6. Registerinformation Myotone Dystrophien 2/2017

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6. Registerinformation Myotone Dystrophien 2/2017 Sehr geehrte Patienten und Angehörige! Im Rahmen des Registers Myotone Dystrophie möchten wir Ihnen sowie Ihren Hausärzten und Fachärzten vor Ort mit den Registerinformationen in regelmäßigen Abständen Informationen und gegebenenfalls aktuelle Neuigkeiten zu Ihrer Erkrankung zukommen lassen. In den bisherigen Registerinformationen haben wir bereits die Beteiligung verschiedener Organsysteme bei der Myotonen Dystrophie behandelt, und unter anderem haben wir in der letzten Registerinformation Ihre Aufmerksamkeit auf die mögliche Beteiligung des zentralen Nervensystems gelenkt. In dieser 6. Registerinformation geben wir Ihnen zunächst einen aktualisierten Überblick über den Registerstand. Weiterhin weisen wir auf derzeitige Managementstandards bei der DM hin, und gehen auf die Frage nach einem erhöhten Narkoserisiko bei DM Patienten ein. Des Weiteren möchten wir Ihnen über den Verlauf der im Dezember 2014 gestarteten nordamerikanischen Medikamentenstudie bei DM1 (ISIS-DMPKRx) berichten. Für Ihre Mitarbeit am Patientenregister, für Ihr Interesse und Ihre Unterstützung bei klinischen Studien, möchten wir Ihnen wie immer herzlich danken. 1 Impressum Friedrich-Baur-Institut Ludwig-Maximilians-Universität Ziemssenstr. 1a D-80336 München germany@dm-registry.org

Der aktuelle Registerstand In dem seit April 2012 bestehenden Patientenregister für Myotone Dystrophie wächst die Teilnehmerzahl Jahr für Jahr an (Abb. 1). Es sind aktuell 535 Patienten und 100 Ärzte aus ganz Deutschland registriert. Die Verteilung von DM1 und DM2 ist weiterhin in etwa 50:50% (52% DM1 und 48% DM2). Bei 9% der angemeldeten DM1 Patienten besteht eine kongenitale Form der Myotonen Dystrophie (n=23). Leider sind zurzeit 32 Patienten im Register angemeldet, bei denen die Diagnose als unbekannt eingetragen ist. Wir bitten Sie daher um Überprüfung dieses wichtigen Registereintrags oder lassen Sie uns den entsprechenden genetischen Befund zukommen (postalische Adresse DM-Patientenregister z. Hd. Frau Dr. Federica Montagnese, Friedrich- Baur-Institut, Ziemssenstr. 1a, 80336 München). Registereinträge mit einer unbekannten Diagnose müssen nach 6 Monaten gelöscht werden da diese Dateneingaben nicht verwendbar sind. Noch eine Erinnerung an die Datenaktualisierung. Diese soll jährlich erfolgen, so dass wir auch Informationen über den Verlauf Ihrer Krankheit erhalten. Es sind ca. 210 die Patienten, die in den letzten 2 Jahren Ihre Daten nicht aktualisiert haben. Nur bei Vollständigkeit der Dateneingaben im Register ist dieses auch voll nutzbar. Für die Vollständigkeit der klinischen Daten spielen auch die von Ihnen ausgewählten Ärzte eine wichtige Rolle. Bei ca. 260 Patienten scheint kein Arzt angegeben zu sein, und bei ca. 60 zusätzlichen Patienten haben die angemeldeten Ärzte keine klinischen Daten über ihre Patienten eingetragen. Der Zeitaufwand für die Dateneintragung kann natürlich erheblich sein, wenn ein Arzt mehrere registrierte Patienten betreut, jedoch nur der 20% der angemeldeten Ärzte betreut 4 Patienten (Abb. 2). Von daher unser Aufruf an die ärztliche Kollegen für eine effektivere Mitarbeit am Patientenregister. Alternativ können Sie uns auch Ihre letzten Untersuchungsbefunde mit dem Vermerk DM-Register zusenden, so dass wir Ihre medizinischen Daten aktualisieren können. Number of Patients 600 500 400 300 200 100 0 Total DM1 DM2 Abb. 1 Abb. 2 2

Informationen zum derzeitigen Managementsstandard bei der Myotonen Dystrophie Narkose bei DM Patienten: Jeder von uns wird höchstwahrscheinlich in seinem Leben eine oder mehrere Operationen/ chirurgische Eingriffe erleben. Die Fragen die wir hier beantworten möchten lauten: 1) Besteht für die DM Patienten ein höheres Narkoserisiko im Vergleich zu der (normalen) Bevölkerung? 2) Gibt es Unterschiede bezüglich des Narkoserisikos zwischen DM1 und DM2 Patienten? Narkose und Allgemeinanästhesie sind Synonyme. Das Wort Anästhesie kommt aus dem altgriechischen ἀν- (nicht) und αἴσϑησις (Wahrnehmung). Die Allgemeinanästhesie wird definiert als: eine medikamenteninduzierte (Narkosemitteln/Anästhetika) Bewusstlosigkeit, während der die Patienten, auch durch Schmerzimpulse, nicht erweckbar sind (American Association of Anaesthesiology). Bei Lokal- und Regionalanästhesieverfahren wird diese Schmerzausschaltung auf einzelne Körperteile reduziert. Der Ablauf einer Narkose besteht aus 3 Phasen: 1. die präoperative Vorbereitung, 2. die Durchführung der Narkose und 3. die postoperative Überwachung. In der präoperativen Vorbereitung wird der Anästhesist (Narkosearzt) mit Ihnen ein Gespräch über Ihren Gesundheitszustand führen und einige wichtige Untersuchungen zur Beurteilung der kardiopulmonalen Funktionen anfordern. Die Durchführung der Narkose gliedert sich in verschiedene Stadien: 1) Prämedikation mit Beruhigungsmittel (z.b. Benzodiazepine); 2) Narkoseeinleitung: Anfang der Narkose durch die intravenöse Verabreichung eines Schmerzmittels (Analgetikum), eines Muskelenstpannungsmittels (Muskelrelaxans, z.b. Succhinylcholin, Rocuronium, Vecuronium) und eines Narkosemittels (z.b. Propofol); 3) sobald der Patient einschläft, erfolgt die Sicherung der Atemwege und die Beatmung (Intubation); 4) Durchführung der Narkose durch die kontinuierliche intravenöse Verabreichung von Narkosemitteln (Total IntraVenöse Anästhesie TIVA) oder durch eine Mischung aus Inhalationsanästhetika (durch die Atemmaske) und intravenöse Anästhetika; und 5) Narkoseausleitung: Ausschleichendes Ende der Anästhetikagabe. Der Patient wird im Anschluss postoperativ überwacht mit regelmäßigen Kontrollen der Atmen- und Kreislauffunktion, sowie der Körpertemperatur. Trotz erheblicher Fortschritte in der Medizin seit den ersten Anästhesieversuchen, enthält jede Narkose ein gewisses Risiko von Komplikationen. Diese umfassen: allergische Reaktionen gegen die Narkosemittel, Lähmungen durch die Körperlagerung während der Operation, Infektionen, Übelkeit und Erbrechen mit Einatmung (Aspiration) des erbrochenen Materials, Atemprobleme, Herz- Kreislaufstörungen und in eigenen Fällen sogar Tod. Das Auftreten von Komplikationen ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und ist von verschiedenen Faktoren (Patientenalter, Vorerkrankungen, kardiopulmonale Funktion) abhängig. Diese Faktoren werden im Rahmen des Aufklärungsgesprächs mit dem Anästhesisten berücksichtigt und das Narkoserisiko wird nach der sogenannten ASA- Klassifikation eingeschätzt (Tab. 1). 3

American Society of Anaesthesiology (ASA) Klassifikation Mortalität* ASA 1 Normaler, gesunder Patient <0,4% ASA 2 Patient mit leichter Allgemeinerkrankung <0,4% ASA 3 Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung 1,4%-3,2% ASA 4 Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung ist. 4,4%-7,3% ASA 5 Moribunder Patient, der mit und ohne Operation voraussichtlich die nächsten 24 h nicht überleben wird Ungekannt ASA 6 hirntoter Patient, dessen Organe zur Organspende entnommen werden Unbekannt Tab. 1 ASA Klassifikation. * Prause et al. Anaesthesia. 1997 Mar;52(3):203-6 ; Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen (NME) können aufgrund folgender Ursachen ein erhöhtes Narkoserisiko zeigen: Genetische Veranlagung (z.b. Mutationen in bestimmte Genen) Krankheitsbedingte Mitbeteiligung anderer Organsystemen (kardiale- o- der pulmonale Insuffizienz, Skoliose) Hypothermie bei reduzierter Muskelmasse. Störung der Membrane der Muskelzellen bei Verwendung bestimmter Narkosemittel. Einige Anästhetika (wie z.b. Halothan) und Muskelrelaxanzien (z.b. Succhinylcholin) können folgende lebensbedrohliche Komplikationen auslösen: Maligne Hyperthermie (MH), Rhabdomyolyse und Hyperkaliämie mit Herzstillstand. Die MH ist eine extrem seltene anästhetikainduzierte Komplikation, die bei Patienten mit einer genetischen Veranlagung (z.b. RYR1 Mutationen) auftreten kann. Es führt zu einer Stoffwechselentgleisung der Muskulatur mit Temperaturerhöhung, erhöhte Produktion von CO 2 und Laktat, übermäßige Muskelkontraktion und Zerstörung der Muskelzellen. Als Rhabdomyolyse wird der massive Untergang der Muskelfasern mit Freisetzung verschiedener intrazellulären Substanzen (CK, Myoglobin, Kalium) in Blut bezeichnet. Aus diesen Gründen wird die Allgemeinanästhesie bei Patienten mit NME nach spezifischen Protokollen durchgeführt (Tab. 2). Ein höheres Narkoserisiko besteht auch für Patienten mit Myotoner Dystrophie. Vor allem sind Patienten mit DM1 gefährdet. Hier treten Komplikationen in ca. 8%, der Narkose auf, während bei DM2 Patienten das Narkoserisiko bei ca. 0,6% liegt. Die beobachteten Komplikationen sind meistens auf zwei Ursachen zurückzuführen: Atemprobleme und Myotonie. Wie in den letzten Registerinformationen bereits berichtet, sind die Atembeschwerden und die Myotonie bei DM1 besonders ausgeprägt, weswegen auch das Narkoserisiko in diesen Patienten erhöht ist. Bei DM Patienten folgt die Allgemeinanästhesie den gleichen Protokollen wie bei Patienten mit NME, es müssen jedoch einige spezifische Maßnahmen eingesetzt werden (Tab.2). Die Myotonie kann durch spezifische Muskelrelaxanzien und Narkosemittel induziert oder verstärkt werden. Das kann zu Kontraktionen der Kaumuskulatur (Masseterspasmus) und der Atemmuskulatur führen, die die Intubation und die Beatmung während der Narkose erschweren, so dass diese Medikamente ver- 4 Impressum Friedrich-Baur-Institut Ludwig-Maximilians-Universität Ziemssenstr. 1a D-80336 München germany@dm-registry.org

mieden werden sollen (s. Tab. 2). Darüber hinaus müssen auch während und nach der Operation andere Umstände, die eine Myotonie auslösen können, verhindert werden, wie niedrige Körpertemperatur (Hypothermie), Schüttelfrost, Elektrolytstörungen und die Verwendung eines elektrischen Skalpells. Außerdem zeigen DM Patienten eine vermehrte Empfindlichkeit gegenüber Medikamente, die die Atemfunktion reduzieren (Atemdepressiva), diese können zu langdauernden Apnoe (Aussetzen der Atmung) und zu einem Atemfunktionskollaps führen. Die Dosierung dieser Medikamente soll daher reduziert werden und die respiratorische Funktion intra- und postoperativ streng kontrolliert werden (s. Tab. 2). Eine Zusammenfassung aller wichtigen Richtlinien zum Thema Narkose bei DM Patienten finden Sie in der Tabelle 2. Bitte beachten Sie, dass die gegebenen Informationen nur genereller Natur sind, diese sollen mit dem Narkosearzt besprochen werden. Tabelle 2 Narkose bei NME und DM Patienten: Zusammenfassung Bevorzugen Sie eine regionale/lokale Anästhesie vor eine Allgemeinanästhesie/Vollnarkose wenn möglich! Präoperative Aufklärungsgespräch zur Risikoprofil Einschätzung Evaluation des Schwergrades der neuromuskulären Grunderkrankung, Herzbeteiligung, Atemeinschränkung, Schluckstörung, Skoliose, etc.. Vorbereitung EKG, Echokardiographie, Lungenfunktionsprüfung, BGA, Rö. Thorax, Voruntersuchungen Blutuntersuchungen Durchführung der Narkose Postoperative Überwachung Prämedikation mit beruhigungsmitteln/ atemdepressiven Medikamenten vermeiden Muskelrelaxanzien* (*wenn möglich vermeiden) Narkosemittel (Anästhetika) Intraoperatives Monitoring Hypothermie/myotone Reaktionen verhindern Respiratorische Funktion Überwachung Vermeiden: Benzodiazepine Erlaubt: Clonidin Vermeiden: Succhinylcholin! Cholinesterasehemmstoffe. Erlaubt: Rocuronium, Vecuronium, Mivacurium Vermeiden: volatile Anästhetika (Halothan, Desfluran, Sevofluran), Erlaubt: in reduzierter Dosierung!: Propofol, Remifentanil Generell: EKG, NIBP (ggf., invasive Blutdruckmessung), SpO2, etco2, BGA, Relaxometrie, Temperaturmessung Myotonie Auslöser vermeiden: Hypothermie, Schüttelfrost, Hypo-/ Hyperkaliämie, elektrisches Skalpell. Bei Auftreten einer Myotonie: Midazolam verabreichen Wärmen evtl. auch mit Medikamente: Pethidin, Nefopam, Clonidin Autonom? Maschinelle Beatmung nötig? Hustenstoß/Bronchialtoilette effizient? 5

Neues aus der Forschung Medikamentenstudie bei DM1 Patienten: ISIS-DMPKRx Im Dezember 2014 hat Isis Pharmaceuticals, INC. (NASDAQ: ISIS) in den USA mit einer Medikamentenstudie für Patienten mit Myotoner Dystrophie Typ 1 begonnen. Das Medikament, genannt IONIS-DMPKRx, hatte das Ziel, den zugrundeliegenden genetischen Defekt der Myotonen Dystrophie Typ 1 anzugreifen. Der Angriffspunkt des Studienmedikamentes waren die sich bei DM1 Patienten ansammelnden toxischen RNAs. Die Produktion dieser toxischen RNA sollte reduziert werden und dadurch die normale Zellfunktion wieder hergestellt werden. Eine detaillierte Erklärung über die Studie und über den Wirkmechanismus des Medikamentes finden Sie in unserer 2. Registerinformation (https://www.dm-registry.org/de/index.en.html). Der Hauptzweck dieser Studie war die Prüfung der Sicherheit und Verträglichkeit dieser neu entwickelten Substanz, jedoch wurde zum Teil auch ihre Wirksamkeit durch Messungen der Kraft und der Myotonie sowie Muskelbiopsien überprüft. Die Ergebnisse wurden jetzt analysiert und veröffentlicht. Obwohl das Medikament einige Veränderungen des RNA produzierte, waren diese Veränderungen nicht ausreichend, um relevante klinische Verbesserungen zu bewirken. Aus diesem Grund hat sich Isis Pharmaceuticals/Biogen gegen eine Fortführung der Studie IONIS-DMPKRx entschieden. Dank dieser Studie konnten jedoch Forscher wichtige Erkenntnisse zur Verbesserung des Medikaments gewinnen und sie arbeiten bereits an der Optimierung der Therapie. Derzeit existieren auch keine vergleichbaren medikamentösen Studien zur ursächlichen Behandlung der Myotonen Dystrophie. Wir werden Sie weiterhin informieren, sobald neue Medikamente getestet werden! Studien zu Myotoner Dystrophie aus dem Friedrich Baur Institut: Zwei Fragebogen-Studien erfolgten 2016 über die Myotone Dystrophie. Die erste Fragebogen-Studie war an die Patienten mit DM2 adressiert, um die Herkunft der Krankheit besser zu verstehen. Die Häufigkeit (Inzidenz) der Myotonen Dystrophie Typ 2 (PROMM) ist in Deutschland/Polen/Finnland viel höher als im Rest Europas und der Welt. Uns ist aufgefallen, dass viele Familien unserer PROMM- Patienten aus Schlesien und Ostpreußen stammen. Wir wollten diese Hypothese durch unsere Studie erforschen. Es haben insgesamt 130 Patienten an dieser Studie teilgenommen, die Informationen über die Herkunft ihrer Eltern und Großeltern gegeben haben. Die Tabelle 3 fasst die erhaltenen Antworten zusammen. Hier scheint ein größerer Anteil von erkrankten/möglich erkrankten Ahnen (Vorfahren) aus dem heutigen Polen (vor allem Schlesien) zu stammen (Abb. 3, gelbes Oval), verglichen zu den nicht erkrankten Ahnen. Kein signifikanter Unterschied wurde bezüglich der Abstammung aus Ostpreußen gefunden. Trotz der relativ geringen Anzahl von Teilnehmer scheint somit unsere Hypothese bestätigt. Die Inzidenz der Myotonen Dystrophie Typ 2 scheint in der schlesischen Bevölkerung besonders hoch. Wir werden im nächsten Schritt versuchen, weitere Patienten zu befragen, um noch detailliertere Ergebnisse gewinnen zu können. 6

Die zweite Studie war eine Online-Umfrage in Kollaboration mit der DGM über das Thema "Frühsymptomen der Myotonen Dystrophie Typ 1 und 2" (Ansprechpartner: Cand. med. Moritz Retzer und Prof. Dr. B. Schoser). Diese Studie befindet derzeit in Auswertung der erhobenen Daten. Mit den ersten Ergebnissen wird im Herbst 2017 gerechnet. Wir möchten uns bei allen Studienteilnehmern für Ihres Engagement und Ihre Interesse herzlich bedanken! Tab.3 Herkunft der befragten DM2 Patienten und denen Ahnen 1. Generation Keine Total/ DE Schlesien/Polen Osteuropa p-value (DM2 Patientenkollektiv) Angabe Gesamt DM2 Patienten 120 8 2 0 130-2. Generation Keine DE Schlesien/Polen Osteuropa TOT p-value (DM2 Patienteneltern) Angabe Gesund 93 (79%) 19 (16%) 6 (5%) 12 (9%) 130 Vermutlich an DM2 12 (9%) 62 (52%) 44 (37%) 12 (10%) 130 <0.001 erkrankt Total/Gesamt 155 63 18 24 260 3. Generation Keine (DM2 Patientengroßeltern) DE Schlesien/Polen Osteuropa TOT p-value Angabe 106 93 (40%) Gesund 26 (19%) 8 (6%) 233 (76%) Vermutlich an DM2 37 (16%) <0.001 86 (44%) 86 (44%) 24 (12%) 233 erkrankt Total/Gesamt 192 112 32 130 466 BITTE DENKEN SIE DARAN, IHRE ANGABEN IM REGISTER REGELMÄßIG ZU AKTUALISIEREN! Das Register kann nur genutzt werden, wenn die über Sie enthaltenen Informationen vollständig und aktuell sind Dr. Federica Montagnese, Simone Thiele, Dr. Stephan Wenninger, Prof. Dr. Benedikt Schoser 7