Regelung des Verfahrens im neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht

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Transkript:

Neues Kindes- und Erwachsenenschutzrecht konkrete Umsetzungsfragen Fachtagung vom 11./12. September 2012 in Freiburg Arbeitskreis 7 Regelung des Verfahrens im neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht Steck Daniel, Dr. iur., ehemaliger Richter am Obergericht Zürich Abstract: Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ist wie das bisherige Vormundschaftsrecht ein Eingriffsrecht und deshalb rechtstheoretisch dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Nach Lehre und Rechtsprechung gilt es aber als formelles Bundeszivilrecht. Der Versuch, mit der Revision des ZGB gleichzeitig das Verfahren bundesrechtlich zu regeln, scheiterte. Auf eine Regelung im Rahmen der Schweizerischen ZPO wurde verzichtet, ebenso der Erlass eines bundesrechtlichen Verfahrensgesetzes abgelehnt. Stattdessen hat der Bundesgesetzgeber die wichtigsten Verfahrensgrundsätze, welche zur Durchsetzung des materiellen Rechts als unerlässlich angesehen werden, im ZGB verankert und damit für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren eine punktuelle und rudimentäre bundesrechtliche Ordnung erlassen. Für weite Teile des Verfahrens bleibt deshalb das kantonale Recht vorbehalten. Nach nart. 450f ZGB sind die Bestimmungen der ZPO sinngemäss anwendbar, soweit die Kantone nichts anderes bestimmen. Damit wird im Gesetz eine kaskadenartige Ordnung verankert. Die wichtigsten Verfahrensbestimmungen befinden sich im ZGB. Enthält das ZGB zu einer bestimmten Verfahrensfrage keine Regelung, so sind die Kantone befugt, ergänzende Verfahrensvorschriften zu erlassen. Die Kantone können dabei unterschiedlich vorgehen. Sie können entweder in ihren Einführungsgesetzen spezifische ergänzende Vorschriften erlassen, oder auf die Verwaltungsverfahrensordnung verweisen, oder auf eine bereits bestehende Verfahrensordnung hinweisen oder punktuell oder umfassend auf die Regeln der ZPO verweisen. Zudem können einzelne oder mehrere dieser Möglichkeiten kombiniert werden. Fehlt eine kantonale Regelung, ist nart. 450f ZGB anwendbar. Die Präsentation und weitere Unterlagen zum Arbeitskreis stehen im Nachgang zur Tagung auf www.kokes.ch Aktuell Tagung 2012 zum Download bereit.

KOKES Fachtagung 11./12. September 2012 Arbeitskreis 7 Regelung des Verfahrens im neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht Dr. iur. Daniel Steck, ehemaliger Richter am Obergericht Zürich 1 Übersicht A. Ursprüngliches Konzept der Expertenkommission für die Organisation des KESR B. Grundsätzliche Regelung der Organisation des KESR im ZGB C. Die bundesrechtlichen Bestimmungen über die Organisation des KESR im ZGB D. Das Verhältnis von Bundesrecht und kantonalem Recht beim Verfahren im KESR E. Praktische Übungen 2 Daniel Steck 1

A. Ursprüngliches Konzept der Expertenkommission für die Organisation des KESR: (im Vernehmlassungsverfahren mehrheitlich abgelehnt) Die KESB ist von Bundesrechts wegen ein Fachgericht Das Verfahren wird durch ein BG über das Verfahren vor den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden geregelt. 3 B. Grundsätzliche Regelung der Organisation des KESR im ZGB (1) 1. Behördenorganisation: nart. 440 f. ZGB a) KESB. Kantonale Organisationshoheit, aber bundesrechtliche Vorgaben: Die Erwachsenenschutzbehörde ist eine Fachbehörde. Sie hat auch die Aufgaben der Kindesschutzbehörde (deshalb KESB). Professionalität und Interdisziplinarität. 4 Daniel Steck 2

B. Grundsätzliche Regelung der Organisation des KESR im ZGB (2) Grundsatz: Entscheid als Kollegialbehörde. Ausnahmen für bestimmte Geschäfte nach kantonalem Recht (Einzelzuständigkeit) 1. Instanz für alle Geschäfte des KESR 5 B. Grundsätzliche Regelung der Organisation des KESR im ZGB (3) b) Aufsichtsbehörde (AB): nart. 441 Abs. 1 ZGB. Betrifft die administrative (allgemeine) Aufsicht. Wird von den Kantonen bestimmt. Bundesrat kann Bestimmungen erlassen (nart. 441 Abs. 2 ZGB) 6 Daniel Steck 3

B. Grundsätzliche Regelung der Organisation des KESR im ZGB (4) c) Gerichtliche Beschwerdeinstanz: nart. 450 ff. und nart. 439 ZGB. 7 B. Grundsätzliche Regelung der Organisation des KESR im ZGB (5) Ergänzende Bemerkungen zur Behördenorganisation: Die KESB kann als Gericht oder als Verwaltungsbehörde konstituiert werden. Die AB kann ein- oder zweistufig und sowohl als Gericht als auch als Verwaltungsbehörde konstituiert werden. Die Beschwerdeinstanz muss zwingend als Gericht (i.s. von Art. 6 EMRK) konstituiert werden. Kantonaler Rechtsmittelzug ein- oder zweistufig möglich, aber BGG 75. 8 Daniel Steck 4

B. Grundsätzliche Regelung der Organisation des KESR im ZGB (4) 2. Verfahren: nart. 443 ff. ZGB Grundsatz: Kantonalrechtliche Verfahrensordnung, aber bundesrechtliche Vorgaben, nämlich Bundesrechtliche Verfahrensbestimmungen: (= punktuelle, rudimentäre bundesrechtliche Verfahrensordnung) 9 C. Die bundesrechtlichen Bestimmungen zur Organisation des KESR im ZGB (1). 1. Gesetzessystematik: 12. Titel: Organisation 1. Abschnitt: Behörden und Zuständigkeit (nart. 440-442 ZGB) 10 Daniel Steck 5

C. Die bundesrechtlichen Bestimmungen zur Organisation des KESR im ZGB (2). 2. Abschnitt: Verfahren 1. Unterabschnitt: Vor der Erwachsenenschutzbehörde (nart. 443-449c ZGB) 2. Unterabschnitt: Vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz (nart. 450-450e ZGB) 3. Unterabschnitt: Gemeinsame Bestimmung (nart. 450f ZGB) 4. Unterabschnitt: Vollstreckung (nart. 450g ZGB) 11 3. Abschnitt: Verhältnis zu Dritten und Zusammenarbeitspflicht (nart. 451-453 ZGB) 4. Abschnitt: Verantwortlichkeit (nart. 454-456ZGB) 12 Daniel Steck 6

C. Die bundesrechtlichen Bestimmungen zur Organisation des KESR im ZGB (3). 2. Die bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen im ZGB Konzept des Gesetzes: Die Verfahrensbestimmungen im ZGB stellen eine punktuelle und rudimentäre bundesrechtliche Verfahrensordnung dar: Verfahren vor der KESB: nart. 443-449c und nart. 450g nzgb. Verfahren vor der gerichtlichen Beschwerdeinstanz: nart. 450-450e und nart. 450g nzgb. Verfahren für besondere gerichtliche Beschwerden bei FU: nart. 439 nzgb. 13 D. Das Verhältnis von Bundesrecht und kantonalem Recht beim Verfahren im KESR (2). Wird eine Frage nach den Bestimmungen von nart 443 ff. ZGB nicht geregelt, gelangt nart. 450f ZGB zur Anwendung, nart. 450f ZGB lautet: «Im Übrigen sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung sinngemäss anwendbar, soweit die Kantone nichts anderes bestimmen.» Das ist der Fall, wenn wenn die kantonale Verfahrensordnung lückenhaft ist, oder ein Kanton keine besonderen Verfahrensvorschriften erlässt. 14 Daniel Steck 7

D. Das Verhältnis von Bundesrecht und kantonalem Recht beim Verfahren im KESR (3). Fazit: Es besteht für die Regelung des Verfahrens folgende kaskadenartige Rangordnung: 1) Verfahrensbestimmungen des ZGB 2) Kantonale Verfahrensordnung 3) ZPO als ergänzendes kantonales Recht 15 E. Praktische Übungen (1) Fragen zum Fall 1 1. Wie wird die KESB eingeschaltet? Durch Helga Fischer? Durch den Hausarzt? 2. Was wird die KESB voraussichtlich prüfen? 3. Wie wird die KESB in verfahrensrechtlicher Hinsicht dabei vorgehen? Sind vorsorgliche Massnahmen angezeigt? 4. Kann im Verfahren vor der KESB auf eine Vertretung von Albert Müller verzichtet werden? Kann allenfalls Helga Fischer ihn vertreten? Falls eine anderweitige Vertretung angeordnet werden muss, wer ist damit zu betrauen? 16 Daniel Steck 8

E. Praktische Übungen (2) Fragen zum Fall 1 5. Wer ist für die Anordnung einer allfälligen Vertretung zuständig? 6. Wie muss der Entscheid der KESB in formeller Hinsicht ausgestaltet und eröffnet werden? 7. Muss ein rechtskräftiger Entscheid der KESB anderen Behörden mitgeteilt werden? 8. Wie kann sich Albert Müller gegen einen Entscheid der KESB zur Wehr setzen? Können sich andere Personen dagegen zur Wehr setzen? 17 E. Praktische Übungen (3) Fragen zum Fall 2 1. Ist Dr. Z. zur Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung und Klinikeinweisung von X befugt? 2. Was ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht bei einer ärztlichen Einweisung zu beachten? 3. Wie kann sich X gegen die ärztliche Einweisung zur Wehr setzen? 4. Ist die Mutter von X legitimiert, die Entlassung zu verlangen? Wer hat über ein solches Gesuch zu entscheiden? 18 Daniel Steck 9

E. Praktische Übungen (4) Fragen zum Fall 2 5. Ist eine Verlegung von X in die psychiatrische Universitätsklinik zwecks stationärer Begutachtung zulässig und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen? 6. Wie ist vorzugehen, wenn X sich gegen die Einschliessung zur Wehr setzen will? 7. Was hat die Klinik vorzukehren, wenn ein Gutachten ergibt, dass X bis auf weiteres stationär behandelt werden sollte? 8. Wie kann sich X gegen eine länger dauernde fürsorgerische Unterbringung zur Wehr setzen? 19 E. Praktische Übungen (5) Fragen zum Fall 3 1. Was muss die Wohn- oder Pflegeeinrichtung beachten, wenn sie solche Massnahmen für notwendig erachtet? 2. Wie ist vorzugehen, wenn sich Frau A gegen die angeordnete Massnahme wehren möchte? 3. Kann Pfarrhelferin B etwas unternehmen? 4. Wie ist die Zuständigkeit geregelt, falls das Vorgehen der Wohn- oder Pflegeeinrichtung beanstandet wird? 20 Daniel Steck 10

E. Praktische Übungen (6) Fragen zum Fall 3 5. Wie muss vorgegangen werden, falls sich die angeordnete Massnahme als unzulässig erweist? 6. Steht ein Rechtsmittel zur Verfügung, falls die angerufene Instanz die angeordnete Massnahme als zulässig beurteilt? 21 Daniel Steck 11

Neues Kindes- und Erwachsenenschutzrecht konkrete Umsetzungsfragen Fachtagung vom 11./12. September 2012 in Freiburg Übungsfälle für den Arbeitskreis 7: Betreffend Regelung des Verfahrens im neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht Fall 1 Sachverhalt: Albert Müller (geb. 1923) lebt seit vielen Jahren von seiner Ehefrau getrennt mit einer um 15 Jahre jüngeren Lebenspartnerin Helga Fischer zusammen in seiner eigenen Eigentumswohnung. Wenn Helga Fischer mit seinem Auto ins Dorf zum Einkaufen fährt, nimmt sie Albert Müller regelmässig mit. Während sie die Einkaufsgeschäfte besorgt, wartet er jeweils im Restaurant, das dem Einkaufszentrum angegliedert ist, auf sie. Kürzlich hat sie von den Wirtsleuten erfahren, dass Albert Müller seit einiger Zeit jedesmal das Servierpersonal mit ungewöhnlich hohen Trinkgeldern bedacht habe. Die lokale Bank hat sie zudem darauf aufmerksam gemacht, dass Herr Müller in letzter Zeit mehrmals beim Bankschalter erschienen sei, um grössere Geldbeträge abzuheben. Auch habe er die Absicht geäussert, gelegentlich ein Bankdarlehen aufzunehmen und die auf seiner Eigentumswohnung lastende Hypothek zu erhöhen. Einer Nachbarin gegenüber soll er vor kurzem erklärt haben, er brauche sein Auto nicht mehr, er wolle es ihr schenken. Vor einigen Tagen hat Helga Fischer mit Albert Müller den Hausarzt aufgesucht. Dieser stellt fest, dass Albert Müller an einer mittelgradigen Demenz und diversen somatischen Erkrankungen leidet. Im Gespräch kommen der Hausarzt und Frau Fischer übereinstimmend zum Schluss, dass auf behördliche Massnahmen nicht länger verzichtet werden sollte. Fragen: 1. Wie wird die KESB eingeschaltet? Durch Helga Fischer? Durch den Hausarzt? 2. Was wird die KESB voraussichtlich prüfen?

3. Wie wird die KESB in verfahrensrechtlicher Hinsicht dabei vorgehen? Sind vorsorgliche Massnahmen angezeigt? 4. Kann im Verfahren vor der KESB auf eine Vertretung von Albert Müller verzichtet werden? Kann allenfalls Helga Fischer ihn vertreten? Falls eine anderweitige Vertretung angeordnet werden muss, wer ist damit zu betrauen? 5. Wer ist für die Anordnung einer allfälligen Vertretung zuständig? 6. Wie muss der Entscheid der KESB in formeller Hinsicht ausgestaltet und eröffnet werden? 7. Muss ein rechtskräftiger Entscheid der KESB andern Behörden mitgeteilt werden? 8. Wie kann sich Albert Müller gegen einen Entscheid der KESB zur Wehr setzen? Können sich andere Personen dagegen zur Wehr setzen?

Fall 2 Sachverhalt: A. X leidet an einer paranoiden Schizophrenie mit chronischem Verlauf. Seit mehreren Jahren besteht ein systematisierter Wahn. Zu einer krankheitsfreien Episode ist es in der letzten Zeit nicht gekommen. In der Vergangenheit war X mehrmals für kurze Zeit in einer psychiatrischen Klinik behandelt worden, wobei er wiederholt entwich. In den letzten zwei Jahren erfolgte die Behandlung ambulant durch den Hausarzt. Dieser stellte vor kurzem fest, dass sich der Gesundheitszustand von X erneut verschlechtert habe. B. Nachdem X an einem Wochenende im Ausgang unter Drogeneinfluss ausgerastet war und in der Nachbarschaft wüste und schlimme Drohungen ausgesprochen hatte, wurde der Allgemeinpraktiker Dr. Z., welcher den Notfalldienst besorgte, beigezogen. Dieser ordnete die fürsorgerische Unterbringung an. X wurde gegen seinen Willen in die psychiatrische Klinik Y eingewiesen. Er widersetzt sich der Einweisung. C. Nach drei Tagen erscheint die Mutter von X bei der Klinik X und beantragt die Entlassung aus der Klinik. Sie erklärt, sie wolle ihren Sohn selber betreuen und ihn zu sich nach Hause holen. D. Die Klinik erachtet eine psychiatrische Begutachtung als notwendig, was ambulant nicht möglich sei. Sie möchte, dass die Begutachtung in der Psychiatrischen Klinik der Universität stationär erfolge. X widersetzt sich einer solchen Verlegung. E. Nachdem X versucht hatte, aus der Klinik zu entweichen, wurde er in einem Sicherheitszimmer eingeschlossen. X und seine Mutter wollen sich dagegen zur Wehr setzen. Fragen: 1. Ist Dr. Z. zur Anordnung der fürsorgerischen Unterbringung und Klinikeinweisung von X befugt? 2. Was ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht bei einer ärztlichen Einweisung zu beachten?

3. Wie kann sich X gegen die ärztliche Einweisung zur Wehr setzen? 4. Ist die Mutter von X legitimiert, die Entlassung zu verlangen? Wer hat über ein solches Gesuch zu entscheiden? 5. Ist eine Verlegung von X in die psychiatrische Universitätsklinik zwecks stationärer Begutachtung zulässig und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen? 6. Wie ist vorzugehen, wenn X sich gegen die Einschliessung zur Wehr setzen will? 7. Was hat die Klinik vorzukehren, wenn ein Gutachten ergibt, dass X bis auf weiteres stationär behandelt werden sollte? 8. Wie kann sich X gegen eine länger dauernde fürsorgerische Unterbringung zur Wehr setzen?

Fall 3 Sachverhalt: Die 85-jährige alleinstehende Frau A hatte nach einem Unfall Mühe, ihren eigenen Haushalt zu besorgen und begab sich deshalb aus eigenem Entschluss in ein Alters- und Pflegeheim. Ausser einem verheirateten Neffen, der aber weit weg wohnt und sich nicht um sie kümmerte, hat sie keine Angehörigen mehr. Anfänglich wurde sie im Altersheim ab und zu von Nachbarinnen besucht. Seit mehreren Monaten hat sie jedoch keine solchen Besuche mehr empfangen. Einzig die Pfarrhelferin B, zu welcher sie früher gute Kontakte hatte, hat hin und wieder vorbeigeschaut, wenn sie gerade in der Nähe war. Vor einiger Zeit hatte der Heimarzt eine beginnende Demenz festgestellt, die sich rasch und unaufhaltsam verstärkte, so dass Frau A völlig pflegebedürftig wurde. Nachdem sie sich mehrmals in verwirrtem Zustand aus ihrem Zimmer entfernt und den Weg zurück nicht mehr gefunden hatte, ordnete der Pflegedienst an, dass Frau A im Fernsehzimmer jeweils auf ihrem Stuhl angegurtet werden müsse. Dagegen hat sich Frau A immer heftig zur Wehr gesetzt. Kürzlich hat Pfarrhelferin B davon erfahren. Fragen: 1. Was muss die Wohn- oder Pflegeeinrichtung beachten, wenn sie solche Massnahmen für notwendig erachtet? 2. Wie ist vorzugehen, wenn sich Frau A gegen die angeordnete Massnahme wehren möchte? 3. Kann Pfarrhelferin B etwas unternehmen? 4. Wie ist die Zuständigkeit geregelt, falls das Vorgehen der Wohn- oder Pflegeeinrichtung beanstandet wird? 5. Wie muss vorgegangen werden, falls sich die angeordnete Massnahme als unzulässig erweist. 6. Steht ein Rechtsmittel zur Verfügung, falls die angerufene Instanz die angeordnete Massnahme als zulässig beurteilt?