Schwangerschaftsanämie. Prof. Clemens Tempfer, Susanne Quell-Liedke

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1 Schwangerschaftsanämie Prof. Clemens Tempfer, Susanne Quell-Liedke 1

2 Physiologische Veränderungen in der Schwangerschaft: Blutplasma nimmt um 40 bis 50 % zu verstärkte Erythrozytenbildung (etwa 25% mehr) für optimale Plazentaperfusion und Kompensationsreserve für Blutverlust post partum Erniedrigung Hämatokrit und Hb-Wert Schwangerschaftshydrämie: Höhepunkt zwischen 28. und 32. SSW physiologisch!

3 Inzidenz: Anämie: 1,62 Milliarden Menschen = 24,8% der Weltbevölkerung häufigster Grund: Eisenmangel Schwangere: global 40%, Europa 25%

4 Empfohlene Eisenzufuhr in der Schwangerschaft: 30 Milligramm pro Tag Durchschnittliche Eisenaufnahme durch die Nahrung (Westeuropa): 10 bis 20 Milligramm nur etwa 0,5 bis 2 Milligramm werden resorbiert (nicht schwanger) Resorptionsfähigkeit in der Schwangerschaft deutlich höher: Bis zu 66% des durch Nahrung zugeführten Eisens (nicht schwanger 5 bis 10%)

5 Definition Anämie in der Schwangerschaft: Hb-Ausgangswert: > 11,0 g/dl im 2. und 3. Trimenon: > 10,5 g/dl post partum: > 10,0 g/dl Nach deutschen Mutterschafts-Richtlinien: Anämie < 10,0 g/dl = Risikoschwangerschaft allerdings keine einheitlichen Werte in Leitlinien und Empfehlungen der Fachgesellschaften

6 Hb-Bestimmung: venöse Blutentnahme beim 1. Termin der Schwangerenvorsorge sowie in der 28. SSW (keine Evidenzen für Nutzen häufiger Routinekontrollen) keine Auskunft über Eisenstatus durch Hb-Wert allein zusätzliche Ferritin-Bestimmung (Eisenspeicher) sinnvoll Ferritin-Wert: < 30 μg/l < 15 μg/l = schwere Anämie

7 Symptome: Blässe (auch weiße Schleimhäute in Mund und inneren Augen ) latente Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Appetitlosigkeit Konzentrationsschwäche Atemnot bei körperlicher Belastung Schwindel beim Aufrichten vom Liegen pochende Kopfschmerzen nach dem Aufstehen Pulsbeschleunigung und Ohrensausen zunehmende Kälteempfindlichkeit stumpfe, brüchige Haare und Nägel, Mundwinkelrhagaden

8 Gut zu wissen: Gute Eisenquellen: Vollkornerzeugnisse und Hülsenfrüchte Milch und Milchprodukte, Kaffee und Tee: Antagonisten der Eisenaufnahme Vitamin C und Fruchtsäuren wandeln dreiwertiges Eisen in das besser verwertbare zweiwertige Eisen Fleisch: sehr gute Quelle für zweiwertiges Eisen

9 Praktische Ernährungsempfehlungen: Vollkornbrot/Vollkornflocken mit Obst oder Saft kombinieren Haferflocken, Amaranth oder Hirse kochen und mit Obst mischen Vollkornmüslis ohne Milchprodukte essen (besser: Soja-, Reis- Mandelmilch) Grünes Gemüse und rote Säfte auf den Speiseplan Hülsenfrüchte essen (Linsen, Bohnen) Getreide und rote Paprika kombinieren Salate mit Zitronensaft-Dressing anrichten zwei- bis dreimal wöchentlich kleine Fleischportionen essen Kaffe- und Teezeiten von den Mahlzeiten trennen!

10 Orale Eisen-Substitution: nur bei vorliegender Indikation täglich oder wöchentlich möglich Resorptionsfähigkeit proportional zum Anämiezustand häufige Reaktionen: Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen, Obstipation, Durchfall, Schwarzfärbung des Stuhls in klinischer Studie: geringe tägliche Dosis am besten toleriert

11 Alternativen: Anaemodoron Tropfen verbessern die Eisenaufnahme Ferrum ustum comp. liefert Eisen, das gut verwertbar und verträglich ist Ferrum sidereum liefert Eisen, stärkt den Gesamtorganismus Sanddorn- und Schlehen-Elixier liefern reichlich Vitamin C und verbessern damit die Eisenaufnahme Kräuterblut mit Eisen liefert Eisen und verbessert die Eisenaufnahme

12 Geburtshilfliche Endpunkte: Eine Analyse von 20 kontrollierten Studien zum Thema der Eisensubstitution in der Schwangerschaft, welche von der Cochrane Collaboration durchgeführt wurde, ergab in der Interventionsgruppe eine Verbesserung von Serumferritin- und Hämoglobinwerten, jedoch keine Verbesserung aller untersuchten geburtshilflichen Parameter (Mahomed K 2000)

13 Zusammenfassung: Ausführliche Ernährungsanamnese Aufklärung über diätetische Veränderungen zur optimalen Eisenaufnahme und -verwertung individuelle Situation und Möglichkeiten berücksichtigen Bestimmung des Hb- und Ferritin-Werts kein Kapillarblut verwenden niedrigere Hb-Grenzwerte ab dem 2. Trimenon beachten (105 g/l) bei starken Nebenwirkungen der Substitution: Präparat wechseln und/oder alternative Arzneimittel nutzen Hb-Messung in der 28. SSW wiederholen