht so einen Hämatokrit von circa 60%. Die gewaschenen Erythrozyten können am Konzentratanschluß (aus dem Retransfusionsbeutel) entnommen werden. Eine Einheit retransfundierten Erythrozytenkonzentrates (AGEK) enthält 150 ml des maschinell aufbereiteten Erythrozytenmaterials und nach unten aufgeführten Voraussetzungen 30 g Hämoglobin-Masse (81). 24

Dem innen liegenden Abfallanschluß werden die verbrauchte Waschlösung und das separierte Plasma entnommen. Beim C.A.T.S. kann man zwischen sechs verschiedenen Waschprogrammen je nach Einsatzbereich wählen (z.b. schnelle Aufbereitung, geringe Blutverluste). Da Füll-, Wasch- und Entleerungsvorgang simultan ablaufen, spricht man von einen kontinuierlichem Verfahren. Abb. 1: Autotransfusionsgerät C.A.T.S. (Continuous Auto Transfusion System) der Firma Fresenius im Einsatz in der Helios ENDO- Klinik Hamburg 25

Abb. 2 : Autotransfusionsgerät C.A.T.S. in der Helios ENDO-Klinik Hamburg - Ansicht von oben (Sicht auf Blut- Waschlösungs- und Konzentratpumpe sowie Waschkammer) Abb. 3: Autotransfusionsgerät C.A.T.S. im Einsatz in der Helios ENDO-Klinik Hamburg 26

Aber auch das Verfahren der maschinellen Autotransfusion muß kritisch betrachtet werden, da es zu schweren Zwischenfällen und Spätfolgen kommen kann. So konnte eine stark erhöhte TNF-a-Konzentration und nur eine geringe Abnahme der Leukozyten im autologen gewaschenen Erythrozytenkonzentrat (AGEK) im Vergleich zum nicht aufbereitetem Wundblut festgestellt werden. Die daraus resultierende Aktivierung mononukleärer Zellen sowie die erhöhte Entzündungsmediatorenfreisetzung (z.b. IL-6) können zu verschiedenen Komplikationen wie zum Beispiel Schock, Koagulopathien, Sepsis oder zu pulmonalen und renalen Funktionsstörungen führen (82, 83). 3.6.2. Intraoperativer Ablauf Das intraoperativ angefallene Wundblut sowie die Spüllösung wird mittels einer Doppellumensaugleitung antikoaguliert und steril in ein Reservoir abgesaugt. Hierzu erfolgt das Anlegen eines Vakuums an das Reservoir. Ältere Studienempfehlungen der Sogbegrenzung zur Vermeidung der Hämolyse konnten durch aktuelle Untersuchungsergebnisse nicht bestätigt werden. So konnte Hansen et al. bei Untersuchungen an frischem Wundblut eine <0,4 prozentige Hämolyserate bei unbegrenztem Sog zeigen (55, 84). Als Antikoagulationslösung werden 25.000 bis 30.000 Einheiten Heparin in 1000 ml 0,9%iger Kochsalzlösung verwendet. Diese ist wegen vorhandener aktivierter Thrombozyten sowie Gerinnungsfaktoren notwendig. Laut Herstellerfirma (Fresenius) wird das Antikoagulanz zu über 96% durch das High Quality Waschprogramm eliminiert. Drainageblut kann auch postoperativ im Reservoir gesammelt werden, ohne vorher antikoaguliert zu werden, da es durch Koagulation und Fibrinolyse im Wundflächenbereich schon in vivo defibriniert ist (85). 27

3.6.3. Diskontinuierliches Verfahren Außer dem oben beschriebenen kontinuierlichem Verfahren steht das diskontinuierliche Verfahren zur Verfügung. Da die Blutaufbereitung in einzelnen Schritten (Füllung, Waschen, Leeren) nacheinander erfolgt und nicht gleichzeitig, nennt man dieses Verfahren diskontinuierlich. Das gesammelte Wundblut wird portionsweise in eine rotierende Glockenzentrifuge (z.b. Latham-Glocke) geleitet. Die schweren Erythrozyten mit der höchsten Dichte verbleiben in der glockenförmigen Zentrifuge, während die leichten Bestandteile wie Plasma, Waschflüssigkeit und Zelltrümmer in den Abfallbehälter gelangen. Anschließend wird das in der Glockenzentrifuge rotierende Erythrozytenkonzentrat gewaschen. Um dieses aus dem Glockensystem in den Transfusionsbeutel zu pumpen, muß die Zentrifuge angehalten werden. Erst dann kann der nächste Zyklus beginnen. Es sind Glocken mit unterschiedlichem Fassungsvermögen verfügbar. 3.7. Berechnung des effektiven Blutverlustes Zur Bestimmung des effektiven Blutverlustes in der Knie- und Hüft-TEP-Gruppe wurden anhand der folgenden validierten und publizierten Formeln (86-89) folgende Berechnungen genutzt: Blutvolumen gesamt = kg KG * 0,07 ; (in l) Es wurden Angaben zur Hämoglobin-Masse und zum Gesamt-Blutvolumen von Murphy M.F. und Pamphilon D.H. (90) sowie Umrechnungen von Hämatokrit-Werten auf Hämoglobin-Werte von Zander R. und Müller-Eckhardt C. (81) genutzt. Hiernach entspricht der Hämoglobingehalt (in g/dl) 1/3 des Hämatokrit-Wertes (in %). Hämoglobin Gesamt-Masse = (Ausgangs-Hb-Wert (g/dl) * 10) * (kg KG * 0,07); (in g) Der Faktor `10`wurde zur Umrechnung des Ausgangs-Hb-Wertes in g/l verwendet bzw. eingefügt. Die Zahl 0,07 ergibt sich aus den Angaben in der Literatur, der Mensch verfüge über durchschnittlich 70 ml Blut pro kg KG (90). 28

Hämoglobin Verlust-Masse = ((Hb-Differenz-Wert (g/dl)*10) * (kg KG * 0,7)) + (Einheit transfundierter AEK bzw. HEK * 58 (g)) + ((MAT (in ml)/150) * 30 (g)); (in g) Auch hier wurde zu Beginn der Faktor `10` zur Umrechnung in g/l (dezi=zehn) verwendet. Die Zahl `58` bezieht sich auf den Hb-Gehalt (in g) eines Erythrozytenkonzentrates (250 ml) und wurde ebenfalls von Murphy M.F. und Pamphilon D.H. (90) definiert. Blanchard J. et al. definiert in seiner Studie Bluttransfusionen (homologe und autologe) als Blutverlust (91). Deshalb müssen diese in die Berechnung der Hb-Verlust-Masse einbezogen werden. Dazu gehört auch das durch das CAT-System maschinell aufbereitete Eigenblut (MAT). Blutverlust (in l) = Hb-Verlust-Masse (g) * Blutvolumen (l) Hb-Gesamt-Masse (g) Nach Verwendung der Formel für die Berechnung der Hb-Gesamt-Masse ergibt sich somit folgende Berechnung: Blutverlust (in l) = Hb-Verlust-Masse (g) * Blutvolumen (l) Ausgangs-Hb-Wert (g/l) * Blutvolumen (l) Nach Herauskürzen des `Blutvolumens` erhält man folgende Schlussformel: Blutverlust (in l) = Hb-Verlust-Masse (in g) Ausgangs-Hb-Wert (g/l) Der Blutverlust konnte auf diesem Wege in der Knie-TEP-Gruppe sowie in der Hüft- TEP-Gruppe ermittelt werden. Anschließend wurden die Daten in der jeweiligen Gruppe mit den verschiedenen Einflußgrößen wie BMI-Wert, ASA-Score und Alter in 29

Zusammenhang gebracht und statistisch ausgewertet. Die gleiche Untersuchung erfolgte für die Hb-Differenz. Diese berechnet sich wie folgt: Hb-Differenz (in g/dl) = Ausgangs-Hb (präoperativ) Entlassungs-Hb (postoperativ) So wurde die Hb-Differenz in der jeweiligen Gruppe (Hüft- oder Knie-TEP-Gruppe) mit den zuvor festgelegten Einflussgrößen BMI-Wert, ASA-Score und Alter in Zusammenhang gebracht und ebenfalls statistisch ausgewertet. Zur Beurteilung möglicher Einflüsse auf die Menge des retransfudierten autologen Blutes per MAT wurden der BMI-Wert, der ASA-Score und das Alter in der Hüft- sowie in der Knie- TEP-Gruppe mit der MAT-Menge in Zusammenhang gebracht. Die MAT-Menge definiert sich wie folgt: MAT-Menge (in ml) =gesammeltes Wundblut (in ml) intraoperativ + über Drainagen gesammeltes Wundblut (in ml) bis zu 6 Stunden postoperativ Die maschinelle Aufbereitung und Retransfusion des gesammelten Wundblutes erfolgte mit dem C.A.T.S. plus Gerät (Fresenius C.A.T.S. plus, 230V/50Hz, siehe Abb. 1-3) und wurde von den Anästhesisten durchgeführt. Weiterhin wurden zur Feststellung geschlechtsspezifischer Unterschiede die Probanden (je nach Geschlecht) in zwei Gruppen eingeteilt. Die weibliche und die männliche Gruppe wurde hinsichtlich der Hb-Differenz, des Blutverlustes sowie der retransfundierten Menge autologen Blutes per MAT (MAT-Menge) verglichen. Zur Beurteilung der Effektivität bezüglich späterer Fremdblutgaben erfolgte die Einteilung der Patienten in eine Gruppe ohne MAT und eine Gruppe mit MAT. Beide Gruppe wurden bezüglich der folgenden Parameter miteinander verglichen: Hb-Differenz effektiver Blutverlust Anzahl der transfundierten Blutkonserven (autolog und homolog) Der Vergleich erfolgte jeweils unabhängig zu dem in der Knie- und in der Hüft-TEP- Gruppe. 30

3.8. Statistische Analyse Für die statistische Auswertung und Diagrammerstellung wurde das Softwarepaket GraphPad Prism (Prism 5 for Mac OS X, Version 5.0d; La Jolla, CA, USA) verwendet. Als Signifikanzniveau wurde a=0,05 angenommen. Die deskriptive Darstellung der kontinuierlichen Variablen erfolgte in Form von Mittelwerten und Medianen, wobei als Streumaße Standardabweichungen gewählt wurden. Stetige Untersuchungsgrößen, die die Kriterien der Normverteilung erfüllten, wurden mit Hilfe des t-tests auf Signifikanz hin überprüft. Wenn die Kriterien der Normverteilung nicht erfüllt waren, wurde der Mann-Whitney-Test herangezogen. Mit Hilfe des Shapiro-Wilk-Tests wurde die Normverteilung ermittelt. Zur Erfassung der Unterschiede für BMI, ASA-Score sowie zur Ermittlung signifikanter Altersabhängigkeiten wurde die Varianzanalyse (ANOVA) verwendet. Hierzu wurde ebenfalls ein p-wert von <0,05 festgelegt. Das Quotenverhältnis, auch Odd Ratio, diente zur Berechnung des Risikos der Gabe von Blutkonserven für Patienten mit und ohne MAT sowie für Patienten mit Hb kleiner und größer 10. 31

4. Ergebnisse 4.1. Alters- und Geschlechtsverteilung In der vorliegenden retrospektiven Studie wurden die Daten von 389 Patienten der Helios ENDO-Klinik Hamburg ausgewertet. Es wurden die Daten von 201 weiblichen Patienten und 188 männlichen Patienten mit einem Altersdurchschnitt von 64 Jahren (28-86 Jahre) in die Studie eingepflegt. Das ergibt eine prozentuale Verteilung von 51,6 % Frauen und 48,4 % Männern und ein Geschlechterverhältnis von 1,1 : 1 zugunsten der Frauen (Abb. 4). 227 Patienten (58,4%) wurden mit einer Hüfttotalendoprothese und 162 Patienten (41,6%) mit einer Knietotalendoprothese versorgt (Abb. 5). Abb.4: Geschlechtsverteilung der Patienten Abb.5: Operationsart (Hüft- oder Knie-TEP) 32

Die Patienten wurden hinsichtlich ihrer Operationsart in zwei Gruppen aufgeteilt: Knie-TEP-Gruppe (Gruppe 1) Hüft-TEP-Gruppe (Gruppe 2) Innerhalb dieser Gruppe wurden die oben erwähnten messbaren Parameter verglichen. 4.2. Ergebnisse Knie-TEP-Gruppe 4.2.1. Effektiver Blutverlust Durchschnittlich betrug der nach der oben genannten Formel berechnete effektive Blutverlust über den gesamten stationären Aufenthalt der Patienten, die mit einer Knieendoprothese versorgt wurden 1999 ml Blut. 25 Patienten mit einem BMI kleiner 25 verloren perioperativ durchschnittlich 1967 Milliliter (ml), während sich bei 68 Patienten mit einem BMI-Wert zwischen 25-30 der höchste durchschnittlicher Blutverlust von 2145 ml (660 ml - 3800 ml) ergab. Der geringste Blutverlust (Mittelwert=1826 ml) konnte in der BMI-Gruppe 30-35, in der 49 Patienten eingeschlossen waren, ermittelt werden. Die restlichen 20 Patienten in der BMI-Gruppe >35 verloren durchschnittlich 1933 ml Blut. Statistisch signifikante Unterschiede für die jeweiligen Gruppen fanden sich nicht (p>0,05) (Abb. 6). 33

Abb.6: Die Abbildung 6 veranschaulicht den Blutverlust in der Knie-TEP-Gruppe in Abhängigkeit von den BMI-Werten. Es gab ebenfalls keine statistisch signifikanten Unterschiede für den Blutverlust in den einzelnen ASA-Gruppen (p>0,05) (Abb. 7). Der höchste Blutverlust ergab sich in der Patientengruppe mit dem ASA-Score 2 (Mittelwert = 2026 ml, 95 Patienten). Der niedrigste Blutverlust wurde in der ASA-Gruppe 1 gemessen (Mittelwert = 1933 ml, 9 Patienten). Die übrigen 57 Patienten der ASA-Gruppe 3 erreichten einen Mittelwert von 1949 ml. 34